100 Deutsche Lieblingsfilme #30: Weiße Lilien (2007)

Weisse Lilien

His life’s final offer,
cut-price salvation ain’t at no level.
Lead me not into temptation.
I, church of truth, sell three steps to heaven,
suburban essentials, blemish-twisted patterns.
Don’t make me buy your apples of Sodom,
those fruits are bitter-strange and rotten.“

Weiße Lilien (2007)

Neustadt, die Stadt der Zukunft, eine grauenerregende Ansammlung von Betonklötzen mit 25 000 wohnlichen Grabkammern, deren Bewohner hier art- und klassengerecht verstaut und verwaltet werden können. Unter ihnen Hannah Schreiber (Brigitte Hobmeier), dieses filigrane rothaarige schüchtern-zaghafte Geschöpf, eine Mimose möchte man zunächst meinen, die sich im Grunde mit ihrem Posten als Telefonistin des Sicherheitsdienstes von Neustadt bescheidet, und wohl weiterhin fortfahren würde, all ihre eventuellen tieferliegenden Sehnsüchte – nach Liebe, Selbstbewusstsein, Transzendenz und Derartigem – in die Lektüre von Romanen und damit ins Fiktionale auszulagern, wäre da nicht ihr grenzpsychopathischer Mann Branco (Xaver Hutter), ebenfalls Angestellter des Sicherheitsdienstes mit Hang zur Gewalt, hartem Sex und ausgeprägtem Bücherhass, dessen Ausbrüche selbst Hannah zum Handeln zwingen. Weiterlesen…

100 Deutsche Lieblingsfilme #27: Babylon (1992)

„Ich mach dir Flügel und fick’ ich dich in den Himmel, Schwester Maria.
Ich kann dich auch in die Hölle ficken.
Mein Schwanz kann alles!“

– Lothar, August, Beelzebub

Babylon – Im Bett mit Ralf Huettner

Ein Film in den Wehen. BABYLON, die große Hure Babylon, windet sich im Neonlicht des Kreißsaals und gebiert konvulsivisch Einstellung um Einstellung, jede ihrerseits Wirtin einer neuen. Jeder Schnitt ist eine Entbindung. Das Kino wird zum Mutterleib, die Leinwand zum sich zur Welt öffnenden Spalt, zum Lichttunnel.
Am Ende der Nacht liegt dieser Lichttunnel, am Ende einer flackernden Spirale, in der die Nacht gleißender aussieht und Krankenschwesternuniformen pinker sind als je wieder in einem deutschen Filmerzeugnis. Ach! Das deutsche Kino, sein klinisches Bürofensterlicht… Huettner aber träumt sein Kino dahin, wo Träume zuhause sind – in die Nacht. In seine schlaflose Nacht, in der blinde Tumorpatientinnen in Krankenhäusern unter dem Ächzen von Tennisspielern im Fernsehen lustvoll verglühen, in der Apothekerinnen ihren Nachtdienst absitzen, wartend in der Hoffnung auf einen hilfsbedürftigen Patienten, dem sie die Salbe einreiben können, den sie lebendig mumifizieren können, eine Nacht, in der eine Verständnis versprechende, körperlose Stimme raunt und die Tore zur Ewigkeit sich auf der Müllhalde des Seins auftun.

Der Vertreter Lothar (Dominic Raacke) liebt die Kranken, die Trauernden, die Verlorenen. Sie sind ein gutes Geschäft, ihnen kann man das elektronische Glück verkaufen. Hinter der Unbegreiflichkeit ihrer Schicksalsschläge wittern sie eine böse Macht, inständig hoffend, diese möge sich als etwas Fassbares erweisen, etwas dass man bekämpfen kann, Erdstrahlen zum Beispiel, Wasseradern, Asbest in den Wänden… Gut, dass es Lothar gibt, den geschniegelten Heiland im Anzug mit den heilenden Geräten (sanitas ex machina!) und dem heilen Gerät, mit dem er die Frauen liebt. Auch sie werden von ihm geheilt – von der schrecklichsten Plage, die Gott über Babylon, die Welt, verhängt hat: Dem Dasein. Denn von Lothar schwanger zu sein bedeutet, selbst abgetrieben zu werden. Zuerst platzen die Kondome, später die Frauen. Blutbesudelt wäscht sich die Hebamme rein in einem See vor Pagoden, beobachtet von einem ältlichen weißgrauen Pärchen, das omnipräsente greisenhafte Double Gottes des allsehenden Zuschauers.

Voyeurismus und Exhibitionismus. Als Voyeuristen dürfen wir, zum ersten und einzigen Mal, über Grande Dame Veronica Ferres staunen, die kichernd ihren Busen aus einer Opernloge baumeln lässt. Exhibitionistisch dürfen sich die wurzellos im schwarz gluckernden Ozean der infernalischen Dämmerung treibenden Emotionen präsentieren, die Emotionen der blinden Lesbe, deren Finger den Kehlkopf und die ausladende mama der probenden Opernsängerin ertasten. Ihre Stimme sei, so die Blinde später, als hätte sie irgend etwas im Hals. Vielleicht ist es ja auch ein Tumor, wie er sich im Kopf der Blinden breit macht, eine perverse Wucherung, ein unerwünschter Zellklumpen, ein wiedergängerischer Fötus, der nicht tot zu kriegen ist, vorwitzig aus der Nierenschale glitschend, vielleicht sein Glück in der Welt suchend.

