Round ’n‘ round the boogeyman goes – Halloween Kills (2021)





„Halloween Kills“, der immerhin schon zwölfte Teil der langlebigen Reihe um den lahmbeinigen Bürgerschreck Michael Myers, zweite Fortsatz eines zweiten Reboots und Mittelteil einer neuen Trilogie beginnt, wie in Zukunft idealerweise jedes Franchise seine bloß vordergründig endenden Bahnen ziehen sollte. Als Fußreise, als Fahrt aufnehmende Geisterbahnfahrt durch den Ort, an dem alles anfing und zahllose Male wiederbegann, kommentiert von Figuren, die ursprünglich nie dort waren. Als Remix. Zwei weitere Verkettungen nach wie neben dem Rückblick und schon befindet man sich mittendrin in zweifacher, dreifacher, mannigfacher Hinsicht – ungefragt tief ins filmische Universum, seinen Kanon, die irrelevanteren Teile seiner Hintergründe verfrachtet, als Fremde, als Reihennerds direkt neben der von einem anderen Werk her ausblutenden Jamie Lee Curtis auf der Ladefläche eines rasenden Pick-ups in Richtung bloß weg in die Nacht; kurz: im strammen Tempo der Inszenierung, die keine Fragen aufwirft, jedoch alle beantwortet. Das Alte und die Gegenwart eben auch des Franchisekinos so unmittelbar nebeneinander zu schachteln, ist ein simpler Trick mit großer kinetischer Freude.

Will man „Halloween Kills“ auf einen forschen Triumph verdichten, so muss es der sein, mustergültige Erzählformen kultiviert zu haben, um neue Augen erfolgreich in immergleiche Bilder zu locken, sie aber zeitgleich vom Ballast des Einstigen zu entkoppeln. Maximal effizientes Adstringieren für Schluderjane (wie mich), die beim artigen Besuch aller Vorgänger mal wieder nachlässig waren, auf eine Art und Weise inklusiv, die das Abmelken etablierter Konzepte selten kennt – Vorkenntnisse sind kaum nötig, alles erklärt sich aus den Interaktionen, der unentwegten formalen Dringlichkeit, der rabiaten Gewaltansammlung. David Gordon Green konterkariert entspannte Nacherzählung mit rasches Handeln erfordernder work in progress. Mittendrin, eben auch in einer weiteren tour of Halloween survival duty.

Konsequenterweise wird das Franchise in Folge kontinuierlich zum Themenparkfahrgeschäft weiterentwickelt, in dem alles unentwegt zirkuliert – alte Heldinnen, neue Opferfiguren, Referenzen, Variationen kleiner oder größer, aufpumpende Carpenter-Melodien, das haptische Vergnügen einer 78er Locksimulation inklusive gerechnetem Filmkorn und Donald-Pleasence-Imitat eingespeist ins kulturelle Gedächtnis einer geplagten Kleinstadt auf Dauerrotation. Wenn der Film sich gar nicht bewegen müsste, um alten Fanrecken die Stange zu halten, führt er zuverlässig gleich drei Manöver parallel aus, ohne je in abgeklärter Resignation wirklich zu verraten, wo es denn nun final hingehen soll. Im Kreis drehen, fahren, die Straßen im Hometurf als Bürgerwehr abpatrouillieren, sich trennen, obwohl man es lieber unterlassen sollte – das alles ist verspielter als der vordergründig ausgestellte und dankbar alleinig aufgesogene Politkommentar es vermuten lässt, beißt sich hübsch mit ihm. Alles ohne akuten Bindungsdrang, alles ganz für sich hocherquicklich.

Sämtliche Figuren der allzu zahlreichen Stränge finden irgendwann beisammen, Gore in handelsüblichen Mengen zwischen ihnen. Alles ist stets neu gewürfelt, aufregend, rapid, ohne das Willkommen überzustrapazieren, bisweilen dann mit seiner narrativen Abwärtsspirale die Sitzhaltung ins unrettbar in die Polster Gepresste verkehrend. „Halloween Kills“ ist die seltene Attraktion, die ungemein davon profitiert, ohne bereits auf der Hinfahrt gestempelte Fahrkarte zuzusteigen. Möglicherweise braucht man nicht einmal die Aussicht auf unvermeidlichen Abschluss des Bogens. Die Freuden sind hier ganz profane, gegenwärtige: Sich von der durch seelischen Ballast eingetrübten Stand-up-Show in einer Bar der ungewusst oder bewusst bereits verlorenen Seelen einschwören zu lassen auf einen dieser Spätvierzigerjunggesellenabschiede mit salopper Grenzübertretung, die man zuverlässig dort auffindet, wo sie am deplatziertesten sind. Danach dann austrüben im Hospital, weil man es mal wieder zu weit getrieben hat. Zwischen den Polen dieses kartografischen Netzes über Haddonfield bewegt sich das Leben hier mehrheitlich – eine triste Existenz, kein Wunder, dass alle durchdrehen, die Welt über das kleinste Teil hinaus zu einer geraten lassen, in der die (nun wahrlich übermäßig) effiziente, fleißig-disziplinierte Killermaschine Michael Myers zu einem bemitleidenswerteren Außenseiter gerät, als sie es ohnehin immer war. Die vielbeschworene Bitternis dieses filmischen Endpunktes in der unbeirrt weiterlaufenden Mitte ist eine mitfühlende, nicht ohne ein letztes friedloses, dennoch kehliges Lachen über das Weltgeschehen als heruntergewirtschafteter Freizeitpark. Etwas natürlich, das wir alle dieser Tage mal wieder von innen gebrauchen könnten und damit ein schönes Exemplar des gepflegten Die-Welt-als-Irrenhaus-Filmes.


Halloween Kills – USA 2021 – 106 Minuten – Regie: David Gordon Green – Produktion: Malke Akkad, Jason Blum, Bill Block – Drehbuch: David Gordon Green, Danny McBride, Scott Teems – Kamera: Michael Simmonds – Schnitt: Tim Alverson – Musik: Cody & John Carpenter, Daniel A. Davies – Darstellende: Jamie Lee Curtis, James Jude Courtney/Nick Castle, Judy Greer, Andi Matichak, Anthony Michael Hall u.v.a.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, November 3rd, 2021 in den Kategorien Aktuelles Kino, Ältere Texte, André Malberg, Blog, Blogautoren, Essays, Filmbesprechungen, Zeitnah gesehen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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