Zitat der Woche
„Wenn der Tod der VHS-Kassette nicht gebührend betrauert wird, dann aus Geringschätzung des Unbeabsichtigten ganz allgemein. Es gibt auf manchen alten Bändern dieses krude „Hintendran“ und „Zwischendrin“, das beim Überspielen ungewollt entsteht. Durch brodelnde Spratzer hindurch, aus elektrischen Wogen tauchen die Enden von Filmen auf, die man nie mehr sehen wollte. Wie Gespenster spotten sie: „Du wolltest mich vergessen, aber hier bin ich.“ Und manchmal freut man sich sogar. Die Rückseiten von Zeitungsausschnitten sind meist interessanter als die Vorderseiten, hat Farocki mal geschrieben. Wer, anders als die davon schweigende Mehrheit, seinen Videorekorder tatsächlich auch zum Aufnehmen zu gebrauchen weiß, der ist im Besitz solcher Kassetten, in denen sich Filmschlüsse abgelagert haben wie Erdschichten. In Stufen liegt da der Wandel im persönlichen Filmgeschmack offen zu Tage. Lehm, Kalk, Kohle und Erz.“
zitiert nach: Rainer Knepperges: Die Tiefe der Schublade, aus: SigiGötz-Entertainment, Die dreizehnte Wiege, München, Februar 2008. S. 17.
Die aktuelle Ausgabe von SigiGötz-Entertainment mit – unter anderem – einem Überblick über den deutschen Genrefilm seit 2001 (eine schöne Ergänzung zum Kanon des deutschen Films aus Ausgabe 12) und einem manchmal schockierenden Rückblick auf die Bewertungstabelle der FILMKRITIK kann man hier bestellen.
Das nennt man dann wohl Gedankenübertragung, ich hatte nämlich ebenfalls vor, anlässlich der neuen Ausgabe endlich mal einen Hinweis auf SigiGötz-Entertainment im Blog zu platzieren, zumal es sich erst gestern auch noch aus purem Zufall begab, dass eine Eskalierende-Träume-Delegation anlässlich des Gosov-Filmabends zu einem Spitzentreffen mit u.a. zwei führenden SigiGötz-Vertretern zusammen kam und wir dabei Unterstützung bei den SigiGötz-Plänen zur baldigen Ablösung der Cinema als auflagenstärkster deutscher Filmzeitschrift zusicherten. Da die Eskalierenden Träumer derzeit ohnehin bereits knapp 4 % aller SGE-Abonnenten stellen (was trotzdem noch steigerungsfähig ist – Christoph!!), muss das Wort nun in die Welt hinaus getragen werden…
Daher kann an dieser Stelle nur noch einmal betont werden, dass SigiGötz-Entertainment absolut unterstützens- und empfehlenswert ist, weil in Gestaltung und Inhalt auf dem deutschen Markt einzigartig und dabei aufs Angenehmste nichts anderem als den eigenen filmischen und schreiberischen Vorlieben der Autoren verpflichtet. Insofern kann allen Lesern dieser Zeilen nur geraten werden, sich baldmöglichst ein Abo und eine der wenigen noch verfügbaren älteren Ausgaben zu sichern, zumal jede Ausgabe lediglich 2,50 Euro kostet!
PS: Das Zitat ist natürlich toll und macht zudem Lust, in alten Steadycam-Ausgaben nach ähnlichen Texten zu suchen. Und bei Schifferle und Althen, die zu den wenigen gehören, bei denen man in dieser Richtung fündig wird. Ohnehin wird in theoretischen Überlegungen das Thema Trägermedien, Aufführungsorte und alles was dazu gehört seltsamerweise völlig vernachlässigt (was generell für die konkrete Präsentations-, Vorführ- und Sichtungspraxis von Filmen gilt, von der wiederum die Auseinandersetzung mit z.B. der formalen Gestaltung der Filme jedoch ganz wesentlich abhängt und geprägt wird, was offenbar gerne übersehen und ignoriert wird).
🙂 In der Tat Gedankenübertragung.
Das Zitat beschreibt einen der vielen Gründe, warum es immer noch lohnenswert ist Videos zu sichten oder auf VHS aufzunehmen. Bei mir ist es zwar äußerst selten vorgekommen, dass ich etwas geplant aufgenommenes überspielt hätte (bin da wohl zu großer Purist, und will – fast nie – etwas verlieren), aber man schneidet ja so manches unbeabsichtigt mit. Früher habe ich den Fernseher und die Aufnhame bei jeder Aufnahme meist die ganzen 4h auf einer VHS durchlaufen lassen. Danach war es manchmal wirklich wunderbares, das hängenblieb.
Ich suche ja z.B. immer noch diesen Western mit den wunderschönen satten Farben, aus dem mir eine Szene im Gedächtnis hängen blieb: Ein Mario-Adorf-ähnlicher Bandit fällt oder steigt in einen weiten Brunnen, und sucht auf dem trockenen Boden (vielleicht ist der Brunnen auch nur eine Tarnung) nach irgendetwas (einem Goldschatz?)…
Was ich auch sehr liebe, ist mir alte Kaufkassetten anzusehen. Nicht nur wegen der Filmauswahl (was es nicht alles auf Video gab, das wohl nie wieder das Licht des Tages auf einem anderen käuflichen Trägermedium erblicken wird), sondern auch wegen der Logos, Werbung und Trailer. Und die Videooberfläche ist natürlich auch eine andere. Dieser Videolook macht manches Mal für mich immer noch einiges her.
