STB Robert 2025 II

„Und dieses Bild trug das quälend Eintönige an sich, das alle jene Eindrücke kennzeichnet, die tagtäglich so und so oft wie Hausierer die Schwelle unserer Wahrnehmung überschreiten, und rief in mir weder Neugierde noch Überraschung hervor.“ (Der Golem)

„Das Rationale (d.h. das vom Verstand Aufzulösende) ist fast immer das nicht Wesentliche und eigentlich ein Schleier, der die Gestalt verhüllt. Soweit aber eine Seele einen Leib braucht, – es ist ja gar nichts dagegen zu sagen – muß der Künstler seine Mittel zu Darstellung aus der rationalen Welt herausgreifen. Dort, wo er selbst noch nicht zur Klarheit, oder eigentlich zur Ganzheit durchdrungen, wird das Rationale das künstlerisch Unbewußte überwuchern.“ (Gustav Mahler)

„Mais le sombre indigo des nuits d’été
Est la caresse consolante à nos yeux dépités
… Lilas frais et mauves pervers
Rhododendrons où les phalènes vont se pâmer
… Orangés calmes des couchants d’automne
Orangés tristes des feuilles tombées
… Voici le bleu mystique des soirs.“
(Le Poème des couleurs)


Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein prosaisches System. Eine Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Ordnung zu quetschen. Deshalb hat die Wertung zumindest eine Y-Struktur für freieres Atmen. Die Einstufungen radioaktiv und verstrahlt reflektieren, dass ein Film in seiner eigenwilligen Qualität es einem nicht einfach macht, ihn einfach zu genießen. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.

Legende: Ist im Grunde selbsterklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wurde, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache lief, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute. Ein kleines K hinter einem Titel bezeichnet einen Kurzfilm (bis 15 Minuten), während ein kleines M einen mittellangen Film (16 bis 60 Minuten) kennzeichnet.


Vorangegangene Sehtagebücher:
2012/II | 2013/I | 2013/II | 2014/I | 2014/II | 2015/I | 2015/II | 2016/I | 2016/II | 2017/I | 2017/II | 2018/I | 2018/II | 2019/I | 2019/II | 2020/I | 2020/II | 2021/I | 2021/II | 2022/I | 2022/II | 2023/I | 2023/II | 2024/I | 2024/II | 2025/I

Oktober
Sonntag 12.10.

National Treasure / Das Vermächtnis der Tempelritter
(Jon Turteltaub, USA 2004) [stream, OmeU]

nichtssagend

Sonnabend 11.10.

Wenn die tollen Tanten kommen
(Franz Josef Gottlieb, BRD 1970) [stream]

gut

Practical Magic / Zauberhafte Schwestern
(Griffin Dunne, BRD 1998) [stream, OmeU]

großartig

Quantum of Solace / Ein Quantum Trost
(Marc Forster, UK/USA 2008) [DVD, OmeU] 2

großartig

Freitag 10.10.

Panic Room
(David Fincher, USA 2002) [stream, OmeU]

gut

Ich glaube, dass sehr viel für dieses Kammerspiel zweier Räume spricht, bei dem die Leute in dem einen Raum, in den anderen wollen, während die anderen dies zu verhindern gedenken. Eine simple Suspense-Situation also, die in mehreren Variationen durchgespielt wird. Die am Computer generierten Kamerafahrten, mit denen Fincher ohne Sinn und Verstand immer wieder das Haus durchschreitet, nerven mich jedoch zu Tode.

War of the Worlds
(Rich Lee, USA 2025) [stream, OF]

uff

Ein alles überwachender und kontrollierender Vater (Ice Cube) lernt, dass er nur ein Mann vor einem Computer ist, der zwar Überwachungskameras und Zugriff auf alle Daten der Welt hat, aber trotzdem machtlos, weil eben nur ein Mann vor einem Bildschirm. Was zeitweise ganz schön ist, nur wird einem dieser Subtext so nachdrücklich unter die Nase gerieben, dass die Alieninvasion viel zu kurz kommt. Und sobald eine Happy Family gemeinsam mit ihren Computern und Handys die Welt retten, ist es erzählerisch, optisch, inhaltlich und schauspielerisch einfach nur noch extrem mau.

Donnerstag 09.10.

One Battle After Another
(Paul Thomas Anderson, USA 2025) [DCP, OmU]

großartig

Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor) trägt Wimpernextensions – bzw. links und rechts jeweils nur eine, die mittig über den Augen nach oben steht. Es sieht ein bisschen nach zwei kleinen Krallen oder Klingen aus. Sie ist eine Revolutionärin in Tradition der Weathermen. Sie ist potent, kraftvoll, unaufhaltsam. Und doch verschwindet sie recht bald auf Nimmerwiedersehen aus dem Film. Weil sie aus der Sackgasse flüchtet, in die sie sich manövriert hat. Weil sie ihre Lächerlichkeit erkannt hat. Weil dies kein Film ist, der scharf wie eine Klinge wäre, sondern der weich wie Käse ist.
Statt konzentrierter Handlung diverse Miniaturen von lächerlichen Leuten, alten Revolutionären (Leonardo DiCaprio), die ihr Hirn weggekifft haben, alternden Militärs (Sean Penn), deren Lusthaushalt und Leben so widerspruchsvoll ist, dass ihr verkrampfter Körper nicht mal mehr laufen, sondern nur noch stelzen kann, geheime Kabalen, die das Schicksal der Welt aus dem Keller gutbürgerlicher Vorzeigehaushalte steuern.
Am besten ist der Film, wenn er dieser allgemeinen Kläglichkeit souveränen Leuten entgegengestellt. Zen-Kampfkunstmeistern (Benicio del Toro), die stoisch den Weg weisen, oder kompetenten Mitstreitern (Regina Hall), die traurig bis wütend ertragen, oder Töchtern (Chase Infiniti), hoffnungsvollen nächsten Generationen, die kaum glauben können, wie kaputt diese Leute sind. Oder wenn die Weichheit des Films zu einem der besten Momente in PTAs Karriere führt, einer Autoverfolgungsjagd über eine hügelige, wabernden Wüstenstraße, die einen im Kino Achterbahn fahren lässt.

Mittwoch 08.10.

Reality / Reality – Wahrheit hat ihren Preis
(Tina Satter, USA/UK 2023) [stream, OmU]

gut

Eigentlich zeigt uns dieses Kammerspiel eine einzige unangenehme soziale Situation. FBI-Ermittler fühlen Reality Winner (Sydney Sweeney) auf den Zahn, weshalb es auch der paranoide Kampf mit dem eigenen Über-Ich ist: Grundsätzlich fühlt sich jeder in einem solchen Moment schuldig, aber was wissen sie. Vom Fleck weg ist zudem klar, dass es auch um Trump geht, um das gegenwärtige Klima in den USA, um die Wahrheit und wie um sie gekämpft wird. Der Film basiert auf dem Protokoll einer wahren Begebenheit. Was Gesprochen wurde, ist öffentlich zugänglich. Der Text ist aber teilweise geschwärzt worden. Dass die Realität des Films unter diesen Schwärzungen zusammenbricht, buchstäblich, weil Dinge aus den Bildern verschwinden und der Ton nurmehr brummt, ist ein interessante Idee. Leider wird sie nur für den erwartbaren Effekt eingesetzt, dass sich unter diesen Schwärzungen halt die unterdrückte Demokratie findet. Und als politischer Kampffilm ist es leider wenig überraschend.

Dienstag 07.10.

Stardust / Der Sternenwanderer
(Matthew Vaughn, USA/UK/IS 2007) [stream, OmeU]

ok

Mein Vater hat mir jetzt mehrmals erzählt, dass dies einer seiner liebsten Märchenfilme sei. Ich sah jedoch nur einen Film, der gerne TIME BANDITS sein wollte, aber nicht dessen Vision besitzt, und der gerne so clever wie THE PRINCESS BRIDE sein mag, dem aber nur bedingt mehr einfällt, als Robert de Niro in Frauenkleider zu stecken.

Montag 06.10.

A Quiet Place Part II
(John Krasinski, USA 2020) [stream, OmeU]

nichtssagend

Zwei groß angelegte Parallelmontagen sollen darüber hinwegtäuschen, dass dies einfach nur aus Spannungsmechanik besteht. Sie behaupten Emotionalität und Menschlichkeit, die aber schlicht abwesend sind. Ich habe mir die Zeit jedenfalls größtenteils damit vertrieben, dass ich mir überlegte, ob die lärmempfindlichen außerirdischen Wesen, die weder schwimmen können, noch in der Lage scheinen, Technik zu benutzen, durch einen Unfall landeten oder gezielt abgesetzt wurden, um Vorarbeit zu leisten. Kram halt, nur beim Film war ich nicht, der kaum Gründe lieferte, bei ihm zu bleiben.

Sonntag 05.10.

Die Schule der magischen Tiere 4
(Bernhard Jasper, Maggie Peren, D 2025) [DCP]

uff

Short Cuts:
– Wenn die Reihe noch etwas weitergeht und die Schauspieler noch weiter altern, drängt sich das Crossover mit 21 JUMP STREET förmlich auf.
– Wie schon in CASINO ROYALE merke ich, dass mich Parkour zum alten, verständnislosen Mann macht.
– Der Liebesplot mit Eule ist ganz sweet, leider steht der ungelenke, pädagogisch wertvolle Steh-zu-dir-selbst-Plot viel mehr im Fokus, der seine Botschaft nie gepackt bekommt.
– Der Film schafft es nicht, sein Ensemble einzubinden, und besteht so aus zwei Kurzfilmen in Parallelmontage mit Drumherum.
– Die Reihe sah schon schlimmer aus und war es auch, aber die Verwaltung der Marke, zu der es hier geworden ist, ist auch nicht so doll.

Die Deutschmeister
(Ernst Marischka, A 1955) [DVD, ≠]

verstrahlt +

Wie um dem Irrsinn deutscher Realität zu entkommen, rettet sich der Film in eine spannungsfreie Traumwelt – traumhaft fotografiert von Bruno Mondi. Adel, Militär und Kapitalismus werden in Sitcombühnen gesteckt, in einen Bäckerladen, einen Friseursalon, das Stabsbüro einer Kaserne sowie einen prunkvollen und einen volksnahen Tanzsalon. Nur wird diese schummrig schunkelnde Illusion von einem anderen Irrsinn heimgesucht, von Gunther Philipp und Hans Moser, von überspannten Menschen, die von der allgegenwärtigen Güte und Herzlichkeit wie wundgerieben wirken. Aber ob nun Realitätsflucht oder Wiederkehr des Verdrängten, es ist hübsch, beschwingt und voller bunter Charaktere und Ideen. Lediglich in Anwesenheit von Franz Josef, dem Herz Österreichs, das auch vom Dornenkranz seiner ihn umgebenden engstirnigen, übereifrigen Beamten nicht verbittert werden kann, wird es wahrlich ultrabeschaulich.

Sonnabend 04.10.

IF / IF: Imaginäre Freunde
(John Krasinski, USA 2024) [stream]

gut

Kein Zweifel wird daran gelassen, dass dies MEIN FREUND HARVEY für Kinder des 21. Jahrhunderts sein soll, die ihre Schicksalsschläge mit kreativ erdachten imaginären Freunden bewältigen … nur eben aus Sicht der Freunde, die jemanden brauchen, dem sie helfen können. Sicherlich ist es schlampig erzählt, zu sehr auf seine sentimentalen Schachzüge vertrauend, als dass es wirklich Tolles erreichen könnte, aber die imaginären Freunde und sentimentalen Schachzüge sind effektiv genug für einen schönen Film.

たそがれ清兵衛 / Samurai der Dämmerung
(Yamada Yoji, J 2002) [blu-ray, OmU]

großartig

Der Off-Kommentar rahmt dies als Erinnerung einer Tochter an ihren Vater und an die Geschehnisse eines kurzen Zeitraums ihrer Kindheit. Alles an diesem ist plump und unnötig. Und ich verstehe nicht, wie er in einem Film, in dem die Hand einer Frau an den Haaren eines Mannes mehr sagen als manche aufwändigen Dramen, landen konnte. Der Kommentar wirkt trotz seiner gehauchten Worte wie ein Bully, der etwas Sensibles, Zurückgezogenes bedrängt, in dem ein bedachter Zen-Supermann mit den grausigen Karten, die ihm das Schicksal gibt, sachlich zurechtzukommen versucht.

Freitag 03.10.

Speed 2: Cruise Control
(Jan de Bont, USA 1997) [stream, OmeU]

ok

Die Fortsetzung geht all in und kreuzt STIRB LANGSAM mit einem Katastrophenfilm. Was heißt, dass Teile eines Kreuzfahrtschiffs und ein Öltanker explodieren, besagtes Schiff in Zeitlupe in ein Hafenviertel rauscht, Leute von Schiffschrauben (fast) gehäckselt werden, sich mit Motorbooten und Jetskis gejagt wird, Eingeschlossene eines absaufenden Schiffs mittels Kettensäge befreit werden, und und und. Damit keinen atemberaubenden Film hinzubekommen, ist vll. auch eine Leistung. Das Casting ist völlig off, auch die Prioritäten –der Aufwand und die Zeit für den Auftakt, der den ersten Teil in nutzlose Aufschneiderei übersetzt, hätten an so vielen Stellen viel besser eingesetzt werden können. Am Ende fand ich am interessantesten bei diesem unterhaltsamen Desaster, dass unter den Nebenfiguren ständig ein regulärer Nebendarsteller aus EINE SCHRECKLICH NETTE FAMILIE zu finden war.

It Ends with Us
(Justin Baldoni, USA 2024) [stream, OmeU]

ok +

Zwei Dinge stören mich an diesem Film, auch wenn ich seinen gebrochenen Kitsch trotz aller Haken doch ganz schön fand.
1. Es könnte argumentiert werden, dass der Film zu lange dauert und sich zu viel Zeit lässt. Dem würde ich entgegnen, dass sich die Erzählung Zeit nehmen muss, genau wie die Bilder den warmen Sepia-Ton benötigen. Um zu funktionieren, muss uns der Film einlullen und die Romantik dick auftragen. Das Problem ist vielmehr, dass die Architektur der Romantik krankt – vll. weil von Beginn weg nicht inwendig an sie geglaubt wird, vll. einfach wegen schlechtem Handwerk. Z.B. mochte ich, dass der Soundtrack auf totgenudelte Evergreens verzichtet und tatsächlich auf (halbwegs) aktuelle Musik zurückgreift. Nur bleiben die Stücke Fremdkörper, ein Konzept von außen, das nicht zum emotionellen Kern vordringt. Immer wieder wird sich auf hippe Designs in einer Welt hipper (Selbst-)Designer verlassen, ohne die gezeigten Gefühle gepackt zu kriegen. Ohne Blake Livley gäbe es, trotz aller Zeit, wohl kein Einlullen.
2. Sobald im Film dann seinen Daseinsgrund offenbart wird, ist vll. das Problem, dass nun plötzlich nicht mehr genug Zeit für das Drama bleibt. Nachdem die Katze aus dem Sack ist, handeln alle Figuren richtig und verstehen einander. Statt Melo gibt es eine filmische Selbsthilfegruppe. Das Nachspiel verliert sich in Gefälligkeit – ironischer Weise ist gerade dieses in der Realität eklatant – und zieht dem Film endgültig den emotionalen Zahn. Wir bleiben mit einem interessanten, aber mau umgesetzten Konzept zurück.

Donnerstag 02.10.

The Smashing Machine
(Benny Safdie, USA 2025) [DCP]

ok

Wahrscheinlich ist bei Josh Anfang des nächsten Jahres mehr los. Benny alleine ist jedenfalls erstmal etwas mau. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 01.10.

Hope Floats / Eine zweite Chance
(Forest Whitaker, USA 1998) [stream, OF]

gut

Eine betrogene Frau und Mutter (Sandra Bullock) flieht mit ihrer Tochter in das Heim ihrer Kindheit, wo sie einerseits damit kämpfen muss, dass ihr Kleinkind nicht wahrhaben will, dass das Leben mit ihrem Papa vorbei ist – ein kaum verstelltes Symbol für ihre Probleme mit ihrem neuen Leben zu beginnen –, und andererseits damit, dass sie jeder als die stellare Person ihrer Highschooljahre kennt und sie nun mit dem aktuellen Scheitern ihres Lebens konfrontiert wird. Tatsächlich ist es trotz allem Gloss ein schön trister Film, darüber weiterleben zu müssen, obwohl nichts mehr passt. Aber zuweilen sind die atmosphärischen Kleinstadtbilder zwischen der Handlung so schön, dass mich der Eindruck zu verfolgen begann, dass Whitaker die Menschen dazwischen zu stören scheinen. Menschen, mit denen er nicht so viel anzufangen weiß. Aber vll. ist das ja doch ganz passend.

September
Dienstag 30.09.

Vizi privati, pubbliche virtù / Die große Orgie
(Jancsó Miklós, I/Y 1976) [DVD, OmU]

gut

Bei Jancsós ersten italienischen Film war das Budget sicherlich etwas begrenzter. Er hatte also nicht die Mittel für seine ewigen Einstellungen. Dafür besaß er mehr Freiheit und konnte sich seinen nicht ganz so hochkulturellen Neigungen widmen, also nackten Körpern und hysterischeren Figuren. Die Mayerling-Affäre macht er zum politischen Komplott gegen einen unbotmäßigen Thronfolger, der die allgemeine Dekadenz der oberen Schichten des K.u.K. offenbaren möchte – damit Schluss mit der Heuchelei ist. Oder so. Die Untertitel waren Niederschriften der Synchronisation, die sich sichtlich etwas freier zu Urform verhielt. Ton und Text waren jedenfalls so im Widerstreit, dass ich schließlich nicht mehr ganz sicher war, was genau los war. Ästhetisch ist die lockere Herangehensweise ganz schön, weil dem ideologischen Verrennen in die Labyrinthe der eigenen Ideologie frivole Luftigkeit entgegensteht. Nur leider ergibt diese Mischung im Grunde einen fast schon typischen Ken Russell-Film.

Montag 29.09.

Immaculate
(Michael Mohan, USA 2024) [stream, OmeU]

ok

Wäre Sydney Sweeney nicht gerade die Go-to-Queen für Terrorgeburten, wobei sie hier zudem noch eine zähe Nabelschnur durchbeißt, dies wäre schon ein zu beschaulicher generischer Nonnen-sind-im-teuflischen-Unterbau-der-katholischen-Kirche-gefangen-im-Kloster-Film.

Sonntag 28.09.

Maverick / Maverick – Den Colt am Gürtel, ein As im Ärmel
(Richard Donner, USA 1994) [DVD, OF] 6

großartig

Nach dem Familienfestwochendende in der Twilight Zone – in einem DDR-Hotel, dass auf Schickimicki getrimmt wurde, aber schon wieder am Verfallen ist, im Nebel im Wald stehend, voller Rentner und schweralkoholisierten Firmen- und Vereinsfeiern inkl. Oktoberfestgaudi und Poolwassertemperatur von 30°C – brauchte ich einen verlässlichen Film, in dem alles so ist, wie es erscheint, der fest in der Realität fußt.

Dying Young / Entscheidung aus Liebe
(Joel Schumacher, USA 1991) [blu-ray, OF]

gut +

Größtenteils ist es vll. sowas wie ZIEMLICH BESTE FREUNDE plus PRETTY WOMAN – mit teilweise opulenten Bildern (Kamera: Juan Ruiz Anchía). Nur erteilt der an Leukämie Leidende Victor (Campbell Scott) seiner Pflegerin/Geliebten Hilary (Julia Roberts) diverse kunstgeschichtliche Lehrstunden über Gustav Klimt und Dante Gabriel Rossetti und wirft per Projektor Bilder von Frauen auf sie, in von Männern dominiert Posen (Klimt) oder die in die immer gleiche Leidensmaske gezwängt wurden (Rossetti – in Elisabeth Bronfens NUR ÜBER IHRE LEICHE gibt es eine interessante Fallstudie zu Elizabeth Siddal und wie sie von Rossetti gemalt wurde). Sichtlich sucht er jemanden, der unter ihm leidet. Wenn er das erste Mal zu ihr geht, um mit ihr zu schlafen, findet er sie auf ihrem Bett liegend vor. Über ihre Augenhöhlen liegen tiefe Schatten, die ihr etwas von einem Totenschädel geben. Immer wieder soll es sichtlich auf eine gefällige Romanze hinauslaufen, und doch zieht sich ein morbider Strang, mal mehr, mal weniger deutlich, durch diese.

