Ein paar Betrachtungen und Hinweise zu den Filmen von Rudolf Thome
Rudolf Thome ist für mich der vielleicht größte deutsche Filmemacher. Nicht weil er große Filme im üblichen Sinne macht, das heißt mit viel Geld, in großen Studios mit großen Bauten, mit viel Tam Tam und überdimensioniertem Werbeaufwand. Seine Filme sind eher still, in sich gekehrt – kleine Gesten, statt viel Gerede. Präzise. Das widerspricht sich eben nicht, das Große und das Kleine, oder besser gesagt: im Unscheinbaren steckt manchmal das ganz Große, wie vielleicht Helmut Käutner es ausgedrückt hätte.
Beim letzten Film den ich von Thome gesehen habe, Pink (2008) – übrigens im Kino auf der großen Leinwand – habe ich geweint. Daher u.a. der Titel meines Beitrags. Denn entgegen der landläufigen Meinung unter Thome-Fans (von denen es übrigens viele gibt – allein in meinem Freundeskreis sind es mindestens drei), sind seine Filme nicht vorwiegend heiter und lebensbejahend, sondern oft zutiefst traurig. Lebensbejahend vielleicht im Nachhinein, im Trotzdem, in der Tatsache, dass Thome nicht aufhört, regelmäßig weiter Filme zu drehen. Doch wenn ich an Rote Sonne (1970) denke, an Detektive (1968), an System ohne Schatten (1983), Just Married (1997), oder Pink (2008), ist es tiefe Melancholie die diese Filme durchdringt. Eine Verzweiflung am Zustand der Welt, an sich, an seiner Umgebung. Existenziell könnte man das nennen. Aber diese Verzweiflung ist viel zu direkt, viel zu stark, viel zu ehrlich, um sie mit solch einem bedeutungsschwangeren Adjektiv zu beladen. Thomes Filme sind nämlich auch Märchen. Und wie im Märchen, das voller Klischees, voller Stereotypen, voller altbekannter Tricks und Wendungen steckt, geht es noch um etwas ganz anderes als die Realität. Der Schrecken des Traumes gibt Kraft für das Leben. Die Hoffnung, das ist bei Thome vielleicht das Kino, also das was die Protagonisten zu erschaffen versuchen, und das was Thome ständig erschafft. Auf der Leinwand. In der Dunkelheit. Zaubern mit Licht.
Er hat inzwischen auch einen eigenen Blog. Eigentlich nichts Neues, denn er äußert sich schon lange über das Internet: seine alte Webseite stammt noch aus den 90ern. Nur die letzten Jahre, wird es immer mehr und immer regelmäßiger. Seine Filme schreibt er zwar auch schon seit längerem selbst, aber die Leidenschaft fürs Schreiben gabs vielleicht schon vor dem Filmemachen. Früher war er ja Filmkritiker. Und ebenso leidenschaftlich wie als Filmemacher. Ein Überzeugungstäter also. Neben seiner Website, hat er aber auch einen Youtube-Kanal. Man kann also einerseits über den Entstehungsprozess seiner Filme lesen, andererseits Auschnitte, Werbematerialien und Interviews aus, für und zu seinen Filmen ansehen.
Wie man an den vielen bisherigen Links erkennen kann, war einer der Hauptgründe für diesen Text, auf Rudolf Thomes vielfältige Präsenz im Internet aufmerksam zu machen. Einen Liebesbrief gibt es später einmal. Dies soll einfach nur ein bescheidener Beitrag in Richtung größerer Wertschätzung und Wahrnehmung sein. Werbung sozusagen. Aus Überzeugung. Wer nämlich nicht das Glück hat, mehrere Filme auf DVD (inzwischen hier, hier, und hier erschienen), oder aufgenommen aus dem Fernsehen (bei mir noch auf VHS) zu besitzen, der kann sich einen Einblick über das Internet verschaffen. Und zwar einen vergleichbar umfangreichen.
Den Trailer zu meinem bisherigen Lieblingsfilm von Thome, Frau fährt, Mann schläft (2003) kann man z.B. hier betrachten. Ich liebe diesen Film, und halte ihn sogar für besser als sein Vorbild. Wie Hanellore Elsner hier spielt, wie sie sich bewegt, wie sie spricht und schreit, ist wahre Kinomagie. Thome inszeniert seine Schauspielerinnen meistens großartig, aber hier wird es fast zu enem kleinen Wunder. Des weiteren empfehle ich über seinen Kanal auch Auszüge aus seinen frühen Kurzfilmen, z.B. (was für ein großartiger Titel:) Jane erschießt John, weil er sie mit Ann betrügt. Eigentlich sollte man ihn auf großer Leinwand in der ganzen Pracht des Cinemascopebildes genießen, aber wo bekommt man heutzutage im Kino noch Kurzfilme zu Gesicht? Dennoch mekt man auch am Bild vor dem Monitor, was Thome meint, wenn er über seinen Darsteller Marquard Bohm schreibt: „Wie Marquard Bohm den Pelzmantel bezahlt, hat mir so gefallen, dass er in meinem ersten Spielfilm die Hauptrolle spielen musste.“ Aus seinen seltener und schwieriger zu sehenden Filmen aus den 70er Jahren gibt es ebenfalls Ausschnitte: Supergirl (1971), Fremde Stadt (1972), Made in Germany und USA (1974), Tagebuch (1975), Beschreibung einer Insel (1978). Diese Schaffensphase (für mich vom Gefühl her durch seine Zusammenarbeit mit seiner damaligen Ehefrau Karin Thome geprägt), die auch essayistisch-Dokumentarisches umfasst, ist mir noch unerschlossen. Daher bin ich umso dankbarer für die Clips. Karin Thome hat übrigens auch selbst Filme gemacht, und war vor Thome (das nur nebenbei) mit einem inzwischen in Vergessenheit geratenen Regisseur verheiratet. Wie die Werke der meisten Filmemacher weiblichen Geschlechts, sind ihre Arbeiten äußerst unbekannt.