Gierige Hände greifen aus dem Hades nach allem Stetigen in diesem Film. Tragik ist ein Luxus, den frau hier nicht bezahlen kann, weder Maria, noch die kleine blonde banale Krankenschwester Bibi oder die perverse Apothekerin. Wir machen alles schlimmer und das ist gut so, meint Lothar.
In BABYLON drängt alles zum Sturz. Hausmeister müssen die Scherben der zerbrochenen Menschen zusammenkehren, aus denen sie die Verzweiflung anblickt. Babys stürzen durch flammenlodernde Kanäle ins Leben, verwahren sich entschieden gegen ihre provisorische Abtötung zum Schutz vor jenem, den Verrat des Fährmanns im weißen Kittel. Niemand kann sich dem Sog der Tiefe entziehen, auch Maria (Natja Brunckhorst) kann nicht fliegen, obwohl ihr Kleid mit chinesischen Drachen bestickt ist und Lothar ihr Flügel versprochen hatte. Die androgyne Krankenschwester muss den Weg gehen, den wir alle einmal gehen müssen, mit nuttigen Siebenmeilenstiefeln gerüstet für die Flucht ins Embryonale.

BABYLON ist ein oneironautischer Trip, ein cinemanischer Wunschtraum und eine psychosexuelle Welt-Traum-Oper, in der ständig Fassade um Fassade einer urbanen deutschen Halbwelt abbröckelt, Trümmer eines babylonischen Turmes, den Zuschauer erschlagend, Blatt um Blatt eines unendlichen Kartenhauses. Meta-Sleazik des Werdens: Himmel oder Hölle – BABYLON kann alles.

BABYLON – Deutschland 1992 – 85 Minuten – ThanatoColor
Regie: Ralf Huettner – Buch: Andi T. Hoetzel, Ralf Huettner – Produktion: Ralf Huettner, Andi T. Hoetzel, Dominic Raacke – Kamera: Diethard Prengel – Schnitt: Margarete Rose – Musik: One Tongue
Darsteller: Natja Brunckhorst, Dominic Raacke, Michael Greiling, Veronica Ferres, Ditte Schupp, Ina Siefert, Ilse Zielstorff

Gesammelte Jahreslisten 2010

Letztes Jahr verliefen alle Bestrebungen zu einem gemeinsamen Posting mit unseren gesammelten Jahreslisten im Sande. Diesmal haben wir uns fest vorgenommen, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen, sondern einige Tage nach unseren Entdeckungslisten dann auch die Jahreslisten mit unseren Favoriten des aktuellen Film- und Kinojahrgangs (weitgehend ungeachtet der häufig verzögerten regulären Starttermine, stattdessen am tatsächlichen eigenen Sichtungsjahr orientiert, ob Festival, Kinostart oder DVD-Import) folgen zu lassen – und das nicht weniger umfangreich und ausufernd. In einem nachgerade wahnwitzigen Kraftakt ist dieses Unterfangen diesmal ausnahmsweise tatsächlich geglückt, weshalb wir nun nachfolgend das neue Jahr gebührend mit der krönenden Fortsetzung des zum Abschluss des alten Jahres begonnenen Listenwahnsinns einleiten wollen…

Gleich geht's los...
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Ältere Filme, erstmals gesehen: Entdeckungen 2010

Eine weit ausholende Einleitung dürfte sich an dieser Stelle erübrigen. Wie offensichtlich sein sollte, handelt es sich um die Fortführung der letztes Jahr eingeführten gesammelten Entdeckunglisten, dieses Jahr jedoch wohl noch einmal eine Spur umfangreicher und maßloser (was sich auch daran zeigt, dass es nun gleich mehrere zusätzliche Ergänzungslisten gibt und vermutlich noch mindestens eine weitere folgen wird), und erfreulicherweise diesmal sogar mit sechs statt fünf Teilnehmern. Bliebe vielleicht nur noch etwas zu sagen zur letztjährigen Ankündigung, dass „demnächst“ nach den Entdeckungslisten mit älteren Filmen auch die Jahreslisten mit den Favoriten des aktuellen Jahrgang folgen würden, was dann aufgrund jämmerlichen Versagens aller diesbezüglichen Vorhaben leider nun auch ein knappes Jahr später noch immer nicht passiert ist.
Wir geloben jedoch Besserung und möchten die nun folgende, exzessive Sammlung von Zeugnissen unserer unerschrockenen Leidenschaft für Listen als Beweis für unsere nimmermüden guten Vorsätze betrachten. Nun sind wir gefeit für die listologische Aufarbeitung des Jahrgangs 2010…
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Die Entdeckungen des Alexander S., 2. Teil

All that Heaven Allows / Was der Himmel erlaubt (Douglas Sirk 1955)

Endlich ein Sirk, der mich richtig begeistern konnte. Bissig, campig und in changierendes Licht getaucht…

Beau Travail / Der Legionär (Claire Denis 1999)

Der sinnlichste Film von Claire Denis. Dennoch ganz und gar abstrakt.

Spetters (Paul Verhoeven 1980)

Nur ein Beispiel für den Geist dieses Films: ein Homophobiker wird von einer Bande Lederschwuler vergewaltigt und findet daraufhin zu sich und seiner Homosexualität. Verhoeven lebe hoch!

Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir (Christoph Schlingensief / Peter Schönhofer, D 2009, Theateraufzeichnung)

Emotionalstes Bewegtbilderlebnis jemals. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Martha (Rainer Werner Fassbinder 1974)

Fassbinder at his best! Carstensen at her best! (1)

Die bitteren Tränen der Petra von Kant (Rainer Werner Fassbinder, BRD 1972)

Fassbinder at his best! Carstensen at her best! (2)

Otra vuelta de tuerca / The Turn of the Screw (Eloy de la Iglesia, E 1985)

Endlich schwuler Sleaze, juhu! Und dazu noch ein Paket Mystik… Fein, fein, Applaus!

Jigoku no banken: akai megane / The Red Spectacles (Mamoru Oshii, Japan 1987)

Pflicht für alle Fehlgeleiteten, die Inception in irgend einer Weise originell fanden. Oshii hat die ganze Traumverschachtelung schon 1987 draufgehabt, geschickter, witziger, tiefsinniger und schöner, basta!