Da hier gerade von der guten alten VHS-Kassette die Rede ist: ich gehöre auch zu den altmodischen Leuten, die noch Videokassetten benutzen. Ich habe mir sogar im vorigen Monat einen neuen Videorekorder gekauft, weil der in meinem Fernseher miteingebaute alte kaputt gegangen ist. Zum einen ist die Videokassette immer noch mein bevorzugtes Instrument, um interessante Filme, die zu blöden Zeiten ausgestrahlt werden, kennenzulernen, und dann habe ich noch mein Archiv mit Dutzenden von Filmen, die ich mir gern jederzeit anschauen können möchte, und zum einen würde ich die nicht gern alle als DVD nachkaufen, und zum anderen bin ich mir bei vielen (mal im TV aufgenommenen) nicht mal sicher, ob es die überhaupt auf DVD gibt. Also bei mir lebt sie noch, die VHS-Kassette, und ich hoffe, sie tut es auch noch eine ganze Weile!
Mir gehts da ähnlich wie Sano, ich habe eigentlich selten einmal auf VHS aufgenommene Filme später wieder überspielt, allerdings findet sich oft auf den letzten 30 min. einer Kassette einiges Interessantes. Diese habe ich nämlich dann oft dazu benutzt spontan alles aufzunehmen, was ich interessant fand. Zum Teil natürlich noch Überhänge der vorherigen Aufnahme mit Anfängen von Filmen, die heute liebend gerne auf VHS hätte, die mich damals aber nicht interessierten, zum Teil dann aber alle möglichen Schnipsel, wild durcheinander aufgenommen. Da ich die meisten Kassetten so mit 15, 16 aufgenommen habe ist auch etliches eher Peinliches darunter… 🙂 Für zukünftige Archäologen vielleicht mal interessant, wenn sie den Film-, Frauen-, Musik- und Fußballgeschmack von Pubertierenden Ende des 20. Jahrhunderts erforschen wollen.
Da ich wie geschrieben eher selten Sachen überspielt habe, sehe ich das Verschwinden der VHS-Kassette aber gar nicht so wehmütig. Meinen DVD-Recorder lasse ich jedenfalls absichtlich immer mindestens 15 Minuten über die Filmdauer laufen, so dass sich in einigen Jahren auch hier hoffentlich viel spannendes „Hintendran“ finden lassen wird.
Ich habe das Zitat übrigens nicht zuletzt deshalb ausgewählt, weil es mich an einige unserer Gespräche über die Uni-Mediathek erinnerte. So frustrierend es manchmal ist, einen FILM wie z.B. THE SEARCHERS auf einer VHS-Aufnahme aus den 80ern im falschen Bildformat sehen zu müssen, die archäologischen Schätze, oft ungewollt mitaufgezeichnet, die man davor oder danach entdeckt entschädigen meistens dafür.
Ich persoenlich bin da nicht ganz so nostalgisch – nicht selten kann VHS-Qualitaet einen Film voellig ruinieren (wie mir so unendlich oft bei Zweitsichtungen in DVD-Qualitaet oder im Kino klar geworden ist), auch wenn Schundfilme durch einen schundigen Video-Look natuerlich mitunter einen speziellen Reiz dazu gewinnen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich meiner alten Kabel 1-Aufnahme von DIE BLAUE HAND nachgetrauert habe, nachdem ich feststellen musste, dass die DVD bei aller Schaerfe und Brillanz im Kontrast nicht diesen waessrig-blaugrauen Look hatte.
Da fuer mich VHS-Aufnahmen heute nur noch Notloesungen sind und ich aufgrund der Tatsache, dass ich weder einen eigenen Fernseher / Fernsehanschluss noch einen Videorekorder habe, dass TV-Programm aus Selbstschutz nur noch gelegentlich studiere, verotten die meisten meiner alten Kassetten ohne Ueberspielgefahr – wenn ich bei meinen Eltern gelegentlich etwas aufnehme, verwende ich irgendwie – sehr zum Nachteil der Qualitaet – die gleichen Kassetten immer und immer wieder, wodurch ich etwa vier Kassetten habe, auf denen gegen Ende etwa 6 verschiedene Filme sich nach und nach aus dem Flimmern schaelen.
Ein besonders praegendes Erlebnis hatte ich diesbezueglich mit 13, als ich Abends einen Western aufnahm und anschliessend – da der Rekorder nachts einfach weiterlief – den Anfang von Roger Cormans DAS PENDEL DES TODES, in Pan & Scan auf Vollbild, wenn ich mich recht erinnere. Nach der Sichtung besagten Westerns klebte ich fasziniert vor dem Fernseher fest, als der Corman-Film begann, bis mir mein Vater die Kassette wegnahm, um mich vor dem boesen Horrorfilm zu beschuetzen.;-)