Fast noch erfreulicher als die Ausschnitte aus seinen Filmen sind für mich jedoch die inzwischen ebenso zahlreich hochgeladenen Drehberichte zu seinem Schaffen. Ja, es gibt und gab sie wirklich. Ausführliche Dokumentationen, zum Teil in Spielfilmlänge, zu lebenden deutschen Filmkünstlern. Kaum zu glauben, oder? Ich denke, wenn heutzutage jemand versuchte etwas Vergleichbares über sagen wir mal Dominik Graf oder Angela Schanelec bei den Öffentlich-Rechtlichen finanziert zu bekommen, er würde wahrscheinlich ausgelacht… Zu sehen gibt es über Thome mehrere Reportagen und Filmsendungen sowie in vollständiger Länge ein Porträt von Stefan Dutt und Peter Hornung aus den frühen 80ern, und vor allem den großartigen Film is a Battleground (1998) von Petra Seeger über die Dreharbeiten zu Just Married und Tigerstreifenbaby sucht Tarzan (1997). Das letzte, gerade einmal vorige Woche eingestellte Video, zeigt Thome Mitte der 90er bei einem wunderbar entspannten Fernsehinterview anlässlich des 25jährigen Jubiläums von Rote Sonne.
Der Glücksfall, dass ein Filmemacher auch die Rechte an seinen Filmen besitzt, ist bei Thome durch seine Produzententätigkeit gegeben. Man kann daher wohl bei ihm persönlich anfragen, wenn es um die Verfügbarkeit der meisten Kopien geht, und könnte dadurch wohl ziemlich einfach eine Retrospektive oder zumindest eine Werkschau seiner Filme auf die Beine stellen. Wann dies in Deutschland zuletzt passiert ist weiß ich leider nicht. Ich hoffe aber sehr, dass es schon des öfteren versucht wurde. Nichtsdestotrotz wird es langsam wieder einmal Zeit dafür. Im Notfall muss man sich selbst darum kümmern. Also schreibt alle eure Kommunalen Kinos und Kinematheken an, und fordert: mehr Thome!
Im Grunde warte ich zur Zeit aber immer noch auf das erste Buch über Thome, vom Schüren Verlag schon seit einer halben Ewigkeit angekündigt, aber immer noch nicht erschienen. Wenn Klaus Lemke und Eckhart Schmidt entsprechende Würdigungen bekommen haben, sollte so ein Unterfangen ja auch bei Thome gelingen. Bis es endlich soweit ist, kann man sich zumindest mit Heft Nr.66 der Freunde der deutschen Kinemathek über Wasser halten, oder darüber sinnieren, wie eine Studie zum Münchner Filmschaffen der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts aussehen könnte. Oder einfach weiterhin Thomes Filme schauen – und natürlich seinen Blog lesen. Da erfährt man nämlich bereits alles über seinen neuesten Film.
Angesichts der eher trostlosen Meldungen aus Berlin kommt diese Nachricht doch gerade recht: Es gibt ein neues Filmfestival und dann auch noch ein Retrospektivenfestival, das sich ganz dem phantastischen Film widmet und die Lücke füllen möchte, die der Wegfall der Klassikersektion beim Fantasy Filmfest hinterlassen hat. Ralph Lorenz von monstercon.de und Andreas Schiefler von vintagemovieposters.de sind die Organisatoren dieser so vielversprechend klingenden Veranstaltung, die Anfang Mai 2010 im Metropolis Kino in Hamburg stattfinden wird. Einen wirklichen Themenschwerpunkt gibt es nicht, das Programm ist angenehm bunt gemischt. Und ESKALIERENDE TRÄUME würde nicht auf dieses Festival hinweisen, wenn die Veranstalter nicht versichern würden, das alle folgenden Filme in 35mm gezeigt werden:
Freitag, 7. Mai 2010
– CONAN – DER BARBAR (Conan the Barbarian, Regie: John Milius, USA 1982)
– FRANKENSTEINS HÖLLENBRUT (Chikyu kogeki meirei: Gojira tai Gaigan, Regie: Jun Fukuda, Japan 1972)
– DER TOTE KEHRT ZURÜCK (Misterios de ultratumba, Regie: Fernando Méndez, Mexiko 1959)
Samstag, 8. Mai 2010
– DAS PENDEL DES TODES (The Pit and the Pendulum, Regie: Roger Corman, USA 1961)
– MONSTER AUS DEM ALL (The Green Slime, Regie: Kinji Fukasaku, Japan/USA 1968)
– ANDY WARHOL’S DRACULA (Regie: Paul Morrissey, Frankreich/Italien 1974)
– DRACULA JAGT FRANKENSTEIN (Los monstruos del terror, Regie: Hugo Fregonese, D/IT/ESP 1969)
Sonntag, 9. Mai 2010
– WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA? (Taste the blood of Dracula, Regie: Peter Sasdy, GB 1970)
– PLANET DER VAMPIRE (Terrore nello spazio, Regie: Mario Bava, IT/ESP 1965)
Ein Hinweis für alle Berliner und alle die aufgrund der Berlinale in Berlin weilen: Sollte einen der wie schon die letzten Jahre eher fad wirkende Kosslick-Wettbewerb all zu sehr langweilen, empfiehlt es sich einen Abstecher ins fsk-Kino am Oranienplatz zu machen: Dort erlebt einer der besten Filme des letzten Jahres endlich seine deutsche Kinopremiere: TWO LOVERS von James Gray. Gezeigt wird der Film in der Woche vom 11. bis 17. Februar täglich um 20.30 und um 22.45 Uhr und – wichtig! – in OmU. Und wenn alle ganz fleißig ein Ticket lösen, besteht ja vielleicht sogar die Chance, dass das fsk ihn über seinen eigenen Verleih Peripher auch in die Kinos anderer deutscher Städte bringen wird. Verdient hätte es TWO LOVERS und sein Regisseur in jedem Fall. Während Gray in Frankreich bekannt, beliebt, aber auch umstritten ist wie kaum ein anderer zeitgenössischer amerikanischen Regisseur, beschäftigt man sich in Deutschland leider kaum mit ihm.
