Ein Besuch von Jean-Luc Godard im US-Fernsehen Anfang der 80er. Er und Dick Cavett sitzen sich gegenüber, und versuchen so lange innerhalb der Fernsehkonventionen zu reden, wie es ihnen die Sendezeit erlaubt. Oder zumindest Cavett versucht es, während Godard sich manchmal darauf einlässt und sich manchmal entzieht. Aus heutiger Sicht erscheint es mir faszinierend zu sehen, wie ruhig und konzentriert diese Unterhaltung scheint, wie wenig inszeniert, wobei Godard an einem Punkt erwähnt, dass das Fernsehen auch größer und komplizierter geworden ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten, und dass der Aufwand, der um sie in diesem Moment betrieben wird wesentlich komplexer ist als früher. Das rückt unsere momentane Aufmerksamkeitsproduktion im Fernsehen noch einmal in eine andere Perspektive, und zeigt auf, wieviel sich in den letzten 30 Jahren in unserem Verständnis vom Umgang mit Zeit und unserer Bereitschaft sich auf ihr Verstreichen einzulassen wirklich geändert hat. Ungläubig reibe ich mir daher auch die Augen, als Cavett Godard fragt, ob er noch einmal in seine Sendung kommen möchte (bzw. sie noch einmal eine Sendung aufnhemen könnten – ich habe den zeitlichen Zusammenhang in diesen Youtube-Ausschnitten nicht ganz verstanden), damit sie sich noch weiter unterhalten können, da er noch weitere Fragen hätte. Hier also die gestückelten Youtublinks der zwei Sendungen, wobei Teil 2/6 leider fehlt, da er aufgrund eines darin verwendeten Filmausschnitts von Youtube gesperrt worden ist.
Zurück nach vier Jahren Studium in England, wo alles noch so mondän poppig, friedlich und ace war, findet sich Marco (Paolo Turco), Sohn eines Kunststoff-Fabrikanten, im heimatlichen Italien aufgelöst zwischen ziellosem Studentenaufstand und zielloser Großbürger-Tristesse, „wie ein anachronistischer Candide“. Seine letzte Nacht in England verbrachte er noch auf einem Polizeirevier – wir erfahren nicht warum – zwischen Säufern, Hippies und reisenden Musikern, die den blassen Morgen streichen. Italien ist nach vier 60iger-Jahren jedenfalls nicht minder mondän, kann es sein. Motorräder, Kameras, Mode, kalter Sex, phlegmatische Gemeinheiten, Phrasen-Tennis, Verbilligung der Gefühle, Austreibung der Gefühle, Manufaktur der Gefühle, moralistische Unmoral, Kunstgewerbe, Kapitalismus, Chic, Lesben, Schwule, Pop-Art, Prinzipien der Lüge, Nagellack, Lachen, Plastics, inszenierter Dreck, Retorten-Ideologien, im Kreis fahren mit Auto und Motorrad, schwedische Sekräterinnen, Marketing, Prediger im Park, bankrotte Kleinunternehmer, bedröhnte Engel des Verfalls auf düsteren Parties, Obst klauende Herumtreiberinnen, Fotografinnen, Shareholding, Raserei im Regen, libidinöse Gärtner, Radio, reisende Hippie-Antiquare, Gewitter, Wald, Schrottplätze, Inzest, Kinder die vor einem Güterzug voller Rinder im Matsch spielen. Schein oder Täuschung vor, Wut oder Angst hinter der Kamera? Weiterlesen…
Ja, wenn man arcor.de Glauben schenken darf. Es würde sich hierbei um die derzeit einzige im Netz kursierende Aufnahme unseres großen „Ernst des Lebens“ (1925 – 1984) handeln, dem Patron des Hofbauer-Kommandos, dem österreichischen Russ Meyer, dem türkischen Blake Edwards und dem Edgar G. Ulmer des deutschen Erotikfilms, auch bekannt als Herb Al Bauer und Ernest Hofbauer:
Es bleibt zu befürchten, dass sich auch in absehbarer Zeit die mysteriösen Nebelschwaden um die Person unseres Ernst nicht lichten werden – und ewig schwebten die Mythen…
Gerade eben über einen interresanten und inzwischen auch kontroversenFSK-Beschluss bezüglich des deutschen Spielfilms Romeos gestolpert, den ich unseren Lesern an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte:
