Bruce Lee gegen die Supermänner



Der Dümmling feiert und der Kümmerling reiert. Versuch einer Annäherung an die Rotz-Gurke des Jahres 1975*.

In diesem Film ist jeder zweite ein Domteur und jeder Dritte hat den weißen Gurt in Charade.

 

„Kabuki-Kasperle gegen Bob der Baumeister.“

 

Selbst hartgedroschene Trash-Geister meinen: „Ich kann nicht mehr lachen, das macht mich völlig fertig.“

 

„Der Bauerbreiter und die Tunte – das ist dermaßen queer und schwul – ein queer-sleaze-kloppfilm.“

 

„Oh Mann, das ist Scheiße echt so Mann, unglaublich!“.

 

„Das ist ein Film, der einem die roten Blutkörperchen stiehlt.“

 

Da jauchzt der Filmfreund und brüllen die Höllenhunde.

 

„Vielleicht ist das ein Zusammenschnitt von irgendwelchen Kinderserien?“

 

Fehlende Teile an der Rolle bereichern den Film um moderne Jump-Cuts.

 

Der Plot ist schrill, abgekartet und von einer deftigen Sinnlosigkeit.

 

„Um Glauben zu können muss man gesehen haben.“

 

* Anmerkung: Vom 20. bis 22.04. findet im KommKino Nürnberg wieder das Trashfilm-Festival B-Film Basterds! statt.

* Anmerkung 2: Es handelt sich hierbei nicht um eine klassische Rezension sondern um Wiedergabe von Reaktionen des Publikums, nachdem der Film beim letzten Badmovies Filmfest (inzwischen B-Film Basterds) gezeigt wurde, angereichert um eigene Interpretationen.

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, April 8th, 2012 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Festivals, Filmbesprechungen, Hinweise, Scott, Verschiedenes, Zitate veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

22 Antworten zu “Bruce Lee gegen die Supermänner”

  1. Andreas on April 8th, 2012 at 19:07

    „Rotz-Gurke“ geht wirklich mal gar nicht als Bezeichnung für diesen wunderbar deliranten Wahnsinnsfilm, selbst wenn es gar nicht negativ gemeint ist – ein despektierlicher Beigeschmack bleibt halt trotzdem. Ich persönlich würde so jedenfalls nicht über schöne Absonderlichkeiten sprechen wollen, sondern allenfalls über elendigen Schlock. Aber begriffliche Abgrenzungen und allgemeine bzw. persönliche (rezeptionsseitige) Erörterungen über Sleaze/Trash/Schlock stehen auf ET ja ohnehin nach wie vor aus. Sehr gut gefällt mir dagegen „Da jauchzt der Filmfreund und brüllen die Höllenhunde.“ 🙂

  2. Scott on April 8th, 2012 at 19:16

    Ich habe mich von dem Film auch köstlichst unterhalten gefühlt und würde ihn unter astreinem Trash einordnen, Schlock auf gar keinen Fall. Rotz-Gurke sollte eigentlich eine Trash- und keine Schlockassoziation wecken. Vielleicht sollte ichs umbennen in Speichel-Kastanie oder Urin-Melone, hmm…

  3. Settembrini on April 8th, 2012 at 19:22

    Ihr solltet hier ohnehin mal einen Glossar zur Verfügung stellen, in dem die ET-spezifische Terminologie für Außenstehende verständlich erläutert wird. Als Gelegenheitsleser hat man nämlich sonst echte Probleme, was etwa „Schangel“ bedeutet, habe ich immer noch nicht kapiert, und von „Schlock“ weiß ich auch nur, daß es etwas wahnsinnig schlechtes sein muß, mehr aber auch nicht…

  4. Intergalactic Ape-Man on April 9th, 2012 at 01:52

    Schlock kann man sich ja noch ergoogeln. Bei anderen Begriffen sieht es da schwärzer aus. Daher sekundiere ich den Wunsch nach einem Glossar. Außerdem zeige ich mich überrascht von diesem (auf-)reißerischen Review. Wird es in Zukunft öfter Wiederbelebungen jahrmarktsschaustellerischer Exploitationwerbung geben?