Wer mehr über TWO LOVERS erfahren will, dem empfehle ich folgendes Essay über den Film von Ryland Walker Night bei The Auteurs (die deutsche Übersetzung erschien in der zweiten Ausgabe der Filmzeitschrift CARGO) und denjenigen, die sich näher mit der Kritik an Grays Werk (und an TWO LOVERS) beschäftigen wollen, vielelicht als Einstieg Notes pour une étude en Gray (Notes for a study in Gray) von Emmanuel Burdeau bei den Cahiers du Cinéma. Letzterer Artikel lässt sich leider nicht direkt verlinken, ist aber über die Suchfunktion der Homepage des Magazins in französischer und englischer Fassung leicht zu finden. Nach der Berlinale wird sich auch ESKALIERENDE TRÄUME ausführlich mit TWO LOVERS und Grays Gesamtwerk beschäftigen, so viel sei schon mal versprochen.
„Wenn der Tod der VHS-Kassette nicht gebührend betrauert wird, dann aus Geringschätzung des Unbeabsichtigten ganz allgemein. Es gibt auf manchen alten Bändern dieses krude „Hintendran“ und „Zwischendrin“, das beim Überspielen ungewollt entsteht. Durch brodelnde Spratzer hindurch, aus elektrischen Wogen tauchen die Enden von Filmen auf, die man nie mehr sehen wollte. Wie Gespenster spotten sie: „Du wolltest mich vergessen, aber hier bin ich.“ Und manchmal freut man sich sogar. Die Rückseiten von Zeitungsausschnitten sind meist interessanter als die Vorderseiten, hat Farocki mal geschrieben. Wer, anders als die davon schweigende Mehrheit, seinen Videorekorder tatsächlich auch zum Aufnehmen zu gebrauchen weiß, der ist im Besitz solcher Kassetten, in denen sich Filmschlüsse abgelagert haben wie Erdschichten. In Stufen liegt da der Wandel im persönlichen Filmgeschmack offen zu Tage. Lehm, Kalk, Kohle und Erz.“
zitiert nach: Rainer Knepperges: Die Tiefe der Schublade, aus: SigiGötz-Entertainment, Die dreizehnte Wiege, München, Februar 2008. S. 17.
Die aktuelle Ausgabe von SigiGötz-Entertainment mit – unter anderem – einem Überblick über den deutschen Genrefilm seit 2001 (eine schöne Ergänzung zum Kanon des deutschen Films aus Ausgabe 12) und einem manchmal schockierenden Rückblick auf die Bewertungstabelle der FILMKRITIK kann man hier bestellen.
Zurzeit findet im österreichischen Filmmuseum noch bis zum 30. November eine umfangreiche Werkschau des japanischen Filmregisseurs Nagisa Oshima statt. Sie umfasst (beinahe) alle Kinofilme, sowie einen seiner zahlreichen Fernsehfilme. Zeitgleich zum Auftakt der Retrospektive, veröffentlichte der österreichische Film- und Videovertrieb polyfilm am 06. November den ersten Titel einer 22 Filme unfassenden Reihe „Japanische Meisterregisseure“ auf DVD: Oshimas „Das Grab der Sonne“ (1960). Die ersten 4 Filme der Reihe sind Oshimas Schaffen gewidmet und sollen noch dieses Jahr erscheinen, darunter mit„Die Nacht des Mörders“ (1967) auch eine weltweite Erstveröffentlichung auf DVD.