Der Fluch (Ralf Huettner, BRD 1988, ca. 3.x)

Eigentlich keine Neuentdeckung, aber neben The Reflecting Skin, die zweite Wiederentdeckung eines Films, den ich schon als Kind geliebt habe. Hier habe ich ihn für die deutsche Reihe besprochen.

The Man Who Shot Liberty Valance / Der Mann, der Liberty Valance erschoss (John Ford, USA 1962)

Mit Skepsis angefangen, mit wachsender Begeisterung zu Ende geschaut. Vielleicht sollte ich mich dem Western doch mehr öffnen.

Deadlock (Roland Klick, BRD 1970)

Und der nächste Western, dazu noch ein deutscher. Existenzialistisch, spannend, stellenweise sogar lustig.

Flandres / Flandern (Bruno Dumont, F 2006)

Wer Dumont Nihilismus vorwirft, hat nichts begriffen. Ein Kriegsfilm ohne Schnörkel, ohne Erklärungen, ohne Ideologie, fast ohne Krieg(sszenen). Mit Menschen.

Crimes of Passion (Ken Russell, USA 1984)

Ken Russells sleazigster und fröhlich frei perversester Film mit Anthony Perkins als sexuell verkorkstem Priester. Thumbs up!

Au hasard Balthazar / Zum Beispiel Balthasar (Robert Bresson, Frankreich / Schweden 1966)

Endlich hat es ein Film von Bresson geschafft mich wirklich zu berühren. Vielleicht erschließt sich mir der Rest seines Werkes nach und nach auch noch.

Iwan Grosny I & II / Iwan der Schreckliche I & II (Sergej Eisenstein 1944 & 1945)

Brilliantes Spätwerk Eisensteins, semantisch ambivalenter und filmsprachlich fast noch interessanter als seine Revolutionsfilme.

Trouble Every Day (Claire Denis 2001)

Vincent Gallo und Beatrice Dalle als getriebene Tiere in einer kalten, glatten, fremden Welt. Wunderschön und erhaben. Nichts weniger.

Marquis (Henri Xhonneux / Roland Topor, F 1989)

Der Marquis de Sade spricht mit seinem Schwanz und defäkiert auf Kruzifixe. Das Ganze als Puppenfilm. Toll!

Gerry (Gus van Sant, USA 2002)

Zwei junge Männer verlaufen sich bei einem Ausflug in die Wüste. Der traurigste und schönste Film seit langem. Für mich auch Gus Van Sants bester bisher.

Waking Life (Richard Linklater, USA 2001)

Der zweite Film in dieser Liste der eine bessere alternative zu Inception darstellt, insofern er von Träumen in Träumen handelt. Außerdem geht es um die Existenz und überhaupt alles und so. Ein GGFÜA oder wie war das? Nur dass der Film gar nicht so „groß“(-spurig) daherkommt. Eigentlich wird hauptsächlich geredet, normalerweise etwas, was ich nicht so sehr bei Filmen mag (Rohmer…), aber hier ist es super!

Enter the Void (2009)



Obwohl ich darauf vorbeitet war, Schwerverdauliches in mich aufzunehmen, war die Sichtung von ENTER THE VOID in erster Linie eines: unheimlich anstrengend. Das ständige Geflirre und Geblinke in allen Farben und Nichtfarben und vor allem am Anfang die torkelnde Handkamera, später dann die dauernd über dem Geschehen kreisenden und in diesen oder jenen Hundenapf eintauchenden Kranfahrten verursachten mir geradezu physischen Schwindel und sogar leichte Übelkeit, so dass ich während der immerhin 162 Minuten mehrmals die Augen schließen und langsam bis 10 zählen musste, um den Film überhaupt weitersehen zu können, ohne meinen Mageninhalt über der zum Glück leeren Sitzreihe vor mir zu vergießen. Doch manche Filme dürfen eben anstrengend sein, für das große Kino nimmt eine echter Cineast jederzeit auch körperliches Unwohlsein in Kauf, Kunst ist in dieser Hinsicht wie Liebe: sie darf auch mal weh tun.

Ob Gaspar Noés dritter Langspielfilm, jedoch Kunst genug ist, um das visuell erzeugte Schleudertrauma zu rechtfertigen, muss sich jeder selbst beantworten – ich zumindest kann auch nachdem ich einmal drüber geschlafen habe, zu keiner abschließenden Bewertung kommen. Aber gerade das ist wohl symptomatisch für diesen Film, wie überhaupt für Noés Kino und macht es trotz aller zwiespältigen Gefühle, die es bei mir weckt, letztlich doch zu einem Faszinosum. Ich gebe es hiermit unumwunden zu: irgendwo tief in mir hegte ich ja die Hoffnung, ENTER THE VOID könnte Noés erstes richtiges Meisterwerk sein, schon die lange Schaffenspause – zwischen IRRÈVERSIBLE (2002) und ENTER THE VOID liegen 7 Jahre, in denen Noé nur zwei Kurzfilme gedreht hat – aber durchaus auch die Presse und der Trailer ließen mich insgeheim auf wahrhaft Großes hoffen.

Tatsächlich gehört die Grundidee des Films, die dem Regisseur angeblich schon vor Jahren beim Anschauen des berühmten First-Person-Perspective-Noir LADY IN THE LAKE (1947) unter Einfluss von Psychedelika gekommen ist, zu den interessantesten und originellsten seit langem: konsequent zeigt uns der Film die Welt aus der Innenperspektive eines jungen Eurpäers namens Oscar, der mit seiner Schwester Linda in Tokyo lebt, jedoch – Achtung Spoiler! – nach den ersten 20 Minuten des Films erschossen wird, nur um dann als körperlose Seele abwechselnd durch wabernde Lichtmassen zu reisen, durchs nächtliche Tokyo zu flirren und aus der Vogelperspektive die Schicksale seiner Schwester, sowie seiner früheren Freunde und Feinde zu beobachten, unterbrochen von assoziativ montierten Erinnerungsflashbacks, welche dem Zuschauer praktischerweise gleich die Lebensgeschichte der beiden Geschwister nachliefern, die sich nach dem Verlust ihrer Eltern in einem tragischen Unfall, herzzerreißenderweise geschworen haben, immer bei einander zu bleiben, selbst nach dem Tod.

