Filmvorschau #1

Call Her Savage
John Francis Dillon  USA  1932

Die Porno-Killer (1980)

oder: das beste aller möglichen Sprungbretter ins kalte Wasser

Das wird nie wieder weggehen. Das wird nun immer so bleiben. Ein Fakt setzt sich so leicht in die Welt. Der erste Film, den ich nach drei lernintensiven Monaten Anfang dieses Jahres in Florenz auf Italienisch, ohne hilfreiche italienische Untertitel – die hier ohnehin nicht zur Verfügung standen – zu sehen gewagt habe, wird nun immer Roberto Mauris LE PORNO KILLERS gewesen sein. Man will sich schließlich nicht überfordern und das Wagnis mit Spaß kompensieren, dachte ich.


Roberto Mauri. Ich mochte schon seinen spartanischen, rohen Italowestern LA VENDETTA È IL MIO PERDONO (1968) sehr und freue seit geraumer Zeit seinem auf den ersten Blick enorm seltsam anmutenden übernatürlichen Thriller MADELEINE ANATOMIA DI UN INCUBO (1972) entgegen.
Roberto Mauri. Vormals also Regisseur von Sandalenfilmen, Abenteuerfilmen, Horrorfilmen und diversen teils ihrer Reputation nach berüchtigt schundigen Italowestern, war 56 Jahre alt, als er mit dieser schmuddeligen und gewiss sehr günstig produzierten Miniatur seine Karriere beschloss. Ob er sich schon längst zur Ruhe setzen und sich lediglich seinen Lebensabend versüßen wollte oder ob ihn die Schrumpfung der italienischen Filmindustrie, deren langer, qualvoller Tod wenig später seinen Lauf nehmen sollte, von der Bildfläche entfernte – man wird es vermutlich nie erfahren. Das ist aber auch egal. Es ist aufregender, nichts darüber zu wissen. LE PORNO KILLERS ist so oder so ein denkbar schönes und illustres Ende für eine solche B-Karriere, meine ich. Vielleicht exaltiere ich dieses „B“ in meiner Vorstellung zu sehr. Die dreckige Schönheit meiner schäbigen Kopie – die qualitativ grauenvolle Digitalisierung einer halb geschredderten Videokassette, die ihrerseits offensichtlich von einer schwer mitgenommenen 35mm-Kopie abgefilmt wurde – lässt rationales ästhetisches Empfinden nicht zu. Man wälzt sich lustvoll in rustikalem Bilderbrei und Schmutz, lässt den „Videoknüppel“ genießerisch geschehen.

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Johnny Hamlet (1968)

 

Regie: Enzo G. Castellari – Kamera: Angelo Filippini – Musik: Francesco De Masi

 

 

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Bruce Lee gegen die Supermänner

Der Dümmling feiert und der Kümmerling reiert. Versuch einer Annäherung an die Rotz-Gurke des Jahres 1975*. Weiterlesen…

Exklusiv!!! – Eskalierende Träume präsentiert:
Die 100 schönsten Nonnenfilme!!!

Von anerkannnten Regienonnen empfohlen!

Neulich in mystischer Morgendämmerung: Sano und Alex S. taumeln durch Mainzer Straßen, wie immer unterwegs im 24-Stunden-Dienst für ESKALIERENDE TRÄUME auf der ständigen Suche nach Ultrakunst, Schangel und Sleaze, als plötzlich… Weiterlesen…