Zum Auftakt der Retrospektive sprachen Olaf Möller und Roland Domenig vor der Vorführung von Oshimas „Nacht und Nebel über Japan“ (1960) über das vielschichtige Werk des inzwischen 77-jährigen Veteranen des japanischen Kinos, der aufgrund mehrerer erlittener Schlaganfälle wohl nicht mehr in der Lage sein wird weitere filmische Arbeiten zu vollenden. Oshimas Regietätigkeit erstreckte sich von 1959 bis ’99 und umfasste ein breites Ausdrucksspektrum, vom Animationsfilm über assoziativ-essayistische Ansätze bis zum „reinen“ Dokumentar- und Spielfilm. Obwohl er in den 60er und 70er Jahren unter Kennern im In- und Ausland allgemein als wichtigster Vertreter einer neuen Generation von jungen japanischen Filmschaffenden galt, die unter dem vielschichtigen Label der „Neuen Welle“ weltweit Anerkennung fanden, ist sein heutiger Einfluß wohl eher gering einzuschätzen. In Japan fand sich bis zum Erscheinen Takashi Miikes kaum ein Filmemacher der in der Lage gewesen wäre die innovativen formalen und inhaltlichen Konzeptionen von Oshimas Kino weiterzuführen. Im Ausland wurde wiederum lediglich wenigen ausgewählten Filmen der Weg auf Festivals und Kinoleinwände ermöglicht, so dass sich die Vielschichtigkeit seines Werkes den meisten Filmliebhabern nicht erschließen konnte. Oszillierend zwischen sinnlichem Rausch der Extreme und asketischer Sezierung sozialer Zustände, war Oshima immer bereit das Experiment und die Uneinheitlichkeit zu suchen. Die Heterogenität als Konzept, die Vielfalt als Programm verfolgend lassen sich seine Filme im Niemandsland zwischen Genrekinoinspirierten Sex & Crime-Geschichten und abstraktem Kunstfilm einordnen. Das viele von Oshimas Filmen auch heute noch einen „Skandal“ darstellen da sie nur wenig ihrer gesellschaftlichen und ästhetischen Relevanz eingebüßt haben, muß vielerorts erst noch erkannt werden. Wie bei so manchem ehemals hochgelobten Regisseur gilt auch hier: „Mittlerweile muss man Ōshima regelrecht wiederentdecken.“
Persönlich habe ich Oshima vor ziemlich genau zwei Jahren auf der Viennale im Rahmen der genialen Retrospektive Der Weg der Termiten (kuratiert von Jean-Pierre Gorin, einem noch um vieles unbekannteren renommierten Filmemacher) durch „The Man Who Left His Will on Film“ (1970) für mich „wiederentdeckt“. Nicht zuletzt wegen der brillanten Filmkopie geriet die Vorstellung im Saal des Filmmuseums für mich wohl zum bemerkenswertesten Kinoerlebnis des Jahres. Ich würde dieser Tage sehr gerne noch einmal nach Österreich reisen um wieder einen Oshima im Kino sehen zu können. Leider wird das aus zeitlichen und finanziellen Gründen diesmal wohl eher nicht klappen. Daher bedanke ich mich an dieser Stelle noch einmal schriftlich bei den Verantwortlichen von Polyfilm mit deren Veröffentlichungen ich mir (neben zahlreichen Western) den Winter vetreiben werde. Den ersten Film habe ich heute bereits gekauft.
Bin gerade etwas auf dem Tatort-Trip und versuche mehr über die wunderbar sleazig klingende Folge Der gelbe Unterrock aus dem Jahr 1980 herauszufinden, die nach ihrer Erstausstrahlung im Giftschrank des SWR verschwunden ist. Generell faszinieren mich die Tatort-Folgen aus den Achtzigern, schon allein wegen den so merkwürdig fremd und fern wirkenden Bildern aus der „alten“ BRD. Zum Beispiel im Schimanski-Tatort Das Mädchen auf der Treppe, wenn die Kamera über den Tatort schwenkt und sich hinter den klobigen Einsatzwägen und den grauen Mietshäusern vor einer brachen Wiese die riesige Zeche aufbaut. Oder das blinkende, alte Bierschild im Hintergrund der Kneipenszene. Überhaupt wirkt das alles gar nicht so wie die meisten Fernsehfilme, die man heute so sieht, sondern viel filmischer, näher am Kino. Und das nicht nur, weil der Soundtrack wie bei Michael Mann oder Kathryn Bigelow von Tangerine Dream stammt:
(Über das Benutzerprofil des Users bei Youtube findet man noch eine Zusammenstellung des Tatorts Miriam von 1983, bei dem die Musik ebenfalls von Tangerine Dream stammt.)
Übrigens zeigt 3sat nächsten Sonntag (also den 23. August) die Folge Reifezeugnis von Wolfgang Petersen mit Nastassja Kinski aus dem Jahr 1977. Und Dominik Grafs Jubiläumstatort Frau Bu lacht wird am 24. August im SWR und am 10. September im WDR wiederholt.
Der in unserem Kreise der Mitblogger ja, wie kaum ein anderer Regisseur (außer vielleicht Godard) zum Zankapfel gewordene, von der Mehrheit von uns aber doch mehr oder weniger enthusiastisch gemochte Peter Greenaway scheut sich seit jeher nicht, seine persönliche Sicht auf das Medium Film als Kunstform in Interviews und Vortägen kund zu tun und stilisiert sich seit ca. 20 Jahren, darin stets zwischen Größenwahn und Selbstironie schwankend, zum visuellen Propheten eines „neuen“ Kinos des digitalen Zeitalters.
Seine rekurrenten Beteuerungen, dass das Kino tot sei, kann selbst ich als eingefleischter Fan des großen Maestro schon nicht mehr hören und zum Glück sträuben sich die besten Filme Greenaways gegen die rigiden Systematiken ihres saturnischen Schöpfers, was eigentlich auch in seinem Sinne ist, nur dass ihm dieser selbst manchmal zu entgleiten scheint vor lauter Abgesängen und Nekrologen auf das („alte“) Kino, dem er in seinen polemischeren Tiraden visuelles Analphabetentum bescheinigt.
Ob man diese und andere von Greenaways fixen Ideen wiederum bierernst nimmt und als ästhetischen Faschismus auslegt, oder analog zum Tenor seiner Filme als teils ironische, bewusste provokante Denkanstöße begreift, bleibt jedem selbst überlassen.
