14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #7



Ei ei, was sticht mich denn da?

Anknüpfend an den kleinen skandinavischen Schwerpunkt beim Frankfurter HK-Sondergipfel, verschlägt es uns auch im Januar noch einmal für eine Spielfilmlänge nach Dänemark. Zu einem einstigen Skandalfilm, der bei seinem Erscheinen 1966 für einigen Wirbel sorgte und indirekt als einer der Wegbereiter für die Liberalisierung der Filmzensur in Dänemark gilt, wo bereits 1969 das Verbot von Pornografie aufgehoben wurde – was das Land für einige Jahre zu einer der führenden Exportnationen auf diesem Gebiet machte, bevor nach und nach andere europäische Länder nachzogen. In Deutschland musste man sich noch bis 1975 gedulden und zunächst auf dem florierenden Schwarzmark mit heimlich importierten Materialien der nordischen Nachbarn vorlieb nehmen.

Stein des Anstoßes in Knud Leif Thomsens GIFT, der international VENOM heiß und hierzulande kurzerhand zur STRANDBIENE wurde, waren einige Film-im-Film-Szenen, in denen es deutlich expliziter zuging, als man das seinerzeit durchgehen lassen konnte. Wie der Exorzist dem teufelsbesessenen Sünder mit Weihwasser und dem Entgegenrecken des christlichen Kreuzes beizukommen trachtet, so malte man kurzerhand weiße Kreuze in den Film hinein, um den Genuss allzu freizügiger Details buchstäblich zu durchkreuzen. Ein Mittel des Eingriffs, das Thomsen allerdings bewusst der üblichen Entfernung der inkriminierten Szenen vorzog, um den Vorgang der Zensur unübersehbar transparent zu machen und damit eine öffentliche Debatte anzustoßen. Das Marketing zum Film stapelte dementsprechend nicht gerade tief, sondern proklamierte: “The Motion Picture that Establishes a New Sexual Moral Code!” und “If You Think You Have Seen Scandinavian Films as Daring as They Are – Prepare Yourself for a New Experience in Adult Motion Picture Making!”

Das im Original titelgebende Gift ist ein mysteriöser, arroganter und manipulativer junger Mann namens Per, der schleichend das Leben einer bürgerlichen Mittelstandsfamilie infiziert und dabei nichts außer seinem stets griffbereiten Joint anbrennen lässt. Er taucht eines Tages wie aus dem Nichts mit dem Speedboot vor dem sommerlichen Ferienhaus der Familie auf und schickt sich rasch an, das Mädchen des Hauses (die „Strandbiene“) zu verführen und zu verderben, während es ihm diebische Freude bereitet, den gestrengen Vater zu provozieren und schließlich auch die unerfüllte Mutter anzustacheln. Bewaffnet ist er dabei mit einer kleinen 16mm-Kamera, mit der er sein Umfeld zusätzlich penetriert und dabei auch im Bett nicht halt macht. So surrt oft die Schmalfilmkamera, während es im Honigtopf der Strandbiene genüsslich summt…

Im sittenstrengen Dienste des Films hat Onkel Fürchtegott dafür einmal mehr wenig übrig: „Einen „frechen Spaß aus Dänemark“ nennt der Verleih den Film. „Grobe Spekulation“ ist jedoch die angemessenere Kennzeichnung für diesen überflüssigen Import, in dem alle zwischenmenschlichen Beziehungen auf animalische Sexualität reduziert werden. Das Thema: Versagen zahlloser Menschen und besonders vieler Eltern vor dem geschlechtlichen Bereich des Lebens und vor der Aufklärung, ist wichtig genug, um in einem Film behandelt zu werden. Entschiedenen Widerspruch aber gegen einen Film, der sich in einer so rohen und unsauberen Weise wie hier, ohne die Spur einer künstlerischen Überhöhung, mit diesem Thema befaßt. […] Im Mittelpunkt der Handlung steht nicht die titelgebende „Strandbiene“, die Tochter eines Häusermaklers, sondern ein fauler und frecher Nichtstuer, der nur aktiv bei Frauen wird und auch noch die Bettszenen mit ihnen filmt. Mit Hilfe dieser Produkte „erlegt“ er dann neue Opfer.“

Ob DIE STRANDBIENE heute noch in der Lage ist, uns zu „erlegen“ und einen giftigen Stachel zu versetzen, oder ob die winterliche Kälte wirksam gefährlichen filmischen Insektenstichen vorbeugt, werden wir voraussichtlich in der zweiten Nacht des Januar-Kongresses heraus finden.

Ei ei, wer filmt mich denn da?

Dieser Beitrag wurde am Freitag, Dezember 5th, 2014 in den Kategorien Blog, Das Hofbauer-Kommando, Festivals veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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