Sollte man sich freuen…

…dass der deutsche Major Kinowelt von Studio Canal und damit von einem französischen Major übernommen worden ist?
Darf man utopische Hoffnungen hegen, dass mit der ewigen Kinowelt-Lieblosigkeit im Verleih aktueller Filme und Heimvideo-Veröffentlichung von Backkatalog-Titeln nach Vorbild der stellenweise dezent überlegenen französischen und britischen Branches ein wenig aufgeräumt wird? Werden wir plötzlich ganz viele ganz tolle Studio Canal-Titel aus dem französischen und britischen Programm abbekommen? Wird Kinowelt jetzt aufhören, eine Schlock-Firma zu sein? Werden die Franzosen machen, das alles wieder gut wird? Besteht eine winzige Chance, dass sich irgendetwas am Firmenprofil der Kinowelt ändert, dass nicht gleich das Anschwellen des kapitalistischen und kunstfeindlichen Blutegels, dieses nimmersatte Weiterexpandieren, Weiterglobalisierung der Filmdistribution, zur Folge hat? Ist es nun ein kontinental-exotischer Thrill, als deutscher Filmvorführer eine deutsch synchronisierte 35mm-Kopie des sehr schäbig nach Sozialporno aussehendem MEIN STÜCK VOM KUCHEN zu starten und dann diese „himmlische“ Verleihmarke zu sehen, die man persönlich in erster Linie von (britischen) Import-DVDs diverser europäischer Kanon-Filmklassiker im Gedächtnis abgespeichert hat? Haben Studio Canal in Frankreich ein ausgeprägteres Profil als die Kinowelt in Deutschland? Würden französische Filmemacher und Cinemenschen von diesem Imperium Gutes berichten?

Nein, möchte ich sagen. Es ist nicht beruhigend, darüber nachzudenken. Deswegen auch keine Filmecho-Gesten hier. Ich finde es nur eigenartig, dass diese Übernahme, bzw. die endgültige Umbenennung, meiner Wahrnehmung nach im deutschen Netz kaum kommentiert worden ist, nicht zuletzt auch von „Menschen vom Fach“. Vielleicht muss ich eben doch öfter Blickpunkt Film oder das Filmecho lesen, wenn mich sowas interessiert (tut es, eigentlich, nicht). Es ist doch schließlich bemerkenswert und eigentümlich, dass der größte deutsche Filmverleih ausgerechnet mit seinem, mehr oder minder, französischen Pendant fusioniert ist. Wenn die Kinowelt nun bei Warner läge oder mit Concorde einen deutschen Gesamtkoloss gebildet hätte – aber nein, also ausgerechnet bei Studio Canal . Und das schon seit 2008! Als ich das, in einem Gespräch mit einem Kinobetreiber, im August erfuhr, habe ich erstmal einige Minuten lang die Stirn gerunzelt.

Warum ich dieses Jahr nicht mehr zur Berlinale gegangen bin

Eigentlich wollte ich zur diesjährigen Berlinale einen Artikel mit dem Titel und Thema „Warum ich nicht mehr zur Berlinale gehe“ (zu Ende) schreiben um ihn an dieser Stelle zu veröffentlichen. Irgendwie hat man ja das Gefühl, sich zu diesem Festivalgroßereignis in Deutschland äußern zu müssen. Und natürlich sich zu erklären, wenn man ewig nur rummotzt, zetert und stänkert – weil es ja doch immer wieder „auch Gutes und Großartiges“ zu sehen gibt. Natürlich gibt es auf der Berlinale auch schöne Filme zu sehen. Aber können die Filme was dafür? Und müssen sie dann unbedingt im Zusammenhang mit der Berlinale erwähnt werden?

Ich hatte einfach keine Lust mehr. Bin zu Hause geblieben. Und wurde krank, habe wenig gemacht. Und es war trotzdem besser, als die letzten 4 Jahre Berlinale. Und geschrieben habe ich dann doch nichts. Denn das war es mir einfach nicht mehr wert: Meine schöne Berlinalefreie Zeit mit sowas zu bekleckern. Wen dennoch interessiert warum, wieso, weshalb – und dass ich hoffentlich wieder erst eine Akkreditierung zur Berlinale nutzen werde, wenn Kosslick abgetreten ist, oder sich das Forum wieder ent-expanded hat (von mir aus das Expanded auch einfach in Forum rückbetitelt wird, und die restlichen Filmchen nach Hause geschickt werden) – kann das ziemlich toll an dieser Stelle nachlesen. Da flut/schwall-redet mir einer förmlich parallel aus der gepeinigten Seele, und auch wenn ich mit Knörer oft in vielem Anderen nicht übereinstimme, gibt es hier keine Zweifel: Ganz genau so ist es! Da liegt der Hund begraben! Danke, danke, danke!

