Dank eines Beitrags auf dem Blog von Revolver, habe ich mir soeben eine Rede Charlie Kaufmans angehört, in der er sich als Philosoph outet, die mich mich deshalb sehr berührt hat, und die ich auf Eskalierende Träume gerne weiterempfehlen würde. Denn seine Ansichten über Sinn und Zweck des Drehbuchschreibens, die auch Ansichten über Sinn und Zweck des Schreibens an sich sind, des Vorgangs dieser spezifischen Art der Kommunikation mit sich selbst und der Welt, sind grundsätzlich auch meine Ansichten. Wie alle bisherigen Überlegungen Kaufmans die mir aus seinen Drehbüchern und deren Verfilmungen bekannt sind, dreht sich auch hier alles um die Frage der Selbsterkenntnis. Das Drehbuchschreiben ist laut Kaufman, wie jede Art der kreativen Leistung, ein Prozess auf dem Weg dazu. Warum das für andere Leute relevant sein sollte? Weil Kunst Kommunikation ist, und man laut Kaufman sowieso nichts anderes anzubieten hat als sich selbst. Den Zweifel und die Angst als Grundlage und Ausgangspunkt von Kaufmans Überlegungen könnte man zum Wertvollen des persönlichen Ausdrucks transformiert vielleicht mit den Worten von Kierkegaard benennen: Das wahre ethische Individuum ruht mit Sicherheit in sich selbst, weil es keine Pflichten hat, sondern nur eine Pflicht, und weil die Pflicht sich ihm nicht von außen aufdrängt als bloßes Gebot, sondern von innen als der Ausdruck seines innersten Wesens. Das Wort Pflicht zeigt in diesem Kontext wie wichtig und auch schwierig es sein kann, ehrlich zu sein, aber auch wie lohnend es dafür immer wieder ist jemandem zuzuhören, der das versucht. Falls das zu pathetitsch oder monolithisch klingt, kann man die Essenz von Kaufmans Rede aber sicher auch mit Krishnamurti paraphrasieren: Die Suche an sich ist Hingabe, sie selbst ist die Inspiration. In diesem Sinne: http://guru.bafta.org/charlie-kaufman-screenwriters-lecture-video
Was lange währt, wird endlich gut? Wir hoffen es, wenn wir nun nach aufreibenden, von Zeitnot und ungeahnten Komplikationen geplagten Tagen endlich unseren diesjährigen Sammelbeitrag mit den Jahreslisten der aktuellen Filme 2011 veröffentlichen können (der auf unsere Entdeckungslisten 2011 in der Tradition der Gesammelten Jahreslisten 2010 folgt). Zum Ausgleich bemühen wir uns dabei endgültig um die Sprengung jeden herkömmlichen Rahmens.
Alle Filme sind alphabetisch nach Originaltitel geordnet.
Von Filmmaterial projiziert gesehene Filme sind kursiv markiert.
Filme die ich mehrfach gesehen habe sind je nach Häufigkeit mit „x2“, „x3“, „x4“, usw. gekennzeichnet.
48 (Susana Sousa Dias / Portugal / 2009) 1000 Gramm (Tom Bewilogua / Deutschland / 2010) x2 À bout portant „Point Blank“ (Fred Cavayé / Frankreich / 2010) Ähm – Ein Film eine Suche eine Stadt (?? / Deutschland / 2011) Ah, Liberty! (Ben Rivers / GB / 2008) Allons-y! Alonzo! (Camille Moulin-Dupré / Frankreich, Belgien, Schweiz / 2009) American Translation (Pascal Arnold, Jean-Marc Barr / Frankreich / 2011) Ajeossi „The Man from Nowhere“ (Jeong-beom Lee / Südkorea / 2010) Attack the Block (Joe Cornish / GB / 2011) Augen Blicke (?? / Deutschland / 2011) Báng-kah „Monga“ (Doze Niu / Taiwan / 2010) Bas-fonds „Gregs“ (Isild Le Besco / Frankreich / 2009) Bettgeschichten (?? / Deutschland / 2011) Bloodrop (Aleksei Popogrebsky / Russland / 2011) Buried „Buried – Lebend begraben“ (Rodrigo Cortés / Spanien, USA, Frankreich / 2009) Cassandras Warnung [gekürzte Fassung] (Dominik Graf / Deutschland / 2011) x2 Children of God „Kinder Gottes“ (Kareem Mortimer / Bahamas / 2009) Cité concrète (?? / Deutschland/ 2011) Congo in Four Acts (Dieudo Hamadi, Kiripi Katembo Siku, Divita Wa Lusala, Patrick Ken Kalala / Demokratische Republik Kongo, Südafrika / 2010) Contre toi „In Your Hands“ (Lola Doillon / Frankreich, Deutschland / 2010) Creating Lilliput (?? / Deutschland / 2011) Das Dorf (Justus von Dohnányi / Deutschland / 2011) Das Lied in mir (Florian Micoud Cossen / Deutschland, Argentinien / 2010) Das rote Zimmer (Rudolf Thome / Deutschland / 2010) Denn sie wissen nicht, was sie tun (Hans Steinbichler / Deutschland / 2011) Der Mond (Klaus Schneider / Deutschland / 2010) Der Walkman Effekt (?? / Deutschland / 2011) Die Besen (Klaus Schneider / Deutschland / 2010) Die Besen [erste Version] (Klaus Schneider / Deutschland / 2010) Die Ecken (?? / Deutschland / 2011) Doktor Wodarz (Alexander Winter / Deutschland / 2010) Ein kleiner Film für Michael (Romuald Karmakar / Deutschland / 2011) Eine ganz heiße Nummer [falsches Bildformat] (Markus Goller / Deutschland / 2011) El Mocito „The Young Butler“ (Marcela Said, Jean de Certeau / Chile / 2010) El premio „The Prize“ (Paula Markovitch / Mexiko, Frankreich, Deutschland, Polen / 2010) F (Johannes Roberts / GB / 2010) Führung (René Frölke / Deutschland / 2010) Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 2 „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“ [deutsche Synchro / 3D] (David Yates / GB, USA / 2011) Hobo with a Shotgun (Jason Eisener / Kanada / 2011) Hwanghae „The Yellow Sea“ [140 min. Fassung] (Hong-jin Na / Südkorea / 2010) I Know Where I’m Going (Ben Rivers / GB / 2009) In Time [deutsche Synchro] (Andrew Niccol / USA / 2011) Jaffa, the Orange’s Clockwork (Eyal Sivan / Israel, Deutschland, Belgien, Frankreich / 2009) Joachim Karl Günther (?? / Deutschland / 2011) Jûsan-nin no shikaku „13 Assassins“ (Takashi Miike / Japan, GB / 2010) Kurtlar Vadisi Filistin „Tal der Wölfe – Palästina“ (Zübeyr Sasmaz / Türkei / 2011) Le poil de la bête „Die Nacht der Wölfe“ (Philippe Gagnon / Kanada / 2010) Los colores de la montaña „The Colors of the Mountain“ (Carlos César Arbeláez / Kolumbien, Panama / 2010) M is for Markus (Ali Abbasi / Dänemark / 2011) Machtentfaltung (Klaus Schneider / Deutschland / 2009) Marxism Today (Prologue) (Phil Collins / Deutschland / 2010) Molf-e Gand (Mahmoud Rahmani / Iran / 2009) Mord in der ersten Liga (Nils Willbrandt / Deutschland / 2011) Nûdo no yoru: Ai wa oshiminaku ubau „A Night in Nude: Salvation“ (Takashi Ishii / Japan / 2010) Onna no kappa „Underwater Love“ (Shinji Imaoka / Japan, Deutschland / 2011) Oral History (Volko Kamensky / Deutschland / 2009) Osmdesát dopisu „Eighty Letters“ (Václav Kadrnka / Tschechische Republik / 2011) Perfect Sense (David Mackenzie / GB, Deutschland, Schweden, Dänemark / 2010) Petropolis [falsches Bildformat] (Peter Mettler / Kanada / 2009) Pink Saris (Kim Longinotto / GB / 2010) Portraits deutscher Alkoholiker (Carolin Schmitz / Deutschland / 2009) Rango [deutsche Synchro / falsches Bildformat] (Gore Verbinski / USA / 2011) Read Your City (?? / Deutschland / 2011) Schlafkrankheit (Ulrich Köhler / Deutschland, Frankreich, Niederlande / 2011) Slow Action (Ben Rivers / GB / 2010) Slow Torture Puke Chamber (Lucifer Valentine / Kanada / 2010) SommerElemente (?? / Deutschland / 2011) Stalags „Pornografie & Holocaust“ (Ari Libsker / Israel / 2008) Stand van de Sterren „Position Among the Stars“ (Leonard Retel Helmrich / Niederlande, Indonesien / 2010) Super 8 [deutsche Synchro] (J.J. Abrams / USA / 2011) Tag & Nacht (?? / Deutschland / 2011) Teufelsnacht (Wolfgang Böhm, Florian Puchert / Deutschland / 2011) The Dead (Howard J. Ford, Jonathan Ford / GB / 2010) The Tree of Life (Terrence Malick / USA / 2010) Tsumetai nettaigyo „Cold Fish“ (Sion Sono / Japan / 2010) x2 Tyrannosaur (Paddy Considine / GB / 2010) Unter dir die Stadt (Christoph Hochhäusler / Deutschland, Frankreich / 2010) Vapor Trail (Clark) (John Gianvito / USA / 2010) Vlees „Meat“ (Victor Nieuwenhuijs, Maartje Seyferth / Niederlande/ 2010) Warum mag jeder Würstchen? (Stefan Vogt / Deutschland / 2010) Whores‘ Glory (Michael Glawogger / Österreich, Deutschland / 2011) Witze (Klaus Schneider / Deutschland / 2010) Xin shao lin si „Shaolin“ (Benny Chan / Hongkong, China / 2010)
Ältere Filme, erstmals gesehen: gesammelte Entdeckungslisten
In jährlicher Tradition (siehe 2009 und 2010) folgt hiermit unter neuem Motto auch für das Jahr 2011 eine Sammlung von filmischen Entdeckungen. Aus verschiedenen Gründen sind wir diesmal ein paar Tage später dran und leider ist auch ein Schwund bei der Teilnehmerzahl zu verzeichnen (möglicherweise gibt es zumindest noch eine Listen-Nachreichung), dafür haben sich die verbliebenen Teilnehmer mit umso umfangreicheren Beiträgen ins Zeug gelegt. Außerdem freuen wir uns ganz besonders, mit Christian bei dieser Gelegenheit einen neuen E-Träumer in unseren Reihen begrüßen zu dürfen. Die Jahreslisten mit unseren Favoriten des aktuellen Kinojahres folgen wie gewohnt in einigen Tagen. Weiterlesen “Ekstase 2011” »
