STB Robert 2017 I
„The creation and destruction of harmonic and ’statistical‘ tensions is essential to the maintenance of compositional drama. Any composition (or improvisation) which remains consistent and ‚regular‘ throughout is, for me, equivalent to watching a movie with only ‚good guys‘ in it, or eating cottage cheese.“ (Frank Zappa)
Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein System der euphorischen Aufnahme des Films. In Zahlen übersetzt wäre es wohl ungefähr: fantastisch 10 – 9 / großartig 9 – 8 / gut 7 – 6 / ok 6 – 4 / mir zur Sichtung nichts sagend 4 – 3 / uff 2 – 1 / ätzend 1 – 0. Diese Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Skala zu quetschen. Deshalb hat die Wertung eine Y-Struktur für freieres Atmen. Ab ca. 7 kann ein Film eine Wertung der Verstörung erhalten: radioaktiv 10 – 9 / verstrahlt 9 – 7. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.
Legende: Ist im Grunde selbst erklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wird, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache läuft, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute.
Vorangegangene Sehtagebücher:
2012/II | 2013/I | 2013/II | 2014/I | 2014/II | 2015/I | 2015/II | 2016/I | 2016/II
to be continued … und zwar hier
Juni
Freitag 30.06.
25.06.-01.07. – Il Cinema Ritrovato
verstrahlt +
Alkoholschmuggler und die Bootsbesatzung liegen mit ihrem Schiff im Nirgendwo im Meer fest. Es gibt nur noch eine Tonne Wasser, was zu blanken Überlebenskämpfen führt. DESTINATION UNKNOWN zeigt dies als abgeklärten Noir. Als die Nacht am tiefsten steht und die blind betriebenen Kämpfe dazu führen, dass nichts mehr zu retten ist, sprich als alle dem Tod ausgeliefert sind, weil das Gefährt langsam sinkt und sich nur noch an den unzähligen Fässern von Whisky, Wein und anderem besoffen werden kann, da beginnt plötzlich der Jesusschangel. Völlig unmotiviert erscheint mit einem Mal ein Mann an Bord des Schiffes, der Wein in Wasser verwandelt, der die Lahmen heilt, alle durch sein seliges Antlitz zu besseren Menschen werden lässt und das Schiff vorm Untergang rettet, weil er auch mal Zimmermann war. Erbaulich strahlt die frohe Kunde in bester Bibelfilmmanier durch die Wolkendecken und von hinten durch die Haare des Fremden … bis irgendwo im Schatten sich die Zweifel von Ray (Christopher Walken) aus THE FUNERAL anschleichen, der erklärte, dass er nichts für seine verbrecherischen Taten könne, weil Gott eben nicht zu ihm herabsteigt und ihn erlöst. Aber das tut diesem unwahrscheinlichen Film keinen Abbruch, der einem zum Staunen mit offenem Mund einlädt … auch weil der Tote nicht zum Leben erweckt wird.