Zum Schluss aber zumindest ein kleiner Auszug aus meinem persönlich-tänzelnden Textversuch mich der Berlinale zu erwehren: „Bye, Bye, Berlinale. Du hast Sehnsüchte in mir geweckt, ich habe mir Hoffnungen gemacht, und Avancen versucht, es lief zunächst auch gar nicht mal so schlecht. Aber schlussendlich hast du mich, trotz aller Bemühungen (deiner- wie meinerseits) enttäuscht, und ich habe dich verlassen. Wir passen wohl einfach nicht zusammen.“

Pacific 231 (1949)

… oder Neues vom Hofbauer-Kommando.

 

Neulich auf der Herrentoilette.

Sano: Gestern habe ich einen erstaunlichen Film gesehen. Pacific 231 von Jean Mitry.

Andreas: Ah ja, ich erinnere mich. Von dem hat Ernst Hofbauer zu Beginn seiner Karriere oft gesprochen.

Sano: Wirklich? Ernst Hofbauer, der Schmuddelfilmer der Schulmädchenreihe hat sich in seiner Jugend für die filmische Avantgarde zu begeistern gewusst? Ich hätte nicht gedacht, dass so jemanden die Werke der Franzosen interessiert haben könnten.

Andreas: Was heißt interessiert? Das waren die Grundlagen von denen aus Hofbauer seine eigene Sicht auf die Welt, seinen eigenen Stil entwickelt hat. Die Schulmädchenreportfilme waren damals inhaltlich wie formal bahnbrechend, und haben die Möglichkeiten der Filmsprache in eine neue Hemisphäre dringen lassen. Ein Präzedenzfall der Filmgeschichte, dass die kommerziell erfolgreichste Filmreihe auch vom – neben Adrian Hoven – wichtigsten und unterschätztesten deutschen Nachkriegsregisseur hervorgebracht wurde. Pacific 231 ist dafür als Schlüsselfilm zu betrachten, der Samen aus dem dann später die Frucht hervorging.

Sano: Sie scherzen. Was hat denn der deutsche Kommerzfilm mit den französischen Theoriediskursen der 40er Jahre zu tun? Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Welten.

Andreas: Das meinen Sie. Ein klassisches Fehlurteil. Nehmen wir uns beide. Vorhin saßen Sie in der Kabine neben mir. Und da haben Sie einen ganz schönen Haufen hingelegt, wenn ich das so sagen darf.

Sano: Woher wissen Sie denn das?

Andreas: Ihr Gestöhne war ja nicht zu überhören. Und dann die vielen Spritzgeräusche. Der Dampf der frischen Scheiße drang durch alle Ritzen und war sogar bis zur Decke zu sehen – so sehr hatten Sie mit sich zu kämpfen. Und als Ihr Schweißgeruch sich mit dem Duft der Scheiße vermischte…

Sano: Na hören Sie mal! Was hat das alles überhaupt mit Kino zu tun?

Andreas: Na, Sie haben etwas hervorgebracht. Und während Sie wahrscheinlich so dasaßen, sich nach getaner Arbeit den Hintern abwischten, und vielleicht auch Ihr Werk genauer ins Auge fassten, es mit anderen Ihnen bekannten Errungenschaften verglichen, benutzte ich meine Phantasie und ließ mich inspirieren. Die Scheiße, die ich mir vor meinem inneren Auge ausmalte war mit Sicherheit um einiges prachtvoller, als alles was Sie bis dahin in der Schüssel erblicken konnten. Wir hätten uns aus der Toilette begeben können ohne uns überhaupt zu begegnen. Und doch hätten Sie einen entscheidenden Einfluss auf mich ausgeübt.

Sano: Aber ich bitte Sie, das sind doch Verirrungen des Geistes. Wirre Assoziationen, aus einem unbedeutenden Moment geboren. Ich verstehe ja Ihren Gedankengang von Scheiße zu Hofbauer, auch angesichts der Tatsache, dass sich in den 70ern auf der Herrentoilette kulturgeschichtlich bedeutendes abgespielt hat, während im Sexfilm nur Prüderie und reaktionäres Heterogehabe zu sehen war. Aber um zu Mitry zurückzukehren: Der Dampf des Zuges ist eben nicht der Dampf der Scheiße. Er ist geboren aus dem Feuer der Revolution, dem Triumph des Geistes über die Materie, durch den Siegeszug des Kinos, der vollkommensten aller Künste, die uns aber erst der technische Fortschritt ermöglicht hat.