Freitag 26.09.

The Pink Panther Strikes Again / Inspector Clouseau – Der beste Mann bei Interpol
(Blake Edwards, UK/USA 1976) [stream, OF] 2

nichtssagend

Bei meinen Eltern hängt eine Witzekalender neben dem Klo. Ab und zu finden sich darauf Brüller, die ich mir merken würde, wenn ich es könnte. Ein bis zwei sind ganz gut und variieren die seit Jahren genutzten Pointen ganz geschickt. Die meisten sind eher maue Aufgüsse des ewig Gleichen. Und so verhält es sich auch mit diesem Film. Gerade wieviel Aufwand mit der Omar Sharif-Szene und den folgenden Kalamitäten betrieben wird, ohne das mehr als ein paar wenige Altherrenschmunzler herausspringen, ist schon sehr trist.

Donnerstag 25.09.

In die Sonne schauen
(Mascha Schilinski, D 2025) [DCP]

gut +

Die Texturen (Bilder, Ton, Lokation) dieses German Gothic sind schon zum niederknien schön, mir fehlten nur entweder die angezogenen Daumenschrauben oder der Witz, je nach dem. Gerade wenn gegen Ende die Puzzle-Teile der verschiedenen Zeitebenen dann doch ineinander fallen, während ein fürchterlich offensichtlicher Off-Kommentar dazu rumbrabbelt, hat mich der Film doch sehr verloren, weil die Einzelschicksale, die Momente in den Hintergrund geraten und der Zusammenhang formell und sachlich betont wird.

Mittwoch 24.09.

Eolomea
(Herrmann Zschoche, DDR/UdSSR 1972) [blu-ray] 2

großartig

Es gilt einen Krimifall im All zu lösen: Was steckt hinter dem Verschwinden einiger Raumschiffe in der Nähe der Raumstation Margot? Am Ende des Ganzen steht die politische Parabel. Ein paar Individuen brechen auf, um herauszufinden, ob die von Eolomea, einem Planeten im Sternbild des Schwans, gesendeten Zeichen von außerirdischen Lebewesen gesendet werden – auch wenn die Reise beschwerlich ist und Jahrhunderte dauern wird. Die kollektiven Entscheidungen hat dieses Risiko nicht eingehen wollen. Auf die DDR gemünzt ergibt es die Botschaft, dass vll. etwas mehr Freiheit und Utopie gewagt werden sollte. Leute mit Visionen sollten machen können und nicht von Funktionären zurückgehalten werden. Ein Strang zeigt dann auch auf, dass es mehr Leute mit Vision gibt, als die Sesselpuper glauben. Diese müssen nur aktiviert und nicht zu desillusionierten Slackern geformt werden.
Dabei kann nie von der Hand gewiesen werden, dass dies ein Film der DEFA ist. Tief in den Knochen steckt die ganz spezielle Didaktik der DDR. Was aber auch bedingt, dass der Weltraum, obschon er durch psychedelische Effekte dargestellt wird, keinen Sense of Wonder bedient. Es gibt keine Laserschlachten, keine Schweben durch ein lebensfeindliches Vakuum, keine Meteoritenschauer. Stattdessen wird er als Leere verstanden, die gefüllt werden muss – als Ausdruck der Zukunft. Und der Film greift dafür nicht zu Konzepten und engen moralischen Begriffen, sondern steckt nichts als Hoffnung in seine Zukunft. Wichtig ist nicht, was dort zu finden ist, im All, auf Eolomea, sondern dass dorthin aufgebrochen wird.
Die Gegenwart sieht dagegen – abgesehen von den großen Tagungszentren – fast genauso verbraucht, behelfsmäßig und grau aus, wie später bei ALIEN oder KRIEG DER STERNE – wenn auch nicht so feucht wie bei Erstem. Hier finden sich keine großen Abenteurer, sondern Pappmaché-Roboter, neugierige Beamte und von Manfred Krug synchronisierte Astronauten, die Angst vor den eigenen Fehler und dem eigenen Scheitern hinter enervierend spaßigen Kommentaren verbergen wollen.
Und doch, trotz alltäglichem Grau des Jetzt und Didaktik gibt es doch einen herausstechenden Sense of Wonder. In den Erinnerungen, in den Visionen des Protagonisten, in dort zu finden sonnigen Bildern der Galapagosinseln – in Bulgarien gedreht. In saftigen, sonnendurchfluteten Farben scheint es wie schon in SIGNALE nichts Schöneres zu geben, als endlich wieder am Strand zu sein. So sehr der Film in seinen Dialogen von den Potentialen der Zukunft schwärmt und diesen eine triste Realität entgegenstellt, so sehr scheint sein Glück einfach nur am Schwarzen Meer zu liegen, wo die Seele baumeln kann. Und vll. ist der große Kampf des Films diese Schönheit fahren zu lassen, den inneren Schweinehund zu überwinden und etwas aus sich zu machen – was mir zugebenermaßen schwer fällt, weil ich ewig in diesem tiefenentspannten Film abhängen könnte.

Dienstag 23.09.

The Return of the Pink Panther / Der rosarote Panther kehrt zurück
(Blake Edwards, UK/USA 1975) [stream, OF] 2

gut +

Solange der Film bei Clouseau (Sellers), Dreyfus (Lom) und Phantom-Heists bleibt, bietet der Film simple Freuden. Vll. in Sachen Slapstick und diebischer Geschmeidigkeit die besten der ganzen Serie. Nur ist alles drumherum eher unnötig. Christopher Plummer macht aus Charles Lytton einen Schläger und Catherine Schell lacht als Lady Lytton über die Tollpatschigkeit Clouseaus, erkennt ihn als absurde Figur und verletzt damit die einzige Regel, die es minimal braucht, damit so ein Film wie dieser funktioniert, nämlich so zu tun, als wäre nichts oder eine Katastrophe im Gange.

Miroirs No. 3
(Christian Petzold, D 2025) [DCP]

fantastisch

Ad hoc ist mir nicht klar, von welchem Film Petzold dieses Mal seine Struktur entlehnt. Vll. von MISERY, nur dass hier beide Seiten der Selbsttäuschung nachgeben und die Realität des Gegenübers verkennen und sich so aneinander anlehnen … bis es jemand ausspricht, bis vll. die Liebe einen Strich durch die Rechnung macht. Ergänzt mit Männern, die für Geschäfte, Mechanik und Ratio stehen, und Frauen, für Soziales, Natur und nicht ganz so Rationelles. Aber mehr denn je ist Petzolds Film einfach ein sommerlicher Abhängfilm, ein paar Tage mit wehenden Vorhängen, Feldern und Baumkronen, mit Königsberger Klopsen, Pflaumenkuchen und Kräutern, mit Nothern Soul, Ravel, Sonne und Fahrtwind, mit klaren und doch undurchsichtigen Emotionen, mit Traumata, die entweder nur Andeutung sind oder als absurdes Autowrack wie aus einem Godardfilm einfach plötzlich im Film liegen, mit der Schönheit des Moments trotz der allgegenwärtigen Lügen und Wunden.

Sonntag 21.09.

The Secret of NIMH / Mrs. Brisby und das Geheimnis von NIMH
(Don Bluth, USA 1982) [DVD] 3

großartig

Bluth und seine drei Mitdrehbuchautoren nehmen eine simple und klare Geschichte und reichern sie mit Fantasyelementen an, mit weisen Zauberern, jenseitigen Eulen, magischen Amuletten und Kugeln. Was diese Geschichte gnadenlos überlädt, zum Tohuwabohu aus anthropomorphen Tierkatastrophenfilm, politischen Paranoiathriller, Slapstickkomödie, gesellschaftlicher Kritik, Sword-and-Sorcery-Epik bis hin zu religiöser Erlösung. Zusammen ergibt es kaum noch Sinn, aber optisch ist es überaus prächtig. Und statt eines zweiten WATERSHIP DOWN wird es so ein unverwechselbares Abenteuer.

Sonnabend 20.09.

Men at Work / Men at Work – Kommando Sondermüll
(Emilio Estevez, USA 1990) [DVD, OF] 6

gut

Sabrina Z. hat abends zuletzt AKA CHARLIE SHEEN geschaut, und ab und zu bin ich auch hängen geblieben. Besonders die Ausschnitte aus den Super-8-Filmen, die er mit seinem Bruder (Emilio Estevez) und ihren Freunden (u.a. Sean und Chris Penn) gedreht hat, erinnerten mich an dies hier. Und tatsächlich ergibt es als Projekt von Leuten am ehesten Sinn, die nicht nur mit Filmen aufgewachsen sind, sondern für die es eine ganz normale Realität war, in Filmen zu sein. Emilio Estevez und Charlie Sheen machen mit MEN AT WORK also nichts anders als, was ihnen als ganz normaler Film vorschwebt … nur dieses Mal mit etwas mehr Budget. Der spannende Effekt ist, dass wir also eine otto-normale Actionkomödie erhalten, durch die Linse von naiven, jugendlichen Filmfans und Slackern gesehen.

Freitag 19.09.

Harry Potter and the Half-Blood Prince / Harry Potter und der Halbblutprinz
(David Yates, UK/USA 2009) [blu-ray] 2

großartig

Ein Film im Kontext einer Zauberschule davon erzählt, was es heißt, sich zu verlieben und trotz Scham, Angst und Gefühlsoverload zu seinen Gefühlen stehen zu müssen, was es heißt, herauszufinden, wer man ist, während jede Entscheidung Konsequenzen hat, wenn nicht mehr andere für einen entscheiden, was es heißt, Schmerz zu fühlen und seine Suppe auslöffeln zu müssen. Alles mit jeder Menge Opferfetisch, Ekel, Horror und Unwohlsein. Ganz klar, ein super erfolgreicher Film.

[Kurzfilmprogramm-weil-zu-müde-für-Abendfüllendes]
(tba.) [tba.]

tba.

Love’s Presentation m (James Scott, UK 1968) [blu-ray, OF] großartig
Portrait of David Hockney k (David Pearce, UK 1972) [blu-ray, OF] gut
The Trans-Atlantic Mystery m (Joseph Henabery, USA 1932) [DVD, OF] nichtssagend
Sittin’ on a Backyard Fence k (Earl Duvall, USA 1933) [DVD, OF] ok +
*****
Die beiden Boni von A BIGGER SPLASH zeigen im Grunde das Gleiche, sind aber doch ziemlich unterschiedlich. Während LOVE’S PRESENTATION alles drumherum beiseitelässt und einfach nur David Hockney bei seiner Arbeit zeigt, ihn nur über sein Vorgehen bei Ätzradierungen sprechen lässt, zeigt PORTRAIT OF DAVID HOCKNEY Impressionen aus seinem Studio ohne auf seinen Prozess einzugehen. Und während der eine für seine Laufzeit ganz gut ist, hätte ich mir gewünscht, dass der andere noch länger laufen würde und ich David Hockney noch weiter über sein Tun sprechen höre.
Die anderen beiden waren Boni der HEROES FOR SALE-DVD. Der eine war der letzte Einträge der Mysteryreihe mit Donald Meek als Ermittler Dr. Crabtree, der nur noch ein Schatten der wenigen Qualitäten von THE WALL STREET MYSTERY besaß, dem einzigen anderen Teil der Reihe, den ich kenne. Der andere war ein ganz netter Cartoon mit den klassischen Sachen über Jazz, Hinterhöfe und Katzen.

Donnerstag 18.09.

Relay / The Negotiator
(David Mackenzie, UK/USA 2024) [stream, OF]

gut

Eigentlich schon ein schönes Procedural, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sich Mackenzie dafür schamt, einfach nur ein Procedural zu machen. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 17.09.

Erotik auf der Schulbank
(Hannes Dahlberg et al, BRD 1968) [blu-ray]

großartig

Ein Protoreportfilm, der sich mit drei Episoden begnügt. Die ersten beiden setzen Schmier und Unbehagen noch dosiert ein, während die dritte jugendliche Phantasterei zunehmend fließen lässt.
Episode eins (Hannes Dahlberg): Eine Schülerin hat eine Affäre mit einem Lehrer. Beide verkennen in der romantischen Welt ihrer Heine Gedichte die harte Realität (Anwälte, Eltern, Intrigen, zynische Teilnahmslosigkeit, die Impotenz von Mitgefühl), die sie umgibt. Das Melodrama zerstört seine Protagonisten langsam und zurückhaltend und findet seinen dezenten Höhepunkt, wenn der Lehrer zwei Schüler aus seiner Gartenlaube schmeißt, die es als Liebesnest nutzen wollten. Der jugendlichen Impertinenz stellt sich der Lehrer tugendhaft entgegen und kann doch nicht den Blick vom entblößten Körper der Jugendlichen abwenden. Dass er sich der Justiz stellt ist so mehr eine Flucht vor der Erkenntnis des eigenen Wesens.
Episode zwei (Roger Fritz): Eine Schülerin (Helga Anders) spielt sich vor ihren Freundinnen auf und fabuliert von einer Affäre mit dem Direktor. Ein Tagebuch der gemeinsamen Liebe führt sie, sie fingiert Treffen und rächt sich für seine kalte Schulter, indem sie ihn wie einen Vergewaltiger aussehen lässt. Die Regie von Fritz mit neuem Kameramann bringt kaum wahrnehmbare Unterschiede im Stil, nur geht die Schere zwischen sachlicher Dokumentation und jugendlichem Übermut/reißerischer Bedenklichkeit langsam auf. Natürlich handelt die Episode nicht von Missbrauch und einem Opfer, dem auch mal geglaubt werden soll, sondern von jemanden der die Konsequenzen seines Handelns nicht einschätzen kann und alles zum Horrorfilm eines Unschuldigen macht, dessen Welt zerstört wird. Aber wie um es ad absurdum zu führen, wird sie nicht von guter Polizeiarbeit überführt, sondern durch tatsächliche sexuelle Gewalt aus der Mitte der Gesellschaft. Die Sachlichkeit des Films zerbricht in einem urplötzlichen Akt der Gewalt, der jede Sicherheit darüber, wer erwachsene Mitmenschen sind, für immer beendet.
Episode drei (Eckhart Schmidt): Ein Schüler träumt von einer Affäre mit seiner jungen Lehrerin, träumt von ihr in BH und Höschen nach Hause gebracht zu werden. Aus Eifersucht schießt er auf den Sportlehrer, ihren tatsächlichen Freund, und versteckt sich vor Polizei und Eltern, weil er sich für einen Mörder hält. Der verbindende Punkt, die jugendliche Unerfahrenheit, eskaliert bei Schmidt völlig. Traum und Realität sind irgendwann kaum noch klar zu trennen, immer übermütiger wird ihre Vermischung – weniger für den pädagogischen Effekt, sondern aus Verständnis dafür, lieber in seinen Träumen leben zu wollen.

Dienstag 16.09.

Night Nurse
(William A. Wellman, USA 1931) [DVD, OF] 2

großartig +

Diese engagierte Warnung vor den zerstörerischen Folgen des Alkohols mit einer reinen, tugendhaften Hauptfigur (Barbara Stanwyck) wurde mit einer Frauen-kämpfen-während-der-Depression-um-ihr-Auskommen-Komödien als Ouvertüre und einer kaum an den Rest angegliederten Liebesgeschichte gestreckt, damit die Laufzeit eines Spielfilms gerade so erreicht wird. Ohne viel bösen Willen ist es so zu sehen, und doch ist der Film so verkannt. Wellman macht aus der dünnen Geschichte nämlich eine wilde Fahrt, die mit jeder Szene Genre und Stimmung zu ändert. Es beginnt mit einer Frau, die durch Zufall einen Job findet und damit vor völliger Verarmung gerettet ist, mit existentieller Angst in Form leichter Unterhaltung. Es folgen eine Studentenwohnheimkomödie, eine Lacrima mit vorzüglichem Tristkind, eine Liebesgeschichte mit flotten Sprüchen und Milchshakes, ein Paranoiathriller diabolischer Verschwörungen, der lyncheske Horrorfilm eines Hauses mit trüben Leid hier und tollen, von Alkohol, Wahnsinn und sexueller Gewalt geschwängerten Partys mit Leuten ohne Halt, mit Clark Gable in Fetischchauffeuruniform – mal als offensichtliche Propaganda gegen soziale Übel, mal als schlüpfrige TWILIGHT ZONE-Folge. Der Film beginnt und endet mit einer rasanten Autofahrt, die in Egoshooterperspektive Biegung um Biegung nimmt. Und der Film dazwischen fühlt sich kaum anders an.

Sonnabend 13.09.

Casino Royale
(Martin Campbell, UK/USA 2006) [DVD]

großartig

James Bond (Daniel Craig) begibt sich nach Nassau, in Casinos und fährt mit einem aufgepimpten Aston Martin – alles, wie um zu unterstreichen, dass es sich immer noch um James Bond handelt. Viel wurde der Marke nämlich abgezogen: weder gibt es bspweise Q, der absurde Gadgets übergibt, noch einen Gegenspieler mit überkandideltem Plan. Dies ist ein Bond-Film, dem alles ausgetrieben wurde, was MOONRAKER ausmachte. Er ist dreckiger als zuvor, direkter und brutaler, no nonsense … und vor allem emotionaler und an der Hauptfigur als Mensch interessiert, ohne zu vergessen, dass er ein Actionfilm ist. Die Neuerfindung gelingt – auch wenn ich mich für die Parkourverfolgungsjagd zu Beginn zu alt fühle, weil sie mich daran erinnern, wie ich peinlich berührt im Park sitze und junge Leute sehe, die profan über Mauern springen, weil sie sich nicht trauen auf ein Skateboard zu stellen.

Freitag 12.09.

Mutiny on the Bounty / Meuterei auf der Bounty
(Lewis Milestone, USA 1962) [blu-ray, OF]

gut

Marlon Brando spielt Fletcher Christian als ironisch distanzierten Hipster-Offizier, der erst als respektabler, unbeeindruckter Schalk militaristische Engstirnigkeit und überzogene Ordnung verulkt und im alle (sexuellen) Regularien aufhebenden Paradies die Wahrung von Stil und Würde vorlebt. Ob nun polynesische Tänzerinnen die Hüften schwingen oder Trevor Howard Leute sadistisch auspeitschen lässt und sich so als menschgewordene dunkle Wolke atmosphärisch über sein Schiff legt, immer ist es auf einen gewitzten Gecken gerichtet, an dem es nagt, der aber alles oberflächlich an sich abperlen lässt. Am besten unter seinen vielen Highlights ist vll., wenn er die Matrosen zum Fischen in einem Meer voller halbnackter Frauen schickt, während er mit Schweiß auf der Stirn verzichten muss, weil er für England Pflanzen heben muss. Oder ist es doch der funky freshe Schlafanzug, den er anhat, als er die Tür zur Auseinandersetzung zwischen Kapitän und Mannschaft schließt, um besser schlafen zu können.
Nach der Intermission mutiert er aber zum grüblerischen Messias gegenseitiger Verantwortung, der ein gelobtes Land erreicht, sich dort aber nicht vor den britischen Strafexpeditionen verkriechen möchte, solange nicht alle Menschen vom Kampf für universelle Rechte profitieren. Wie es sich für einen Messias gehört wird er verraten und stirbt als Märtyrer. Was aus dem Film im letzten Drittel eben einen ernsten religiösen Film über das richtige Handeln macht. Brando kann nicht mit als obskure Entität glänzen und der Film dadurch auch nicht mehr.

JFK / JFK – Tatort Dallas Director’s Cut
(Oliver Stone, USA 1991) [blu-ray, OmeU] 2

gut

Der Abstieg in den paranoiden Hasenbau einer sich schnell ausbreitenden Verschwörungstheorie mit blitzartiger Montage, die das Kampffeld auch noch assoziativ ausbaut, wenn bspweise kurz Patrice Lumumba bei seiner Ermordung gezeigt wird und die Ermordung John F. Kennedys so nicht als Mikroobjekt behandelt wird, sondern als Teil eines globalpolitischen Spinnennetzes, ist in seiner experimentellen, wilden Optik schon ein faszinierendes Vergnügen. Es ist aber auch schlicht ca. achtzig Prozent Infodump, bei dem Kevin Costners Ermittler irgendwann neben seinen Quellen sitzt und wie in einem Infomercial erstaunt Dinge sagt wie: Das ist ja nicht zu glauben, was der Slicer Dicer alles kann!?!

Donnerstag 11.09.