Hier seine neuesten Gedankenblasen, usrpünglich übers deutsche Fernsehen durch den Äther gepustet:
Und hier noch als Bonus der recht gut Greenaways bisherige Karriere resümmierende einleitende Beitrag aus Kulturzeit mit einem herrlich pathetischen Sprecher…
Übernächstes Wochenende, am Samstag, den 6. Juni und Sonntag, den 7. Juni, findet in der Schauburg Karlsruhe das 2. Widescreen-Weekend mit dem Thema „In VistaVision, Technicolor und Perspecta sound“ statt. Nachdem die Schauburg sich mit ihrem alljährlichen und in dieser Form in Deutschland einzigartigen Todd-AO-70mm-Festival (das dieses Jahr nunmehr zum fünften Mal stattfinden wird, traditionell am ersten Oktober-Wochenende) bereits einen Namen gemacht hat, was die Wiederbelebung historischer und heute nahezu ausgestorbener Kinoformate angeht, wird dieses Spektrum seit letztem Jahr mit den immer am ersten Juni-Wochenende stattfindenden Widescreen-Weekends zusätzlich erweitert. Letztes Jahr lag der Schwerpunkt auf CinemaScope und 4-Kanal-Magnetton, dieses Jahr werden im Rahmen des VistaVision-Themas acht Filme gezeigt, darunter Meilensteine dieses Formats wie „Vertigo“ (in einer Restauration als 70mm-Kopie) und selten gezeigte Schätze wie „One-Eyed Jacks“ (als 35mm-Reduktionskopien im Technicolor-Druckverfahren, das im Gegensatz zu alten 70mm-Kopien keinerlei Farbfading verspricht) aufgeführt. Alle wichtigen Informationen zu diesem Festival gibt es an dieser Stelle, für weiterführende Informationen zu VistaVision im Allgemeinen ist zudem das Widescreenmuseum zu empfehlen.
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Was gerade Fragen von Kinohistorie, Technik, Projektion sowie vergangene und zukünftige Umwälzungen hinsichtlich des Kinos als Filmaufführungsort betrifft, gibt es immer wieder interessante Beiträge im Blog „Kinoperspektiven“, dessen ursprünglicher Berliner Fokus sich schnell zu allgemeinen Betrachtungen erweitert hat, gelegentlich allerdings auch in ganz andere Bereiche abschweift.
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Was weniger historisch, sondern eher am aktuellen Betrieb orientierte deutsche Filmfestivals angeht, steht Ende Juni das Filmfest München an. Hinsichtlich des Programms ist bislang lediglich bekannt, dass die alljährliche Retrospektive sich dieses Jahr Stephen Frears widmet und der ebenfalls alljährlich vergebene (und von der Aufführung einiger Werke des jeweils Ausgezeichnenten begleitete) CineMerit-Award an Michael Haneke verliehen wird. Beides nun nicht gerade besonders originelle Entscheidungen, eigentlich sogar, gerade im Zusammenspiel, das am wenigsten spannendste Retro-Angebot des Filmfestes München der letzten Jahre, aber das hängt sicherlich auch mit meiner Auffassung zusammen, dass ich bei Festival-Retrospektiven entweder selten zu sehende (bzw. selten ins Bewusstsein gerückte) Entdeckungen, wie sie in letzten Jahren die Retrospektiven zu Herbert Achternbusch oder der Makhmalbaf-Familie anboten, oder visuell überragende Werke, die von einer Wiederbegegnung auf der großen Leinwand besonders profitieren, bevorzuge. Beides trifft im vorliegenden Fall eher nicht zu, weil beide Filmografien weitgehend problemlos verfügbar und bekannt sind, während mich bei kaum einem der Filme beider Regisseure (obwohl ich einige ihrer Werke sehr schätze) eine Sichtung auf großer Leinwand übermäßig reizt. Aber da hat eben jeder seine eigenen Präferenzen. Andererseits kommt mir das auch recht gelegen, weil ich mich nach der Retro-Dominanz der Berlinale beim Münchner Filmfest ohnehin weitgehend auf die aktuellen Filme konzentrieren wollte. Dahingehend wird sicherlich auch dieses Jahr wieder einiges aus dem Cannes-Programm nachgespielt werden, wobei ich vor allem auf einige Filme der Cannes-Nebensektionen hoffe, während der Wettbewerb trotz vieler großer Namen dieses Jahr nach den Berichten zu urteilen offenbar dann letztlich doch nur wenige große Filme aufzubieten hatte (die ständigen unfertigen Fassungen, wie dieses Mal bei Tarantino und Noé, sind auch so ein Fall für sich) – einen „Vengeance“, „Wild Grass“, „A Prophet“ oder „Antichrist“ würde ich mir aber natürlich dennoch jederzeit gerne anschauen wollen. Noch viel schöner wären allerdings einige der auch dieses Jahr wieder ziemlich grandiosen Cannes-Restaurationen (allen voran natürlich „A Brighter Summer Day“), aber die schaffen es üblicherweise leider nur in den seltensten Fällen nach Deutschland. Ansonsten gibt es das komplette Programm des Filmfestes München ab 10. Juni auf der Homepage, im Rahmen einer Pressekonferenz wird es aber wohl bereits am 4. Juni vorab bekannt gegeben. (Nachtrag: einen ersten groben Überblick über die Filme der einzelnen Sektionen gibt es nun in der Pressemitteilung vom 4. Juni anlässlich der Programm-Pressekonferenz. Konkrete Filmtitel werden darin allerdings nur vereinzelte genannt.)
