
Eigentlich sollte unser „keuscher Zusatzfilm“ #KeuZ dieses Mal nicht, wie bereits im Juli, wieder aus Zentralasien, sondern aus Italien zu uns kommen. Tücken des 35mm-Schicksals und technische Gründe haben uns jedoch dazu bewogen, in letzter Minute Flugtickets nach Taiwan zu buchen, um uns dem SHAOLIN KUNG FU (達摩密宗血神飄 1976) des in der deutschen Fassung titelgebenden gelben Tigers zu widmen. In rasendem Tempo wird er uns aus der Tiefe der Kinoleinwand entgegenrauschen in diesem aerodynamischen Leinwandspektakel à la bonne heure, welches augenscheinlich ein verhinderter 3D-Film ist, der seiner Zweidimensionalität mit übergriffiger Kadrage und entfesselter Flugakrobatik trotzt: Fliegende Grabsteine und messerscharfe Bumerangs werden unmittelbar an uns vorbeischwirren, Falltüren sich öffnen und Gitter vor unserer Nase herabsausen, wenn Peng-Yi Chang seinen wirbelwindigen Hauptdarsteller Carter Wong durch eine abenteuerliche Fabel von Intrige und Verrat aus dem China des 17. Jahrhunderts segeln lässt. Umso größer ist die Freude, als wir möglicherweise die entsprechende Filmkopie, welche uns vor Kurzem zuflog, als Erste zu Gesicht bekommen werden: wie aus dem Ei gepellt hat sie jahrelang auf unsere fiebrigen Blicke gewartet und ist, wie’s scheint, stets den Attacken fahrlässiger Bahnhofskinofilmvorführer (wenn auch nicht dem bei Fuji-Filmmaterial je nach Kopiengeneration unvermeidlichen Fading) entronnen. Weiterlesen “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #12” »
„Als ich 16 Jahre alt war wollte ich selbstverständlich ein Gynäkologe werden. Das ist natürlich; jeder 16-Jährige will das. Als ich 19 war, wollte ich ein Kommissar sein. Jetzt bin ich Filmregisseur, das ist so etwas dazwischen“, resümierte der große Zbyněk Brynych 1994 HK-affin im Interview mit den rasenden SGE-Reportern Rainer Knepperges und Stefan Ertl. Zu diesem Zeitpunkt, kurz vor seinem Tod, konnte Brynych auf einen voluminösen Filmkörper zwischen Prag und München, zwischen den Barrandov-Studios und der Fernseh-Schmiede des Produzenten Helmut Ringelmann zurückblicken. Hundertfach hatte er teutonische Krimiserien wie „Derrick“, „Der Alte“ und „Der Kommissar“ mit lässiger Ultrakunst, süffisanten Verstrahlungen und knallharten Ironie-Schocks durchsetzt, mehrfach war er für seine kafkaesken tschechischen Filme über den Holocaust, seine Nachwehen und den kalten Krieg ausgezeichnet worden. Umso größer war angesichts letzterer Lorbeeren die Enttäuschung des ehrenvoll graumelierten deutschen Feuilletons, als es im Jahr 1970 der drei wundersamen, manischen und feinsinnig wollüstigen Kinofilme ansichtig wurde, die Brynych, endlich von höheren Sowjet-Instanzen unbehelligt, in euphorisch kurzer Abfolge für deutsche Produktionsfirmen gedreht hatte: ENGEL, DIE IHRE FLÜGEL VERBRENNEN, einer „eskapistische Raserei“ (Stefan Ertl), DIE WEIBCHEN („Es ist der Hunger, der große Hunger…“) und dem vielleicht schönsten, zärtlichsten und auch HK-relevantesten dieser drei Filme, OH HAPPY DAY, mit dem wir am 02. Januar um 21:15 im Filmhauskino die erste Kongressnacht und unser Special München im HK-relevanten Film 1969 – 1971 rauschhaft eröffnen werden. Es ist jener Film, der im Mai 2010 den Grundstein legte für die seither unvermindert anhaltende und bei jeder sich bietenden Gelegenheit geäußerte Bewunderung des Hofbauer-Kommandos für Zbyněk Brynych, und wir fiebern voller Ungeduld der Wiederbegegnung mit diesem immer noch allzu wohlbehüteten Geheimnis des deutschen Films entgegen, dieses Mal in eurer unschätzbaren Gesellschaft. Verlieben wir uns gemeinsam unsterblich in Anna – Anton, Nordpol, Nordpol, Anton. Weiterlesen “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #11” »

Wenn die Mafia das Bahnhofskino betritt, merkt das Hofbauer-Kommando auf. Zu wonnevoll und eindringlich sind die Erinnerungen an Norbert Meisels DER ZERSTÖRER (MAFIA GIRLS), der sich bei einem der frühen Kongresse auf Anhieb den Weg ins HK-Pantheon geschmiert hat. Glückseligmachende und frei aufatmen lassende, abgrundtief trist-brachiale Verkommenheit und Schäbigkeit, bei der uns nachhaltig wohl um Herz und Hose wurde. Einen ähnlichen Meilenstein erwarten wir freilich nicht, wenn wir uns nun dennoch mit einiger Vorfreude einen anderen Mafia-Sexploitationfilm vornehmen, der kurz vor THE GODFATHER veröffentlicht wurde und dessen Originaltitel THE GODSON die Vermutung nahelegt, dass er bereits mit spekulativem Blick auf Coppolas Film eilig runtergekurbelt wurde, um auf zwielichtigerem Territorium auch ein paar Kneten abzugreifen. Weiterlesen “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #10” »

„Die Siebziger begannen Ende der Sechziger“. Das stellte Markus Caspers in seinem famosen Buch „70er – einmal Zukunft und zurück“ fest. Und „Dekaden halten nicht immer 10 Jahre und schon gar nicht, was sie versprechen“. Ab 1974 ging es schon wieder bergab. Die regressive Desillusionierungsmaschinerie startete, man flüchtete in Bekanntes und Bewährtes. Folgerichtig, dass schon 1971 die ersten Memoiren Rosemarie Heinikels erschienen, die nicht erst durch ihren Auftritt in Peter Baumgartners …UND NOCH NICHT SECHZEHN zu einem leuchtenden Stern im HK-Kosmos wurde. „Rosy Rosy“ ist eine Gehirnsynapsen sprengende Radikalperformance in
Worten, ein einzigartiges Zeitmonument, das von Seite zu Seite wilder und delirierender, schöner und wahrhaftiger wird. Ein Buch, das lebt.