Ein Besuch von Jean-Luc Godard im US-Fernsehen Anfang der 80er. Er und Dick Cavett sitzen sich gegenüber, und versuchen so lange innerhalb der Fernsehkonventionen zu reden, wie es ihnen die Sendezeit erlaubt. Oder zumindest Cavett versucht es, während Godard sich manchmal darauf einlässt und sich manchmal entzieht. Aus heutiger Sicht erscheint es mir faszinierend zu sehen, wie ruhig und konzentriert diese Unterhaltung scheint, wie wenig inszeniert, wobei Godard an einem Punkt erwähnt, dass das Fernsehen auch größer und komplizierter geworden ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten, und dass der Aufwand, der um sie in diesem Moment betrieben wird wesentlich komplexer ist als früher. Das rückt unsere momentane Aufmerksamkeitsproduktion im Fernsehen noch einmal in eine andere Perspektive, und zeigt auf, wieviel sich in den letzten 30 Jahren in unserem Verständnis vom Umgang mit Zeit und unserer Bereitschaft sich auf ihr Verstreichen einzulassen wirklich geändert hat. Ungläubig reibe ich mir daher auch die Augen, als Cavett Godard fragt, ob er noch einmal in seine Sendung kommen möchte (bzw. sie noch einmal eine Sendung aufnhemen könnten – ich habe den zeitlichen Zusammenhang in diesen Youtube-Ausschnitten nicht ganz verstanden), damit sie sich noch weiter unterhalten können, da er noch weitere Fragen hätte. Hier also die gestückelten Youtublinks der zwei Sendungen, wobei Teil 2/6 leider fehlt, da er aufgrund eines darin verwendeten Filmausschnitts von Youtube gesperrt worden ist.
Gerade eben über einen interresanten und inzwischen auch kontroversenFSK-Beschluss bezüglich des deutschen Spielfilms Romeos gestolpert, den ich unseren Lesern an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:
Der Film handelt von dem Coming Out des transsexuellen Lukas und dessen Transformation von einer Frau zu einem Mann. Als Zivildienstleistender in Köln, der im Mädchentrakt des Zivi-Wohnheims untergebracht ist und von seiner besten Freundin Ine von Party zu Party „geschleift“ wird, muss er verschiedene Situationen meistern. In Köln weis außer seiner Freundin, der Leiterin des Wohnheims und deren Chef keiner von Lukas‘ Coming Out. Das bereitet ihm im Umgang mit den anderen Jugendlichen Schwierigkeiten und so manche peinliche Situation, in der er in Erklärungsnot gerät. Lukas verliebt sich in Fabio, der nicht unterschiedlicher zu ihm sein könnte. Fabio erwidert dieses Gefühl. Durch Lukas kleine Schwester erfährt Fabio allerdings, dass Lukas eigentlich ein Mädchen ist. Fabio kehrt Lukas den Rücken und fängt eine Liebelei mit einem Mädchen an. Doch Lukas gibt nicht auf und kämpft auf seine Art um Fabios Liebe. Der Film zeigt einen leidenden jungen Menschen, der auf seinem Weg der Geschlechtsumwandlung mit seinem Umfeld, mit Spott und Vorurteilen zu kämpfen hat. Damit behandelt der Film ein schwieriges Thema, welches für die Jüngsten der beantragten Altersgruppe, die sich in diesem Alter in ihrer sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte. Das Thema selbst ist schon schwierig für 12- bis 13-Jährige und die Schilderung einer völlig einseitigen Welt von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen. Die explizite Darstellung von schwulen und lesbischen Jugendlichen und deren häufige Partnerwechsel können verwirrend auf junge Zuschauer wirken, auch wenn der Film auf Bildebene nicht schamverletzend ist und niemanden diffamiert. Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider, die Kinder aufgrund keiner oder zu geringer Erfahrungen nicht erkennen können. Der Film bedient sich keiner zotigen Sprache und diskriminiert Homosexuelle nicht, so dass er für ältere Altersgruppen nicht als problematisch beurteilt wird. Für ältere Rezipienten ist die Filmgeschichte einordbar und verkraftbar.