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Zwei auf ihre Weise bemerkenswerte Trailer sind in letzter Zeit aufgetaucht zu, nun ja, doch eher verwunderlich anmutenden neuen Filmen von Enzo G. Castellari und Werner Herzog.
Zum Einen: der Trailer zu „Caribbean Basterds“, ein offenbar in Venezuela gedrehter „Clockwork Orange“-Rip-Off mit Ego-Shooter-Anleihen, der zunächst eher den Eindruck eines billig runtergedrehten Actioners für den schnellen Videotheken-Verzehr macht. Jedenfalls sieht das nicht gerade nach dem Spätwerk eines erfahrenen Kinoregisseurs aus, sondern eher nach einer durch den DV-Look dezent amateurhaft anmutenden Schlock-Granate, aber gerade die unverhohlene Exploitation-Attitüde inklusive des schönen Einfalls, das falsch geschriebene „Basterds“ von Tarantinos neuem Film zu übernehmen, nachdem Tarantino seinerseits den Titel von Castellaris „Inglorious Bastards“ übernommen hatte, ist vielleicht nicht ohne Reiz und angenehm trashig dürfte das Ganze ohnehin werden (den nun schon seit vielen Jahren geplanten letzten großen Italowestern von Castellari mit Franco Nero würde ich indes sicherlich bei weitem lieber endlich in Produktion gehen sehen), weckt aber auch Erinnerungen an die Flut von preisgünstigen DV-Exploitern, die ein anderer Italo-Exploitation-Veteran, Bruno Mattei, in den letzten Jahren vor seinem Tod (2007) überwiegend auf den Philippinen abgedreht hat.
Zum Anderen: der (Promo-)Trailer zu „Bad Lieutenant“, dem schon seit der ersten Ankündigung vielerseits mit Befremden erwarteten Copfilm von Werner Herzog mit Nicolas Cage. Der Trailer scheint die Aussagen, es würde sich nicht um ein Remake handelt, zu bestätigen, denn die Ähnlichkeiten mit dem Film von Abel Ferrara halten sich, vorsichtig ausgedrückt, offenbar wirklich sehr in Grenzen. Vielmehr stellt der ziemlich unfassbare Trailer mit seinen One-Linern und dem Overacting von Cage ein Werk für die Fußstapfen des „Wicker Man“-Remakes in Aussicht. Ein (womöglich auch in der ein oder anderen Weise durchaus beabsichtigter, im Sinne von humorig angelegter) wahnwitzig-bizarrer Totalausfall wäre vermutlich auch reizvoller als ein lahmer Geht-so-Film. Wirklich Gutes verspricht dieser Trailer jedenfalls wahrlich nicht, Spaß macht er dafür umso mehr…
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Und in eigener Sache: ja, noch immer sind die Eskalierenden Träume noch nicht wirklich in Schwung gekommen, noch immer gibt es kein halbwegs brauchbares eigenes Blogdesign (oder wenigstens einen Banner), und noch immer gibt es technische Probleme. Zwar gibt es durchaus Absichten, das in Angriff zu nehmen, aber bei einem gerade in seiner Gesamtheit eben doch recht lethargischen und chaotischen Haufen (von dem so mancher, ich bspw., auch immer wieder mal in diesem fiesen Kreislauf steckt 😉 ) liegen Absichten und Taten halt manchmal etwas auseinander. Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel der diesjährigen Berlinale, die vier von uns durchgehend besucht haben, und eigentlich war geplant, zeitnah dann auch vier verschiedene Rückblicke zur Berlinale zu posten. Was wurde daraus? Drei Monate später hat keiner von uns Vieren auch nur eine Zeile Rückblick geschrieben – das spricht wohl für sich… Deshalb lässt sich auch weiterhin wohl nicht wirklich absehen, wann hier regelmäßiger als bisher Leben in der Bude ist bzw. das Ganze überhaupt mal wirklich startet. Mal sehen, was die nächsten Monate bringen, zumindest gibt es schon ein paar neue Ideen, und potenzielles Material in Form von selbst geführten Interviews und angefangenen Essays haben ein paar der Aktiven ohnehin bereits zu Genüge angesammelt, und dieses Material wird hoffentlich auch Verwendung finden. Nun, diese Anmerkungen nur mal am Rande.
Kino in Afrika – an was denke ich da zuerst? Meist an ausländische Darstellungen afrikanischer Lebenswelten durch französische, englische oder internationale Koproduktionen, oft mit Starbesetzung, einem wichtigen Thema, und guten Absichten. An Klassiker des afrikanischen Films, inszeniert von Djibril Diop Mambéty oder Ousmane Sembene und junge afrikanische Filmemacher, die heutzutage immer noch oft aus dem Ausland heraus operieren, wie z.B. der Kameruner Jean-Marie Téno. Und natürlich an Nollywood. Der Boom des nigerianischen Films, auf DV gedreht und zunächst auf Video vermarktet, ein ganz eigenes afrikanisches Phänomen, das Nigeria als Nation inzwischen neben den USA und Indien an die Spitze der globalen quantitativen Filmproduktion katapultiert hat.