Notes on a Scandal / Tagebuch eines Skandals
(Richard Eyre, UK/USA 2006) [stream, OF]

gut

Die erste Hälfte, die unerfülltes, vll. auch unerfüllbares Begehren erstaunlich leicht bebildert, schafft es immer wieder die Kargheit eines gewichtigen Dramas abzuschütteln. Die zweite Hälfte, in der aus dem vielschichtigen Liebesfilm bzw. dem Drama über das Fehlen dieser ein Thriller wird, geht dem Film leider die Leichtigkeit verloren, während zeitgleich der Horror gar nicht erst versucht wird zu potenzieren. Judi Denchs Gesicht und vor alle ihre Augen sehen zuweilen zwar wie ein schwarzes Loch aus, dass einen aufzusaugen droht, aber mehr wird einem nicht mehr geboten, außer halt der gewichtige Stoff in betrübten Bildern.

Mittwoch 10.09.

A Kiss Before Dying / Ein Kuß vor dem Tode
(Gerd Oswald, USA 1956) [stream, OF]

gut

Die Schönheit von Cinemascope: In der rechten Hälfte des Bilds steht Jeffrey Hunter (THE SEARCHERS) als angehender Gesetzeshüter in einer Telefonzelle und spricht nominell mit einem Sheriff, aber sichtlich kämpft er damit die ganzen Informationen, die der Zuschauer laut Drehbuch nun benötigt, irgendwie natürlich zu vermitteln; in der linken Hälfte des Bilds steht sein Wagen, und ein Tankstellenangestellter füllt Benzin nach, guckt unter die Motorhaube, checkt das Öl usw.; rechts also Wartungsarbeiten, die durch die Wartungsarbeiten links kommentiert werden.
Ansonsten ein Film über einen Serienmörder aus Versehen, der einfach nur reich heiraten wollte, aber von seinem vll. auch nur einmal nachgegebenen Sexualtrieb gecockblockt wird. Robert Wagner spielt im Gegensatz zum stets bemühten Hunter seinen aalglaten Psychopathen mehr als überzeugend. Die Einstellungen sind gleichzeitig eng und luftig – die Schauspieler werden meist zwischen die Bildstriche gequetscht, vertikal herrscht aber jede Menge Platz. Der Thriller ist morbide und von kontrollierter Schönheit, aber eben auch nur ein eher uninspirierter Hitchcock.

Dienstag 09.09.

A Bigger Splash
(Jack Hazan, UK 1973) [blu-ray, OF] 2

fantastisch

David Hockney und seine Mitmenschen reden miteinander, er versucht zu malen, er duscht, er besucht Tanz- und Kunstveranstaltungen. Weder ordnen Voice Over, noch Untertitel oder Talking Heads etwas ein. Klar, dies ist eine Doku im Stil des Cinéma vérité, die Hockney in seinem Alltag und bei seinen kreativen Problemen nach einer Trennung porträtiert – so drängt sich auf. Nur ist da die Szenen, in der sich seine Muse Peter Schlesinger (nicht zu verwechseln mit dem deutschen Schauspieler aus u.a. CHAPEAU CLAQUE) aus dem Haus stiehlt und dabei von Hockney heimlich hinter einer Ecke beobachtet wird. Und neben diesen eher dezenten dokumentarischen Unwahrscheinlichkeiten bricht der Film auch immer wieder in Traum- und leicht surreale Sequenzen um – wie wenn Hockney seinen Freund und Sammler Henry Geldzahler besucht, der aber wie in einem Gemälde des Malers eingefroren scheint, der vll. einfach nur das Bild als menschliches Tableau nachspielt und sich (beleidigt) weigert zu interagieren.
Sichtlich ist dies eine fiktionalisierte Version des Lebens Hockneys, eine Art Cinéma-vérité-plus, die neben den Oberflächen auch das Innenleben einfangen möchte. Oder besser: Hazan hat einen Film über das Anschauen von Kunst und Darstellungen des Lebens in medialer Form gemacht. Leute gucken Gemälde an, befinden sich in realen Dopplungen dieser. Wir sehen Leute in natürlichen und artifiziellen Habitaten, sehen, wie andere sie ansehen und sehen einfach nur selber. Wir schauen Gemälde in unter schiedlichen Stadien an. Wir sehen Leute in ihrer Realität, aber gleichzeitig auch im Fernseher, gemalt, fotografiert, ganz und fragmentiert. Die Kamera gafft Hockneys Arsch unter der Dusche an. Und überhaupt präsentieren sich Hockney und Co. ziemlich schambefreit und spielen mit dem Bild ihrer selbst.
Statt also mit einer Dokumentation einem Kunstwerk oder einem Künstler sein Geheimnis entreißen zu wollen, macht Hazan einfach sein eigenes Kunstwerk voller Geheimnisse. Wer sind diese Leute, die reden, die schauen, die (von uns) angeschaut werden? Was geht mit den Pools? Was passiert hier überhaupt generell und wieso ist die Musik zuweilen so bedrohlich? Und warum ist Mo McDermott immer so eine traurige, triste Entität am Rand von Hockneys Leben und scheinbar doch so zentral für den Film? Und vor allem ist es ein Vergnügen, wie der Ernst des scheinbaren Formats immer wieder unterlaufen und (Zu-)Schauen einfach nur als Lust verstanden wird.
*****
Die BFI-blu-ray bietet einen scheinbar kaum bearbeiteter Scan von Hazans persönlichem Positiv. Es sieht also ziemlich knorke aus.

Sonntag 07.09.

Revenge of the Pink Panther / Inspektor Clouseau – Der irre Flic mit dem heißen Blick
(Blake Edwards, UK/USA 1978) [stream, OmeU] 2

verstrahlt

Aus Gründen will die Mafia Clouseau (Peter Sellers) umbringen, sie löst folglich einen absurden Mordanschlag nach dem anderen aus, die alle umso absurder von einem nichts ahnenden Clouseau vereitelt werden. Außerdem wird Dreyfus (Herbert Lom) nach Clouseaus vermeintlichem Ableben als geheilt aus der Anstalt entlassen, nur um an den unmöglichsten Stellen immer wieder auf seine Nemesis zu treffen und langsam wieder den Verstand zu verlieren. Diese beiden Motive reichen aus um diese Sketchparade mit einem roten Faden und dem Anschein einer Handlung auszustatten.
Es ist aber nicht dieser Faden, der verhindert, dass die einzelnen Sketche in ihre Einzelteile auseinanderfallen. Vielmehr ist es die Gleichförmigkeit der Possen. Immer wieder die gleichen Muster: Edwards stellt regelmäßig unter Beweis, dass er zu Stil fähig ist, nur setzt er ihn lediglich ein, alsbald Sellers abwesend ist. Mit ihm geht dieser sofort verloren. Unsere Hauptfigur ist rassistisch, sexistisch, inkompetent, ein polymorpher Agent der Zerstörung. Keiner von uns könnte Clouseau im echten Leben ertragen, und doch ist er der Held einer populären Filmreihe, die in den folgenden weniger extremen Einträgen nie wieder so viel Liebe bekam, wie mit diesem Unmenschen – Dreyfus steht sichtlich für unsere Gemütsruhe ein, über deren Zermürbung wir uns amüsieren dürfen. Und die Sketche rekurrieren fast durchgängig auf bereits kultivierte Running Gags der Reihe und bieten lediglich Variationen des immer gleichen. Statt mit Qualität wird sich unseren Lachmuskeln aber mit Quantität genähert. Heißt: die Lacher werden nicht herausgekitzelt, sondern sollen mit einem stumpfen Dampfhammer erzwungen werden. Überall sind die Motive zu sehen, die witzig sein sollen, aber höchstens die Erkenntnis hervorrufen, dass es witzig sein soll. Amüsement und Qual gehen Hand in Hand.
Kurz: Dies ist eine Beleidigung und kein guter Film. Anders als die Filme von Bully Herbig aber – da gerade die Kinos hier weiterhin mit DAS KANU DES MANITU vollgestopft sind, musste ich wiederholt an die brutale Unlustigkeit der Bully Parade denken –, wird wenigstens nicht so getan, als wäre dieses karge Produkt die süßen Früchte argloser Entertainer. Offen ist dies hier ein Angriff auf Sinn und Verstand, Anstand und Ästhetik, ein orientierungsloser Altherrenwitz to end all orientierungslose Altherrenwitze … und als solcher durchaus goutierbar.

Sonnabend 06.09.

天国と地獄 / Himmel und Hölle
(Kurosawa Akira, J 1963) [DVD, OmeU] 2

fantastisch

Vll. ist es nicht weniger als Kurosawas GÖTTLICHE KOMÖDIE, die er mit dem Platons Höhlengleichnis kreuzt. Denn kein toter Dichterfürst führt uns von der Hölle über den Läuterungsberg in den Himmel, sondern ein dreiteiliger Kriminalfall vom Himmel über den Läuterungsberg in die Hölle. Statt einer Erlösungsgeschichte werden einem quasi die Augen geöffnet, die sich erst an das rauschhafte Dunkel da unten gewöhnen müssen. (Wobei: ich bin mir nicht sicher, ob die moralische, metaphysische Implikation des deutschen Titels oder die Klassenimplikation des englischen, HIGH AND LOW, den japanischen Originaltitel, wortwörtlich schon Himmel und Hölle, aber wer weißt, was das in Japan genau bedeutet, besser trifft.)
Den Himmel sehen wir per Kammerspiel in den hellen Räumen einer über Yokohama thronenden Villa. Während die restliche Welt nur Panorama ist, ein schönes Wandgemälde im Fenster, stellt sich Schuhmogul Gondo die Frage, ob er mit seinen Millionen seine Macht rettet oder den Sohn seines Chauffeurs, der entführt wurde. Eigentlich wollten die Entführer Gondos Sohn, aber auch nachdem die Verwechslung entdeckt wurde, erpressen dieser weiter. Jedenfalls macht Kurosawa mit seinen Kameramännern (Nakai Asakazu, Saitō Takao) die luftige Weite zu einer zermalmenden Mühle, die mit Blicken und Bildaufbau Gondo moralisch unter Druck setzt. Ob Gondo nun am Rande sitzt oder im Zentrum ist, ständig arbeitet der Film an der Auflösung seiner seelischen Harmonie.
Der Läuterungsberg vollzieht sich als Polizei-Procedural. Minutiös und gründlich sucht die Polizei nach Möglichkeiten den Täter bei und nach der Geldübergabe zu identifizieren und ihm näher zu kommen. Peinlich genau kommen sie aber kaum voran … bis sie doch und mit ihnen der Film schlussendlich in der Hölle landen. Sie verfolgen den Täter durch dunkle Gassen, die verfallenen Unterkünfte Heroinsüchtiger, überfüllte Tanzlokale im Armenviertel. Aus dem sauberen, kunstvollen Thriller schält sich ein Schmierfetzen zivilisatorischer Perversion und Zerstörung … und ein Täter, der eine stark reflektierende Sonnenbrille trägt, weshalb seine Augen feurig leuchten, aber doch nur reflektieren, woran der Reichtum im Himmel und die vorzügliche Arbeit der Polizei doch nichts ändern. Dass diese Gesellschaft nämlich ihre qualitative Höhe auf den Berg eines sumpfigen Unten baut.

Freitag 05.09.

Wild Card
(Simon West, USA 2015) [stream, OF]

gut

So gut wie ein Film sein kann, der Actionchoreographien von Corey Yuen besitzt, aber keinen Cutter mit einem Gespür für diese. Aber tatsächlich kommt es eher dosiert zu Ausbrüchen körperlicher Zerstörungswut, meist geht es um einen Brummbären, der sich widerwillig zu verheerenden Feldzügen überreden lässt und der solange spielt, bis er verliert. Die Verliererballade eines Mannes eben, der alles kann, aber nichts zuwege bringt, die weniger von ihren bunten, zuweilen sentimentalen Charakteren lebt, sondern von der glitzernden Melancholie im Moloch Las Vegas selbstzerstörerisch Träumen nachzuhecheln, statt sich einer nicht-artifiziellen Welt zu öffnen.

Highest 2 Lowest
(Spike Lee, USA/J 2025) [stream, OF]

großartig

Denzel Washington als Mann, dessen Gesicht zu schmelzen scheint, wenn er konsterniert ist. Mehr dazu bei critic.de.

Donnerstag 04.09.

La città proibita / Kung Fu in Rome
(Gabriele Mainetti, I 2025) [stream]

großartig

Ein Film, der die Vermischung der Rassen propagiert, indem er über zwei Stunden ihre Trennung aufzeigt. Außerdem ein italienischer Kung Fu-Klopper. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 03.09.

Goofy Movies Number One k
(Jules White, USA 1933) [DVD, OF]

gut

Ein ganzes Kinoabendprogramm mit NewsReel, Cartoon und Hauptfilm in acht Minuten und selbstreferenzieller, ironischer Absurdität. Es gibt vll. wirklich nichts, was es nicht schon gab.

Bosko’s Parlor Pranks k
(Hugh Harman, USA 1934) [DVD, OF]

ok

Bosko, eigentliche Hauptfigur der Looney Tunes, wurde mit seinen Schöpfern von MGM abgeworben. Und als erstes machte Harman einfach ein Best of der schon vorhandenen Filme … oder eben eine Schau der Dinge, die sich mit Bosko seiner Meinung nach anstellen lassen.

Midnight Mary
(William A. Wellman, USA 1933) [DVD, OF]

großartig

Wellman drehte das hochklassige Depressions- und Liebesmelodrama, in dem Loretta Young wie eine astrale Entität unter normalen Menschen aussieht, vll. nur, um es immer wieder mit schmierigen Impulsen zu erdolchen. Mary (Young) wurde auf der wrong side of the tracks geboren, muss sich durchschlagen, obwohl jeder Knochen in ihrem Körper tugendhaft ist, landet auf der schiefen Bahn, bekommt von einem von seinem Leben angeödeten Millionär (Franchot Tone) eine Chance als Sekretärin, springt dann aber Kopf voran in den Schmutz der Gesellschaft, damit ihr Retter nicht mit ihrer Vergangenheit belastet wird und landet schlussendlich vor Gericht, weil sie einen Mann erschoss, um einen anderen zu retten. Jede Menge ist los, und unsere Protagonistin bekommt polymorphe Chance ihre hochkarätige Seele und deren Leidensfähigkeit (Hunger, Kälte, Herzschmerz) zu beweisen. Aber irgendwie geht es auch darum, dass Sex einen von Armut und Langeweile ablenkt, dass Selbstaufopferung eine Art von Lust ist, nämlich sich das Glück zu verbauen, oder einfach zu zeigen, wie manche Männer ihre Augen nicht von Frauenbeinen nehmen können, egal wie alt und gesetzt die Blickenden scheinen.

Montag 01.09.

Night Swim
(Bryce McGuire, USA 2024) [stream, OmeU]

ok

Solange Pools und Brunnen bedrohlich fetischiert werden, schon ein toller Film. Aber sobald er sich mit Leuten und ihren Problemen rumärgern muss, um die einzelnen Poolszenen zu verbinden, wirken der Film und seine Macher schon eher aufgeschmissen und bieten nur leere Abziehbilder von Menschen und eines Horrorfilms.

August
Sonntag 31.08.

Fantastic Four
(Josh Trank, USA/UK/D 2015) [stream]

nichtssagend

Der eine Typ (Toby Kebbell als Victor von Doom, als genialer Computer-Nerd-Incel ohne Macht) möchte die Welt brennen sehen, weil sie in der Hand von korrupten, gieren, alles zerstörenden Machtmenschen ist. Der andere (Tim Blake Nelson als Dr. Allen, als machtvoller, nihilistischer Pentagonbürokrat, der höchstens in geheimen Präsentationen von seinen wahren Visionen erzählt) sieht sich/die USA schon als Weltherrscher, wenn er nur weitere Supermenschen züchten kann. Ein weiterer (Michael B. Jordan als Johnny Storm, ein junger Mann auf der krampfhaften Suche nach Potenz) steckt sich lieber selbst in Brand, um mit rasender Geschwindigkeit den Erwartungen an sich zu entkommen. Eigentlich genug Potential an Teenage Angst und verlorenes Vertrauen in die Welt, leider ist es zu konzentriert auf Welt- und Charakteraufbau, ohne wirkliche etwas aufzubauen. Und außerdem sah ein letzter Typ (ich, Zuschauer vor einem Fernseher) nicht wirklich viel, weil Trank und sein Kameramann Matthew Jensen graue Dunkelheit mit Stil verwechseln.

Sonnabend 30.08.

Die Another Day / Stirb an einem anderen Tag
(Lee Tamahori, UK 2002) [DVD, teilw. OF] 2

ok

Bei der ersten Sichtung ärgerte ich mich maßlos und fand, dass dies einer der schlimmsten Filme gewesen war, die ich je gesehen hatte. In meiner Erinnerung waren aber nur Dinge geblieben, die mich jetzt neugierig machten. Das Windsurfen auf einer Flutwelle mit Motorhaube als Board bspweise. Weder war es aber so schlecht getrickst wie in meiner Erinnerung, noch war es so abstrus. Ich erwartete ein Campfeuerwerk, bekam aber einen grauen Film, der zu seinem Highlight – den Eispalast im ewigen Eis mit sumpfigem Herz – und von diesem weg trottet. Vll. wenn ich ihn mal sehe und weder einen seriösen, noch einen seltsamen Film erwarte, funkt es noch zwischen uns.

The Beekeeper
(David Ayer, USA/UK 2024) [stream, OmeU]

gut

Eigentlich ist dies ein sehr guter Actionfilm, im dem Jason Statham einfach nur grummelig guckt, während er sich mit kinetischer Eleganz unbesiegbar durch dezidiert böse Menschen einer verkommenen Moderne kloppt. Aber wenn noch einmal mehr Beekeeper gesagt worden wäre und sich so noch weiter in diesem einen netten Gag – die gefährlichsten, geheimsten Agenten der USA heißen Bienenzüchter, weil sie sich ums Volk kümmern, haha – geaalt, hätte ich verzweifelt geschrien, und Emmy Raver-Lampmans völlig unnötige, zweifelhaft gespielte Figur mit ihrem mauen Nebenplot, der ungelenk die Moralität des Handelns Stathams in Frage stellt und Ambivalenz erzeugen soll, ist optisch, inhaltlich und schauspielerisch wie das Plumpsklo neben einem Palast.

Freitag 29.08.

One Week / Flitterwochen im Fertighaus m
(Buster Keaton, Edward F. Cline, USA 1920) [blu-ray, OZ] 3

fantastisch

Der Nachmittag war voll gefüllt und es blieb keine Zeit mehr für HARRY POTTER UND DER HALBBLUTPRINZ, weshalb ich Lotti Z. (9 Jahre) sagte, dass sie noch ihre Backwettkampfsendung schauen könne, ich dann aber noch einen kurzen Film gucken werde. Ich meinte einen 70-80 Minüter, ich bekam aber mit leuchtenden Augen als Retour: Buster Keaton?!? Der mit dem Haus?!? Und da konnte ich natürlich nicht nein sagen.

Woman of the Hour / The Dating Game Killer
(Anna Kendrick, USA 2023) [stream, OmU]

ok +

Der ganze Film ist im Grunde wie Daniel Zovattos Lächeln und Frisur. Das eine ist ungemein sympathisch und gewinnend, gleichzeitig auch furchterregend und psychopatisch. Die Übergänge sind fließend, durch minimale Änderungen. Das andere sind eben so Zotteln, die eine Serienmörder in den 1970ern eben so getragen hat – Rodney Alcala aber nicht, zumindest wie ein Blick zu wiki andeutet. Einerseits ist dies schon ein vereinzelt faszinierender Film, aber eben auch sehr Standardware, die keinerlei Überraschung bietet.

Donnerstag 28.08.

Vamp
(Richard Wenk, USA 1986) [stream, OF]

ok

Hyperstilisierte 1980er Kaugummiwelt in striktem Pink-Grün-Neonlook, in dem Grace Jones von Keith Haring persönlich bemalt einen bizarren Striptease vollführt, wobei der Stripclub von Vampiren betrieben wird: What’s not to like? Leider doch einiges. Orientierungslos läuft der Film durch seine Welt, die charismatische Hauptfiguren stirbt schnell und wir bleiben mit irgendjemanden zurück, die stilistische Schönheit konzentriert sich vor allem in der ersten halben Stunde und vor allem ist es viel zu nerviger selbstbewusster ironischer Spaß, dass alles an Atmosphäre zusehends zusammenbricht.

Mittwoch 27.08.