Als kulturell-mystischen Hintergrund für Noés hochambitionierten Versuch, das Sterben und die Reise durchs Jenseits als „ultimativen Trip“ (Zitat aus dem Film) zu inszenieren hat dieser sich offensichtlich das mehrfach im Film vorkommende Tibetische Totenbuch ausgewählt, das schon in den 60ern von begeisterten LSD-Konsumenten und Freizeitpropheten wie John Lennon und Timothy Leary zu dem Kultbuch aller Bewusstseinserweiterungsjünger erhoben wurde. Die psychedelische Prämisse des Films gab Noés CGI-Team immerhin den Anlass, einige der sicherlich schönsten Bildschirmschoner aller Zeiten zu kreieren. So kann man sich denn ganz legal und ohne Drogen im Kinosessel dem reizvollen Licht- und Farbenrausch ergeben, für den das neonblinkende nächtliche Tokyo die schmucke Kulisse abgibt.

Natürlich bemüht sich der Film nebenbei auch um emotionale Tiefe, doch wie bei Noé üblich versucht er diese vor allem dadurch herzustellen, dass er alles so schockierend und drastisch wie nur möglich inszeniert. Daher dürfen wir sozusagen hautnah an Oscars inzestuösen Phantasien teilhaben, gleich mehrmals den traumatisierenden Unfall der Eltern rekapitulieren, in einen abgetriebenen Fötus eintauchen und einem Geschlechtsverkehr zur Abwechslung mal aus der Perspektive der Vagina beiwohnen. Noé wirkt dadurch leider ein bißchen, wie ein leicht überspanntes Hundeherrchen, das sein Haustier, den Zuschauer, ununterbrochen mit der Schnauze in die Scheiße drückt, um ihm mal zu zeigen, wie krass und vor allem wie mies die Welt doch eigentlich ist. „Le temps detruit tous“ – „Die Zeit zerstört alles“ wurde schon in IRRÈVERSIBLE immer mal wieder zwischendurch eingeblendet, offensichtlich Noés tiefsinnige Lebensweisheit, die er auch in ENTER THE VOID mit wiedermal durchaus virtuoser Handhabung der Kamera und betont unkonventionellen Erzählweisen in Szene setzt.

Nur wird dieser Grundpessimismus hier eben ins Buddhistische gewendet. In einem Interview erklärt Gaspar Noé allerdings, dass er die Beschreibungen der Seelenreise im Jenseits aus dem Tibetischen Totenbuch nur im Sinne eines reizvollen Gedankenspiels adaptiert hat, selbst aber keine Bohne daran glaubt. Das ist dann irgendwie doch etwas beruhigend, zumal der Film manchmal hart an der Grenze zum New-Age-Trash vorbeischrammt, und vor allem gegen Ende stellenweise ins unfreiwillig Komische abdriftet, etwa wenn in einer schwebenden Kamerafahrt durch ein Bordell die Genitalien der auf mannigfache Weise Kopulierenden eine Art leuchtenden Nebel zu verstömen scheinen. Allerdings stellt sich damit auch die Frage wie ernst man den Film überhaupt nehmen kann. Vielleicht sollte man an ENTER THE VOID aber gar nicht den Anspruch stellen, tiefgründige philosophische Reflexionen über den Tod in Gang zu setzen, sondern ihn einfach von vornherein als schicken Transgressionreigen im Neongewand rezipieren, als agnostische Spititualität, dargereicht in zeitgerechter Form von Leuchtreklame. ENTER THE VOID wäre somit als Manifestation eines neuen, zugleich ins digitale wie ins post-religiöse Zeitalter eingetretenen Cinéma du Look zu betrachten. Möglicherweise ist dies sogar die adäquaste Art die religiösen Bedürfnisse unserer Generation darzustellen: es geht hier nämlich längst nicht mehr um die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, sondern wenn überhaupt um die Hoffnung darauf, dass dieses, falls es denn tatsächlich eines gibt, möglichst stilvoll aussieht und interessante Features wie Umherfliegen und In-Menschen-Eintauchen bietet.

Enter the Void – F/BRD/I 2009 – 162 Minuten – Regie: Gaspar Noé – Buch: Lucile Hadzihalilovic, Gaspar Noé – Produktion: Pierre Buffin, Olivier Delbosc, Vincent Maravl, Marc Missonier, Gaspar Noé – Kamera: Benoît Debie – Schnitt: Marc Boucrot, Gaspar Noé – Musik: Thomas Bangalter – Darsteller: Nathaniel Brown, Paz de la Huerta, Cyril Roy, Olly Alexander, Masato Tanno u.a.

100 Deutsche Lieblingsfilme #14: Der Fluch (1988)

Zu bedrohlichen Klängen erscheinen erste Credits wie weiße Gespenster im Schwarz des Bildes, dann mit einem tiefen Dröhnen und in zerfranstem Blutrot der Titel, während eine ängstliche Kinderstimme ein Gedicht ins Dunkel flüstert, rätselhafte Worte, eine düstere Prophezeiung: „…das Eis wird auferstehen, eh sich die Stunde schließt…“ Jetzt ein Bild: Ein Fernseher zeigt einen alten Schwarz-Weißhorrorfilm: ein Irrer liegt auf einem Bett und schreit. Gebannt sitzt eine Gruppe Kinder auf einem Sofa davor, genießt den wohligen Schauer des Grusels… die Ungewissheit… die Möglichkeit, dass es so etwas vielleicht doch gibt… so etwas wovon die Erwachsenen behaupten, das gebe es gar nicht…

Huettners Film taucht völlig ein in jene Welt der kindlichen Phantasie, die den Erwachsenen, den ihrer Phantasie Entwachsenen, verschlossen bleibt, aber es geht hier nicht allein um die Phantasie, es geht um die Welt kindlichen Erlebens überhaupt, eines mystischen und träumerischen Welterlebens, wie es schon die Romantiker beschwören wollten.