  5. Sano on April 12th, 2012 at 15:13

    Zum geplanten ET-Duden nur soviel: Es wird an ihm gearbeitet, und das schon seit einiger Zeit. Er kommt also bestimmt. Lediglich wann, steht noch nicht fest.

    @Ape: Auch mich hat dieses Review überrascht. Ob es mehr davon geben wird? Ich hoffe es! 🙂

    Ansonsten finde ich im Gegensatz zu Andreas, die Bezeichnung Rotz-Gurke nicht despektierlich, wäre aber auch mit den alternativ vorgeschlagenen Begrifflichkeiten wie Speichel-Kastanie oder Urin-Melone sehr beglückt. Überhaupt ein sehr beglückender Text zu einem beglückenden Film. Selten ist eine solche Übereinstimmung in der Wahrnehmung von Film- und Textempfinden bei mir ausgelöst worden. Sicherlich auch, weil ich mich frage, welche Aussagen von mir stammen könnten. Aber das Konzept einen eigenen Weg bei der Beschreibung von eigenen Filmen zu gehen finde ich hier an sich sehr geglückt. Außerirdischen Filme sollte man eben öfters mit Poesie begegnen. 😀

  6. Der Außenseiter on April 12th, 2012 at 16:42

    Dieses Einordnen von Filmen durch Begriffe, die schneller altern als der neuste Schuhtrend, verstehe ich sowieso nicht. BRUCE LEE GEGEN DIE SUPERMÄNNER ist ein Kampfsportkrimi und damit hat sich’s. Als solchen hat man ihn 1975 gesehen und so wird man ihn in 100 Jahren sehen, wenn sich Begriffe wie Trash oder Schlock auf die Einstufung des Fahrpreises für die Mondfähre beziehen. 😉

  7. Sano on April 14th, 2012 at 02:09

    Es stimmt natürlich, dass Kategorisierungsversuche immer problematisch sind, zumal, wenn sie Jahrzehnte später, aus anderen Kontexten stammend als zu Zeiten der betroffenen Filmproduktion, angewandt werden. Nichtsdestotrotz ändern sich Begriffe, und die Möglichkeit, dass einmal etablierte Zuschreibungen irgendwann nicht mehr sinnvoll angewandt werden können, erscheint in vielen Fällen als Tatsache der Gegenwart. Filme werden eben meist retrospektiv betrachtet und rezipiert. Und nicht zu verachten ist, vor allem in diesem Fall, dass mit „Bruce Lee gegen die Supermänner“die Absicht eines Kampfsporkrimis seitens der Macher möglicherweise auch 1975 nicht ansatzweise umgesetzt werden konnte. Ganz davon zu schweigen, dass die Ansicht des Films in 100 Jahren mit ziemlicher Sicherheit als ein noch um einiges unfassbareres, und bestaunenswertes Erlebnis wahrgenommen werden könnte als eine Kreuzfahrt zum Mond. 😉

  8. Der Außenseiter on April 14th, 2012 at 14:03

    Natürlich ist BRUCE LEE GEGEN DIE SUPERMÄNNER ein Kampfsportkrimi und natürlich scheitert er als solcher damals wie heute im Sine definierter Konzepte. Das Eine widerspricht doch nicht dem Anderen. Es gab nie eine Welt, in der BRUCE LEE GEGEN DIE SUPERMÄNNER als gut funktionierender Kampfsportkrimi angesehen wurde. Ob es mal eine geben wird? Das kann ich nur hoffen. Solange aber Begriffsdefinitionen dafür verwendet werden, die unter poststrukturalistischen Problemen leiden oder unter ambigen Semantiken, macht man eigentlich keine wirkliche Aussage über den Film, sondern versucht ihn zurechtzustutzen, damit er in die Kategorie passt, die noch nicht mal klar definiert ist.