Pitch Perfect 3
(Trish Sie, USA 2017) [stream, OmeU]

ok +

Hana Mae Lees kaum hörbares Sprechen war im ersten Teil eine der wenigen tatsächlich funktionierenden Gags. Der dritte Teil weiß nun kaum noch etwas mit ihr anzustellen, und es kann einem leidtun, dass sie weiterhin mitgeschleppt wird. Tatsächlich ist es aber die Ausnahme, dieses Mal stimmen Timing und Ulk nämlich halbwegs – nur sind Geschichte und Charaktere noch dünner als bisher, sodass wieder die Weigerung, diese grobe Struktur etwas mit Leben zu füllen, das größte Faszinosum ist.

Dienstag 26.08.

Pitch Perfect 2
(Elizabeth Banks, USA 2015) [stream, OmeU]

ok

Bei aller Liebe zu Flula Borg, der den Frontmann der Gruppe Das Sound Machine spielt, ist es doch die große Tragik des Films, dass zwischen der Kulturlandschaft der USA und Deutschlands ein so großer Graben liegt. Ruft dieser Film, der einen nationalen A-Cappella-Gesangswettbewerb zum weltweiten Eurovision Song Contest ausweiten möchte und dabei leider an seinen fantasielosen exzentrischen Bühnenauftritten scheitert, nämlich die Deutschen als Endgegner aus, fällt ihm damit aber kaum etwas ein, außer Marsch-, Maschinen- und Hasselhoff-Gags – Germany hasn’t produced a good singer since David Hasselhoff. Dabei wäre es doch so schön gewesen, wenn die Prinzen die Endgegner gewesen wären. Nichts hätte dieses stets bemühte Ironiefest, das nebenher noch eine bewegende Geschichte erzählen möchte, mehr retten können. Aber das ist ja eben niemanden zu vermitteln, der die 1990er Jahre nicht in der just vergrößerten Bundesrepublik Deutschland erlebt hat.
Zu Beginn ist es aber schon ein schöner Film über Nipplegate-Hysteria.

Montag 25.08.

Pitch Perfect / Pitch Perfect – Die Bühne gehört uns!
(Jason Moore, USA 2012) [stream, OmeU]

ok +

Unsere Hauptfigur (Anna Kendrick) kann zwar Lieder mischen, also vor allem MashUps erstellen, aber sich in Gruppen auflösen, nicht Teil von etwas sein. Immer steht sie heraus. Aber es ist nicht nur ihr Problem, sondern das des Films. Das Timing der Gags, die Inszenierung der Auftritte, die Vermittlung der Geschichte: nichts davon verläuft in irgendeiner Form harmonisch und flüssig. Immer steht die Bemühung heraus und geht nicht in Funktionieren über. Also ein passender Film über Jugend mglweise.

Sonntag 24.08.

Harry Potter and the Order of the Phoenix / Harry Potter und der Orden des Phönix
(David Yates, UK/USA 2007) [blu-ray] 2

gut +

In der Bewegung von der Vorstadtpostapokalypse in die Faschismusparabel, von einer Form sozialem Terror in die nächste also, schlägt sich der Film lange sehr gut. Nur irgendwann ist der Gag, dass eine zarte Frau in rosa aus Angst vor dem Teufel zur folternden Diktatorin wird, die die Wände Hogwarts mit strikten Moralregeln pflastert, aber arg überspannt … und trotzdem hängt der Film fröhlich, als wäre nichts gewesen, auch noch Regel Nummer 112 hin.

Moonlight for Two k
(Rudolf Ising, USA 1932) [DVD, OF]

ok

Ein Cartoon, der quasi eine herausgeschnittene Szene aus THE PURCHASE PRICE zeigt. Der Bauer geht mit seiner Frau tanzen, nur sind sie hier eben anthropomorphe Tiere, deren Körper und Geist wie Gummi sind. Und wenn ich mal Zeit und Lust habe, recherchiere ich, ob diese Cartoons und Kurzfilme, die in manchen Editionen den Filmen der 1930er Jahre beiliegen, ausgewählt wurden, weil sie zum Film passen, oder damals schon im Kino dem Film beigestellt wurden und extra für diesen passend gemacht wurden.

The Wall Street Mystery m
(Arthur Hurley, USA 1931) [DVD, OF]

ok

Zwei Leichen in einem Büro, die Tür ist von innen abgeschlossen. Jede Menge Verdächtige trieben sich zur Tatzeit vor der Tür herum. Was im Endeffekt eine launige Runde des Kartenspiels Black Stories mit einem gewitzten und engstirnigen Ermittler ergibt.

The Purchase Price / Einsame Herzen
(William A. Wellman, USA 1932) [DVD, OF]

großartig

Nachtclubsängerin (Babrara Stanwyck) flieht vor ihrem zudringlichen, kriminellen(?) Ex (Lyle Talbot) in eine Heirat per Annonce. Auf einer Farm im Nirgendwo findet sie mit ihrem zufälligen Ehemann (George Brent) und harter Arbeit nach einigen Anlaufschwierigkeiten aber ihr Glück. Es ist eine dieser tausendfach erzählten Geschichten, nur grenzt es hier an einer Satire.
Schon die elliptische Erzählweise scheint einem zu vermitteln, dass wir den Schmus eh schon kennen, weshalb jetzt nicht alles auserzählt werden muss. Aber auch darüber hinaus bleibt es trotz romantischer und epischer Sprengsel in einem ab und zu bildgewaltigen Film doch eher seltsam. Brent spielt seinen Bauern mit einfältigem Lächeln und geckenhafter Mütze, und der Mann, vor dem Stanwycks zu bekehrende Sängerin flieht, ist der Verständige im Vergleich zu Brents Figur, der bei jedem My Zurückweisung und Eifersucht austickt und wie ein eingeschnappter Gott/ein Kleinkind ewiglich grummelt.
Ihre Flucht ist so keine vor einem Mann, sondern vor der Zuschreibung unehrenhaft zu sein. In ihrer Hütte muss sie zwar schuften, frieren und die unmoralischen Angebote von Hinterlandmogulen abwehren, aber wenigstens ist sie dann eine ehrbare Frau. Brennende Felder löschen scheint ihr nicht nur die epischere Lebensaufgabe zu sein, sondern die leichtere im Vergleich dazu, ständig als leichtes Mädchen identifiziert zu werden.

Sonnabend 23.08.

The World Is Not Enough / Die Welt ist nicht genug
(Michael Apted, UK 1999) [DVD, OmU] 2

großartig

Die Rolle von Denise Richards, fulminant als nicht auf den Mund gefallene Atomphysikerin in Hot Pants eingeführt, kämpft mit der Zeit leider ein wenig um ihre Relevanz und droht immer wieder einfach wieder fallengelassen zu werden. Dabei bildet sie im Verbund mit Sophie Marceaus, ihres Zeichens Schwarze Witwe und Domina, die ultimative Zange weiblicher Sexualität und Potenz, die unseren Agenten von vorgestern, sensationell zum kleinen, von seiner misogynen Romantik und Lüsten überwältigten Jungen machen. Aber auch so, ist dies der erste Brosnan-Bond, der den Agententhrillerzirkus völlig zu umarmen weiß.

The Pelican Brief / Die Akte
(Alan J. Pakula, USA 1993) [stream, OF]

gut

ALL THE PRESIDENT’S MEN für eine Zeit, in der der Glaube an die politischen Ideale schon am Erodieren ist, aber noch nicht so weit fortgeschritten wie heutzutage. Die Politiker versuchen hier ja noch ihre Vergehen zu verstecken und prahlen nicht damit in der Öffentlichkeit. Jedenfalls so gesehen ein Alan J. Pakula Paraonia-Thriller, aber ohne irgendeine Fallhöhe. Nur noch schöne Unterhaltung mit gepflegten, undurchdringlichen Netzen. Und ich hadere noch, ob es nun etwas arg viele Personen sind, die einen überkomplizierten Plot bedingen, oder ob es gerade Paranoia fördernd ist, wieviel unnötige Personen sich hier rumtreiben. Für Hollywoodverhältnisse ist es ja schon undurchdringbar.

Freitag 22.08.

劇場版 美少女戦士セーラームーンEternal 前編 / Pretty Guardian Sailor Moon Eternal the Movie Part 1
(Watanabe Hiroshi, Kon Chiaki, J 2021) [stream]

ok

Als SAILOR MOON, also die Serie, 1995 das erste Mal in Deutschland ausgestrahlt wurde, war ich 13 und habe sie sehr gerne geschaut – ob ich es zugegeben hätte, ist eine andere Sache. Nur empfand ich sie bald als sehr ermüdend und habe es immer weniger geschaut. Worin diese Ermüdung lag, hätte ich nach nun 30 Jahren nicht mehr recht zu sagen gewusst. Also war ich ganz froh, dass Lotti Z. (9 Jahre) diesen Film bei Netflix ausgesucht hat – mit minimaler Beeinflussung von mir –, da ich eigentlich davon ausging, dass das super werden wird, hatte ich doch vor allem positive Erinnerungen.
Doch bald waren all die Probleme wieder da und mir kam es vor, als hätte ich erst vor ein paar Wochen den letzten Teil geschaut. Die Qualitäten der Serie sind auch die dieses Films. Dekadent wird mit Blumen, Rüschen und süßen Ornamenten umgegangen. Die Welt ist völlig entrückt und hochromantisch. Sex ist allgegenwärtig, aber entweder in Plüsch aller seiner Eigenschaften beraubt, oder er dient zur Zurschaustellung der Degeneration der Bösewichte – unter deren Oberfläche aber auch eine Sehnsucht nach der sanften Erfüllung dieser Welt zu erahnen ist. Es kam mir sehr bekannt vor, aber noch deutlicher war dieses Gefühl des Wiedererkennens in den Kämpfen.
Alle funktionieren nach demselben Prinzip. Ein übermächtiger Gegner taucht auf, es wird sich etwas vergegenwärtigt und der Gegner besiegt, der eben durch eine verbale Vergegenwärtigung besiegt scheint und nicht durch die glitzernden Strahlen oder neuen Waffen. Action oder emotionale Einbindung sind fast nichtexistent. Einfach beliebiges Geschehen.
Die Stärke der Serie und des Films liegt in der Weltschaffung, in der Ausarbeitung einer klaren, einfachen Welt, die endlos mit Ornamenten und mystischer Romantik – in der Liebe und den Wesen der Welt – angefüllt wird. Aber diese dünnen Strukturen werden nicht angereichert. Das Ergebnis ist eine symbolistische Superheldenserie und in diesem Fall ein symbolistischer Superheldenfilm, die wunder-, wunderschön anzusehen sind, aber völlig hohl bleibt. Was eben mit der Zeit zu Ermüdung führt.

劇場版 美少女戦士セーラームーンEternal 後編 / Pretty Guardian Sailor Moon Eternal the Movie Part 2
(Kon Chiaki et al, J 2021) [stream]

ok +

Noch bunter, erratischer und weltfremder als der erste Teil, und deutlich weniger im Niemandsland sich ewig wiederholender Kämpfe feststeckend, weshalb dies klar der bessere der beiden ist.

The Net / Das Netz
(Irwin Winkler, USA 1995) [stream, OmeU]

ok

Sandra Bullock spielt einen Computernerd, der regelmäßig seine Maus benutzt. Schon diese Seltenheit ist einen Blick wert. Auch sonst gibt es hier und da etwas zu sehen, wie den wilden Ritt auf einem Kinderkarussell mit Auftragskiller im Nacken, die rumpelige prä-Windows Computerästhetik oder diesen schönen Match Cut, der auf ein paar Blumen endet – oder war das DIE AKTE? –, meistens ist es aber solide runterkurbelt.
Interessant ist jedoch, dass dies der vierte Film in kürzester Zeit ist, in dem Sandra Bullock am Ende keinen Mann bekommt. Hier gibt es nichtmal den romantischen Nebenplot, der so oft pro forma mitläuft, während sich davor alle romantischen Potentiale nicht entfalteten. Ist Sandra Bullock in ihrer umgänglichen, vernünftigen Awkwardness am Ende das Modell einer eigenständigen Frau, die nichts und niemanden zum Vervollständigen braucht?

Donnerstag 21.08.

28 Days / 28 Tage
(Betty Thomas, USA 2000) [stream, OF]

tba.

Meine Theorie ist, dass dies ein hartes Drama einer Entziehungskur war, bis Sandra Bullock in der Hauptrolle gecastet wurde. Daraufhin wurde dieses mit RomCom-Motiven angereichert und die Leute in der Entzugsklinik zu Sitcomfiguren gemacht – siehe vor allem der von Alan Tudyk gespielte seltsame Vogel, der wohl eine potenzierte Version von Rhys Ifans‘ Figur sozialer Unannehmlichkeit aus NOTTING HILL sein soll. Das Ergebnis ist eher die Ruine der beiden Potentiale, aber darin schon auch faszinierend seltsam.

Mittwoch 20.08.

Booksmart
(Olivia Wilde, USA 2019) [stream, OmeU]

gut

Der große Gag des Films: Molly (Beanie Feldstein), eine hyperkorrekte Schülerin, die ihre Schulzeit nur gelernt hat, um auf eine Eliteuniversität gehen zu können – ebenso aus Angst vor dem Nachspiel von Undiszipliniertheit und Unkontrollierbarem wie Party und Drogen –, erfährt am letzten Schultag, dass noch die größten Plinsen ihrer Schule in Yale, Harvard, Dartmouth usw. oder eben bei Google angenommen wurden. Molly erkennt, dass sie umsonst ihr Leben auf Sinnenfreuden verzichtet und sich selbst diszipliniert hat. Es ist einerseits die absurde Rache der Jocks an allen Nerds und Geeks, die auf lange Sicht in Filmen gewonnen haben, andererseits die gleichmachende Botschaft des Films, dass wir alle gleich sind und Elitismus sich nicht lohnt.
Leider ist es dem Film sehr ernst mit dieser Botschaft der Gleichheit, sodass die Highschoolkomödie im Grunde in sich zusammenfällt. Mit dem Wegfall der klar unterscheidbaren Gruppen – am Ende haben Kiffer, It-Girls, Sportler und Nerd alle das gleiche Problem, nämlich die Angst voreinander, vor fehlender Anerkennung – zünden irgendwie die Pointen nicht mehr. Nur der zwischenmenschlich-aufbauende, inspirierende, romantische Spannungsbogen funktioniert größtenteils beim Kampf mit dieser neuen gleichförmigen Schülerschaft.
Lange scheint es übrigens auf eine Odyssee hinauszulaufen, wenn Molly und ihre beste Freundin Amy (Kaitlyn Dever) auf der Suche nach der großen Abschlusssause von einer absurden Party zur nächsten tingeln, die richtige aber einfach nicht finden können. Und dieser Film hätte mir eigentlich am besten gefallen. Leider ist die dritte schon die richtige … weil Liebe und Gefühl wichtiger zu sein scheinen als die Absurdität des Erlebnisses, dass wir selbst, wenn wir alles richtig machen, unser Leben verschwenden können und von nichts eine Ahnung haben, was um uns geschieht. So steht es nur als unförmiges Potential im Film rum.

Dienstag 19.08.

Materialists / Was ist Liebe wert: Materialists
(Celine Song, USA 2025) [digital, OF]

nichtssagend

Am schlimmsten war dieser Essentialismus, dass wir zu einer natürlichen Intimität zurückkommen sollten, die noch nicht von der Gesellschaft verbogen ist, wobei es Song nicht einmal schafft, daraus etwas Romantisches oder Emotionales zu machen … der Film beginnt und endet unmotiviert mit Höhlenmenschen, die sich einfach nur liebhaben und Blumenringe anstecken. Es wirkt gerade durch sie wie eine RomCom, die wie von Stanley Kubrick umgesetzt aussehen sollte, aber am Ende weder das eine, noch das andere ist. Mehr dazu bei critic.de.

Montag 18.08.

Electric Child
(Simon Jaquemet, CH/D/PH 2024) [digital, OF]

verstrahlt

Ehrlich gesagt, empfand ich dies beim Schauen als etwas oll. Es gärte aber länger in mir, bis ich der Meinung war, dass ich gleichzeitig einen Film geschaut hatte, den ich sehr mochte. Mehr dazu beim Perlentaucher.

Sonntag 17.08.

Dahomey
(Mati Diop, F/SEN/BEN 2024) [stream, OmU]

gut

Mal weht ein Vorhang atmosphärisch im Wind, als sei er durch übernatürliche Kräfte bewegt. Mal werden Leute sachlich dokumentiert, die ihre Arbeit machen oder sich Statuen im Museum ansehen, die verpacken und kategorisieren. Eine Handvoll Kunstschätzen wird in den Benin, wo sie vor über 100 Jahren entwendet wurden, wieder repatriiert. Eine der Statuen wundert sich, ob sie ihre Heimat wiedererkennen wird. Spoiler: alles ist anders. Die Leute sprechen nur noch eine europäische Sprache, leben in einem Nationalstaat, diskutieren aufgeklärt und gehen in sowas damals Unbekanntes wie ein Museum. Erst geht es stimmungsvoll und elegisch in einem poetischen Essay, dann in einer ausladenden Diskussion um das Heimkehren nach längerer Zeit und die Veränderungen durch die Moderne und die Kolonisation. Entspannte Basics werden uns also geboten.

警察故事續集 / Police Story 2
(Jackie Chan, HK 1988) [blu-ray, OmU] 2

großartig

Die Action ist atemberaubend, aber nicht so wie im ersten Teil. Das größte Problem, wenn denn dieser Film sowas wie Probleme hat, liegt aber darin, dass die Laufzeit zwischen der Action nicht mehr durchgängig mit Klamauk befüllt wird, sondern auch mit einem Procedural über Beschattungsteamarbeit … das umgehend fallengelassen und nie wieder eines Gedankens gewürdigt wird, sobald Jackie dann alles wieder alleine gegen eine Übermacht regelt. Aber: Die erste dreiviertel Stunde der Laufzeit ist im Grunde nur da, damit ein Witz später im Film Sinn ergibt – das ist effektiver, haushälterischer Einsatz von Mitteln nach meinem Geschmack.

Sonnabend 16.08.

All About Steve / Verrückt nach Steve
(Phil Traill, USA 2009) [stream, OF]

ok +

Es könnte eigentlich ganz einfach sein, eine einfache RomCom. Steve (Bradley Cooper) flieht vor Mary (Sandra Bullock). Sie ist sexuell zu aggressiv, und als plappernde Kreuzworträtseldesignerin ihm zu nerdig/gebildet. Als Kameramann für Außenberichterstattung einer Nachrichtensendung hat er es auch einfach die scheinbare Stalkerin von sich fernzuhalten, zieht es ihn doch nach Osten, Süden, Westen, Norden der Nation. Und natürlich erkennt er mit der Zeit, was für eine liebenswerte Frau da auf seinen Fersen ist. Aber irgendwie ist der Film so schrullig und auf schrullige Nebenfiguren konzentriert, dass es wirkt, als habe eine gesäuberte Adam-Sandler-Komödie diesen scheinbar so einfachen Film infiltriert. Was das Ergebnis eben alles andere als einfach einzuordnen macht.

Marriage Story
(Noah Baumbach, USA 2019) [stream, OF]

ok +

Laura Dern ist fantastisch. Wie sie bei ihrem ersten Auftritt in ihrem Büro auf ihrer Couch sitzt, bereit ihre Klientin in ihr Netz zu locken, ist vll. das absolute Highlight des Films. Auch Ray Liotta und Alan Alda spielen tolle Anwälte. Weil sie wie klassische Genre-Figuren benutzt werden. Bösewichte und Agenten der sich vollziehenden Katastrophe, jeder auf seine eigene Weise. Nur bleiben sie Impulse von außen, die schiedlich-friedliche Trennung zwar torpedieren und eskalieren und klar auch Ausdrücke der aufgebauten Konflikte zwischen Adam Drivers Ehemann und Scarlett Johanssons Ehefrau, aber der Film ist sosehr darauf angelegt, gerecht, umsichtig und tiefschürfend zu sein, dass er meistens nur Schauspielkino ist, in dem die beiden Protagonisten die verschiedenen Aggregatszustände ihres seelischen Haushalts aufführen dürfen.

Freitag 15.08.