Auf dem Nachhauseweg von dem Fernsehabend: die kleine Melanie fährt mit dem Fahrrad auf einen Schemen im Dunkel zu, eine durchsichtige ätherische Gestalt – und durch sie hindurch! Plötzlich ist da jedoch kein Schemen mehr, sondern eine ältere Frau liegt ganz körperlich vor Melanie unter deren Rad begraben und stammelt verstört: „Wer bist du? Du… bist so… kalt!“. Der Frau steht nun das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. „Was ist das für ein Kind?“ schreit sie immer lauter.

Bei einem Ausflug in die Berge mit ihren Eltern scheint der seltsame Vorfall vergessen, doch dann verirren sich diese und Melanie behauptet unvermittelt, sie wisse den Weg. Die ungläubigen Eltern folgen ihr zögerlich, aber Melanie führt sie immer höher, immer weiter Weg vom eigentlichen Ziel, hin zu einer einsam gelegenen Waldkapelle, ein Ort der ihnen seltsam vertraut ist: hier haben sie sich das erste Mal geküsst. Als sie den Weg ins Tal nicht mehr rechtzeitig vor Einbruch der Nacht finden, beschließen sie notgedrungen auf dem Berg in der Nähe eines Gletschers zu nächtigen. Doch: „das Eis wird auferstehen, eh sich die Stunde schließt…“

Momente eines ganz real-vertrauten Familienalltags gehen in diesem Film sukzessive über in eine mystische Welt der Zeichen und Wunder, der uralten Prophezeiungen und der gemurmelten Flüche. Bezeichnend ist eine Szene, in der Melanie auf eigene Faust wieder mit dem Zug in die Berge gefahren ist und sich in einer Höhle hinter der Kapelle versteckt. Ihr Vater ist ihr nachgereist und will sie nun zurückholen, doch vergeblich streckt er ihr die Hand entgegen, er ist zu groß um durch die Lücke in der Wand zu steigen. Als er sich klein machen will um sich durch eine Lücke im Gebälk zu zwängen, droht der Übergang zwischen Sakralbau und sakraler Natur einzustürzen. Er ist eben zu groß, zu vernünftig zu entzaubert um einen Zugang zur Welt des Geheimnisses zu finden, um die Welt noch zu verstehen, um zu erkennen, dass eben doch „Märchen und Geschichten, die wahren Weltgeschichten“ sind, wie Novalis einst geschrieben hatte. In bester Tradition der schwarzen Romantik ereilt denn letztlich auch diese erwachsenen Menschen der Vernunft der Fluch des Irrationalen und der Film endet schaurigschön in einer Katastrophe, angekündigt durch das unheilverkündende Schmelzen einer Silberglocke in einem verstaubten Archiv…

Der Fluch – BRD 1988 – 92 Minuten – Regie: Ralf Huettner – Drehbuch: Andy T. Hoetzel, Ralf Huettner – Produktion: Joachim Müller – Kamera: Diethard Prengel – Musik: Andreas Köbner – Darsteller: Dominic Raacke, Barbara May, Romina Nowack, Ortrud Beginnen, Gerd Lohmeyer, Barbara Valentin.

Salomé (1972)

La principessa Salomé

Als ich mich neulich träge auf dem Bett räkelnd durchs sonntägliche Nachmittagsprogramm zappte stieß ich zu meiner großen Freude auf die lang nicht mehr gesehenen Lümmel von der ersten Bank. In besonders vertrackten und unerwarteten Situationen zoomte die Kamera plötzlich auf das Gesicht des großen Paukerschrecks Pepe Nietnagel, der mit einer gewissen stoischen Zufriedenheit in die Kamera verkündet: „Man fasst es nicht!“ Diese Weisheit wird dann auch noch mehrmals im Abspann peppig gesungen wiederholt. Auch wird an einer Stelle des Films vom Schulchor das schöne Lied „Ich weiß nicht, was soll das bedeuten“ angestimmt. Ein philosophischer Film, der mir als assoziatives Sprungbrett zu jenem anderen dient, der vielleicht die größte filmische Unfassbarkeit seit meiner Entdeckung Andrzej Żuławskis darstellt: Salomé von Carmelo Bene, ein lange vorgenommener und jüngst mit einem Freund und Mitblogger (Christoph) endlich genossener Tropfen schaumig geschlagenen Autorenfilmweins aus italienischen Gefilden… Weiterlesen…

Die neuen Phantome des verrückten Hutmachers Timmy B.

Probable chat of two Disney producers around three years ago:

A: Hey Bob, we should really bring out a totally new version of „Alice in Wonderland“, don’t ye think so? All in 3D, everyone will love it!!!

B: Well, Alan… only thing is..ye know…this book.. „Alice“…it aint got no proper story..

A: Uhah..

B: …and it’s pretty weird…much too weird for the big audience!

A: But…

B: I know what you’re gonna say, but what worked fifty years ago aint gonna work nowadays… People want the straightforward fight of good against evil, they wanna see another „Lord of the Rings“, another „Chronicles of Narnia“, another „Harry Potter“ with a niiiice li’l piece of moral advice wrapped into it…

A: I’m afraid you’re right. This Lewis Carroll surely had something, but his ideas are just to strange, to crazy…the whole book does have this… Burton-touch, doesn’t it?