großartig –
Ein Gangsteractionfilm und ein Familienmelodrama. Gangster lösen darin ihre Probleme einfach mit Messern und Pistolen, wohingegen die Familien- und Ehrenverstrickungen zwischen einem Ex-GI, der während und nach dem 2. Weltkrieg in Japan stationiert war, und einem ehemaligen Yakuza eben nicht gelöst werden können. Zwar täuschen ein paar abgeschnittene Finger vor, das auch hier Ruhe möglich ist, aber THE YAKUZA bietet ein ansatzweises Bild einer Kultur, in der eine entstandene Pflicht (giri) nicht mehr zu lösen ist und immer neue Pflichten bei den Beteiligten und Hineingezogenen auslöst. Das Melodrama geht dabei in Richtung MR. BASEBALL, nur dass der amerikanische Charakter (hier Robert Mitchum, dort Tom Selleck) sich nicht für das Happy End etwas Richtung japanischer Lebensweise ändern muss und der japanische Charakter (hier wie da Takakura Ken) eben etwas in Richtung der us-amerikanischen. Statt einem lauwarmen Treffen in der Mitte entdeckt Mitchum also in der orientalischen Kultur und in dem Ehrenkodex der Yakuza etwas Universelles, welches seinen Wertvorstellungen und seinem Männlichkeitsbild entspricht und welches ihm die Möglichkeit gibt, ohne sich ändern zu müssen, einen Platz in der Fremde zu erobern. THE YAKUZA ist mit seinen fast 40% des Films ausmachenden Erklärungen Japans und des Ehrenkodexes der Yakuza – welche beide leicht ineinander übergehend und in den Augen der Fremden gleichgesetzt werden – wie ein Anfängerkurs in diese Gangsterwelt, wo die Enttäuschungen der BATTLES WITHOUT HONOR AND HUMANITY noch weit entfernt liegen. (Das Pachinko und das Handeln Mitchums im Endkampf, wo er mit seiner Flinte alles schnell beenden könnte, aber Takakura entehren würde, nicht erklärt werden, kann fast schon irritieren, so mysteriös wird es gelassen.) Und in dieser Einführung wird das Bild einer toxischen wie sentimentalen Männlichkeit präsentiert, die es überall zu geben scheint. Was Mitchum zur perfekten Besetzung macht. Irgendwie ist es schön, irgendwie bitter, irgendwie eine Bürde und irgendwie beschissen. In seinem ruhigen Gesicht und seinen traurigen Augen liegt die Unmöglichkeit dies trennen zu können und die Anstrengung dies auszuhalten, wie in Stein gemeißelt. (Pollack ist einerseits der richtige Regisseur für diesen Film, da er die Atmosphäre elegisch bis direkt einzufangen weiß. Andererseits hätte er einen Actionregisseur an seiner Seite benötigt, weil die Action in THE YAKUZA größtenteils fürchterlich ist. Unübersichtlich, hässlich und einfach nur Quark.)
fantastisch –
Stilistisch einem ähnlichen Konzept folgend wie BLOSSOMS HAVE FALLEN ist OLD SWEET SONG das Melodrama dreier Familien vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umwandlungen der 1870er. Zwar sieht dies wie ein Jidai-geki aus, ist es aber doch ein Shomin-geki in historischen Kulissen … wo Aktienkurse an den Wänden einer einfachen japanischen Hütte hängen. Beschworen wird hierin, dass sich mit den Veränderungen arrangiert werden muss. Nur, dass das Problem dabei ist, wie ist zu ahnen ist, wohin die Kurve an der Wand ausschlagen wird. Schicksale werden unter ihr zertrümmert und blühen auf … und die Satsuma-Rebellion wird einem Mann noch die Möglichkeit geben einen ehrenvollen Tod im Kampf zu sterben … wie früher.
großartig –
Drei Erinnerungen, drei Genre, drei Stile. Ein paar Fingerübungen. Der Liebeskomödie steht der damit einhergehende leichte Tonfalle kurzer Erzählungen gut zu Gesicht. Der Western und das Ehedrama sind in der Kürze auf einfache, klischeehafte Situationen begrenzt, wofür sie aber effektiv mit Emotionen vollgestopft werden.
nichtssagend –
In LUCIOLA wird möglichst viel erzählt, nur möglichst nichts über Gefühle, mit Ideen oder auch nur irgendetwas, das über das bloße Geschehen hinausreicht. Ein junges Mädchen, das wie eine Außerirdische auf die Welt gefallen scheint, wird von allen beiden Männern, die sie irgendwie liebt, missbraucht. Der reiche Maler hält sie wie eine Zooattraktion für seine Freunde und der Hafenarbeiter für einen Einbruch bei ebendiesem Maler. Vll strebt LUCIOLA auch nur eine Form von Primitivismus an, der eben alles über den kargen Witz Hinausgehende ausmerzt, der eine Unschuldige in möglichst nichtssagenden, nichtsverdichtenden Szenen unmerklich ans Messer liefert.