Forces of Nature / Auf die stürmische Art
(Bronwen Hughes, USA 1999) [stream, OF]

großartig

Kalte Füße vor der Hochzeit werden zur Naturgewalt, zum Fingerzeig des Schicksals aufgebläht. Ein stets auf Nummer sich gehender Bräutigam (Ben Affleck) will einfach nur zu seiner Hochzeit, endet aber auf einer Odyssee durch die Gründungsstaaten der USA, wo ihm Flugzeugabstürze, Gefängnisaufenthalte, Stürme und so weiter aufzuzeigen scheinen, dass die Götter etwas gegen die Eheschließung haben. Eine spontane, sich treibenlassende Frau (Sandra Bullock) wird die erst nervige, dann geliebte Reisebegleiterin. Für eine ganz normale Liebeskomödie ist so alles bereitet, und dafür, dass er sein Leben ändert. Aber einerseits macht es sich das Drehbuch nicht ganz so einfach und baut einen leichten Twist ein, vor allem aber ist die Inszenierung völlig bonkers. Als würden tausende neonbunte MTV-Videos, grelle Wong Kar-Wai-Emulate und die Essenz der 1990er Jahre Stileigenheiten ineinander gefaltet und daraus der letztgültige Film des Jahrzehnts gemacht. Wie Afflecks Bräutigam einem reisenden Strom von Naturkatastrophen ausgeliefert wird, liefert sich der Film seinen Zeitgeist aus. Der Film ist so nicht nur ziemlich sweet, sondern auch ein Erlebnis.

Nobody
(Ilya Naishuller, USA 2021) [blu-ray, OmeU]

gut

Lindsey Buckinghams verdammtes HOLIDAY ROAD, das den Kern des Trailers der Fortsetzung bildet, macht mir tatsächlich Lust auf diese. Ich habe mich in Folge dieses Trailers nicht abhalten können, die NATION LAMPOON’S VACATION-Filme zu schauen, für die das Lied ja einst aufgenommen wurde, oder halt NOBODY auch mal im O-Ton. In Bezug auf diesen ersten Teil bleibt es dabei, dass ich nicht weiß, was RZA in dem Film zu suchen hat, Christopher Lloyd ist nur die Dopplung des einen Gags – ein alter, verbrauchter Normalo darf sich seinen Frust von der Seele und durch junge, potenter aussehende Leute metzeln –, und bei allen Parallelen zu JOHN WICK ist dies der unästhetische, lahme, entfernte Cousin … und doch macht es Spaß, irgendwie.

Donnerstag 14.08.

Clueless / Clueless – Was sonst!
(Amy Heckerling, USA 1995) [DVD, OF] 2

großartig

Jane Austen für die MTV-Generation. Und im Grunde wird keines der beiden Pole auch nur ein wenig verwässert. Hohe, romantische Literatur als buntes Musikvideo. Die Unterscheidung zwischen U und E mit hochhackigen, farblich perfekt abgestimmten Neon-Heels in den Dreck getreten.

Mittwoch 13.08.

Holiday
(Edward H. Griffith, USA 1930) [blu-ray, OF]

nichtssagend

Mal davon abgesehen, dass es diesen Film von George Cukor mit Cary Grant in einer Hauptrolle gibt, der das gleiche Theaterstück verfilmt und in so ziemlich jeder Hinsicht der bessere Film ist – einzig, dass der Hays Code dann 1938 strikt durchgesetzt wurde, hilft dieser Version –, auch abgesehen davon, ist dies auch so erschreckend hölzern. Im Zimmer der Kindheit, in dem Teile der Handlung spielen, in dem sich Lebendigkeit gegen eine steife obere Gesellschaft bewahrt wird und in dem Grant und Katharine Hepburn wagemutige Akrobatik vollführen, da hängt hier weit im Hintergrund ein Trapez, aber niemand würde auf die Idee kommen, es auch nur anzufassen. Gelebte Jugendlichkeit steckt hier nur im Wort, nicht im Film und seinen Körpern.

Dienstag 12.08.

Together / Together – Unzertrennlich
(Michael Shanks, USA 2025) [DCP, OmU]

gut +

Es ist nur eine Kleinigkeit, aber sie nervt mich ungemein. Zum großen Finale des Films läuft 2 BECOME 1 der Spice Girls. Für diesen Film, der die Angst vor Intimität und Abhängigkeit in Body Horror übersetzt, der körperliche Anziehung so stark macht, dass auch der größte Wille zur Distanz nicht mehr ausreicht, ist der Song wie gemacht. Er funktioniert sowohl als Hymne, dass sich doch der Romantik hingegeben wird, als auch mit fieser Ironie präsentierter Horror. Doch schnell wird zu generischer Bedrohungsmusik zurückgesprungen. Nur eine weitere Pointe. Alle Qualität des Films wird im Grunde mit Füssen getreten.

Montag 11.08.

みな殺しの拳銃 / Massacre Gun
(Hasebe Yasuharu, J 1967) [blu-ray, OmeU]

großartig

Eine Einstellung gleich zu Beginn zeigt zwei Brüder. In der Zweidimensionalität des Bildes stehen sich gleich nebeneinander und bilden eine Front. Von dem einen sehen wir den breiten Rücken, von dem anderen die breite Brust. Sie stehen sich also entgegen und durch die Perspektive wissen wir, dass ein nicht gerade Raum zwischen ihn ist. Sie bilden also auch noch eine Front gegeneinander. Immer wieder Körper, die sich entgegenstehen, oder Gesichter, die sich Sorgen machen, sind sie doch sichtlich nicht der Meinung des Chefs und schon tief in einem Gewissenskonflikt. Die Geschichte läuft auf einen alles zerfleischenden Gangsterkrieg hinaus, und die Bilder zeigen eben harte Fronte und innerliche Spaltung. Im Grunde besteht der Film aus Abfolgen von Momenten, in denen die Spirale beendet werden könnte, aber immer geht es bis zum bitteren Ende weiter, weil Einheit verunmöglicht scheint.
Ganz generisch geht es um giri-ninjo-Konflikte, also einen Widerstreit zwischen Verpflichtung und Menschlichkeit. Nur werfen hier die Filme Fukasakus hier ihren Schatten voraus. Die Menschlichkeit kommt meist zu kurz und dienen oft nur als Vorwand, um sich in einem bitter vorangetriebenen Turf-War auch noch ein bisschen moralisch zu fühlen. Die fatalistische Melancholie in den elegischen Bildern, in der Musik, in den Leichen und zerstörten Seelen auf dem Weg nimmt die Coolness eines Yakuza-Films und presst aus ihr eisige Tränen.

Sonntag 10.08.

Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer
(Tim Story, USA 2014) [stream, teilweise OmeU]

nichtssagend

Ein riesiger Aufriss wird um einen Weltuntergang gemacht, der dann schlicht, einfach und unterwältigend per Pep Talk abgewendet wird, weil es ja eigentlich eh nur um kalte Füße vor einer Hochzeit (d.i.: Ende der bisherigen Welt) und Kram geht. Dr. Doom muss wieder seine Maske ablegen, weil er Leute täuschen muss, statt endlich mal er selbst zu sein. Er surft auf dem silbernen Board, damit es auch noch einen Grund gibt, warum er ohne Not in den Film gequetscht wurde. Und überhaupt ist er in seiner Montur dann die Krone der Hässlichkeit eines hässlichen Films. Auf der Habenseite steht, dass zumindest das Militär durch komplett überzogene Falken dargestellt wird.

Heroes for Sale
(William A. Wellman, USA 1933) [DVD, OF]

großartig

Ein Film mit dem Motto: Make America Great again! Nur das der geradlinige, tugendhafte Held unseres Films (Richard Barthelmess), der allen Widerständen trotzt und sich als aufopfernder Triumphator der Moral nicht unterkriegen lässt, eine Rede darüber hält, dass die USA einen New Deal brauchen, dass Franklin D. Roosevelt das Ruder herumreißen wird.
Doch definiert sich Wellmans Film weniger über seinen strahlenden Helden und seine Botschaft, sondern über die Widerstände, die ihm in den Weg gelegt werden. Im Zuge des Films ist er als Soldat im Ersten Weltkrieg Teil einer zynischen, menschenverachtenden Kriegsmaschine, in Folge einer Kriegsverletzung morphiumsüchtig, wiederholt arbeitslos, von falschen Ideologen und verblendeten Vorurteilen umgeben, Opfer der Bluthunde des Kapitals (der Polizei), von Xenophobie, Isolationismus und der großen Depression. So hell er leuchtet, so düster ist das Bild der USA, der Welt.
Wellman umgibt seinen Helden mit Lynchmobs, verzweifelten Massen, verzweifelten Individuen, mit deutschen Wendehälsen für den Comic relief, mit Frauen, die ihn für seine Aufrichtigkeit lieben, Frauen, die für ihn sterben oder sein Opfer vollenden. HEROES FOR SALE pendelt zwischen (religiösem) Strahlen und dreckiger Düsternis, bringt kurze, schnelle Küsse und Schläge an und sucht eher nach starken Bildern als nach starken Worten. Einen emotionalen Unterhaltungssprint bietet er, der nur hier und da an das Herz einer Nation appelliert.

Sonnabend 09.08.

Tomorrow Never Dies
(Roger Spottiswoode, UK 1997) [DVD, OF] 2

gut

Drei Schauspieler und ihre Rollen:
– Teri Hatcher bekommt eine so schon undankbare Rolle als Eifersuchtsobjekt zwischen Bond und Bösewicht und wird auch noch umgehend und nebenher getötet. Bestialisch.
– Michelle Yeoh spielt größtenteils die Rolle, die Brosnan besser gestanden hätte – schöner, ganz brauchbarer Agent, der doch immer zu spät kommt –, vor allem steht sie aber für die Versuche etwas mehr Hongkongkinoaction im Bondkontext zu wagen, was aber nicht ganz ausgereift ist.
– Jonathan Price und sein überkandidelter, germanophiler Bösewicht nerven zwar, aber umarmen eben auch am ehesten, was für ein bunter Quatsch das alles ist.

Freitag 08.08.

Freaky Friday / Ein ganz verrückter Freitag
(Gary Nelson, USA 1976) [stream] 2

ok

Der feministische Kampfklamauk ist schon toll, und auch das ganze Daddy-Zeug ist beim zweiten Mal nicht weniger creepy, aber der Kernfilm ist schon arg altbacken. Carlotta Z. (9 Jahre) wollte ihn sofort schauen, nachdem ich ihr im Anschluss von FREAKER FRIDAY von seiner Existenz erzählt hatte, aber auch sie fremdelte des Öfteren mit ihm.

GoldenEye
(Martin Campbell, UK 1995) [DVD, OF] 3

gut +

Das Sex-Maniac-Bond-Girl, das Männer koital mit ihren Beinen zerquetscht, die Q-Szene, die Post-Kalter-Krieg-Aufräumarbeit: Die Elemente eines Geheimagentenkarnevals wie bei den Moore-Bonds sind durchaus vorhanden, nur werden sie streng kontrolliert eingesetzt. Brosnan greift wie kein anderer 007 vor ihm zu Schnellfeuerwaffen: Auch das Taffe der Dalton-Bonds wird übernommen, aber so wirklich dreckige wird es auch nicht. So sehr ich Brosnan die Rolle gönne, so sehr scheint er mir retrospektiv wie ein Arschlochbuchhalter, der seinen Auftrag mit verbissenem Blick verwaltet – und darin gleicht ihm der Film doch ein wenig zu sehr.

Donnerstag 07.08.

Wenn der weiße Flieder wieder blüht
(Hans Deppe, BRD 1953) [DVD]

gut +

Das Genre heißt Verzichterballade. Oberflächlich geht es um das Scheitern und neuerliche Auflebenlassen einer dezent feurigen Romanze zwischen einem Sänger (Willy Fritsch) und einer Schneiderin (Maria Schneider). Das Kind der beiden (Romy Schneider) himmelt zwar ihren Vater an, den berühmten Sänger, von dem sie nicht weiß, dass er ihr Vater ist, aber zu dramatischen Verstrickung führt auch das nicht. Bevor Schlimmes geschehen kann, sehen die Figuren hier einfach ein. Gediegene Unterhaltung also, deren Kern aber zwei randständige Figuren sind. Paul Klinger als ständiger Begleiter der Schneiderin und Ersatzvater ihrer Tochter sowie Hertha Feiler als Managerin des Sängers. Kaum etwas geschieht ohne ihre Anwesenheit. Beide lieben den Menschen in ihrem Leben. Sie unternehmen aber nichts. Sie stehen traurig daneben, lieben, opfern sich, sagen nichts, wollen nichts für sich. Ihr allgegenwärtiger Verzicht liegt als Schleier, bleich wie Flieder, über einem Film, der vordergründig doch von Emotionen erzählen möchte.

Freakier Friday
(Nisha Ganatra, USA 2025) [DCP]

großartig

Dem Text fehlt ein klein wenig die Dimension, dass Jamie Lee Curtis vor allem aufblüht, wenn sie jugendliche Naivität spielen darf und vll. eine ewig Junggebliebende ist, aber dennoch sei auf den Text bei critic.de gewiesen, in dem ich nahelege, dass dies wirklich der verrücktere Freitag ist.

Mittwoch 06.08.

Diabeł / The Devil
(Andrzej Żuławski, P 1972) [blu-ray, OmeU]

großartig

Den Hintergrund bildet die Aufteilung Polens Ende des 18. Jahrhunderts, als einer der progressivsten Staaten seiner Zeit zerstört wird, weil er im Angesicht der Französischen Revolution Deutschland, Österreich und Russland zum Dorn im Auge wurde. Ein polnischer Nationalist, der selbst gegen den polnischen König Stanislaus II. gekämpft hatte, kommt aus dem Gefängnis frei und irrt nun während des Umbruchs durch seine Heimat.
Bei seiner Rückkehr findet er ein niederschmetterndes Bild. Sein Vater hat Selbstmord begangen. Seine entfremdete Mutter ist Puffmutter. Seine Schwester irre. Der Halbbruder ein Intrigant. Seine Verlobte heiratet seinen besten Freund. Er selbst torkelt kaum einer klaren Handlung, eines klaren Gedankens fähig durch die dreckige, frostige Schneelandschaft, durch heruntergekommene Buden und Prachtpaläste, die Arme wild um sich werfend, von einem schäbigen Verführer angetrieben im Kreis und beginnt zu morden.
Vll. ist der besagte Verführer der Teufel des Titels. Wenn, dann ist er ein sehr menschlicher. Viel deutlicher ist diese Welt eine Hölle. Alles ist kaputt. Alle sind wahnsinnig, niederträchtig und überspannt. Auch die Kamera bewegt sich tollwütig durch die Gegend und steht kaum still. Anders als bei Jancsó, an den die Auslieferung an eine Übermacht und der Tanz der Kamera erinnern, ist hier nichts elegisch. Wenn Jancsó Progrock macht, dann bietet Żuławski hier den Punkrock, der ihn hinwegfegen soll.
Das Ergebnis ist ein Film ohne Moral, ohne Utopie, ohne Gut. Nur ein minimal eskalierender Modus herrscht, der aus Unverständnis, Überforderung, Manie, Gewalt, Fäulnis, Zerstörung und Mord besteht. Und dieser zeichnet eine höchst unansehnliche Bankrotterklärung an das Leben. … und dabei ist dieses Treiben eines Zerstörten durch einen niederträchtigen Menschen in den Abgrund niederträchtiger Verhältnisse eines der schwächeren Motive von liebenden Menschen, die existentiell voneinander getrennt sind, sich fremd bleiben müssen und damit die ganze Welt in Brand stecken, die ich von Żuławski bisher kenne. Der Ansatz das Böse zu personifizieren, so sehr es am Ende dekonstruiert wird, macht es doch ein wenig konventionell.

National Lampoon’s European Vacation / Hilfe, die Amis kommen!
(Amy Heckerling, USA 1985) [DVD, teilweise OF] 3

ok

Statt konzentriert ins Herz der Finsternis (des Selbst) zu reisen, betreiben die Griswalds – plötzlich mit a geschrieben, weil sie in Deutschland Verwandte besuchen wollen – dieses Mal Sight Hopping in Europa. Die Reiseziele bietet nichts außer Klischees – London: Höflichkeit und Linksverkehr; Paris: Unhöflichkeit und sexuelle Freizügigkeit; irgendwo in Deutschland: Lederhosen, Schuhplattler und sich schnell bildende Lynchmobs; Rom: Papagallos und Kriminalität –, die kaum etwas ergeben, gegen das die Amis des deutschen Titels mit ihrer klischeehaften Ignoranz und Fremdheit etwas anstellen könnten. Gerade Chevy Chase ist, bei allen Gags über sein buchstäbliches Schweinsein, nur ein blasses Abbild seines knuffigen All-American-Psychopathen. Bis der Film im Finale in Rom schließlich zur Gaunerkomödie wird und auch noch seine letzten Potentiale zusammenbrechen lässt, ist es zumindest ganz schnurrig. Und wenn Willy Millowitsch in einem Hollywoodfilm mitspielt, ist das schon irgendwie spannend. Über besseres Nettsein kommt es aber nie hinaus.

Szerelmem, Elektra / Electra, My Love
(Jancsó Miklós, H 1974) [blu-ray, OmeU]

großartig

Jancsó ist da angekommen, wo er seit Jahren hinstrebte. Zunehmend hatte er die Räume seiner Filme auf immer enger symbolistischen Theaterbühnen reduziert, auf denen gewandelt, getanzt und gesprochen wird. Nun also die Verfilmung eines Theaterstücks von László Gyurkó. In diesem sagt nun Aigisthos (Jancsó-Stammschauspieler József Madaras), dass Liebe Veränderung bedeutet und Veränderung der Feind aller (politischen) Stabilität ist. Dass Liebe ergo in Schach gehalten werden muss.
Die Kamera (János Kende) steht, wenig überraschend, ganz im Sinne der Liebe. Tänzerisch, elegisch kreist sie durch die Szenerie und durch die Leute und Menschenformationen, die ebenso ständig in Bewegung sind. Sie schafft so eine nie endende Veränderung, die nicht zuletzt einen riesigen toten Winkel nach sich zieht. All das, was gerade nicht gezeigt wird und von dem wir wissen, dass da Leute in Bewegung sind, schafft klandestine, unkontrollierte Realitäten und damit Unsicherheit.
In diesen ewig langen, fluiden Einstellungen sind aber Choreographien zu sehen. Nicht einfach nur, weil die Protagonisten geplanten Bahnen streng folgen müssen, sondern auch weil die Leute oft in Marsch- und Tanzformationen auftreten. Diese penibel entworfenen Bildinhalte sind Statik und bedeuten (selbstgewählte) Gefängnisse für die Schauspieler, für die Leute. Und irgendwie wirkt es auf mich, wie eine Parodie auf sozialistische Paraden.
Das Finale bietet dann noch Kram über die Hoffnung auf den Endsieg der Revolution. Nur kommt es aus dem Mund einer Frau, die mythologisch stets auf der Seite des Wahns stand. Die Verkündung ihrer Utopie könnte auch ironisch als Desillusion über die sozialistischen Regime des Ostblocks gelesen werden, die zwar in Tradition von Hegel und Marx Veränderung predigten, aber absoluten Stillstand anstrebten.

Dienstag 05.08.

Signale – Ein Weltraumabenteuer
(Gottfried Kolditz, DDR 1970) [DVD]

großartig +

Dies soll sicherlich in Maßen das ostdeutsche 2001 – ODYSSEE IM WELTRAUM sein. Was heißt, dass es populärer, weniger bürgerlich verrätselt sein soll. Doch gerade wie der Film durch seine technische Zukunft irrt, auf der Suche nach einer Hand voll Verlorener, nach sich selbst, nach der Rückkehr in den Schoß der Erde, an den Strand, wo alle Menschen glücklich sind, ist zwar nicht auf die Art psychotronisch wie Kubricks Film, aber doch auf einer parallel verlaufenden Umlaufbahn zu gewohnten Realitätseindrücken. Die Inszenierung von Schwerelosigkeit ist sehr faszinierend, weil es nicht nach Schwerelosigkeit aussieht, sondern nach artifiziellen Versuche Normalität so aussehen zulassen. Und genau so sind auch die Dialoge, die Dramaturgie und die Menschen mit ihren Maschinen: Lebendigkeit und Leichtigkeit sollen sie stiften, mit ihrem Hang zu Pädagogik und ihrer Ahnungslosigkeit, wie Popularität wirklich geht, entsteht aber ganz im Gegenteil der Eindruck, dass hier niemand eine Ahnung hat, was Lebendigkeit und Leichtigkeit sein sollen.