B: Yeah, yeah, you’re right!!! It’s got the Burton-touch,so why not let Burton make a totally crazy version of Alice and…

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Fünf Listen: Entdeckungen 2009

Sardonicus

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und der Listenwahnsinn hat traditionell Hochsaison. Dem wollen wir, die wir zumindest zum Teil selbst Listen-Fans sind, uns natürlich nicht entziehen. Bevor es demnächst um die Jahreslisten mit den Lieblingsfilmen des aktuellen Jahrgangs 2009 geht, liegt der Fokus hier in einem Sammelposting erst einmal auf den Entdeckungen abseits des aktuellen Jahrgangs, es geht also um ältere Filme, die man 2009 zum ersten Mal gesehen und für sich entdeckt hat. Einzige Vorgabe für dieses Sammelposting war, dass der Umfang der einzelnen Listen nicht zu umfangreich sein sollte, für allzu ausufernde Listen sind dann ggf. seperate Postings oder der Sehtagebuch- bzw. Listen-Bereich vorgesehen. Hier geht es erstmal um das halbwegs übersichtliche Zusammenfassen komprimierter Entdeckungslisten, wie stark komprimiert und ausgesiebt wurde, schwankt aber von Fall zu Fall. Nachfolgend also die Listen im Einzelnen.


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mimiwosumaseba

Alexander P.

15 Entdeckungen 2009 (ungeordnet):

Mimi wo sumaseba (Yoshifumi Kondo)
Escape from L.A. (John Carpenter)
Sieben Tage Frist (Alfred Vohrer)
Point Break (Kathryn Bigelow)
Strait-Jacket (William Castle)
Salaam Cinema (Mohsen Makhmalbaf)
The Pit, the Pendulum and Hope (Jan Svankmajer)
House by the River (Fritz Lang)
After Midnight (Monta Bell)
Model Shop (Jacques Demy)
Le notti bianche (Luchino Visconti)
Dead of Night (Bob Clark)
Mauvais sang (Léos Carax)
The Mirror (Jafar Panahi)
My Bloody Valentine (George Mihalka)


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Sano

Die sieben aufregendsten Filme des Jahres. Was haben sie bei genauerer Betrachtung gemeinsam? Den Exzess, den Überschuß. Das Manische im Beharren – auf der Allmacht des Helden in Die Nadel, auf der der Natur in Rotes Kornfeld. Die Protagonisten glauben an etwas, sind zwanghaft in ihren Handlungen. Was sich  in ihren Gesichtern niederschlägt – in den Augen von Viktor Tsoj, Marlon Brando, Gong Li, Al Pacino, Kitty Winn, Joan Crawford und Joan Marshall – ist die Entschlossenheit und die Präsenz, im Hier und Jetzt. Das Direkte und Schnörkellose, Leben im Augenblick.

1.  Hong gao liang Rotes Kornfeld
Yimou Zhang  China  1987
2.  Igla Die Nadel
Rashid Nugmanov  Sowjetunion  1988
3.  Chui SaaiDie fliegenden Feuerstühle
Stanley Wing Siu  Hongkong  1973
4.  Strait-Jacket Die Zwangsjacke
William Castle  USA  1963
5.
One-Eyed Jacks Der Besessene
Marlon Brando  USA  1961
6.  The Panic in Needle Park Panik im Needle Park
Jerry Schatzberg  USA  1971
7.
Homicidal Mörderisch
William Castle  USA  1961


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4Filme4Bilder

Andreas

Bei der Suche nach Schwerpunkten und Schnittmengen zwischen den einzelnen filmischen Entdeckungen, also einer Entdeckung auf breiterer Ebene, bin ich schnell zu dem Schluss gekommen, dass meine größte filmische Entdeckung des Jahres wohl tatsächlich eine ziemlich kuriose und spezielle, ebenso ungewöhnliche wie ungewürdigte, überraschende wie abseitige war: der 16mm-Film. Zuvor war er mir überwiegend eigentlich nur von meist unbefriedigenden 35-zu-16mm-Reduktionskopien als Wiedergabemedium bekannt, während nun ausgerechnet bei der Berlinale im Schatten der auf ärgerliche und unnötige Weise teils verpfuschten 70mm-Retrospektive drei erstaunlich schöne 16mm-Kopien (bei denen 16mm im Normalformat auch das Aufnahmeverfahren war: „Schwitzkasten“, „Das unbekannte Hamburg“, „When It Was Blue“) für eine echte Überraschung sorgten, die sich im Laufe des Jahres unerwartet oft bestätigen sollte. Meine zwei vermutlich besten Kinoerlebnisse des gesamten Jahres verdanke ich dem Format: Lino Brockas Meisterwerk „Manila: In the Claws of Light“ auf der Viennale und Andy Warhols „Chelsea Girls“ in der intendierten 16mm-Doppelprojektion. Und auch sonst begegnete es mir immer wieder als Aufnahme- und damit auch originalgetreues Wiedergabeverfahren: bei diversen US-Surferfilmen (allen voran „Red Hot Blue“), bei Clemens Klopfenstein und Christian Schocher, bei Christoph Schlingensief und Jörg Buttgereit, und zumindest als Aufnahmeformat ganz markant auch bei „The Sinful Dwarf“ (den ich übrigens ausdrücklich in der verblüffend stimmigen und die grandios-verstörende Ambivalenz des Films noch steigernden Fassung mit Hardcore-Szenen empfehlen möchte – und natürlich ohnehin nur denjenigen, die wissen, auf was sie sich da einlassen) sowie als Super16-zu-35mm-Blow-Up auch bei (noch…) relativ vielen und dabei auffallend tollen aktuellen Filmen. Das schleichende Verschwinden des klassischen 16mm-Experimental- und Independentfilms – man denke an Wiseman, Benning, Brakhage etc. – ist meines Erachtens eine der großen Tragödien im Gefolge der Digitalisierung, weil die Bildcharakteristik, die spezifische Körnung und Materialität von 16mm bislang auch kein wirkliches digitales Äquivalent hat. Insofern bin ich froh, dieses leider wohl unweigerlich vom mittelfristigen Aussterben bedrohte Format ebenso wie vor zwei Jahren den 70mm-Film gerade noch rechtzeitig vor seiner endgültigen Marginalisierung und Historisierung in originalgetreuer Form entdeckt, erlebt und gewürdigt zu haben. Aber genug davon und lieber schnell zur eigentlichen Liste und den einzelnen Filmen…