Andreas: Werter Kollege, lassen Sie es mich erklären. Pacific 231 ist der ultimative Geschwindigkeitsfilm. Von den Einstellungen her betrachtet, selbst vom Schnitt, haben den alle kopiert. Vor allem in Hollywood, Frankenheimer und so. Aber zur Vollendung, zur Applikation im Sinne des Erfinders wenn man so will, kam es erst bei Hofbauer, im Sexfilm. Die Körpermechanik, das Ächzen der Leiber, das Schnaufen und Stöhnen, vom langsamen Beginn bis zum drastischen Höhepunkt, konnte Hofbauer im Sinnesrausch der Lust seinem eigentlichen Bestimmungsziel zuführen. Seien wir mal ehrlich, Mitry hat keinen Sexfilm gedreht, weil das damals nicht erlaubt war. Auch nicht in der sogenannten Avantgarde. Hofbauer ging dann den erforderlichen Schritt weiter.

Sano: Aber meinen Sie nicht auch, dass Mitry sich von den Sowjets hat inspirieren lassen, von den Montagetheorien der 20er und 30er? Wenn man Pacific 231 zum ersten Mal ansieht, könnte man auch denken, dass Vertov oder Pudowkin, oder einer ihrer Schüler, den Film gedreht hätten. Für 1949 scheint er doch etwas veraltet. Eine Hommage, eine Fingerübung, die ich persönlich eher in die Debatten der damaligen Zeit, zum Glauben an „Bild“ oder „Realität“, zuordnen würde. Mitry also als Gegner der Mise-en-scène von Bazin. Er war ja 14 Jahre älter, wird in den 20ern mit Sicherheit vom sowjetischen Kino begeistert gewesen sein, und später auch von den Möglichkeiten des Tonfilms, wie sie Vertovs Entuziazm (1930) oder Pudowkins Dezertir (1933) entspringen. Bazin war da ja fast noch ein Kind, der dann später mit den klassischen Montagemodellen nichts mehr anzufangen wusste. Wenn ich mir überlege, was Bazin bei ähnlicher Thematik wahrscheinlich gedreht hätte …

Andreas: Papperlapapp! Diese ganze französische Kleingeisterei führt doch am Thema vorbei. Die eigentlichen Grundlagen sind doch schon viel früher, bei den Futuristen zu finden. Die haben die Neuerungen der im Grunde noch kleinbürgerlichen Impressionisten zu nutzen gewusst, und den Kern der innovativen Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts hervorgeholt. Der Mensch als Maschine, die Welt als Fabrik. Das amorphe, wandelbare der Natur findet seine Fortsetzung in der menschlichen Kulturleistung. Und wo hat diese ihren Ursprung? Hofbauer wusste es. Im Geschlechtsakt kommt alles zusammen. Die Reibung der Körper erzeugt einen Druck der sich in kreativer Energie entlädt, wobei die Erfahrung von geistiger, körperlicher und seelischer Einheit auch das Bewusstsein der Zusammenhänge dieser Welt erzeugt. Das ist keine Theorie, das ist Praxis. Und Mitry muss das, wenn schon nicht verstanden, so zumindest gespürt haben. Abgestandene Thesen von Theoretikerdisputen und den Intentionen des Autors haben da doch keinen Platz. Hier geht es um Wesentlicheres. Und das erkennt man bei Hofbauer. Das Leid an der Unzulänglichkeit der bürgerlichen Sexualität im Angesicht der technischen Errungenschaften. Man müsste ficken wie ein Auto, eine Schreibmaschine oder eben ein Zug. Diese existentielle Krise, in die der Mensch infolge der Industrialisierung geraten ist, bildet Hofbauer ab. Mitry schuf mit seiner Bebilderung von Honeggers Musik nur die formalen Grundlagen dafür. Wenn Elisabeth Volkmann nach dem Koitus erschöpfte Zischlaute von sich gibt, ist die Analogie zur letzten Einstellung in Pacific 231 deutlich. Während Mitry dabei aber die Erhabenheit des Zuges filmt, wird bei Hofbauer die Verzweiflung des Menschen in den Vordergrund gerückt. Der Mensch will Zug werden, kann aber nicht.


Wenn es damals schon Trailer gegeben hätte…

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