großartig +
Eine extraschaumige Seifenoper, die sich in Gift und Geifer ergibt und die mit einem Twist aufwartet, der M. Night Shyamalan alt aussehen lässt. Nachtlokaltänze, die an Busby Berkeley-Filme durch ein trübes Glass Wasser erinnern und wo Ananashütte in einer Nebelwolke wundersamer Weise in Bananenhütte verwandelt werden, sind umgeben von der rigorosen Wandlung des Leids der jungen Elena (Ninón Sevilla … mit einem kecken Stubsnäschen, das wie Puder die Biestigkeit ihrer Figur kaschiert) zu einer an Raserei grenzenden Form von Hass. Die reine Liebe ihres Vaters zu seiner Frau/ihrer Mutter führt diesen in den Selbstmord. Die Gier der Männer auf ihren Körper bringt sie in die Gosse und in die, nur leicht retuschierte, Zwangsprostitution. Doch wie aus dem Nichts wird ihre Flucht aus diesem Schicksal ihre Chance zur Rache an allen und jedem, der an ihrer Lage Schuld ist. Und diese nutzt sie … jegliche Kollateralschäden in Kauf nehmend. AVENTURERA begibt sich auf ihren sich rasch wie ein Zitterrochen schlängelnden Weg und endet an einem brutalen Ort, wo es kein Mitleid mehr gibt und wo einem am Ende nur der Auftragsmörder Rengo leidtun kann. Hach, der traurige, übersehene Mörder ohne Gewissen, Rengo, hach.
Donnerstag 29.06.
großartig –
Eine Jahrmarktstänzerin lernt einen unschuldigen, nur guten Jungen mit einem passenden Grundschullächeln lieben und dafür sich und ihren Lebenswandel hassen. Ein Dokument des Grauens, der es ist, die Moral der Mächtigen zu verinnerlichen und statt eine positives Verhältnis zu sich zu bekommen, in Selbstverachtung unterzugehen. Pierre Bourdieu hätte viel zu diesem Film zu sagen gehabt.
großartig +
Dass der Schwefelsumpf, dessen gelbe Schwaden giftig durch das Gezweig weht und der groß als unentrinnbare Menschenfalle eingeführt wird, tatsächlich nicht genutzt wird, ist eine Schande. Als Symbol der Familienverhältnisse und der toxischen Männlichkeit hätte es dem Melodram um rote Männerräume mit der Gemütlichkeit von Gewehren und toten Tieren, um das schleichende Ausdünsten eines heruntergeschluckten rasenden Hasses und um Stolz und Anerkennung den letzten Schliff gegeben. Der gefühlvolle Wahnsinn hätte so vollends überhand nehmen können. So wird all dies, all dieser Wahnsinn um richtige und herrschende Männlichkeit mit Sexyness und deren Fehlen dargelegt. Denn: Wenn George Peppard seine Cowboyklamotten trägt, mit dem ständig geöffnetem Hemd, den hochgekrempelten Ärmeln und dem Jeanschic, dann sieht er erstaunlich heiß aus. Sobald er aber einen Anzug anzieht, nimmt er sofort die ordentliche Ausstrahlung eines ordentlichen Typen an und sieht aus, wie George Peppard eben meist aussieht. Der Tragik eines schwulen Ichs und eines falschen der Gesellschaft angepassten wird in HOME FROM THE HILL zum Mittelpunkt von allem andern. Und darin liegt auch das wirklich perfide des bitteren Happy Ends, das dieser Film sein eigen nennt.
ok
Das in die Postöffnungszeit von Japan versetzte LES MISÉRABLES möchte fast den ganzen Handlungsablauf wiedergeben, kürzt aber darin alles auf das Nötigste. Gleichzeitig erzählt KYOJINDEN zu viel und zu wenig, wenn er die Einzelteile im Grunde nur schnell mal vorführt und dann schon wieder weiter will. Der Englischunterricht von Hara Setsuko darf dafür aber verdient einigen Platz einnehmen.