31 Entdeckungen (ungeordnet; drei Viertel der ausgewählten Filme im Kino gesehen; wegen besserer Übersichtlichkeit sind lediglich die deutschen bzw. internationalen Titel sowie die Regie angegeben):

Schwitzkasten (John Cook)
Nocturnal Uproar (Catherine Breillat)
Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt (Jess Franco)
Die Kommissarin (Aleksandr Askoldov)
Sansho Dayu – Ein Leben ohne Freiheit (Kenji Mizoguchi)
Geschichte der Nacht (Clemens Klopfenstein)
The Satisfiers of Alpha Blue (Gerard Damiano)
El Sur – Der Süden (Victor Erice)
Die nackte Gräfin (Kurt Nachmann)
One-Eyed Jacks (Marlon Brando)
Les hautes solitudes (Philippe Garrel)
Rancho Notorious (Fritz Lang)
Chelsea Girls (Andy Warhol)
Monpti (Helmut Käutner)
Red Hot Blue (Curt Mastalka)
Quelle für die Dürstenden (Juri Iljenko)
Transes – Reiter auf dem toten Pferd (Clemens Klopfenstein)
Few of Us (Sharunas Bartas)
Mondo Cannibale 2. Teil – Der Vogelmensch (Ruggero Deodato)
Bona (Lino Brocka)
Feuerpferde (Sergej Paradschanow)
So Is This (Michael Snow)
Reisender Krieger (Christian Schocher)
Manila: In the Claws of Light (Lino Brocka)
Venus im Pelz (Massimo Dallamano)
Supermarkt (Roland Klick)
Jaguar (Lino Brocka)
Still Life (Sohrab Shahid Saless)
Zwei unter Millionen (Victor Vicas, Wieland Liebske)
The Sinful Dwarf (Vidal Raski)
Mad Foxes (Paul Grau)

Bonus:

+ sechs Mal William Castle mit Live-Gimmicks
+ die grandios direkten, prägnant erzählten Kurzfilme von Marran Gosov
+ 70mm in seiner Essenz: The Miracle of Todd-AO & Sky over Holland
+ Western im Kino (die beiden größten Neuentdeckungen stehen auf der Liste, die schönsten Wiederentdeckungen: Forty Guns, My Darling Clementine, El Dorado)
+ diverse Retrospektiven und Werkschauen, vor allem jedoch die zu Apichatpong Weerasethakul, Claire Denis und John Carpenter (drei Filmemacher für die große Leinwand)
+ Sleaze, Trash und Schlock aller Couleur, je schäbiger und schmieriger, desto lieber (halb-stellvertretend finden sich die vollkommen großartig-schäbigen Schundwerke Downtown und Mad Foxes in obiger Liste)

Und noch anderes mehr, das hier allerdings den Rahmen sprengen würde.


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Satansbraten

Alexander S.

23 Entdeckungen

Um mich zu beschränken habe ich nur Filme aufgenommen, von denen ich mir vorher nicht sowieso schon  sicher war, dass sie mich restlos begeistern würden, daher fehlen einige erstmals gesehene Filme von Zulawski, Resnais, Cronenberg… Zweimal habe ich trotzdem geschummelt, da „Stereo“ und „Satansbraten“ einfach in meine Liste MUSSTEN…

  1. Spavolač mrtvol (Juraj Herz 1969)

  2. Stereo (David Cronenberg 1969)

  3. De vierde man (Paul Verhoeven 1983)

  4. Angst (Gerald Kargl 1983)

  5. Ran (Akira Kurosawa 1985)

  6. Anatomie de l’enfer (Catherine Breillat 2004)

  7. Sanma no aji (Yasujiro Ozu 1962)

  8. Braindead (Peter Jackson 1992)

  9. Satansbraten (Rainer Werner Fassbinder 1976)

  10. A Streetcar Named Desire (Elia Kazan 1952)

  11. Play Time (Jacques Tati 1967)

  12. Dinner at Eight (George Cukor 1933)

  13. Die Zärtlichkeit der Wölfe (Uli Lommel 1973)

  14. The Devil Doll (Tod Browning 1936)

  15. Few of Us (Sharunas Bartas 1997)

  16. Le film a venir (Raoul Ruiz 1997; Short)

  17. Dealer (Benedek Fliegauf 2004)

  18. La coquille et le clergyman (Germaine Dulac 1928)

  19. Nekujiru-so (Tatsuo Sato 2001; Short)

  20. Monsieur Klein (Joseph Losey 1976)

  21. Russkiy kovcheg (Aleksandr Sokurov 2002)

  22. Femina Ridens (Piero Schavazappa 1969)

  23. Pokolenie (Andrzej Wajda 1955)


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Liste09

Christoph

Listen erstellen macht Spaß – aber nur, wenn man nicht zu rigide auswählen muss! Wie ich in diesem Text erst kürzlich schrieb, finde ich praktisch beinahe alles gut, bin von Natur aus genügsam und obschon im Leben ein Pessimist, zumindest als Cineast eine ausgesprochene Frohnatur, die nichts anbrennen lassen will.