    Das ist im Grunde das, was mich an solchen künstlichen Begriffen stört. Man muss dem Dekonstruktivismus doch nicht noch unnötig durch einen Umkehrschub semiotischer Drahtseilakte herbei wirken lassen. Wenn schon jetzt Leute Probleme haben einen Text bzw. dessen Begriffe zu verstehen, dann wird dies letztlich zu einer weiteren Beschleunigung führen. Sophisterei ersetzt die Präzision. Man wird die Texte dann nicht mehr in 100 oder mehr Jahren nicht mehr verstehen, sondern schon in einigen wenigen.

    Ich denke, oder hoffe eher, dass man BRUCE LEE GEGEN DIE SUPERMÄNNER in 100 Jahren eben nicht mehr als Kuriosität, sondern als das intertextuelle Meisterwerk verstehen wird, das er ist.

  9. Scott on April 14th, 2012 at 19:18

    Wie ich letztens in einer Doku erfahren musste, existiert schon seit Anfang der 80er Jahre Literatur zu „Trash, Schlock & Sleaze“-Filmen, sprich alle drei Begriffe können inzwischen auf mehr als dreißig Jahre Anwendung im Diskurs über Film zurückblicken.

    Wer wissen will, wo die Reise hingeht, kann sich dieses NGram zu Gemüte führen:

    http://books.google.com/ngrams/graph?content=schlock%2Csleaze&year_start=1950&year_end=2000&corpus=0&smoothing=3

  10. Der Außenseiter on April 14th, 2012 at 21:15

    Es geht ja nicht um die zeitliche Komponente. Schlock kommt aus dem Jiddischen. Trash hat im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine Fülle an Bedeutungen zur Bezeichnung von Kunst gehabt (der Begriff wird schon seit mehr als 80 Jahren ungenau für „zweifelhafte“ Kunst aller Art verwendet). Das sind alles keine trennscharfen Begriffe, da sie alles und nichts bedeuten können und oft erst im Ohr des Sagenden durch die Transportierung dessen innerer Emotion im Sinngehalt Gestalt annehmen. Deswegen sind sie auch letztlich nicht zu gebrauchen. Wenn Personen einen Fellini als Trash bezeichnen, weil sie ihn albern finden (selbiges ist mir schon bei SATYRICON passiert), den neusten Hollywoodfilm als Trash bezeichnen oder Dan Dohler, dann hat ein solcher Begriff keinerlei Aussagekraft. Er transportiert, wie gesagt, nur die Empfindungen des Rezipienten und unterliegt einem ständigen Wandel gesellschaftlich verzerrter Vorstellungen, was ein gutes Kunstwerk / ein guter Film ist. Durch solche Begriffe wird im Grunde eine Katgegorisierungswut am Leben erhalten, um sich im Zeitalter des Überangebotes und der Überverfügbarkeit einen Überblick zu verschaffen. Das schafft ja sogar solche begrifflichen Ausgeburten wie „Italoploitation“ oder für Filme mit japanischen Einflüssen „Japploitation“. Die Pejorativität wird dabei völlig außer Acht gelassen, wenn man so vor geht, da die Endsilbe „-ploitaion“ vom Wort „Exploiaton“ stammt und damit negativ gemeint ist (wer jetzt sagt, dass man das nicht so sehen muss, hat schlicht von Sprache und dem was sie auslöst keine Ahnung). Hätte man solche schwachsinnigen Bezeichnungen für den film noir entwickelt, wäre er nie aus der B-Movie-Ecke herausgetreten. Filmen, die von irgendwelchen Schlaumeiern in Bücher über Trashfilme aufgenommen werden (wie können die sich erdreisten zu wissen was da reinkommt, wenn sie nicht mal mit klar definierten Kategorien arbeiten), fällt es dann natürlich umso schwer in der Rezeption und Analyse ernst genommen zu werden. Das ist das, was ich daran bedauere.