Der Film handelt von dem Coming Out des transsexuellen Lukas und dessen Transformation von einer Frau zu einem Mann. Als Zivildienstleistender in Köln, der im Mädchentrakt des Zivi-Wohnheims untergebracht ist und von seiner besten Freundin Ine von Party zu Party „geschleift“ wird, muss er verschiedene Situationen meistern. In Köln weis außer seiner Freundin, der Leiterin des Wohnheims und deren Chef keiner von Lukas‘ Coming Out. Das bereitet ihm im Umgang mit den anderen Jugendlichen Schwierigkeiten und so manche peinliche Situation, in der er in Erklärungsnot gerät. Lukas verliebt sich in Fabio, der nicht unterschiedlicher zu ihm sein könnte. Fabio erwidert dieses Gefühl. Durch Lukas kleine Schwester erfährt Fabio allerdings, dass Lukas eigentlich ein Mädchen ist. Fabio kehrt Lukas den Rücken und fängt eine Liebelei mit einem Mädchen an. Doch Lukas gibt nicht auf und kämpft auf seine Art um Fabios Liebe. Der Film zeigt einen leidenden jungen Menschen, der auf seinem Weg der Geschlechtsumwandlung mit seinem Umfeld, mit Spott und Vorurteilen zu kämpfen hat. Damit behandelt der Film ein schwieriges Thema, welches für die Jüngsten der beantragten Altersgruppe, die sich in diesem Alter in ihrer sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte. Das Thema selbst ist schon schwierig für 12- bis 13-Jährige und die Schilderung einer völlig einseitigen Welt von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen. Die explizite Darstellung von schwulen und lesbischen Jugendlichen und deren häufige Partnerwechsel können verwirrend auf junge Zuschauer wirken, auch wenn der Film auf Bildebene nicht schamverletzend ist und niemanden diffamiert. Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider, die Kinder aufgrund keiner oder zu geringer Erfahrungen nicht erkennen können. Der Film bedient sich keiner zotigen Sprache und diskriminiert Homosexuelle nicht, so dass er für ältere Altersgruppen nicht als problematisch beurteilt wird. Für ältere Rezipienten ist die Filmgeschichte einordbar und verkraftbar.
Der Anfang nimmt sich zumindest aus heutiger Sicht fast wie ein kleiner, vereinender Brückenschlag aus. Der Franzose Maurice Tourneur, als Regisseur immer wieder in den USA aktiv, inszeniert einen deutschen Film – der damit anfängt, dass ein entflohener Sträfling durch ein impressionistisch im Wind wogendes Getreidefeld in eine deutsche Hafenstadt kommt und dort in einem expressionistisch von steilen Kanten und schiefen Winkeln gezeichneten abgelegenen Haus zur Seefahrt anheuert, und kurz danach gibt es in der Seemannsspelunke auch noch eine Schlägerei wie im Saloon eines Western: torkelnde Gestalten, ausgelassene Stimmung, es rumpelt und rempelt, Bier wird übereinander verschüttet und die Fäuste ausgepackt, bis alles kurz und klein geschlagen ist. Weiterlesen…
Ein Magischer Moment: Gerade eben in Rudolf Thomes Online-Tagebuch einen Ausschnitt aus dem Making-Of seines neuen Films Ins Blaue gesehen, der bei Youtube hochgeladen wurde. Es geht um Film als Lebensenergie. Ich bin ganz elektrisiert, und freue mich nicht nur erneut auf Ins Blaue sondern auch auf das Making-Of. Wenn es nur halb so intensiv wie dieser kurze Einblick wird, gibt es 2012 vielleicht sogar 2 Filme um Thome zu entdecken.
Die Uhr tickt. Eine Frau zieht sich aus. Speckige Hände umgreifen ihren Hals. Lautlos. In der nächsten Szene überschlagen sich die Ereignisse. Ein Atombombentestgelände. Ein wichtiger Koffer. Der Eiserne Vorhang. Das Kindergesicht von Conrad Brooks. Eine Autoverfolgungsjagd. Schüsse.
„Get the briefcase!“
Die Stimme aus dem Off gehört einem Beat-Poeten:
„Flag on the Moon. How did you get there? Secret Data. Pictures of the Moon. Secret Data. Never before outside the Kremlin. Man’s first rocket to the Moon.“
Die gottverlassene Wüste. Mittendrin die dickste Kugel unter der Sonne, Tor Johnson, lias Dr. Joseph Javorsky.