großartig
Soirée mondaine (F 1917)
Le Caprice du Vainqueur (F 1910)
La Chenille de la Carotte (F 1911)
Le collier de la danseuse (F 1912)
Floraisons (F 1912)
*****
LA CHENILLE DE LA CAROTTE bietet atemberaubende Aufnahmen von Schmetterlingen vor, während und nach der Verpuppung, wunderbar koloriert, während Maurice Chevalier in SOIRÉE MONDAINE clowneske choreographiert tanzt … außerdem wird Wasser gespritzt. LA CAPRICE DU VAINQUEUR zeigt Tanz um Römer, die in Ägypten einfielen einem Feuer auszusetzen und FLORAISONS zeigt Großaufnahmen von blühenden Blüten im Zeitraffer. Der längste der fünf kurzen Filme ist LE COLLIER DE LA DANSEUSE, der die Feulliade-Filme vorwegnimmt. Ein Detektiv und ein Gauner jagen sich mittels Gimmicks und Verkleidungen. Solitäres Highlight ist eine minutenlange Autoverfolgungsjagd. Die hinter dem Verfolgerauto stehende Kamera zeigt uns ein Auto vor einer Leinwand, wo per Rückenprojektion das Auto des Verfolgten nicht näher kommt. Nur für die Schönheit ist dies enthalten, denn bringen tut die Verfolgung nichts. Wie eine frühzeitige Ejakulation verhindert eine Panne der Verfolger absurderweise weiteres.
großartig +
In Ophüls rudimentärer SHOWGIRLS-Vorwegnahme ist das Showgeschäft ein Puff. Der ruhige Beginn auf dem Land wird von wilden Bildern eines einfahrenden Autos zerstört. Eine Tänzerin holt ihre Freundin nach Paris nach und überlässt ihr Wohnung und Job. Geredet wird fast schon wie im TRIAL OF VIVIENNE WRANE, sprich von Raserei wird DIVINE überwältigt. In Plansequenzen jagt eine Kamera durch ein Theater voll von Kokain, Opiumschmuggel, nackten Tatsachen, Schlangen, in Taschen versteckten Babys, Publikumserfolgen durch ausgepeitschte Schmierlappen und orientale Perversionen. Als Erholung werden dann ab und an lange schwarze Schnitte angeboten und die Geschichte des Milchmanns, der unsere Heldin ins Gesittete rettet. Das Ende, wo ein Telefonat mit einem Polizisten alle Probleme wie aus heiterem Himmel beseitigt, zeugt schließlich noch von der Möglichkeit, dass das Budget ausging, und von einem radikalen Willen einfach alle Verwicklungen hinzuschmeißen. Ergo, wenn schon Happy End, dann möglichst ranzig.
nichtssagend
Das Motiv des Mannes, der besessen von dem Willen ist, einen Luftballon soweit aufzublasen, dass ihn jeder weitere Lufthauch platzen lassen würde, dass er ihn also maximal ausnutzt, ist geradezu typisch für die Zusammenarbeit von Marco Ferreri und Rafael Azcona. Typisch ist auch wie Marcello Mastroianni bei Ferreri den Clown geben darf, dessen Späße einen stets konfrontationsfreudigen bis sadistischen Unterton haben. Und gerade diesem Unterton gibt sich BREAKUP die ganze Laufzeit hin. Oberflächlich necken sich zwei Verlobte … bis der Ballon eben platzt. Das ist ein gerade in der Farbsequenz poppiges Vergnügen, unter deren Oberfläche nicht mal Frust zu finden ist, sondern zwanghafter Symbolismus und Selbstüberdruss. Die Vorspannmusik, die auch später wiederkehren wird, ist das Beste, was daraus entsteht.
Mittwoch 28.06.
gut
Balkan War Pictures (UK 1913)
Britain Prepared (UK 1915)
Woman Draped in Patterned Handkerchief (UK 1907)
Tartan of the Scottish Clans (UK 1907)
The Harvest (UK 1908)
Feeding Poultry at Prowse Jones Farm (UK 1911)
A Run with the Exmoor Staghounds (UK 1911)
Nubia, Wadi Halfa and the Second Cataract (UK 1911)
Coronation Drill at Reedham Orphanage (UK 1911)
With Our King and Queen through India: the Pageant Procession (UK 1912)
Pittoresche cascade d’Italia (I 1912)
La vita dei nostril Ascari eritrei in Libia (I 1912)
I plotoni nuotatori della III Divisione di Torino (I 1912)
Fording the River (UK 1910)
Lake Gardia, Italy (UK 1910)
*****
Altes und Materialpsychedelisches aus seiner versunkenen Zeit. Gerade da diese Dokumente die Künstlichkeit durch ihre offensichtliche Inszenierung unterstreichen, weisen sie auf ein ehemals Lebendiges. Wie ein Fenster, aus dem einem zurückgewunken wird. Am schönsten vll der LAKE GARDIA, schummrige Zeichen der Zeit sowie Licht und Unwirklichkeit, wie aus einem Märchen.