  11. Intergalactic Ape-Man on April 15th, 2012 at 13:59

    Oh, ich denke doch, daß sich diese Sprachbarriere zumindest im Bezug auf „Ploitation“ u.ä. einfach deswegen aufbrechen wird, weil der Bildungsbürger und Artezuschauer von Morgen vermutlich genau aus dem Lager gestellt wird, welches heute in bereits phantasievoll gestreute Begrifflichkeiten eintaucht und mit konzentrischen Kreisen die Ausdrucksformen emulgiert. Beispielsweise ist es ja oft wirklich nur Blaxploitation, obwohl Soul Cinema drauf steht. Aktuelle Zensuramnestien belegen doch außerdem, wie der Exploitationfilm zusammen mit einem ernsten Kunstverständnis für möglicherweise erstaunlich schmale Inhaltsebenen wenn nicht in die Mitte der Gesellschaft doch mindestens aber in die grundsätzlichen Akzeptanz der Filmrezipienten rückt. Wir dürfen nicht vergessen, daß viele heute hochgeschätzte Kunstwerke zu ihrer Zeit ebenso mit Ablehnung und Zensur zu kämpfen hatten, wie Kino als solches ohnehin zu Anfangszeiten als trivial gegolten hat. Und liegt nicht die Kunst oftmals aufgrund der Natur des Kinos wirklich als, wie Käutner es begreift, Schmuggelgut vor? Mein letzter Wahlspruch lautet nicht umsonst: „Die Kinder des Schunds sind die Erben der Kunst.“

  12. Der Außenseiter on April 15th, 2012 at 14:25

    Das löst aber nicht das semiotische Historizitätsproblem, oder das Problem der Auflösung von Begriffen im Sinne des Dekonstruktivismus, sowie die Innersubjektivität und die semantisch fragwürdige interpersonelle Gesellschaftsentwicklung von Begriffen, welche ich, neben anderem, in Post 8 erwähne. Und auch sonst trägt es nicht dazu bei tatsächlich brauchbare Analysen über besprochene Werke zutage zu fördern. Eher erfahre ich etwas über den Autor, seine Rezeptionssituation und seinen Gebrauch von Sprache. Das sind alles komplexitätsreduzierende Vorgehen, die wir dem Erbe des Gonzo-Journalismus‘ verdanken und die dem Individuum im Grunde nur dafür dienlich sind, nicht von seiner eingeschlagenen Denkrichtung abzuweichen.

  13. Intergalactic Ape-Man on April 15th, 2012 at 15:48

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir da voll zustimmen kann, obschon ich selbst insofern danach handle, daß ich bewußt sachlich nach Genre und/oder Thema trenne. Mir scheinen jedoch diese – wie du sie beschreibst subjektiven – Begrifflichkeiten so im modernen Sprachgebrauch verankert, daß man viel mehr nicht ohne sie zu können scheint, um einen bestimmten Geschmack zu adressieren. Ich persönlich entnehme Worten wie „Exploitation“ der Gewohnheit nach weniger einen wertenden Charakter, als daß es eine Form beschreibt. Hierbei bevorzuge ich jedoch greifbare Umrisse. Die Empfindung, was z.B. Trash sei oder nicht, da bin ich bei dir, ist in der Tat höchst individuell. Bei Schund hingegen, so finde ich, bietet sich die Denotation unter der rebellischen Prämisse an, genau jenes anzustreben, was uns die Vormünder verwehrten.

  14. Der Außenseiter on April 15th, 2012 at 16:47

    Wenn Begrifflichkeiten nach persönlichem Geschmack funktionieren, wie es bei „Trash“ der Fall ist, oder nach Kategorisierungswillen, wie es bei den Begriffen der „-ploitation“ der Fall ist, aber keiner dieser Begriffe klar definiert ist und in einer Art Hyperspeed-Mode die Wandlung des Begriffs durch die Gesellschaft rast, hilft er, wie Du ja erwähnst, innerhalb der Umgangssprache. Aber kaum bei einer Werkanalyse.