Da ich während meines 7-monatigen Aufenthalts in Cambridge (dem englischen, nicht dem amerikanischen) aufgrund des äußerst bescheidenen Programmangebots der drei örtlichen Kinos und pragmatischer Selbstbeschränkung aus Sparsamkeitsgründen kaum aktuelle Filme gesehen und darüber hinaus alle drei wichtigen deutschen Festivals – Berlinale, Filmfest München und Fantasy-Filmfest – versäumt habe, beläuft sich die Anzahl von gesehenen Neustarts bei mir auf mickrige 25. Bei insgesamt um die 350 gesichteten Filmen. Dementsprechend darf diese Liste als meine eigentliche Bestenliste des Jahres gelten, da ich nicht nur zu wenig aus sondern anscheinend auch nur die zweite Wahl an Filmen dieses Kinojahres gesehen habe.

Mit einer „Entdeckung“ assoziiere ich persönlich auch immer eine Überraschung, niedrige oder unscheinbare Erwartungshaltungen, die sich zu begeisterten Wolken aufblähen. Daher habe ich beschlossen, mir selbst die Auswahl meiner 44 Entdeckungen anhand des jeweiligen Überraschungsfaktors zu erleichtern. Filme von Lieblingsregisseuren, auf die man sich schon seit Jahren freut oder auch allgemein Titel, von denen man zuvor stets sagte „Den will ich schon ewig sehen“ disqualifizieren sich selbstverständlich. Anders sieht das schon mit Filmen von Lieblingsregisseuren aus, die einem bisher komplett egal waren, nach denen man kein Verlangen verspürte und die man dann schlussendlich doch zufällig oder einfach so aus Komplettierungsgründen gesehen hat, völlig unvorbereitet auf die Welle der folgenden Begeisterung. Hier also eine Liste mit 44 Filmen, die ich eindeutig 2009 entdeckt habe.

1. Memories within Miss Aggie(Gerard Damiano, USA 1974)
2. Viva Zapata! (Elia Kazan, USA 1952)
3. Haus der Schatten (Alasteir Reid, GB 1970)
4. Die scharlachrote Kaiserin (Josef von Sternberg, USA 1934)
5. The Honeymoon Killers (Leonard Kastle, USA 1969)
6. Bullitt (Peter Yates, USA 1968)
7. Der Wildeste unter 1000 (Martin Ritt, USA 1963)
8. Die nackte Gräfin (Kurt Nachmann, BR Deutschland 1971)
9. Der Mann auf dem Dach (Bo Widerberg, Schweden 1976)
10. Anatomy of Hell  (Catherine Breillat, Frankreich 2004)
11. Kaltblütig (Richard Brooks, USA 1967)
12. If…. (Lindsay Anderson, GB 1968)
13. Die große Leidenschaft (David Lean, GB 1949)
14. Eine Handvoll Hoffnung (Nicholas Ray, USA 1956)
15. Equus (Sidney Lumet, GB/USA 1977)
16. Adaptation (Spike Jonze, USA 2002)
17. Ein Platz an der Sonne (George Stevens, USA 1951)
18. Manji – Die Liebenden (Yasuzo Masumura, Japan 1964)
19. Nizza (Jean Vigo, Frankreich 1930)
20. Meine Lieder, meine Träume (Robert Wise, USA 1965)
21. Britannia Hospital (Lindsay Anderson, GB 1982)
22. Ein neuer Stern am Himmel (George Cukor, USA 1954)
23. Excalibur (John Boorman, GB 1981)
24. Ipcress – Streng geheim  (Sidney J. Furie, GB 1965)
25. Der Erfolgreiche (Lindsay Anderson, GB 1973)
26. The Devil’s Backbone (Guillermo del Toro, Spanien/Mexiko 2001)
27. The Prince of Terror (Lamberto Bava, Italien 1988)
28. Allegro (Christoffer Boe, Dänemark/Schweden 2006)
29. Door to Silence (Lucio Fulci, Italien 1991)
30. Elvira Madigan (Bo Widerberg, Schweden 1967)
31. Der Wolfsjunge (François Truffaut, Frankreich 1970)
32. Death Falls Lightly (Leopoldo Savona, Italien 1972)
33. Mumsy, Nanny, Sonny and Girly (Freddie Francis, GB 1969)
34. Die Schlacht der Centurions (Lucio Fulci, Italien 1984)
35. Happy End (Oldrich Lipsky, Tschechoslowakei 1966)
36. Taxi zum Klo (Frank Ripploh, BR Deutschland 1981)
37. The Consequences of Love (Paolo Sorrentino, Italien 2004)
38. Lost Soul (Dino Risi, Italien/Frankreich 1977)
39. Umarmung (Roberto Malenotti, Italien/Frankreich 1969)
40. Kaminsky – Ein Bulle dreht durch (Michael Lähn, BR Deutschland 1985)
41. Howling VII / The Howling – New Moon Rising (Clive Turner, USA 1995)
42. Jede Nacht um neun (Jack Clayton, GB 1967)
43. Hard Car – Liebe auf Asphalt (Giovanni Amadei, Italien 1990)
44. Downtown – Die nackten Puppen der Unterwelt (Jess Franco, Schweiz 1975)

Da aber diese 44 Filme nur die Hälfte der 2009 frisch errungenen Lieblinge und fantastischen Filmerlebnisse fasst – fassen kann! – konnte ich es mir nicht verkneifen, 44 weitere Filme anzuhängen, deren Sichtung ich teilweise schon seit Jahren gierig herbeigesehnt habe, da ich mir davon großes, interessantes oder obskures versprach. Diese Liste ist mindestens ebenso wichtig, aber um nicht aus dem Rahmen zu fallen, verlinke ich sie nur. Insgesamt also 88 Entdeckungen – was für eine Ausbeute!

Als Bonus angehängt ist auch noch eine kleine Liste mit 10 „speziellen“ oder bizarren Sichtungs- / Rezeptionserlebnissen.


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