Von 1969 bis 1971 war in München noch jeder Nerv in fiebriger Erregung. Die Realität lief der Fantasie davon. Und hatte einen großen Vorsprung. Es war ein Schlaraffenland der pikanten Genüsslichkeiten. Ein hedonistisches Karussell der allgegenwärtigen Verlockungen. Frechen Küken und hungrigen Seejungfrauen strömte es heiß durch Mark und Bein, die Luft vibrierte vor Euphorie. Schwabing schien das Zentrum des Universums zu sein. Hübsche Mädchen hießen Hasen. Die Playboys, „Münchner Raben“ genannt, gingen ihnen gerne zur Hand, mehr smart als hart. Noblesse oblige. Schließlich liebte man die Frauen. Und nicht nur eine. München war die Stadt mit offener Bluse und ohne BH. „Was nutzt die schönste Frau, wenn es die eigene ist?” fragte seinerzeit Klatschkönig Michael Graeter, und das nicht zu selten, denn er wusste alles über eine Gesellschaft, „die sich die Hand im fremden Schritt gibt.“ Weiterlesen “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #9” »
Ruckus
Max Kleven USA 1980
„Jedes Jahr kam sie und verbrachte mit ihrer Mutter den Sommer bei uns. Bei Tage tat ich alles, um ihr aus dem Weg zu gehen. Ich hielt mich ihr gegenüber stets bedeckt. Doch Abends, wenn sie nach oben ging, in ihr Schlafzimmer, stand ich oft vor ihrer Tür und stellte mir vor, wie sie dahinter in ihrem Bett lag…“, entsinnt sich schwermütig Marco, einer der Protagonisten von WO, WANN, MIT WEM? (Antonio Pietrangeli, Valerio Zurlini, 1969). Melancholisch und mit rumorender Hose gedenkt er jener Tage, als er von der Kindheit hinüber in die Adoleszenz trübte und erste zarte Knospen des Begehrens ihn umschwirrten und verwirrten. Nun, 40 Jahre und kein bisschen weise, jagt er ihnen immer noch nach, den seltsamen Schatten der ersten Lust, die durch sein Leben und die feudale Villa seiner Eltern geistern.
Jene Trutzburg des Verzichts bewohnt er mit seiner schönen Gattin Paola, doch seit sich in Marcos Kopf der süße Vogel der verflüchtigten Jugend niedergelassen hat, leidet das gutbetuchte Miteinander unübersehbar an Erschlaffungen und erotischer Konzentrationsschwäche. All das ändert sich, als Alberto, ein Jugendfreund von Marco, nach Jahren im argentinischen Exil nach Turin zurückkehrt und sich verständnisvoll Paolas Sorgen annimmt. Weiterlesen “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #8” »
Anknüpfend an den kleinen skandinavischen Schwerpunkt beim Frankfurter HK-Sondergipfel, verschlägt es uns auch im Januar noch einmal für eine Spielfilmlänge nach Dänemark. Zu einem einstigen Skandalfilm, der bei seinem Erscheinen 1966 für einigen Wirbel sorgte und indirekt als einer der Wegbereiter für die Liberalisierung der Filmzensur in Dänemark gilt, wo bereits 1969 das Verbot von Pornografie aufgehoben wurde – was das Land für einige Jahre zu einer der führenden Exportnationen auf diesem Gebiet machte, bevor nach und nach andere europäische Länder nachzogen. In Deutschland musste man sich noch bis 1975 gedulden und zunächst auf dem florierenden Schwarzmark mit heimlich importierten Materialien der nordischen Nachbarn vorlieb nehmen. Weiterlesen “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #7” »