    Ich werde es noch mal an einem anderen Beispiel erklären, worin ich ein Problem, ja geradezu eine Gefahr sehe:

    Die italienisch produzierten Endzeitfilme der 1980er Jahre wurden als regulär veröffentlichte Spielfilme außerhalb eines Kategorisierungswillens in den Kinos veröffentlicht und provozierten verschiedene Reaktionen. Die Kritik reagierte i.d.R. eher ablehnend, ein kleiner Teil beschäftigte sich mit der kulturellen Bedeutung des gerade erscheinenden Werkes, das Publikum rezipierte oder eher konsumierte, bis das Interesse erlahmte. Nach dem Zusammenbruch der italienischen Filmindustrie verschwanden diese Filme aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit und kehrten im Verlauf der 1990er Jahre bei und durch Personen zurück, die sich als Fans sahen. Interessanterweise beginnt schon da ein latenter Kulturdünkel, liest man sich einige der Texte durch, die schon wie halbe Entschuldigungen wirken, dass sich überhaupt mit diesen Filmen beschäftigt wird. Schnell greift man also zu Begrifflichkeiten, die den schmalen Drahtseilakt vollführen sollen, den Film als „Wir wissen ja schon, dass er strange ist“ und „Unter der Zuhilfenahme dieses Begriffs und innerhalb dieser Konventionen ist er ein Meisterwerk“. Plötzlich fing man an Filme, mit denen sich vorher werkimmanent auseinandergesetzt werden musste, die allenfalls schwachen Plagiatswellen zuzuordnen waren und sogar Filme, die rein gar nichts miteinander zu tun hatten, unter einem Begriff wie „Italoploitation“ zusammenzufassen. Du sprichst selbst von einer Form, die sich hinter dem Begriff „Exploitation“ verberge? Welche sollte das sein? Das ist ein bündelnder Begriff, um schwach bis gar nicht zusammenhängende Werke miteinander in Verbindung zu bringen. Dem Werk kann man damit nur Unrecht tun. Man muss sich ja nur mal die Wiki-Artikel durchlesen, die dem Begriff Rechtfertigung erteilen, weil er existiert. Dass es sich dabei aber letztlich nur um geschmäcklerische Subsummierung handelt, wird gänzlich ignoriert.

    Um zu den Endzeitfilmen zurückzukommen. Mit denen wurde sich bei ihrem Erscheinen tausendmal ernster auseinandergesetzt, als das was wir heute haben. Die Filme haben in den 90ern derart die Trashkategorie durchlaufen müssen, dass man, wenn man heutzutage darauf verweist, dass es sich um „normale“ Kinospielfilme handelte, den Vogel gezeigt bekommt. Im typischen Prinzip des „hindsight bias“ wird eine verzerrte, retrospektive Sicht auf die Filme praktiziert. Da erfordert es eben wirkliche Interessenten, die sich intensivst damit auseinandersetzen.

    Anders ausgedrückt: Eben diejenigen, die sich für so ein Kino aus „Trashgründen“ interessieren, es besprechen, es bewerben etc. scheinen ihm auf Dauer im Wege zu stehen, dass dieses Kino tatsächlich ernst genommen wird. Und. um das Historizitätsprinzip nicht außer Acht zu lassen, welche Bedeutungen können inflationär gebrauchte Begriffe, durch die Umgangssprache ihrem letzten bisschen Bedeutung beraubt, dann noch haben. In 20 Jahren liest jemand einenText und wird in gänzlich anders interpretieren, als er intendiert war. Das ist die Absurdität einer Zeit, die sich am liebsten als Post-Post-Post-Moderne bezeichen würde, weil sie mit einer (eingebildeten) Schnelllebigkeit nicht klar kommt.

    Beim Begriff „Schund“ weiß ich übrigens nicht, inwiefern der weniger subjektiv sein sollte als der Begriff „Trash“. Diese Begriffe sind alle aus der Emotion des Rezipienten heraus entstanden, mit Rückkoppelung eines Wertesystems, um es mal auf die (sozio-)psychologischen Ebene zu bringen.

