In Venedig traf ich einmal im Kinema einen Engländer. Er sass neben mir, und aus der Art, wie er sich hatte, merkte ich, dass auch er ein Afficionado war, so gut wie ich. So sprach ich ihn an, und wir plauderten zusammen. Dann kam ein Rollfilm, der den schönen Namen führte: “Belohnte Tugend“, da winkte er mir zu schweigen. Und er sah dieses Stück nicht -, er trank es mit seiner ganzen Seele. Es war eine etwas larmoyante Sache, die im Bois spielte; eine junge, sehr hübsche Schauspielerin vom Odéon spielte darin. Und dann sagte mir der Engländer, dass er in diese Frau verliebt wäre. Er reise nun schon seit fünf Wochen diesem Rollfilm nach, den er zuerst in Turin gesehen habe, er verfolge ihn durch alle italienischen Städte. Am Ende einer jeden Woche erkundige er sich bei dem Kinemabesitzer, wohin der betreffende Film nun gesandt würde – und dahin reiste er. Ich fragte ihn, warum er dann nicht lieber versuche, das Original kennen zu lernen, er brauche ja nur nach Paris zu reisen und sich nach der Adresse der jungen Dame zu erkundigen, so könne er in spätestens drei Tagen seiner Angebeteten zu Füssen liegen. Doch er schüttelte den Kopf – nein, nein, er liebe das Bild und nicht die Frau. – Vor einigen Wochen jedoch schrieb er mir von seinem Landhause in Devonshire einen überaus glücklichen Brief: er hatte sich einen Kinematograph gekauft und einen einzigen Rollfilm dazu: “Belohnte Tugend“. Nun kann er, wenn er nur will, mit seiner Geliebten allein sein, mit ihr träumen im Dunkeln.
Auszug aus: Hanns Heinz Ewers: Vom Kinema.
zuerst erschienen in: Der Kinematograph (Düsseldorf), Nr. 159, 12.01.1910
Februar 12, 2020 | Veröffentlicht in
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Have you ever pondered about the question of how a film centered around authentic, thus outwardly far more equable renditions of intercourse can manage to tell encounter from encounter, to dinstinguish the metaphysical weight being thrown around so freely? Anthony Spinelli’s „The First Time“, the prolific director’s final offering in a longstanding streak of outré, highly avantgarde films preceding his second coming as careful constructor of more narratively inclined fare, seems to have been constructed entirely around this very idea and adds the further challenge of answering without ever sacrificing its carelessly understated tone. Weiterlesen “The First Time (1978) or: How to separate sex from sex with Anthony Spinelli” »
Februar 3, 2020 | Veröffentlicht in
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Seht ihr den Mond dort stehen?Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
(Matthias Claudius – Der Mond ist aufgegangen)
Weiterlesen “…und als Dach ein Himmel voller Zauber – Das perfekte Geheimnis (2019)” »

Melancholie ist das falsche Wort
Für all das, was man nicht sagen will und kann
Man will nicht zurück
Und doch sehnt man sich dorthin
Wohin man nicht mehr gehen kann(Mutter – Böckhstr. 26)
Weiterlesen “Schienen nach Irgendwo – Kris (1946)” »

O what can you give me?
Say the sad bells of Rhymney.Is there hope for the future?
Cry the brown bells of Merthyr.
Who made the mineowner?
Say the black bells of Rhondda.
And who robbed the miner?
Cry the grim bells of Blaina.
(Idris Davies – Gwalia Deserta XV)
Weiterlesen “Leben, Lachen, Laufen und Kohle – The Molly Maguires (1970)” »