La Décade prodigieuse / Der zehnte Tag
(Claude Chabrol, I/F 1971) [DVD, OmU] 2

fantastisch

Dies ist ein höchst seltsamer Film, und es war ein Vergnügen ihn wieder zu sehen. Nur leider fiel mir mitten im Film auf, dass mir einiges, was mir 2017 in die Augen gestochen hatten, gar nicht aufgefallen wäre, hätte ich nicht vor kurzem meinen Eintrag im Sehtagebuch gelesen. Ich hatte das Gefühl, dass ich in Erinnerung an einen völlig durchgedrehten Film einfach nur aufs Delirium wartete. Genauer schaute ich nur, um zu prüfen, ob dies wirklich eines Meisterwerks würdig war. Kurz: mir stand bei allem Genuss im Weg, dass ich eher zuschaute, wie ich den Film schaute. Ich bleibe also dabei, dass zweite Sichtungen von Filmen, die mich überrascht hatten, schnell hinter mich zu bringen sind, um dann bei dritten Mal wieder offener zu sein.

Montag 04.08.

Nicht schummeln, Liebling!
(Joachim Hasler, DDR 1973) [DVD]

verstrahlt

Lotti Z. (9 Jahre) fragte mich mehrmals, was da los war. Beim besten Willen, mir fehlten die Worte, das Verständnis.
Zwischen Tanz und Sang behumst ein ruhmsüchtiger Bürgermeister den Staat und damit seine Mitmenschen. Der Fußballmannschaft gibt er in allem den Vorrang, um sich dann in deren Erfolg zu sonnen. Nur kommt eine neue Schuldirektorin daher und mit ihr die Liebe, der Geschlechterkampf und die realsozialistische Moral. Der irrende Mann wird von ihnen auf den rechten Weg der Selbstkritik und des (auch weiblichen) Gemeinwohls zurückgebracht. So weit, so klar.
Die sympathische Steifheit der Musicals Hasler beschränkt sich dieses Mal aber nicht nur auf die Tänze und Tanzchoreographien – irgendwie hat er dieses Mal einen Narren daran gefressen, dass Körper gleichzeitig von links und rechts in die etablierte Einstellung treten oder Gesichter von unten auftauchen –, sondern auch auf den ganzen Rest. Bzw. ist dieser noch ungelenker als früher schon. Grob war so zwar klar erkenntlich, was los ist, zumal schlichten Konventionen gefolgt wird. Aber die Details, sie lassen den Film durch ein sozialistisches Delirium schlingern, bei denen ich nur ahnen kann, was das soll.
Eins der auf den Boden liegenden Brosamen, aus denen der Film zusammengekehrt ist, sind die Einstellungen, in denen leichtbekleidete Frauenkörper Hals abwärts eingefangen werden. Dafür kann sich sichtlich mehr begeistert werden, als eine strukturierte Geschichte. So gibt es eben ein Durcheinander aus Sexismus, dessen irrlichtender Bekämpfung, Altherrenwitze, nie bedrohte und nur indirekt bedrohliche Kumpeligkeit und Scheinzusammenhänge.
Also vll. doch ein sehr treffender Film über die DDR, bei dem nur schade ist, dass die Songs dieses Mal eher sub par sind.

江湖漢子 / Magnificent Wanderers
(Chang Cheh, HK/TW 1977) [blu-ray, OmeU]

gut

Zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere machte Chang Cheh auch Filme mit den einstmals von ihm so verachteten Chi-Strahlen (THE BRAVE ARCHER), warum also nicht auch eine Kung-Fu-Komödie, die wie die Blaupause der bald kommenden Jackie Chan-Vehikel wirkt. Nur ist Alexander Fu-Sheng, bei aller Ähnlichkeit, sichtlich limitierter als Chan und hier auch nur ein sympathisches Lächeln, das durch Geschichte und Kämpfe gezerrt wird. Passend dazu spielt David Chiang mal wieder mit, der ergänzend ironisch lächelt.
Ein sadistischer, verunsicherter, buchstäblich hohler – er trägt eine viel zu große Rüstung, damit er dominierender erscheint – Regent lässt Scheiße nach unten regnen, und drei Juxköpfe und ein No-Nonsense-Schweigender mit Muskeln (Chi Kuan-chun) leiten die Unterdrückung wieder auf die Schergen zurück. Nur leider fehlen melodramatische und selbstzerstörerische Grundierung, weshalb Chang Cheh es nie so richtig zu fassen bekommt.

Sonntag 03.08.

National Lampoon’s Vacation / Die schrillen Vier auf Achse
(Harold Ramis, USA 1983) [DVD, OF] 8

großartig

Clark Griswold (Chevy Chase) – Anti-James-Stewart sowie Colonel Kurtz aller Kind-Männer, deren enormes Ego leicht zu verletzen ist – nimmt seine Familie mit auf eine Reise ins Herz der Finsternis der USA unter Ronald Reagan.

Ocean’s Thirteen
(Steven Soderbergh, USA 2007) [blu-ray, OF]

nichtssagend

Soderbergh ist schon ein begabter DoP – ziemlich witzig ist, wie die Farbgebung teilweise enorm schwankt, mit mal viel zu kräftigen, mal ausgebleichten Farben. Fiel aber der Vorgänger in viele kleine Heists auseinander, wird hier von einem einzigen, großen erzählt, der jede Form von Nebenstrang und damit auch fast alle Frauenfiguren aus dem Film drängt. Nach einem Minimum an Vorgeschichte befinden wir uns mitten in den schon begonnen Einbruchsplanungen. Zwar werden bis zum Ende auch hier diverse Einzelproblemzonen bearbeitet, nur ergibt es doch eine geradlinige Flussbewegung. Und eigentlich ist Soderbergh am besten, wenn seine Filme aus einem unaufgeregten Fluss bestehen, nur geht es hier nicht wie bei CHE um ein ewiges Händegeben oder so, sondern um hermetisch abgeregelte Bro-Professionals-Coolness. Also das Schlimme des Vorgängers ohne seine Qualitäten.

Sonnabend 02.08.

The Mirror Crack’d / Mord im Spiegel
(Guy Hamilton, UK 1980) [DVD] 2

ok

Gene Tierneys Leben steht für diesen Krimi Pate und damit einer der niederschmetterndsten Schicksalsschläge in Hollywood. Zumindest wenn es richtig erzählt wird. Die Krimidynamik von Christies Vorlage erzählt es aber vom finalen Twist aus, weshalb der Film größtenteils aus Ablenkungsmanöver besteht, damit Miss Marple (Angela Lansbury) am Ende dann alles aufräumen kann. Das (melo-)dramatische Potential verpufft fast vollständig, und der Krimi ist schwerfällig und orientierungslos. Lediglich die – zugegebener Maßen biestigen – Cat Fights ehemaliger Hollywoodstarlets (Elizabeth Taylor und Kim Novak) und der bittere Galgenhumor eines Regisseurs und seines Produzenten (Rock Hudson und Tony Curtis) bzgl. der Scheinwelt Hollywoods mischen es etwas auf.

Még kér a nép / Roter Psalm
(Jancsó Miklós, H 1972) [blu-ray, OmeU] 2

gut

Strukturell gewahrt es an THE RED AND THE WHITE: Mal verfolgen Konterrevolutionäre aufständische Bauern, mal ist es umgedreht; ewig schwingt das Pendel wieder zurück. Verortete sich der frühere Film aber noch in einer realen Welt, gleicht die Puszta hier einer symbolischen Theaterbühne, auf der der Inhalt mittels einer surreal-folkloristischen Form von Ausdruckstanz aufgeführt wird. Teil davon sind Momente wie der, wo Bauern, nach einer Brandrede plötzlich Peitschen in der Hand haben, um ihre Unterdrücker choreographiert wieder vertreiben zu können. Nicht ein spezieller Klassenkampf wird so verhandelt, sondern ein scheinbar universeller.
Inhaltlich gewahrt es an SCHIMMERNDE WINDE: In wunderschönen Bildern mit prachtvollen Farben wird folkloristisch gesungen und getanzt, womit der sozialistische Kampf gefeiert und dekonstruiert wird. Nur geschieht es dieses Mal nicht mittels interner und externer Säuberungen, sondern über das ambivalente Verhältnis des Kommunismus zur Religion. Auf der einen Seite wird der Glauben an die Erlösung durch den Sozialismus zur eigenen Religion stilisiert – auch diese muss ihre Erlösung der Menschheit vll. wie alle anderen Glaubensrichtungen auch bis zum Ende der Zeit aufschieben –, auf der anderen Seite herrscht ein tiefes Misstrauen gegenüber christlichem Glauben, weil auch der Gott des Sozialismus keinen Konkurrenten neben sich erträgt.
Oder anders: in betörender Schönheit drehen sich die Leute in einer Welt begrenzten Raums und zirkulärer oder spiralförmiger Zeit um sich selbst, und uns wird damit mglweise etwas erzählt.

Freitag 01.08.

The Shepherd of the Hills / Verfluchtes Land
(Henry Hathaway, USA 1941) [blu-ray, OF]

fantastisch

Die Landschaften sehen in diesem prächtigen Film wie ein Geschenk Gottes aus. Darin wohnt eine teuflische, heidnische Familie, die in einer Echokammer des eigenen Schicksals steckt. Jede Generation scheint nämlich verflucht, das Los der vorherigen zu wiederholen … bis ein frommer Schäfer kommt, der den ganzen Landstrich erlöst. Mit anderen Worten: dies ist ein erbaulich-religiöses Gleichnis. Nur franst dieses immer wieder aus. Nicht die ständig zur Schau gestellte Zurückhaltung wird die Erlösung bringen, sondern ein gezogener Colt. Ist die Erlösung am Ende niedergekommen, strahlt uns final das Bild einer Schafsweide entgegen – ein Bild mit übersteuerten, radioaktiven Farben. Und überhaupt lässt sich das Religiöse auch sehr viel profaner lesen, da der Schäfer tatsächlich Arzt zu sein scheint und damit ein symbolischer Chirurg, der den Krebs vormodernen Hinterwäldlertums, kurz vor familiären Hexenzirkeln, aus dem Fleisch der aufbrechenden Gesellschaft herauszuschneiden weiß. Und so ist es ein Western, dessen Drehbuch Richtung Glorienschein und Bürgerlichkeit schielt, der aber von Hathaway wie ein schmutziger B-Movie behandelt wird.

Ocean’s Twelve
(Steven Soderbergh, USA 2004) [blu-ray, OF]

gut +

Das Paradox ist, dass dies der beste und der schlechteste Teil der Reihe ist – und zwar, weil er die Essenz der Reihe und des Genres coole-Leute-hängen-zu-basslastiger-Spannungsjazzmusik-ab-und-führen-nebenher-einen-Heist-durch einzufangen weiß. Einerseits wird abgehangen wie nie zuvor. Statt eines großen gibt es viele kleine Heists. Der ist Film folglich verspielter – beim großen Raub wird einem Courier einfach während einer ablenkenden Prügelei eine Tasche entwendet – und quatschiger – ganz im Gegenteil zum ersten Teil wird jeder Anschein von Respektabilität erstickt und noch jede spinnerte Idee umgesetzt, weshalb Julia Roberts wieder Tess spielt, nur dass sie für einen Einbruch vorgibt Julia Roberts zu sein. Noch dazu zeigt sich Soderbergh optisch und rhythmisch in absoluter Bestform, und das Ganze ist schon eine Augenweide. Andererseits sind die coolen Leute so cool wie nie und auch der Film folgt ihnen in ihren Fußstapfen ständiger Coolnessbeweise. So geballt wird es zum ewigen Werbeclip für die eigene Lässigkeit, der bei aller Schönheit und Verspieltheit kaum auszuhalten.

Juli
Donnerstag 31.07.

Ocean’s Eleven
(Steven Soderbergh, USA 2001) [blu-ray, OmeU] 2

gut

Brad Pitt sitzt an einem Tresen. Sein Kopf liegt auf dem seinem Arm auf eben diesem. George Clooney kommt und sagt, dass sie jetzt alle nötigen Leute für den Heist zusammen haben – oder fehle doch noch einer? Clooney richtet die Frage daraufhin direkt nochmal an den weiterhin reglos auf einen Fernseher im Off Starrenden, ob er meine, dass doch einer fehle. Schließlich gesteht er sich ein, dass sie noch jemanden brauchen. Aufgelöst ist es in einer Einstellung. Mit genau den richtigen Pausen von Clooney und der treffenden Unbeweglichkeit von Pitt – und doch ist es genau dieser eine Moment, der meine Probleme mit dem Film vll. am besten einfängt. Sicherlich ist das alles total slick und so, aber gleichzeitig sind die Anleihen – im beschriebenen Beispiel ist es ein Wong Kar-Wai Melancholie-Clon – nie gefühlvoll, sondern lediglich handwerkliche Mimikry für maximale Coolness. Und mir ist das einfach ein wenig zu viel 1990er Post-Tarantino-Coolness mit zuviel hypercoolen Typen.

The Naked Gun / Die nackte Kanone
(Akiva Schaffer, USA 2025) [DCP, OF]

großartig

Irgendwann zu Beginn kniet Frank Drebin Jr. (Liam Neeson) vor dem Portrait seines Vaters und sagt ihm, dass er gern wie er wäre, aber auch frisch und originell. Klar, ein Metagag, mit dem ausgesprochen wird, was sich jede Fortsetzung wünscht – was nicht unbedingt dadurch vereinfacht wird, dass die Originale vll. so greifbar sind, wie nie zuvor. Nur macht sich Schaffers Reboot-Sequel – oder wie auch immer – diesem Druck zu nutze. Das Prinzip bleibt gleich: ein Polizist, der von dem Chaos, dass er verursacht, kaum etwas mitbekommt, sehr wörtlich genommene Aufforderungen, Parodien und Absurditäten non stop. Nur ist Frank Drebin Jr. kein knautschiger Sympath, sondern ein wütender Mann unter Druck. Überhaupt sieht der Film nicht mehr so sanft und warm aus, wie seine Vorgänger, sondern wie ein düstergrauer Liam-Neeson-Revenge-Flic, der nur eben ständig entgleist. Das Gleiche bleibt so tatsächlich frisch und originell, auch wenn ich mich ehrlich gesagt doch noch ein wenig an den Look und die fehlende Wärme gewöhnen muss, und verkraften, dass George Kennedy mit dem kaum genutzten Paul Walter Hauser nur unzureichend ersetzt wurde. (Dafür ist Pamela Anderson vll. ein sehr schöner Ersatz für Priscilla Presley.)

Red Line 7000 / Rote Linie 7000
(Howard Hawks, USA 1965) [stream, OF]

verstrahlt

Die Geschichten von Frauen, die sich in adrenalin- und ruhmsüchtige Rennfahrer verlieben, deren Machoattitüde und der damit einhergehenden Forderung an Frauen, rein und unberührt zu sein, sie zuweilen zu Psychopathen (James Caan, der lange wie der Sympathieträger des Films wirkt) macht, sind fein säuberlich getrennt. Alles schreit nach Rasanz und Verwischung, geht es doch um Leute, die kaum unterscheidbar im Kreis umeinander rasen. Aber Hawks vorvorletzter Film erzählt ganz ohne Hast erst das eine, dann das nächste und immer so weiter bis zum Schluss. Wahrscheinlich ließe sich der Film ohne Probleme in mehrere Folgen einer Miniserie aufteilen. Vll. weil es wirklich nicht der Film der Männer und ihrer Perspektiven ist, sondern der der Frauen auf der Tribüne, die alles überschauen und wie im irrsinnig witzigen Finale die ganzen Karambolagen um sich ganz sachlich zu nehmen wissen.

Mittwoch 30.07.

Poltergeist
(Tobe Hooper, USA 1982) [blu-ray, OF] 3

großartig +

Der Wohlstand des Films steht auf einem Berg aus Leichen, die dort sind, weil Geschäftsmänner nur an Geld denken und die Begünstigten des Erfolgs ihre Augen davor verschließen, bis die Kadaver mit ihnen durch den Pool schwimmen: Steeve Freeling (Craig T. Nelson) liest früh im Film eine Reagan-Biografie im Ehebett, was es nur einfacher macht, den Film als Heimsuchung der USA, durch die Reaganomics und eine unkontrollierte Marktwirtschaft zu lesen. … und deshalb bleiben die Geisterjäger final auch machtlos.

Dienstag 29.07.

Ocean’s Eight / Ocean’s 8
(Gary Ross, USA 2018) [stream, OF]

ok

Faszinierend finde ich, dass Danny Ocean sterben muss, damit seine Schwester (Sandra Bullock) mit ihren Gefährtinnen ins Rampenlicht gestellt werden kann. Vll. ist es die verspätete Rache für die Ausbootung von Julia Roberts aus OCEAN’S THIRTEEN, mehr noch wirkt es, als müsse die Bedrohung durch den charismatischen Mann eliminiert werden, der nicht einfach nur im Ruhestand oder am anderen Ende der Welt weilen kann. Nicht dass es mir um Danny Ocean leidtäte, mich schmerzt nur, dass ich mir vorstellen kann, wieviel lockerer sich an die Reihe andocken ließe und wieviel weniger Terz um die Typen nötig gewesen wäre. Überhaupt überlege ich aber nur deshalb über diesen Kram, weil OCEAN’S EIGHT jeder Hauch von Persönlichkeit abgeht, was sie nun leider entschieden von den Vorgängern scheidet. Es ist ein Heistfilm, der den Auftakt von OCEAN’S ELEVEN doppelt und dann einfach das Minimum von dem bietet, das zu erwarten ist. … und spätestens, sobald sich nach Twists und Turns offenbart, dass die halbe Gegnerschaft auf der Seite des Heists steht, ist es nur noch beliebig.

Totally Killer
(Nahnatchka Khan, USA 2023) [stream, OF]

nichtssagend

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT als Slasher, nur sind der Horroranteil, die Charaktere und die Geschichte lediglich die lahmen Fußnoten zu einer Komödie, deren einziger Witz darin liegt, dass die Teenies in den 1980ern fürchterlich waren und einer behüteten jungen Frau von heute (Kiernan Shipka) die Sprache verschlagen. Zumindest Shipkas Verständnis- und Ahnungslosigkeit ist super.

Montag 28.07.

Wonder Woman 1984
(Patty Jenkins, USA 2020) [stream, OF]

uff

Der hatte hier und da ein paar schöne Farben, und Kristen Wiig im CATS-Kostüm bringt auch ein bisschen Camp mit, aber diese König-Midas-Variation ist schwerfällig, mehr an seinen moralischen Mechaniken und diesem Zeitreisender-aus-dem-Zweiten-Weltkrieg-landet-in-den-1980ern-und-staunt-was-sich-alles-getan-hat-Kram interessiert als daran, seine ausufernde Länge mit Unsinn, Kinetik, Dekadenz oder sowas zu füllen, meist war er doch von grauer Hässlichkeit, und überhaupt spielen fast alle Beteiligten schauerlich. Aber allgemein kam der ja gut an, und beim Blick auf die Wertungen bei meinen Letterboxd-Leuten fühle ich mich blind, taub und gefühllos.

Sonntag 27.07.

Schneeweißchen und Rosenrot
(Siegfried Hartmann, DDR 1979) [DVD] 13

gut

Tatsächlich könnte ich auf die lauschigen Naturaufnahmen und das erzählerische Drumherum verzichten, und würde mich über noch mehr Wiederholungen davon freuen, wenn dem Berggeist (sensationell arschig: Hans-Peter Minetti) in immer neuen Varianten der Bart – Hort seiner magischen Kraft – weiter abgeschnitten wird, um ihn aus selbstverschuldeten Notlagen zu befreien. Wenn er immer wieder erst jammert und dann wutentbrannt schreit. Dieser Film wäre für mich zutiefst befriedigend.

Trzecia część nocy / Ein Drittel der Nacht
(Andrzej Żuławski, P 1971) [DVD, OmeU] 3

fantastisch +

Ein Film im Zivilleben während des Zweiten Weltkriegs, bei dem der Tod hinter jeder Ecke lauern kann – Nazischergen verfolgen und ermorden Leute aus dem Untergrund oder massakrieren grundlos wie sadistisch. Ein Film über eine Welt, die Gott verlassen hat, wenn er nicht gar ein täuschender, quälender Demiurg ist. Ein Film, in dem ein Blinder die polnische Resistance anführt. Ein Film der Drastik und der makabren Düsternis, in dem eine Geburt hautnah zu sehen ist und, als ein Mann nach dem ersten Sex mit einer Frau sich nach rechts dreht, während sie wie tot neben ihm liegt, durch ein zerbrochenes Fenster neben dem Bett auf eine aufgebahrte tote alte Frau schaut – war es seine Mutter? Der Film eines Mannes, der Frau und Kind verliert, nur um umgehend Ersatz zu finden – ein Geschenk des Schicksals oder Produkt seines Wahns. Ein Film eines Durcheinanders sich spiegelnder, doppelnder Zeitebenen, eines Verschwimmens der Realität(en). Ein Film über Leute, die ihr Geld damit verdienen, dass sie tausende Läuse in kleinen Kästchen an ihre Beine anlegen und ihr Blut essen lassen – ein Job, der Frau und Kind für den Mann symbolisch in die Nähe von Parasiten schiebt. Ein Film, in dem die geliebte Frau und der Vater für den Mann zwei widerstrebende Erwartungen ausdrücken. Ein Film von Leuten, deren Gefühle wundgerieben sind und die kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen.
Als ich nach dem Film diese ganzen Aspekte Sabrina Z. aufzählte, musste ich ständig lachen. Denn dieses poetische Traumprotokoll einer Sitzung beim Psychologen ist vor allem so ernst, dass es nur noch absurd ist, und folglich eine Komödie über das faulige Zeug in uns.