  15. Der Außenseiter on April 15th, 2012 at 16:57

    Auf jeden Fall werde ich mir den Film mal wieder ansehen. Den habe ich nämlich seit seiner Fernseherstausstrahlung 1986 nicht mehr gesehen. 🙂

  16. Intergalactic Ape-Man on April 15th, 2012 at 17:43

    Kann man italienische Endzeitfilme wirklich losgelöst von den deutlichen Vorbildern als rein ernsthafte Kinofilme betrachten, ohne sie, wie man es heute ausdrücken würde, als Mockbuster zu betrachten? Ich denke, das ist durchaus eine filmhistorische Frage, die uns heute vielleicht automatisch anders betrifft, als einen beliebigen Kinozuschauer, der so ein Werk außerhalb des Zusammenhangs und gänzlich unkommentiert vorgesetzt bekam. In diesem Sinne ist meine Exploitationsozialiserung vermutlich sogar ähnlich verlaufen, in dem ich diese und jene Filme einfach unvoreingenommen kennengelernt und für mich als gut oder schlecht beurteilt habe. Den Begriff Exploitation aber habe ich dann sehr sachlich kennengelernt und damit tatsächlich auch rückwirkend klassifizierend auf Filme angewendet. Und zwar im eigentlichen Sinne. Denn Exploitation steht ja schlicht für Ausbeutung. Daß es bestimmte Prinzipien gab (gibt), um an das Taschengeld des Publikums zu kommen, ist doch nicht zu leugnen. Insofern läßt sich durchaus eine Grenze zwischen kommerziellen Filmen ziehen, die sich unter finanziellem Aufwand um eine wie auch immer geartete Dienstleistung bemühen und jenen kommerziellen Filmen, die, ggf. auch bekannte Motive verwendend, mit blutenden Fingerkuppen möglichst reißerische Bruchstücke zusammenkratzen, um sein Publikum marktschreierisch in die Vorstellung zu locken. So ähnlich wie der Unterschied zwischen Bild und Spiegel.
    Daß der Begriff Schund eine emotionale Grundlage enthält, halte ich für durchaus richtig. Ich sehe hierin jedoch einen deonymisierungsähnlichen Effekt. So würde man beim Trödelhändler die Abteilung Groschenroman ja z.B. auch generalisierend Schundheftkiste nennen, ohne sich zu scheren, ob nun Arztroman, Gruselstory oder Kreuzworträtsel darin befindlich sind. Dabei kann darunter ja durchaus auch eine schlaue Utopie stecken. Während Schund aber eine Abgrenzung vom Bildungsbürgerlichen ist, also so in etwa wie Eltern die etwas auf sich halten ihre Kinder mit bestimmten Kindern aufgrund des sozialen Status nicht spielen lassen würden, bezeichnet Trash ja der Bedeutung nach schon einfach nur Müll. Die Feststellung beim Schund hingegen ist aber doch, wie bei gewähltem Science-Fiction Beispiel, daß sich hinter der Fassade ohne weiteres ein verkanntes Kunstwerk verstecken kann. Daß ich beim Gedanken an Schund auch den Geruch von kellermuffigem Papier, Wiese, Zelt und Luftmatratze verbinde, das ist natürlich höchstindividuell und hängt damit zusammen, wie ich besagte Schundlektüre zu konsumieren gedachte.

  17. Scott on April 15th, 2012 at 18:37

    „Er transportiert, wie gesagt, nur die Empfindungen des Rezipienten […]“ – Habe den Artikel um eine weitere Anmerkung ergänzt die darlegt, dass hier tatsächlich ein Erlebnis beschrieben wird.

    „wie können die sich erdreisten zu wissen was da reinkommt […]“ – Mal ein Beispiel aus der Doku ‚Ikonoclast‘. Boyd Rice schreibt Beiträge für ein Buch über Filme von Ed Wood, Radley Metzger, Herschell Gordon Lewis etc. Antony Lavey liebt diese Filme und freut so derart über das Buch, dass er Kontakt zu den Autoren aufnimmt. Filmfreund und Filmfreund finden zueinander, die Auswahl hat ihren Zweck erfüllt.