Somit erwarte ich mir auch nicht viel Neues, als ich mich am gestrigen Freitag um 15.30 Uhr in Ermangelung eines Radios vor meinen PC setze, um mir auf Bayern 2 die Sendung Kino in Afrika: Die Wüste lebt anzuhören. Doch ich werde überrascht. Der angenehme, konzentrierte und informative Kommentar zeigt ein aufrichtiges Interesse an den Sorgen und Nöten afrikanischer Filmemacher, und ermöglicht durch die Verflechtung von Interviews und Hintergrundinformationen einen kompakten Einblick in Afrikas rege Kinoszene. Denn dass es hier, jenseits von Nollywood, primär um Kino geht, wird an den Schwerpunkten deutlich. Zwar werden auch Hoffnungen und Probleme der neuen digitalen Medien angesprochen, doch bleibt der Fokus auf 35mm gerichtet. Anhand der Länder Burkina Faso, Senegal und Marokko werden die Kernthemen Filmfestival, Filmhochschule, Filmproduktion und Kinosterben in 25 Minuten gekonnt herausgearbeitet.
Bei mir persönlich kam während des Beitrags nicht nur keine Langeweile auf, sondern auch das Gefühl alles schon mal so oder ähnlich gehört und gelesen zu haben stellte sich nur selten ein. Gebannt lauschte ich dem Livestream, und hätte nach der knappen halben Stunde gerne noch mehr gehört. Wunderbar unaufgeregt gestaltet, fühlte ich mich durch den Hörgenuß animiert mir nach der Sendung auch noch selbst Gedanken über das Thema zu machen – auch jenseits von Afrikas Zukunft. Der Beitrag ist definitv keine publizistische Eintagsfliege, sondern im traditionellen Sinne ein bereicherndes Erlebnis zum wieder-hören.
Wer ihn verpasst hat, muss sich jetzt aber nicht ärgern und mit meinem kurzen Umriss begnügen. Bayern 2 bieten auf ihrer Homepage nicht nur die komplette Sendung als Podcast zum anhören und herunterladen an, sondern für alle hörunwilligen Leseratten auch noch ein Manuskript. Was will man mehr?
PS: Die beiden Links zum direkten anhören bzw. download funktionierten bei mir zwar nicht, aber mit dem Realplayer (mit dem man auch fast alle Youtubeclips und ähnliches auf seinen Rechner bannen kann), hatte ich das Teil trotzdem in einer(!) Sekunde auf meinem Laptop. Habe aber gerade entdeckt, das das alte „Ziel speichern unter…“ doch noch funktioniert. War wohl zu naheliegend, um es sofort zu versuchen…
Wer kennt sie nicht, die Tschechoslowakei. Ein weiterer Vielvölkerstaat unserer östlichen Nachbarn, mit zahlreichen kulturellen und politischen Ursprüngen. Doch halt – dast stimmt ja nicht mehr wirklich. Nach 1945 eher ein Staat der Tschechen und Slowaken, wurde die ČSR ab 1960 zur ČSSR, genauer gesagt zur Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Und heute kann sich wohl auch keiner mehr daran erinnern. Das Millenium ist vorbei, die europäischen Staaten haben sich immer weiter spezialisiert (das Schlagwort der 80er war Unabhängigkeit), doch vom Kapital im Mantel der EU scheinen sie heute bereits wieder eingeholt. Was in 20 Jahren nicht alles passieren kann…
Ich gebe es zu – ich bin nie in der Tschechoslowakei gewesen. Und als es mit ihr 1990 zu Ende ging, war ich gerade einmal 6 Jahre alt. Dennoch konnte ich mich in der Folgezeit nicht wirklich damit zufrieden geben nun zwei Staaten statt des Einen vor mir zu sehen. Ob das etwas mit meiner Ablehnung der Multiplikation unter dem Deckmantel des Schulmathematik-Traumas zu tun hat, oder doch eher mit meinem persönlicheren Erlebnis des Zerfalls von Jugoslawien zusammenhängt, möchte ich an dieser Stelle nicht erörtern. Klar ist für mich vor allem eins. Wie auch immer die nun getrennte Tschechische und Slowakische Filmproduktion diese letzten 20 Jahre rigoroser Umwälzungen filmisch registriert hat, zu mir ist davon wenig durchgedrungen. Ich möchte nicht sagen, dass ich die Erzeugnisse dieser beiden jungen Staaten in dieser Zeit ignoriert hätte, und dass mich bei meinen cinephilen Reisen durch die Filmgeschichte die Gegenwart nicht interessiert. Aber ich habe das Gefühl, dass die Tschechen und Slowaken entweder nur wenig zur Lage und Entwicklung der neuen Nationen zu sagen hatten, oder es die Verleiher und Festivals außerhalb der beiden Staaten einfach nicht interessiert hat. Fakt ist, dass die tschechischen und slowakischen Filme seit dem Zusammenbruch der ČSSR nur sporadisch ihren Weg auf westliche Leinwände gefunden haben, und in der politischen wie sozialen Kultur des heutigen Europas (von der ästhetischen gar nicht zu sprechen) scheinbar so gut wie keine Rolle mehr spielen. Das war nicht immer so. Wir erinnern uns – tschechoslowakische Filme vor und nach dem Prager Frühling, Neue Welle, politisches Bewusstsein. Vielleicht verweist diese vermeintliche (internationale) Abwesenheit von politischen und ästhetischen Merkmalen ja lediglich auf die gesamteuropäische Krise des individuellen Ausdrucks, der „Globalisierung“, wenn man es denn so nennen will. Oder es ist nur eine filmpolitische Neuorientierung, der wiederholte Versuch eines paneuropäischen Koproduktionsfilms, diesmal jedoch unter verschärften wirtschaftlichen Bedingungen.