großartig –
THE POWER AND THE GLORY ist der Gegenpart zum später am Tag gesehenen LUDWIG II, einen Heldenlied auf einen Bismarckcharakter, dessen einziger Makel ist, dass er im Freitod enden wird … denn auch stärker als Bismarck und Tom Garner (Spencer Tracey) ist die Wirklichkeit. Mit Witz aber vor allem rationell (nach THE TRIAL OF VIVIENNE WRANE geradezu gemütlich) wird das Leben eines Geschäftsmann aus unzuverlässiger Quelle erzählt, der aus dem Nichts ein Imperium aufbaut, der Streiks niederschlägt, damit er Frauen und Kind Reichtum schenken kann, damit alles um ihn floriert. Den Gegebenheiten eines kunstvollen Unterhaltungskinos wird dabei alles angepasst, ganz dem Charakter der Hauptfigur entsprechend.
gut +
Dass Frauen, die hinter einem reichen Mann her sind, der sie aushält, die also Gold Digger sind, dass diese nicht mehr die Helden und Sympathieträger von Filmen sein können, das sind traurige wie schöne Zeichen der Zeit. Dass die Bavarian Boopy Boys keine Weltkarriere erreichten ist einfach nur schmerzlich.
gut
Agatha Christie im japanischen Mittelalter. Mit einem Running Gag, der sich schon beim dritten Mal überlebt hatte und einem der größten japanischen Superstars (Hasegawa Kazuo), der in diesem Film nicht nur Trinker und Taugenichts, sondern auch allwissender kaiserlicher Beamter ist. Bis die Aufklärung einsetzt ein großer Spaß.
fantastisch
Bismarck kommt während des ganzen Films gerade Zweimal vor. Trotzdem ist er mit seiner Realpolitik der große Gegenspieler von Ludwigs Romantik. Denn während Ludwig mit seiner Ernennung zum König das Wahre, Gute und Schöne in die Welt bringen und ohne Lug, Trug und Hässlichkeit regieren möchte, stimmt Bismarck seine Taten ab, orientiert sich an der Realität und macht mit kalter Hand, was nötig ist. Der Idealist und die Wirklichkeit, so könnte LUDWIG II auch heißen, denn jeder, wirklich jeder seiner Minister, Vertrauten und Geliebten wird dem bayrischen König im Laufe seines hier fiktionalisierten Lebens einen Ratschlag ganz nach Bismarcks Geschmack geben … und sich damit für die Zuneigung des Träumers disqualifizieren. An fast denselben Wendepunkten seines Lebens wird Ludwig wie bei Visconti den Weg vom Schwärmer zum Einzelgänger mit verdunkeltem Gemüt gehen, der den Kampf gegen die Wirklichkeit verlieren wird. Sie gleichen sich schon sehr, diese beiden Verfilmungen eines seltsamen Lebens. Nur schreit Viscontis Biographie spätestens nach der zweiten Folge nach Selbstmord, da der König zu schwach für die übermächtige Realität ist. Etwas von Bismarck steckt in diesem mitgeschleppten Selbsthass, der dem Träumer seine Schwäche tragisch vorhält. (Visconti hat in seiner Filmographie eine eigene Art von Bismarck, nämlich den LEOPARD, einem Mann der nicht mehr Träumen kann und sich deshalb, anders als Bismarck, aber nicht mehr die Hände an der Wirklichkeit dreckig machen möchte. Von einer solchen Position scheint auch LUDWIG her erzählt zu sein.) Bei LUDWIG II – GLANZ UND ENDE EINES KÖNIGS ist es aber die Wirklichkeit, die Schuld an aller Tragik hat. Sie ist klein und hässlich, verkommen und falsch, sie ist im Unrecht. Ludwigs Reich ist nicht von dieser Welt. Rückprojektionen, Schlösser, Wagners