  18. Der Außenseiter on April 15th, 2012 at 18:38

    Bei Deiner Erklärung zu Exploitation wird mir zu sehr der marxistische Hintegrund, aus dem dieser Begriff sich herleitet, und die Analyse des Werkes in einen Topf geworfen. Sicher, das ergibt sich aus der Sache, spielen die kommerziellen Aspekte in die Rezeption des Werkes mit rein, aber eine Befreiung von solchem Kategorialdenken ist grundsätzlich möglich, begrüßenswert, aber äußerst schwierig. Schwieriger noch, wenn ungenaue Begriffe verwendet werden, bei denen im Gebrauch den Gebrauchenden nicht mal genau klar ist, wie und was sie zu bedeuten haben.

    Zu Deinem ersten Satz würde ich also sagen: Natürlich kann man das. Das ist nur sekundär eine filmhistorische Frage, sondern primär eine individuelle.

    Und zum Punkt Deiner Unterteilung der Intentionen der Filmherstellung:
    Das für eine Analyse oder, wenn nötig, Kategorisierung eines Werkes heranzuziehen, halte ich für vollkommen am Gegenstand vorbei. Das erinnert mich zu sehr an Unterteilungen wie U und E, die sich aus einem Kulturanspruch behaupten zu generieren, aber tatsächlich schon bei Ihrer Entstehung mehr am Vermarktungskonzept orientiert waren um Zielgruppen zu erreichen.

    Vielleicht reden wir auch aneinander vorbei. Mir geht es um die Analyse des Werkes an sich. In welch kommerzielle Erwägungen das Werk inkludiert ist, halte ich zwar für wichtig, aber bestimmt nicht für ausschlaggebend, das Werk zu beurteilen. Das kann allenfalls ein Hinweis für soziologische Komponenten sein, sowie für psychologische, aber bestimmt nicht das Maß der Dinge, um das Werk einzuordnen. Wenn sich also Begriffe in ihrem Ursprung danach ausrichten, dann tragen sie die Gefährdung durch Determination schon in sich. Zu einer Deonymisierung kann es da m.E. nicht wirklich kommen. Für den Normalbürger ist Schund Schund und damit hat sich’s. Die ontogenetischen Verläufe, die Du erwähnst, kann man da (leider) nicht als Maßstab setzen.

  19. Der Außenseiter on April 15th, 2012 at 18:47

    „Mal ein Beispiel aus der Doku ‘Ikonoclast’. Boyd Rice schreibt Beiträge für ein Buch über Filme von Ed Wood, Radley Metzger, Herschell Gordon Lewis etc. Antony Lavey liebt diese Filme und freut so derart über das Buch, dass er Kontakt zu den Autoren aufnimmt. Filmfreund und Filmfreund finden zueinander, die Auswahl hat ihren Zweck erfüllt.“

    Das bestreite ich auch nicht. „Filmfreund“ und „Filmfreund“. Du sagst es. 😉

    Zu behaupten, dass am Gegenstand Interessierte durch diese Begriffe das Interesse an den Filmen verlieren, an denen sie interessiert sind, wäre natürlich unsinnig und mache ich ja auch nicht.

    Mir geht es um eine Rehabilitation, die sich nicht auf, wie ich in Post 14 erwähne, von vornherein „Interessierte“ bezieht, sondern um einen geöffnete Umgang in der Kritik im Besonderen, sowie der Gesellschaft im Allgemeinen, die durch prädisponierende Begriffe unterwandert wird. Da wird eben eine Antezedens geschaffen, die letztlich dafür sorgt, dass Vorurteile nie aussterben.

  20. Der Außenseiter on April 15th, 2012 at 18:51

    Vielleicht habe ich auch nur zu viele Leute kennengelernt, die ihre als abseitig befundenen Filme auch gar nicht aus der Ecke raushaben wollen. Stichwort: Gorehounds.

    Insofern wäre ich meinerseits zu vorbelastet und entschuldige mich, falls der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich jemanden von hier in dieses Ecke hätte stellen wollen.

  21. Intergalactic Ape-Man on April 17th, 2012 at 15:25

    Du würdest also sagen, daß ich zu sehr eine Unvoreingenommenheit vorraussetze, die ich durch die Verwendung des Begriffes Schund sabotiere und dem jeweiligen Film eine Hürde vorsetze, welche dieser zu überwinden hat?