Sonnabend 26.07.

Airplane! / Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug
(ZAZ, USA 1980) [DVD] 6

fantastisch

Lotti Z. (9 Jahre) hatte den dritten Teil von DIE NACKTE KANONE mitgeschaut und fragte nun, ob es noch einen Teil gäbe. Ich erklärte ihr, dass bald einer ins Kino kommt, ich da aber noch etwas anderes habe. Ich muss sagen: Das ist bescheuert, lautete ihr mitten im Film abgegebenes Urteil.

Happy Gilmore 2
(Kyle Newacheck, USA 2025) [stream, OF]

gut +

Als ehemalige PGA-Tour-2-Legende auf dem Megadrive lege ich mich fest, dass dies ein guter Film ist. Mehr dazu auf critic.de.

Freitag 25.07.

Naked Gun 33⅓: The Final Insult / Die nackte Kanone 33⅓
(Peter Segal, USA 1994) [DVD] 10

großartig

Sicherlich, das meiste zwischen dem THE UNTOUCHABLES-Auftakt und dem Oscarverleihungsfinale ist eher zweite Wahl, aber alleine die Reaction-Shots vom Regisseur, dem Publikum und dem Dirigenten des Orchesters (Bill Erwin) während der Preisverleihung gehören zum witzigsten, was ich kenne.

Fantastic Four / Die Fantastischen Vier
(Tim Story, USA/D 2005) [stream, OF]

nichtssagend

Origin-Stories sind schon das Uninteressanteste an Comics und dass jahrelang die Meinung vorherrscht, Filmreihen mit diesen beginnen zu müssen, eine der ödesten Aspekte des Superheldenbooms. Auch hier hört der Film auf, nachdem alle die geworden sind, die sie sein sollen, wo es also langsam interessant werden könnte, … aber zu erwarten, dass aus dem noch was werden könnte, ist vll. auch zu viel.

Donnerstag 24.07.

The Life of Chuck
(Mike Flanagan, USA 2024) [DCP]

ok

Ein netter Film, der einem guten aufbauenden Kalenderspruch entspricht. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 23.07.

La Planque 2 / The Hideout 2
(José Bénazéraf, F 1975) [blu-ray, OmeU]

verstrahlt +

Der normale Porno eben, in dem es um impotente Gangster geht, die eine panische Angst vor der Emanzipation haben, die niedergeschlagen Halt aneinander suchen, während ein Arzt einer ihren Frauen den Finger in den Arsch steckt, um zu gucken, ob es ihre Schuld ist, an deren schlaffen Penissen Frauen lutschen, die sich wiederholt anblicken und einander fragen, ob bei der anderen schon was passiert, und die, wenn sie doch mit einer Frau schlafen, diese zwanghaft beschimpfen, und in dem Hausfrauen selbst Hand anlegen und die Vorzüge von Bénazérafs Lieblingsfetisch, dem Strap-on, erkennen. Wahrscheinlich ist dies eine Komödie, aber vor allem eine durchgängige Entgleisung.

Dienstag 22.07.

Hitchcock
(Sacha Gervasi, USA 2012) [stream, OF]

uff

Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) bespannt seine Darstellerinnen durch ein Loch in der Wand zur Umkleide und unterhält sich in seiner Phantasie mit Serienmörder Ed Gein (Michael Wincott); Vera Miles (Jessica Biel) warnt Janet Leigh (Scarlett Johansson) vor ihrem besitzergreifenden Regisseur, der blonde Frauen auch ohne Loch in der Wand obsessiv anstarrt; Alma (Helen Mirren) driftet dessen gen Affaire mit Playboy Whitfield (Danny Huston), weil ihre Ehemann zwar ihre Arbeit und Meinung braucht, aber ihren Körper nicht wie den der Schauspielerinnen angafft; Hopkins Schauspiel ist wie so oft bestenfalls campy, und wenn er zu einem schreienden Publikum bei der Uraufführung von PSYCHO mehr oder weniger tanzt, ist jeder Ernst dahin: In Gervasis Film steckt sichtlich ein Psychothriller, in dem sich PSYCHO in seiner Schaffung spiegelt, wie sich auch Hitch in Nomran Bates wiedererkennt, eine Abrechnung mit einer heiligen Kuh Hollywoods, der seine Hauptdarstellerinnen psychisch misshandelte, ein Emanzipationsmelodrama, in dem eine ausgenutzte, sehnsuchtsvolle Frau vom Regen in die Traufe kommt, oder eine Farce, in der die Perversität Hollywoods nur noch albern erscheint. All das wird aber nur willfährig mitgenommen. Hässlich und ohne Witz sind diese Potentiale als edgy Dinge in einen schrecklich gefälligen Film gestellt, und sich offensiv dagegen gewehrt, auch nur etwas Ansehnliches damit zu machen. Es endet als versöhnliches Ehedrama und Heldenbeweihräucherung, bei dem Vera Miles‘ Karriere endete, weil sie heimisch werden wollte und nicht wegen Hitch, von dem Leigh wiederum lernt, dass er eben doch nur der nette Onkel ist. Schicksale von jemanden wie Tippi Hedren werden von diesem so schon schrecklichen Film auch noch verhöhnt.

Montag 21.07.

Sirokkó / Winter Wind
(Jancsó Miklós, H/F 1969) [blu-ray, OmeU]

gut

Die Kamera dreht und windet sich durch diverse Leute und einen Hof, und zeichnet so ein unübersichtliches Labyrinth voller toter Winkel. Darin ist es aber ziemlich übersichtlich: Ein serbisch-nationalistischer Freiheitskämpfer, der gegen den monarchistischen jugoslawischen Vielvölkerstaat arbeitet, taucht kurzzeitig in Ungarn unter, misstraut seinen Gastgebern jedoch zutiefst und wirft ihnen mantraartig vor, dass sie ihn bei nächster Gelegenheit umbringen werden, bis es geschieht. Waren Jancsós Filme davor auch nicht mit komplexeren Konzepten versehen, suchte sie aber noch ihre Form und waren mit ihren Farben, Tänzen oder menschlichen Verwehungen voller sinnlicher Qualitäten. Hier nun der Film, zu dem voll und ganz gesagt werden kann, dass es ein typischer Jancsó ist, der die existentialistische Absurdität in einer Welt perverser Macht inzwischen fad wiederholt. Die Winterlandschaft, die Innendekoration des Hofs und die paar Sequenzen, in denen das Verhältnis des Protagonisten zu einer Zwangsprostituierten und einer anderen Frau – der Verwalter/Aufpasser vor Ort sagt, dass sie seine Frau wäre, was sie im wiederholt abstreitet – doch für sowas wie zwischenmenschlicher Wärme sorgen, sind ziemlich schön, ansonsten wartet der Film semiklamaukig auf die Erfüllung des absehbaren Verrats. Paranoia und existentialistische Geworfenheit werden zur leeren Geste.

Sonntag 20.07.

邊城三俠 / The Magnificent Trio
(Chang Cheh, HK 1966) [blu-ray, OmeU] 2

gut +

Der Vorspann listet Jimmy Wang Yu, Lo Lieh und Cheng Lui nur als Co-Starring. Vor ihnen werden noch Margaret Tu Chuan, Chin Ping und Fanny Fan Lai genannt. Also die Geliebten der drei Kämpfer. Dies dürfte zwar der erste Film gewesen sein, in dem Tong Gaai und Lau Kar-leung die Kämpfe für Chang Cheh choreographiert haben, sichtlich sind die Choreographien aber noch von Chambaras beeinflusst – vor allem sicherlich von der ZATOICHI-Reihe. Was aber schon ganz eigen ist, ist die Fixierung auf das Leid. DIE SIEBEN SAMURAI/THE MAGNIFICENT SEVEN wird zur gewundenen, umständlichen Geschichte umgewandelt, in der Körper gefoltert und geschunden werden, noch die potentesten Wunderkämpfer die Ungerechtigkeit nicht besiegen, Bauern nur zum Massakrieren dienen, Liebe grundsätzlich tragisch ist, Geliebte in einer Tour sterben, die Überlebenden mit ihrem Schmerz weiterleben müssen. Nicht die Kämpfe oder die Handlung sind das Wichtige, sondern nur Schmerz, Schmerz, Schmerz. Weshalb die drei Frauen die Stars der Geschichte sind und nicht die Männer, die die Chance bekommen, sich zu wehren.

Sonnabend 19.07.

Lenny
(Bob Fosse, USA 1974) [stream, OmeU]

großartig

Gerade bei den Striptease-Auftritten von Honey Harlow (Valerie Perrine), der späteren (Ex-)Ehefrau von Lenny Bruce (Dustin Hoffman) kommt durch, dass Bob Fosse eigentlich Tanzchoreograph und Musical-Regisseur ist. Ausgiebig werden sie zelebriert, ohne aber in große Tanznummern umzukippen. Es ist aber nicht nur das: Fosse behandelt seine Szenen und Bilder wie Choreographien, an deren Ende Gefühle wie Pointen herausspringen. Wie in einem Stand-Up Programm portioniert er so das Leben Bruces und verbindet es per assoziativen Übergängen.

Freitag 18.07.

The Naked Gun 2½: The Smell of Fear / Die nackte Kanone 2½
(David Zucker, USA 1991) [DVD, OF] 11

fantastisch

Lotti Z. (9 Jahre) setzte sich zu mir und kurz danach warf Ed (George Kennedy) seine Polizeimarken, Dienstwaffen und BHs weg, um es mit einem gefassten Verbrecher mano a mano auszumachen. Zu hören waren im Folgenden Schlaggeräusche, während seine Kollegen zu sehen waren, deren Gesichter sich mit jedem Schlag mehr zusammenziehen. Als es vorbei war und Ed zusammengeschlagen am Boden lag, lachte ich, und Lotti fragte, warum. Ich wollte von ihr wissen, ob sie denn erwartet hatte, dass der Polizist am Boden lag … und sie sagte: Naja, eigentlich schon. Pure Vernunft darf niemals siegen! (Im Laufe des Rests lachte sie dann übrigens aber doch und die Entschärfung der Atombombe war sichtlich ihr Highlight.)

Ministry of Fear / Ministerium der Angst
(Fritz Lang, USA 1944) [blu-ray, OF]

großartig

Wiederholt scheint es sehr deutlich ein Thriller Hitchcocks zu sein: Ein Unschuldiger stolpert in eine Verschwörung, und seine Versuche, ungeschoren herauszukommen, decken einen Plot gegen die nationale Sicherheit während des Zweiten Weltkriegs auf – mit der dazugehörigen im Studio gebauten englischen Landschaft und den expressiven Suspense- und Paranoia-Momenten. Dass tatsächlich aber Fritz Lang Regie führt, ist an den zuweilen leeren, formalistischen Einstellungen zu erkennen, vor allem aber daran, dass es nicht um Sex geht, sondern das Übernatürliche. Ein Mann (Ray Milland – eher Schlafwandler als seriöser PErversling) verlässt eine Anstalt, wo er, sagen wir, den Freitod seiner Frau verarbeitete und obsessiv eine Uhr anstarrte, und landet in einer aus der Bahn geworfenen Welt. Erstmal sind muss er all die lauten Leute verkraften, denen er plötzlich wieder ausgesetzt ist, aber viel grundlegender ist, dass die Blinden sehen können, Leute sterben und doch nicht tot sind, nichts das, das es vorgibt zu sein, alle miteinander verschworen scheinen, vor allem aber, dass alles in spiritistischen Kreisen zusammenläuft. Und sicherlich, am Ende ist es Scharlatanie, aber die Welt des Films ist eine spiritistische, in dem nur der unbeugbare Glaube an die (nie körperliche) Liebe einen eine geordnete Welt wiedergeben kann. Oder anders: Die suggestive Kraft einer Nachwelt soll nicht entlarvt werden, sondern dringt aus allen Poren der zerbröckelnden Rationalität.

Donnerstag 17.07.

Split
(M. Night Shyamalan, USA 2016) [blu-ray, OF] 2

fantastisch

Ich hatte den Twist ganz vergessen, wie wenig das Happy End ein Happy End ist. Mit Luftschächten, von Röhren durchzogenen Kellergängen, identitätsspiegelnden Räumen, Gefängnis- und Zoozellen sowie traumatisierten Psychen baut Shyamalan einen Exit Room, bei dem es nicht um Rätsel geht, sondern das Gefühl festzusitzen, einen Exit Room, aus dem es kein Entkommen gibt, weil er überall ist – das Leben –, einen Exit Room, der nicht erst als die Entführungsopfer nach und nach in unterschiedliche Räume gesperrt werden, kaum einen Hoffnungsschimmer besitzt, dass Leute nicht grundsätzlich voneinander getrennt sind, einen existentiellen Exit Room, der noch viel versponnener und trauriger war, als in meiner Erinnerung eben.

Mittwoch 16.07.

La Planque / The Hideout
(José Bénazéraf, F 1975) [blu-ray, OmeU]

verstrahlt

Bénazéraf recycelt die Geschichte seines zehn Jahre zuvor entstandenen L’ENFER DANS LA PEAU, nur um sich ihrer gleich wieder fast vollständig zu entledigen. Zwei Bankräuber entführen auf der Flucht nebenher eine Frau und bringen sie mit in ihr Versteck, irgendwo zwischen Waldrestaurant und psychedelischer Sexbühne, wo sie warten, bis dass der Staub sich legt. Im Grunde geschieht sowas wie Handlung aber nur in Pausen zwischen den Sexszenen, zwischen Fellatio, Frauen mit Strap-ons, apathisch bis erstarrt auf dem Rücken liegenden Männern und der Vergewaltigung, bei denen alle Beteiligten die Hose anbehalten. Gerade zu Beginn wird all der Sex von sphärischen, aber nicht ganz behaglichen Synthies begleitet. Gemeinsamen mit dem erratischen Schnitt und den vereinzelten Blicken in die Kamera ergibt es eine seltsame Atmosphäre, in der Leidenschaft sich wie etwas anfühlt, bei dem etwas Fremdes den eigenen Körper und die der anderen übernimmt. Sichtlich bleibt sich Bénazéraf treu und will etwas anderes als einfach nur aufgehen in Lust zeigen. Nur dass die Limitierung seiner Darstellung von Sex dieses Mal umso deutlicher wird, da die Momente des düster-schäbigen Noirs seinem Film Lebendigkeit verleihen, die schnell wieder abgewürgt wird mit dem immer gleichen Formen von Sex. Was noch mehr ins Gewicht fällt, sobald mit der Zeit auch die außerweltliche Inszenierung des selben wegfällt.

Dienstag 15.07.

Jack and Jill
(Dennis Dugan, USA 2011) [blu-ray, OF] 2

radioaktiv

Ein Gag ist, dass Al Pacinos Oscar von Jill (Adam Sandler) zerstört wird. Sie hofft, dass er bestimmt mehrere hat, er muss aber verneinen. Man sollte meinen, dass es mehr sind, aber nein. Eines zweiten Oscars ist er 2012 beraubt worden. Was er hier abzieht, ist nämlich nicht weniger als eine jahrhundert Perfomance.

Sonntag 13.07.

Smurfs / Die Schlümpfe – Der große Kinofilm
(Chris Miller, USA/B 2025) [DCP]

uff

Vll. ist am schlimmsten, dass es sich nicht weiter schlimm anfühlt, sondern schnell und ohne Gefühl vorbei ist. Mehr dazu beim Perlentaucher.

I Still Know What You Did Last Summer / Ich weiß noch immer, was du letzten Sommer getan hast
(Danny Cannon, USA 1998) [blu-ray, OmeU]

gut +

In der Fortsetzung glauben die jungen Leute endlich in der Normalität angekommen zu sein, im Paradies. Doch statt Traumurlaub in den Bahamas gilt es einen Sturm in einem verlassenen Hotel zu überstehen, während sie von einem Killer gejagt werden. Ein bisschen Grundahnung von Geographie und Namenskonstruktion versauen einem vll. die Spannung, aber dafür ist dieser Film schon deshalb ein Genuss, weil er, von den Morden abgesehen, doch einen Traumurlaub zeigt – ein tropisches Hotel mit Pools für sich und schön viel Regen und Sonne. Der größte Horror: Jack Black als Kiffer mit Dreads, als notorisch unwitzige Witzfigur.

Sonnabend 12.07.

Brick
(Philip Koch, D 2025) [stream]

uff

Leute schließen sich – in ihre Arbeit, Drogen, Verschwörungstheorien oder Voyeurismus – ein und machen die Augen vor der Wirklichkeit zu. Es materialisiert sich als schwarze Pixelwand, die sich um ein ganzes Haus legt. Hauswände werden also durchschlagen, um nach draußen zu finden, und doch finden sich nur immer mehr Verlorene zusammen, die sich in einer digitalen Welt, die nicht mehr verstehen, und nach wenigen Stunden Einschluss bereits am Ende ihrer Geduld und alsbald im Postapokalypsenmodus befinden. Das Ergebnis sind ein wirklich bedrückender Bösewicht und die stocksteife Ausarbeitung des Konzepts mit zumindest seltsam dysfunktionalen Schauspielern, die seltsam unsympathische Figuren spielen.

Freitag 11.07.

Sleeping Beauty / Dornröschen
(Clyde Geronimi, USA 1959) [blu-ray] 5

großartig

Dieses Mal als Komödie von vier zusammenlebenden, passiv-aggressiven Frauen goutiert, die sich nicht mehr ertragen können, aber zu nett sind, um es offen zu zeigen. Und weiterhin als Fest für die Augen.

Pavements
(Alex Ross Perry, USA/D 2024) [streams, OmeU]

ok

Schon ein schöner Film, weil er einen (mal wieder) mit Pavement in Kontakt bringt, aber auch ein ziemlich nervender, weil es zu viel um Fans und Ironie geht. Mehr dazu bei critic.de.

Donnerstag 10.07.

Im Staub der Sterne
(Gottfried Kolditz, DDR 1976) [stream]

verstrahlt

Im Grunde ist es eine Episode STAR TREK, in der die Besatzung der Enterprise in einer Variation von H.G. Wells ZEITMASCHINE landet – einem Planeten also, an dessen Oberfläche die faschistischen Unterdrücker ein dekadentes Leben mit drogenartigen Essensprays und Tanzeinlagen genießen, während untertage die normale Bevölkerung zu Förderung von Mineralen versklavt wurde. Und dabei ist alles Pop – bunt, hip und psychedelisch. Nur während Captain Kirk und Co. in ihrer poppigen Serie schon immer etwas mit Steifheit zu kämpfen hatten, ist dies ein Produkt der DEFA. Und so sehr Kolditz die zu diffamierende Dekadenz mittels Partys mit Würgeschlangen und Diktatoren im farbenfrohen Spiegelkabinett darstellt, so bleiben das offensichtliche Konzept, die Erzählung, die mittelalten, alles andere als jungen Schauspiel und die Rezitation der Dialoge dogmatisch, steif und bis ins Mark uncool. Es ist also Pop von den unpoppigsten Leuten der Welt. Und deshalb ein Faszinosum.

I Know What You Did Last Summer / Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
(Jim Gillespie, USA 1997) [blu-ray, OmeU]

großartig

Vier vielversprechende Jugendliche, die nach der High-School eigentlich in eine große Zukunft aufbrechen wollten, sind ein Jahr später in ihrem Leben, in ihrer Heimatstadt, im Lebensentwurf ihrer Eltern, als läge es ihnen im Blut, gestrandet. In einer idyllischen All-American-Hafenstadt, weit weg vom pulsierenden Leben. Nach und nach tötet sie der Hacken, der sie zurückhält. Die bittere Enttäuschung des Erwachsenwerdens als Slasher (von Träumen).