„Yucca Flats. The A-Bomb.“
Die Bombe geht hoch. Noch nicht mal 9 Minuten Film. Weiterlesen…
Manchmal ist es schwierig über einen Film zu schreiben. Zumindest, wenn man ehrlich sein will. Während dem Sehen hat man viele Ideen, oder auch viele Stimmungen und Gefühle. Bei den Ideen ist es oft schwierig sie zu rekapitulieren, bei den Gefühlen schwierig sie zu beschreiben, in Worte zu fassen. Heinrich ist so ein Film, ein Film der seine Ideen in Gefühlen und Stimmungen ausdrückt und sie selten verbalisiert (was auch immer das im filmischen Kontext heißen mag). Das bedeutet jedoch nicht, dass er kein intellektuelles Kino wäre, voll von Meinungen über die Welt, die es gilt, an den Mann (oder die Frau) zu bringen. Linkes, agitatorisches Kino eben, das immer auch didaktisch ist (man denke als Paradebeispiel mal wieder an die grundsätzliche Didaktik eines Jean-Luc Godard). Aber Heinrich ist eben auch leidenschaftlich, obsessiv und sinnlich im besten Sinne dieses aufklärerischen Kinos, dieses Kinos des „Neuen deutschen Films“ der 70er („jung“ im eigentlichen Wortlaut ist an den zumindest aus heutiger Sicht eher altherrenhaften und angestaubten pädagogischen Ansätzen dieser Filme wenig – auch wenn sie von Frauen gedreht wurden), indem er sich am Theater, an einer Tradition der Bühne, an ihren Präsentations- und Diktionsformen orientiert, ohne das genuin filmische Moment, die verfremdenden, naturalistischen oder hyperrealistischen Eigenschaften von Bild und Ton, von Klangkulisse, Licht, Farben, der Großaufnahme oder Totale, dem Schnitt und den sonstigen kinematographischen Besonderheiten der Kombinationsmöglichkeiten künstlerischer Ausdrucksformen auf und mit dem Aufnahmematerial, zu vernachlässigen. Weiterlesen…
…dass der deutsche Major Kinowelt von Studio Canal und damit von einem französischen Major übernommen worden ist? Darf man utopische Hoffnungen hegen, dass mit der ewigen Kinowelt-Lieblosigkeit im Verleih aktueller Filme und Heimvideo-Veröffentlichung von Backkatalog-Titeln nach Vorbild der stellenweise dezent überlegenen französischen und britischen Branches ein wenig aufgeräumt wird? Werden wir plötzlich ganz viele ganz tolle Studio Canal-Titel aus dem französischen und britischen Programm abbekommen? Wird Kinowelt jetzt aufhören, eine Schlock-Firma zu sein? Werden die Franzosen machen, das alles wieder gut wird? Besteht eine winzige Chance, dass sich irgendetwas am Firmenprofil der Kinowelt ändert, dass nicht gleich das Anschwellen des kapitalistischen und kunstfeindlichen Blutegels, dieses nimmersatte Weiterexpandieren, Weiterglobalisierung der Filmdistribution, zur Folge hat? Ist es nun ein kontinental-exotischer Thrill, als deutscher Filmvorführer eine deutsch synchronisierte 35mm-Kopie des sehr schäbig nach Sozialporno aussehendem MEIN STÜCK VOM KUCHEN zu starten und dann diese „himmlische“ Verleihmarke zu sehen, die man persönlich in erster Linie von (britischen) Import-DVDs diverser europäischer Kanon-Filmklassiker im Gedächtnis abgespeichert hat? Haben Studio Canal in Frankreich ein ausgeprägteres Profil als die Kinowelt in Deutschland? Würden französische Filmemacher und Cinemenschen von diesem Imperium Gutes berichten?
Nein, möchte ich sagen. Es ist nicht beruhigend, darüber nachzudenken. Deswegen auch keine Filmecho-Gesten hier. Ich finde es nur eigenartig, dass diese Übernahme, bzw. die endgültige Umbenennung, meiner Wahrnehmung nach im deutschen Netz kaum kommentiert worden ist, nicht zuletzt auch von „Menschen vom Fach“. Vielleicht muss ich eben doch öfter Blickpunkt Film oder das Filmecho lesen, wenn mich sowas interessiert (tut es, eigentlich, nicht). Es ist doch schließlich bemerkenswert und eigentümlich, dass der größte deutsche Filmverleih ausgerechnet mit seinem, mehr oder minder, französischen Pendant fusioniert ist. Wenn die Kinowelt nun bei Warner läge oder mit Concorde einen deutschen Gesamtkoloss gebildet hätte – aber nein, also ausgerechnet bei Studio Canal. Und das schon seit 2008! Als ich das, in einem Gespräch mit einem Kinobetreiber, im August erfuhr, habe ich erstmal einige Minuten lang die Stirn gerunzelt.