Ein Magischer Moment: Gerade eben in Rudolf Thomes Online-Tagebuch einen Ausschnitt aus dem Making-Of seines neuen Films Ins Blaue gesehen, der bei Youtube hochgeladen wurde. Es geht um Film als Lebensenergie. Ich bin ganz elektrisiert, und freue mich nicht nur erneut auf Ins Blaue sondern auch auf das Making-Of. Wenn es nur halb so intensiv wie dieser kurze Einblick wird, gibt es 2012 vielleicht sogar 2 Filme um Thome zu entdecken.
Manchmal ist es schwierig über einen Film zu schreiben. Zumindest, wenn man ehrlich sein will. Während dem Sehen hat man viele Ideen, oder auch viele Stimmungen und Gefühle. Bei den Ideen ist es oft schwierig sie zu rekapitulieren, bei den Gefühlen schwierig sie zu beschreiben, in Worte zu fassen. Heinrich ist so ein Film, ein Film der seine Ideen in Gefühlen und Stimmungen ausdrückt und sie selten verbalisiert (was auch immer das im filmischen Kontext heißen mag). Das bedeutet jedoch nicht, dass er kein intellektuelles Kino wäre, voll von Meinungen über die Welt, die es gilt, an den Mann (oder die Frau) zu bringen. Linkes, agitatorisches Kino eben, das immer auch didaktisch ist (man denke als Paradebeispiel mal wieder an die grundsätzliche Didaktik eines Jean-Luc Godard). Aber Heinrich ist eben auch leidenschaftlich, obsessiv und sinnlich im besten Sinne dieses aufklärerischen Kinos, dieses Kinos des „Neuen deutschen Films“ der 70er („jung“ im eigentlichen Wortlaut ist an den zumindest aus heutiger Sicht eher altherrenhaften und angestaubten pädagogischen Ansätzen dieser Filme wenig – auch wenn sie von Frauen gedreht wurden), indem er sich am Theater, an einer Tradition der Bühne, an ihren Präsentations- und Diktionsformen orientiert, ohne das genuin filmische Moment, die verfremdenden, naturalistischen oder hyperrealistischen Eigenschaften von Bild und Ton, von Klangkulisse, Licht, Farben, der Großaufnahme oder Totale, dem Schnitt und den sonstigen kinematographischen Besonderheiten der Kombinationsmöglichkeiten künstlerischer Ausdrucksformen auf und mit dem Aufnahmematerial, zu vernachlässigen. Weiterlesen “100 Deutsche Lieblingsfilme #32: Heinrich (1977)” »
Eine der besten Szenen von Black Angel gibt es gleich zu Beginn. Nachdem wir mit Mavis Marlowe die Femme Fatale des Films in einer verblüffend pointierten und ökonomischen Szenenfolge kennenlernen, und zwei männliche Personen eingeführt werden die mit ihr in Verbindung stehen, kommen wir mit dem dritten Mann zum Tatort der nun bereits ermordeten Dame. Die Tür ist angelehnt, und Kirk Bennett, der kurz darauf wegen des Mordes verurteilt werden wird, tritt ins Zimmer. Es läuft Musik, ein Stück namens „Heartbreak“, welches Marlowes von ihr verlassener Ehemann vor längerer Zeit für sie geschrieben hat, und das ihr den Durchbruch zu einer Karriere als Sängerin ermöglichte. Während Kirk im Vorzimmer wartet und das Musikstück zu Ende läuft, um im Plattenspieler gleich noch einmal von vorne zu beginnen (eine hypnotische Großaufnahme, von denen es im Film noch mehrere geben wird) Weiterlesen “Black Angel (1946)” »