Mittwoch 09.07.

警察故事 / Police Story
(Jackie Chan, HK 1985) [blu-ray, OmU] 2

fantastisch

Jackie Chan und der von ihm gespielte Polizist haben es nicht leicht. In der höchst niederschwelligen Zeugenschutzprogrammkomödie kommt er mit seinen Tricks und Kniffen nicht durch, sondern blamiert sich in einer Tour selbst, da die beiden Frauen seines Lebens (Brigitte Lin & Maggie Cheung) ihn einfach immer weiter durchschauen. In dem höchst adrenalingeschwängerten Actionfilm wird er von niederträchtigen Gangstern, korrupten Polizisten und paragraphenreitenden Vorgesetzten in die Enge und an den Rand seiner Toleranzgrenze getrieben. Und an seinem Körper betreibt der Regisseur und Hauptdarsteller dessen unfassbaren Raubbau. Das Gerichtsverfahren des Films nicht zu vergessen, in dem der Verteidiger mit seiner surreal-dreisten Argumentation Erfolg hat. Einerseits ist dieses Psychogramm eines an sich sowie durch sich und durch die ganze Welt Leidenlassens ungemein faszinierend und reichhaltig lesbar, andererseits sind die Witze, die Action und deren Inszenierung ein Irrsinn, der auf keine Kuhhaut geht. Film, wie er intensiver kaum sein kann.

Dienstag 08.07.

Trzecia część nocy / Ein Drittel der Nacht
(Andrzej Żuławski, P 1971) [blu-ray, OmeU] 2

tba.

Den Scan des Films auf der blu-ray von Masters of Cinema auf ein Wort gebracht: Abscheulichkeit. Klar, er ist von Kameramann Witold Sobociński abgenommen, und es ist wieder nur ein Argument dafür, dass sich nicht auf den Eindruck hochbetagter Leute über ihre Jahrzehnte zurückliegende Werke verlassen werden sollte. Ein Blick auf eine Filmkopie hätte sicherlich gereicht, um zu sehen, dass etwas völlig falsch läuft. Mal davon abgesehen, dass dies ein zwangsneurotisch aufgeräumter Negativscan ist, der nicht versucht den Film, der 1971 in die Kinos kam, nachzustellen – wie soll er auch, niemand hat in über Hundert Jahren Kino ein Negativ geschaut – und versucht jeden filmischen Eindruck abzuschwächen und einen völlig cleanen digitalen Look zu erstellen, der der dreckigen Unaufgeräumtheit von Żuławskis Film diametral entgegensteht. Aber das ist nichtmal das Problem, das ist nur sehr ärglich. Viel schlimmer sind die Farben. Nach ca. 20 Minuten habe ich die alte DVD von Second Run rausgekramt und wahrlich, dort gab es warme Farben und die Figuren sahen nicht aus, als ob ihnen alles Blut ausgesaugt worden und Katzenfutter in die Venen gesteckt. Als ich die Farbsättigung voll reingedreht hatte, wirkten die Restfarben halbwegs natürlich, entsprachen irgendwo den Farben der DVD und die Leute sahen menschlisch aus. Dieser sehr schöne Film hat wirklich besseres verdient als diesen an Häßlichkeit kaum zuüberbietenden, artifiziellen Look, der einen Scheiß auf Filmgeschichte, Menschlichkeit und Ästhetik gibt.

Montag 07.07.

Final Destination 5
(Steven Quale, USA 2011) [blu-ray, OmeU]

großartig +

Nach dem vulgären Höhepunkt der Reihe einfach der Höhepunkt. Die Morde sind so schon saftig, werden aber immer noch auf die Spitze getrieben. Die erzählerischen Volten sind zwar nicht so gewagt wie im Teil zuvor, aber auch nicht minder absurd. Und dann findet schließlich doch noch jemand einen neuen Zugang, der dem ganzen Konzept etwas Neues hinzufügt – mit einem neuen Ausweg, um von Todes Liste zu kommen. Das Rad wird zwar bei weitem nicht neu erfunden, alles bleibt wie gehabt, aber hier ist es vll. verfeinert wie nie zuvor.

Sonntag 06.07.

KPop Demon Hunters
(Chris Appelhans, Maggie Kang, USA 2025) [stream]

gut

Wie schön wäre es vll. gewesen, wenn der Film nicht die erbauliche Ausfahrt genommen hätte (oder wenigstens viel sanfter), sondern dabei geblieben wäre, ein postmoderner K-Pop-Actionthriller zu sein – mit weiblichen Hauptfiguren, die weitestgehend nicht in der Lage sind, ihre Begierden unter Kontrolle zu halten und doch die Situation weitestgehend unter Kontrolle haben. Wenn dieser schöne Auftakt nicht so sehr zum gewichtigen Drama mit bunten Farben geworden wäre.

The Final Destination / Final Destination 4
(David R. Ellis, USA 2009) [blu-ray, OmeU]

großartig

Nach der Rolle rückwärts gleich die nächste. Weil die Reihe vll. unrettbar scheint, übernimmt wieder David R. Ellis und scheißt nun völlig auf Zurückhaltung und Geschichtenerzählen. Irrwitzig sind nicht nur die Tode, sondern die Lust gleich alles in Flammen aufgehen zu lassen – selbst die eigene Geschichte. Alles ist möglich.

Sonnabend 05.07.

Final Destination 3
(James Wong, USA 2006) [blu-ray, OmeU]

großartig

Wendy Christensen (Mary Elizabeth Winstead) sagt, dass sie unter Kontrollzwang leiden würde. Immer und immer wieder kommt es verbal zum Ausdruck. Zeigen tut sich dieser aber nicht. Es bleibt eine leere, unnütz rumstehende Behauptung. James Wong wurde wohl zurückgeholt, damit der dritte Teil wieder mehr Klasse bekommt, mehr Atmosphäre, mehr Geschichte. Der Film spricht auch von der Mühe, die sich gemacht wurde, dass es wieder mehr nach dem ersten Teil aussieht. Nützen tut es so wenig wie die Kontrollzwangsache. Was heißt, dass dieser Film zwar durchaus respektabler aussieht und sich anfühlt, aber im Herzen – wie der zweite Teil – sein Glück in sadistisch-verspielten Morden findet und mehr eigentlich auch nicht braucht.

Freitag 04.07.

Karate Kid: Legends
(Jonathan Entwistle, USA 2025) [DCP]

gut

Kung-fu-kämpfender Junge (Ben Wang) zieht von Peking nach New York, lernt Mädchen (Sadie Stanley) und rivalisierenden Schläger (Aramis Knight) kennen, Hin und Her, es gipfelt in einem Endkampf. Ohne großen Bullshit wird der altbekannte Plot eigentlich konzentriert erzählt. Nur: 1. ist er an manchen Stellen überhastet – Yeah: Ralph Macchios Rolle nimmt kaum nennenswerten Raum ein und wird nicht pflichtschuldig ausgedehnt; Mäh: die Liebesgeschichte ist viel zu früh gelöst, womit Sadie Stanley unverdientermaßen fast ganz aus dem Film verschwindet. 2. versucht er sich an kleinen Variationen. Während der junge Mann dem zentralen Konflikt noch aus dem Weg geht, trainiert er einfach den Vater (Joshua Jackson) des Mädchens für einen Boxkampf. Der Film doppelt sich damit, was dazu führt, dass die anderthalb Stunden sich wie zwei, drei Folgen einer Serie anfühlen. 3. sind am Ende auch nicht alle Konflikte gelöst, eine Fortsetzung wäre natürlich großzügig möglich.
Cast und die Energie der Kämpfe trägt es und ich hatte gerade daran Spaß, wie simple alles gehalten ist. Nur hätte ich mir vll. hier und da etwas mehr Überraschungen in der Formel gewünscht. Wenn bspweise die Mutter (Wen Ming-Na) des Jungen sich als ihrem Bruder (Jackie Chan) ebenbürtige Kämpferin herausgestellt hätte und den Chef-Bösewicht verprügelt hätte. Wenn überhaupt die Frauen nicht wieder nur an den Rändern der Ringe zum Jubeln und Mahnen rumgestanden hätten, wo sich doch soviel anderes angeboten hat.

Jurassic World Rebirth
(Gareth Edwards, USA 2025) [DCP]

gut

Die Liebesgeschichte zwischen Söldnerin Zora (Scarlett Johansson) und Paläontologe Dr. Loomis (Jonathan Bailey) besteht größtenteils aus Blicken und der Chemie zwischen den beiden Schauspielern. Ausbuchstabiert wird sie nicht. Neben dieser subtileren Emotionalität gibt es aber immer wieder Szenen, die dieses Kino der Attraktionen, in dem sich zu Land, Wasser und Luft bewiesen werden muss, plump mit Gefühlen unterfüttert werden soll – mit über Dialogen ungelenk ausgebreiteten Hintergrundgeschichten. Es ist ein wenig bizarr und wirkt zuweilen so, als ob jemand – Gareth Edwards vll., der vor allem bspweise weiß, wie Gummiboote zur Steigerung der Suspense umkippen müssen –, der von menschlichen Gefühlen keine Ahnung hat, noch Szenen nachträglich eingefügt hat, die diesen eigentlich schönen Film unnötig über die zwei Stunden Grenze ziehen.
Dr. Loomis hält im Film außerdem einen kulturpessimistischen Vortrag darüber, dass Intelligenz als Mittel des Überlebens überschätzt sei und die Intelligenz des Menschen nur dazu geführt hat, dass dieser sehr schnell die Mittel seiner Vernichtung erschaffen hat. Indirekt spricht er aber das Problem der ganzen Reihe seit dem ersten Teil an. Denn immer größer und dämonischer müssen die Dinosaurier sein, vor denen sich gerettet werden muss. Der Endgegner des Films, der D-Rex, ist nun eine Mutation, die wie eine Mischung aus T-Rex und einem vorzeitlichen Wesen H.P. Lovecrafts aussieht. Ein widernatürlicher Gigant. Dabei war der Horror des ersten Teils doch nicht in Größe begründet, sondern in der erlernten Fähigkeit eine Türklinke zu drücken, in Monstern, die einem nicht nur körperlich überlegen waren, sondern geistig erschreckend ebenbürtig.
Nichtsdestotrotz ist dies schon ein schöner Eintrag in eine Reihe, die schlicht darunter leidet, dass ihr Ausgangspunkt eine Ikone der Filmgeschichte ist. Vor allem mochte ich den nichtsnutzigen Schwiegersohn einer Familie, die es mitten in den Trubel verschlägt. Dass dieser nicht für einen moralinen Tod herhalten muss, ist schon erstaunlich – auch wenn sich darin zeigt, dass der Film doch auch noch einen Tick zu zimperlich mit seinem Cast umgeht und zu wenig Leute zu nebenher sterben lässt –, dass er mit seiner Pissszene das Highlight des Films bekommt, ist dann aber die Krönung.

Atomic Blonde
(David Leitch, USA 2017) [stream, OF]

gut

Zwei Dinge:
1. Nachdem MAJOR TOM, 99 LUFTBALLONS und DER KOMMISSAR als Hintergrund für Kloppereien verbraten sind und dem Soundtrack nur noch britische und angloamerikanische Popmusik verbleibt, bricht auch der Film – trotz oder gerade wegen dieser effekthascherischen Plansequenz etwas zusammen.
2. Als der Film im Berliner International Halt macht, läuft dort Tarkowkijs STALKER. Riesige und kleine Poster künden davon, und die Handlung spielt sich dann auch vor der Leinwand ab, wo dieser gerade läuft. Vll. sollte das sowas wie eine Ehrerweisung sein, vor allem bin ich mir aber nun sicher, dass dieser mein ehemaliger Lieblingsfilm, den ich so gar nicht mehr sehen möchte, am besten als Tapete für eine Prügelei dient und es in einer besseren Welt ein Beat ‚em up gibt, in dem sich Subzero und Dhalsim vor dem Film schlagen.

Final Destination 2
(David R. Ellis, USA 2003) [blu-ray, OmeU]

großartig

Tony Todds Performance gibt den Ton an. War sein um des Todes Plan bescheidwissender Leichenbestatter im ersten Teil noch eine unheimliche Entität, zieht er hier eine wilde, schamlose Show ab. Jede Atmosphäre wird also fahren gelassen, der ziemlich hässliche Look gewahrt an niedrig budgetierte TV-Movies, und die Geschichte ist kaum mehr als die rumpelige Ruine des ersten Teils. Aber wenn es darum geht, völlig überzogene Klischees von Typen in Stellung zu bringen, um sie mit größter Lust hundsgemein über den Jordan zu schicken, dann macht diesem Film niemand etwas vor.

Donnerstag 03.07.

Mädchen Mädchen!
(Martina Plura, A/D 2025) [DCP]

gut

Im Kino waren außer mir vier junge Frauen. Als ich mich nach dem Film vor der Leinwand erhob, fing es diverse Riehen hinter mir an zu kichern, und ich glaube natürlich, dass sie der Anwesenheit eines alten Sacks gewahr wurden und das dann doch ganz witzig fanden. Der Film selbst ist etwas zweischneidig, weil Komik nur bedingt so sein Ding und seine Ambition ist, aber ansonsten eigentlich doch ganz schön. Mehr dazu bei critic.de.

Mittwoch 02.07.

Eden
(Ron Howard, USA 2024) [DCP, OmU]

gut

Anfang des 20. Jahrhunderts, eine (fast) unbewohnte, lebensfeindliche Galapagosinsel, drei Parteien – ein deutsches Philosophen Ehepaar, eine Familie deutscher Aussteiger, eine Kokette mit ihrem Harem, die ein Luxushotel bauen möchte, ein langsam ausbrechender, schließlich für die meisten tödlicher Konflikt. Und zu Beginn dieses HERR DER FLIEGEN mit Erwachsenen gewahrt uns eine Texttafel, dass dies auf den Berichten der Überlebenden beruht, dass dies auch ein Film über Erinnerungskultur ist.
Am Ende des Films triumphiert nämlich ein unwahrscheinliches Mastermind, das die Grenze zwischen naiver Unschuld und durchtriebenem Durchsetzungswille verschwimmen lässt: Sidney Sweeney als Krone eines spießigen, deutschen Beamtentums, das die wirkliche Herrenrase bildet und überall überleben kann, als die Frau, die bis Ende des 20. Jahrhunderts Zeugnis von den Geschehnissen hat geben können. Vanessa Kirbys Figur einer herablassenden Idealistin – die Vertreterin einer nur eingebildeten Herrenrasse – scheitert knapp. Die Frau, auf der sie beruht, hatte ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben, bevor sie schon während des Zweiten Weltkriegs von ihren Erfahrungen gebeutelt starb. Und diejenige, die kein Zeugnis hinterlassen konnte, ist dann eben die von Ana de Armas gespielte whore you love to hate, eine Wahnsinnige, deren Distinktionsglaube nur noch niederträchtige Farce ist.
Dieser von seinem wunderbar gecasteten Cast getragene Film braucht nur leider etwas, um endlich zur Eskalation zu schreiten – und je länger es sich zieht, desto mehr wirkt es abstruser Weise so, als solle unterstrichen werden, dass die armen, unschuldigen Deutschen erst bis aufs Blut gereizt werden müssten, bis der atavistische Überlebenskampf ausbrechen kann –, wie auch die Würmer im Fleisch und damit die Drastik in diesem eigentlich auf Sadismus und Wahn abzielenden Film etwas kurzkommen.

28 Years Later
(Danny Boyle, UK/USA 2025) [DCP, OmU]

gut +

Ein Gemischtwarenladen, im Guten wie im Schlechten. Der 12-jährige Spike (Alfie Williams) lebt in einem archaischen Dorf, das von der Moderne und dem englischen Festland abgeschnitten ist – im Resteuropa geht alles seinen gewohnten, jetztzeitlichen Lauf, auf den beiden zentralen Inseln Großbritanniens herrschen die Zombies der Reihe über eine heilende Naturwelt. Pfeil und Bogen sind die modernsten Waffen Vorort, die möglichen Rollenangebote umfassen Jäger und Sammler, Fischer und Bäcker. Der noch lebende Arzt (Ralph Fiennes), ein Ausgestoßener auf dem Festland, ist aus der Sicht der Einwohner ein sichtlich Verrückter – mit seinen riesigen Feuern, in denen er Leichen verbrennt, wirkt er auf sie wohl wie eine Art Hexe. Wir werden sehen, dass seine Haut rot ist, weil er sich mit Jod zum ständigen Infektionsschutz einschmiert und dass seine Schädeltürme eine kulturelle Praxis sind, um mit dem Verlust einer ganzen Zivilisation umzugehen, dass er sein Leben frei und rational gestaltet.
Mittels Bogenschützen, die aus Laurence Oliviers HENRY V hereingeschnitten werden und die auf die heroische, überhöhte Vergangenheit Englands rekurrieren, wird einem der Gedanke aufgedrängt, dass dies eine Brexit-Parabel sei. Vereinzelt deutet der Film auch an, dass er eine Form von Zeitreisefilm sei, gerade wenn Spike auf dem schottischen Festland auf einen schwedischen Soldaten trifft, der dem Jungen so unverständlichen Gadgets wie ein Handy mit sich führt. Europa hat sich gegenüber Großbritannien abgeschottet und überwacht die Quarantäne gegenüber einem nun barbarischen Volk per Patrouillenbooten: Geht es hier etwa vll. auch noch um Flüchtlingspolitik? Offensiv werden einem geile bedeutsame Motive vor die Füße geworfen, aber sichtlich nicht, weil sich damit beschäftigt werden wöllte.
Auch die Stoßrichtung der Geschichte ist äußert inkonstant. Die Exposition bildet Spikes Initiation in die Gesellschaft per Zombiejagd auf dem Festland, die ihm und uns zusehends vor Augen führt, wie mitleidslos und chauvinistisch die scheinbare Idylle seiner Heimat ist. Er setzt sich mit seiner psychisch labilen Mutter aufs Festland ab und erlebt eine Quest in denen sich Sanftmut, Verstand und Reflexion vor die Welt harter Männer und noch härterer Zombies schieben … nur um in der von väterlicher Autorität und mütterlicher Fürsorge emanzipierten Einsamkeit auf postmoderne Psychomacker zu treffen. Aber was so knapp wie ein roter Faden scheinen könnte, wirkt im Film wie ein unkonzentriertes Hackenschlagen zur immer nächsten interessant erscheinenden Idee – was den nicht geringen Vorteil hat, dass wir nicht von ach so schlauen Ideen belagert werden können, sondern ein Buffet bekommen, bei dem je nach Lust und Laune zugegriffen werden kann … und den Nachteil, dass sich dies fast zwangsläufig nur als Auftakt einer seriellen Filmerzählung entpuppen wird.
Optisch wechseln Überlebenskampf und Sinnsuche zwischen depressionistischem Digitalmatsch, pointilistischer Blumenwiesenerhabenheit und Verfolgungsjagden unter malerischem Sternenhimmel, zwischen psychotronischen Teletubbie-Kinderterror-Setpieces, dem aufdringlichen Suspense nackten Überlebenskampfs und der Weite unbestimmten Geschehens. Und ich muss gestehen, dass ich Meister Boyle einen so zumindest Sehenswerten dreckigen Prätentions-Digital-B-Movie eigentlich nicht zugetraut hatte.

Dienstag 01.07.

Waiting for the Barbarians / Warten auf die Barbaren
(Ciro Guerra, USA/I 2019) [blu-ray, OF]

nichtssagend

Eine auf zwei Stunden ausgedehnte Faschismusparabel, die sein sofort verstandenes Anliegen endlos breittritt. Am schlimmsten sind die Pausen, die Mark Rylance hinter jedem Wort lässt und die ihm zur Karikatur seiner selbst werden lassen.

Final Destination
(James Wong, USA 2000) [blu-ray, OmeU] 4

großartig

Sabrina Z. kannte ihn noch nicht, weshalb ich ihn mit ihr gleich noch mal schaute. Ich war zwar etwas unaufmerksamer, aber den Film mit jemanden zu sehen, der Angst vor Klingen hat, ist dann doch nochmal ein anderes Vergnügen. Und überhaupt ist mir bewusster aufgefallen, dass der Behinderte, von dem gesagt wird, dass nur ein niederträchtiger Gott ein Flugzeug mit ihm an Bord abstürzen lassen würde, von den sadistischen Filmemachern, die das Flugzeug natürlich abstürzen lassen, beim Absturz immer und immer wieder gezeigt wird, beim haltlos rumgeschüttelt werden. Da hat jemand wirklich Spaß gehabt.