Dass in Europa heutzutage meist weniger Filme produziert werden als noch vor 30 Jahren dürfte bekannt sein. Ob es deshalb auch weniger brisante, gewagte, ausdrucksstarke und verspielte Werke geworden sind, ist schwer zu sagen. Durch den kapitalistischen Geldwall dringt jedenfalls weit weniger spektakuläres auf (deutsche?) Leinwände als durch den eisernen Vorhang je zurückgehalten wurde. Und Kultur – wer interessiert sich im globalisierten Sumpf der Verweise noch für Kultur?
Doch will ich an dieser Stelle keinen politischen Essay verfassen, denn meine assoziativ-fragmentarische Zustandsbeschreibung ist mehr eine Hinführung an das eigentliche Thema. Denn was immer man auch von filmhistorischen Veränderungen halten mag. Tatsache bleibt, dass ich seit dem Zusammenbruch der Tschechoslowakei keinen wirklich interessanten Film aus dieser Region mehr zu Gesicht bekommen habe. Und dass mir die Filme der 60er und 70er Jahre aus heutiger Sicht noch um einiges radikaler und visionärer erscheinen als es früher bereits der Fall war. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich inzwischen so vieles, damals jedoch so wenig geändert hat. Das Gefühl der Stagnation, des Stillstandes und des Gefangenseins, muss in den 70ern wohl ausgeprägter vorhanden gewesen sein als heute. Jedenfalls wurde es bewusster wahrgenommen. Und zu entdecken gilt es diese beiden Jahrzehnte tschechoslowakischer Filmkunst (und natürlich auch die vorangegangenen 50er, sowie die nachfolgenden 80er) heutzutage, aufgrund mangelnder Möglichkeiten, nicht mehr so sehr im Kino, sondern vor allem auf DVD. Damit möchte ich nicht andeuten dass diese Werke auf der großen Leinwand nichts mehr zu suchen hätten. Ganz im Gegenteil. Doch zu Zeiten der Informationsflut, des Geschichtsüberflusses wie Überdrusses, stirbt die Kinolandschaft aus, und die Vielfalt entflieht ins Digitale. Wenn uns die letzten Zehn Jahre schon keine großartigen tschecho-slowakischen Neuentdeckungen auf die Leinwände gebracht haben, so wurde doch für die Digital Versatile Disc einiges an Schätzen wieder ausgegraben. Und was sich in den Archiven nicht alles findet! Untertiteln und dem Internet sei Dank, kann sich der interessierte Filmliebhaber ungeahnte Schmuckstücke ins Heimische Wohnzimmer holen (und ich spreche hier nicht von Torrents und Subs die auch zahlreich durchs Netz schwirren). Der geneigte (anglophile) Filmfreund kann inzwischen aus über 200 untertitelten Original DVDs wählen, die den Einfallsreichtum und die Originalität der Filmproduktion der Tschechoslowakei in einem neuen Licht erstrahlen lassen. Und darunter fallen zum Glück nicht nur die allseits beliebten Märchenfilmen sowie die viel gerühmten Autorenwerke, die in geringerer Anzahl (und meist mittelmäßiger Qualität) auch außerhalb der beiden Staaten ab und zu erschienen sind. Nein, mit Kreditkarte, Paypal oder meist schon einer funktionierenden Bankverbindung, kann man direkt auf das Gebiet der ehemaligen ČSSR und ihrer Produkte zugreifen, und wer auf Untertitel verzichten kann oder gleich die (beiden) Sprache(n) lernen möchte, sieht sich vom Angebot inzwischen schier erschlagen.
Für alle Uneingeweihten und Neuankömmlinge (und auf Wunsch unserer Leser 😉 ) möchte ich daher an dieser Stelle einige Links und Tipps aufzählen um der Vielfalt einen überschaubaren Zugang an die Seite zu stellen.
Zunächst einmal gibt es eine inzwischen zwar schon wieder etwas veraltete, doch immer noch sehr hilfreiche Auflistung von englisch untertitelten DVDs, auf dem sehr informativen aber leider nicht mehr aktualisierten Blog Closely Watched DVDs.
Außerdem habe ich zwei Tschechische/Slowakische Internetshops ausfindig gemacht, von denen einer teilweise mit einem englischen Navigationsmenü ausgestattet ist und definitv auch Produkte ins Ausland importiert: www.dvdr.cz sowie www.dvdedice.cz
Für diejenigen denen das navigieren auf diesen beiden Websites zu kompliziert sein sollte, gibt es aber auch die bewährten Leute von Xploited Cinema (hier von mir auf 2 Filme von Václav Vorlícek verlinkt). Die Auswahl ist jedoch weit geringer, und die Discs auch nicht ganz billig…
Wer der Sprache etwas mächtiger ist, oder auch nur gewillt sich im Tschechischen oder Slowakischen zu versuchen, dem sei auch die einheimische Vaiante der Imdb unter www.csfd.cz ans Herz gelegt. Zumindest die Kenntnis einer slawischen Sprache sollte man aber schon mitbringen um sich auf der Seite einen Überblick verschaffen zu können.
Und für alle die sich von meinem Post etwas anderes erwartet hatten, habe ich als Entschädigung ein paar Links auf Youtube ausgegraben. Der User paatyia hat auf seinem Kanal einige Klassiker in teils hochauflösender Qualität hochgeladen, die man sich komplett ansehen kann – manche sogar mit englischen Untertiteln!
Mit den Links zu zwei meiner Lieblingsfilme möchte ich daher dieses Poting abschließen. Genießt sie solange sie zugänglich sind, oder bestellt sie euch per DVD! Es lohnt sich. 😎