  22. Der Außenseiter on April 17th, 2012 at 17:09

    Auf INTRA-personeller Ebene: Nein, da kann/darf ich Dir diesen Vorwurf nicht machen. Wie Du das Ganze für Dich selbst klärst, weißt natürlich nur Du. Darum geht es mir hier auch um niemanden persönlich, sondern um die systemische Perspektive.
    Deine Besprechungen z.B. tragen ein Stück zur Aufklärung bei (wie natürlich auch die Eskalierenden Träume), sind differenziert, ähnlich sperrig geschrieben wie meine (hihi), aber auch bei ihnen meine ich manchmal die Erklärung, warum Du Dich mit solchen Filmen beschäftigst, herauszulesen. Das kann aber auch Projektion meinerseits sein.

    Auf INTER-personeller Ebene: Ja, genau das ist die Problematik. Und leider kann ich mich davon auch nicht frei machen. Solange solche Begriffe im gesellschaftlichen Raum stehen, werden sie verwendet und kreieren das Bild der Sache, das sie bezeichnen (nach dem Dekonstruktivismus müsste man dann sogar sagen, dass auch die INTRA-personelle Ebene betroffen ist, sprich ein „sich frei machen von Vorurteilen“ gänzlich unmöglich wird, solange die Begriffe verwendet werden, aber da bin ich anderer Meinung).

    Ein Beispiel aus dem Alltag: Vor ein paar Wochen musste ich jemanden erklären, was es mit dem Begriff Bahnhofskino auf sich hat („Hää,… Kinos in Bahnhöfen, oder watt?“). Als ich ihm versuchte zu erklären, was dort für Filme liefen, wurde mit den üblichen Vorurteilen reagiert („Ach soooo,… son billiger Scheiß.“). Allein die herangezogenen Begriffe – Bahnhöfe, schmuddelige (Raucher-)Kinos, Sexfilme und anderes, abseits des Mainstreams – haben bereits für ein derartig determiniertes Denken gesorgt, dass die betreffende Person sich nicht im entferntesten interessiert zeigte, überhaupt über einen der Filme zu reden, geschweige denn, ihnen einen künstlerischen oder kulturellen Wert zuzusprechen. Und leider repräsentiert dieses Art der Herangehensweise die Mehrheit. Auch im akademischen Kontext ist man davor nicht gefeit, wie ich bei meinen Medienseminaren feststellen durfte.

    Mit einer anderen Person hatten meine Frau und ich eine fast einstündige Diskussion darüber, warum wir uns die Schulmädchen-Report-Filme ansehen. Nach dem Gespräch hatten wir es tatsächlich geschafft, dass der Mann bereit war einzusehen, dass es für BESTIMMTE Menschen wohl eine Art Vergnügen bereiten kann, sich SO ETWAS anzusehen.

    Wenn nun eine aufgeklärte Kritik und Filmanalyse mit Begriffen wie „Trash“, „Schlock“, „Schund“ arbeitet, fördert das nur ein Missverstehen. Leider muss ich selbst ja auch auf diese Begriffe zurückgreifen, als ich aber in einem Seminar über Zensur die damalige Beschlagnahmung des Filmes BLOODFEAST anprangerte, kam ich genau deswegen in Argumentationsnot, weil eine Dame meinte, die sich auf entsprechenden Internetangeboten informiert hatte, dass doch sogar die Anhänger des Filmes/solcher Filme selbst ihn/sie als „Splatter“ (allein dieser Begriff ist schon negativ konnotiert in der Gesellschaft und auch im akademischen Diskurs), „Schund“, „Exploitation“ oder „Trash“ (sie verband mit dem Ausdruck, wie die meisten Teilnehmer, den „letzten Dreck“) bezeichnen. Eine Diskussion darüber, wie man diese Begriffe zu verstehen hat (eine klare Definition bleibt ja bis zum heutigen Tage aus) hätte den Rahmen der Diskussion gesprengt und hätte vom eigentlichen Thema, der Kunstfreiheit, gänzlich weggeführt.

    Also auf INTER-personeller Ebene: Ja, da sehe ich das Problem.

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