tragische, leidenschaftlich romantische, todessehnsüchtige Musik, all dies spricht von einem Reich der Jugend. Wenn noch keine Ernüchterung, keine Desillusion eingetreten ist … es herrschen allumfassend diese (kurzen) Momente als Bismarck noch nicht in unseren Herzen (mit-)regierte. LUDWIG II wie Ludwig II wehren die Sachlichkeit ab und kämpfen mit heißem Herzen gegen alles Gewöhnliche. Käutners Film schreit deshalb nicht nach Selbstmord, sondern nach einem Mörder. Jemanden der die Macht der Realität in die Hand nimmt und den Kini aus ihr beseitig … denn beugen will er sich nicht gegen eine solche Niedertracht. Die Niederlage, die Ludwig dann aber doch im See erleben muss, sie kommt, und das ist der letzte Schliff an diesem wage- wie übermütigen Film, von da, wo er sie am wenigsten erwartet.
ok
Vll eine Sau vor eine Sau geworfen oder doch eine Perle vor eine eben diese. Innerlich kniete ich noch vor LUDWIG II nieder und konnte mich nicht auf Geninas Lustspiel um einen Schnösel, der von zwei Frauen geliebt wird und damit höchst gockelig umgeht, einlassen. Das Ende sei verraten, er bekommt keine. Wenigstens das.
großartig –
Aschenputtel als Pointenparade. Leider muss Marion Davies sich den farblosen Normalo angeln und darf nicht mit dem ihr ebenbürtigen Playboy bis an ihr Lebensende ihre Umwelt irritieren.
Dienstag 27.06.
gut
ok
(großartig)
Viel verschlafen, aber wie das Mädchen am Ende den Mounty(?) an einer Kordel schnappt und wie einen Hund aus dem Haus führt, um ihm dort erst einmal Ordnung in seinen verwirrten Kopf zu schaffen, das ist schon schön gewesen.
gut +
Während Robert Mitchum, wenn er am Strand liegend den obligatorischen weiblichen love interest küsst, der nicht mal für das Happy End nötig ist und einfach aus dem Film verschwunden bleibt, und seine Hose bis unter die Achseln trägt, knöpft sich das Hemd seines männlichen Gegenübers über den Film zunehmend auf und legt schwitziges Haar offen. Mitchum liegt zu Beginn lasziv vor ihm auf dem Bett, die ganze Breite des Scopebildes einnehmend. Denke sich jeder, was er will.
fantastisch –
Draußen wüten die Samurai und die Historie … wie die Pest in DIE MASKE DES ROTEN TODES. Nur, hier kommt nichts rein, weil drinnen sind Geishas … und diese sind von den Entscheidungen über gesellschaftliche Entwicklungen abgetrennt. Außerhalb des Geishahauses wird blutig Geschichte gemacht und sie dürfen nur reagieren. Die Damen warten in FLOWERS HAVE FALLEN und warten. Sie reden über die Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft, sie planen und ratschlagen, sie versuchen zu antizipieren und agieren, aber sie werden immer wieder von den Geschehnissen draußen, die weitestgehend von Männer in dieser patriarchalen Gesellschaft gemacht werden, zurückgeworfen. Warten und Zeit füllen, warten und etwas Quatsch machen, warten und der eigenen Hilflosigkeit etwas abringen. In FLOWERS HAVE FALLEN sind keine Männer zu sehen. Manchmal sind ihre Stimmen zu hören, aber anwesend in den Bildern sind nur die Frauen, die Geishas. Einstellungen werden nur in den seltensten Fällen wiederholt. Der Raum, die Begrenzung des Films auf einen Ort, wird aufgerissen. Die ständigen Achsensprünge und Perspektivwechsel zwingen dazu, sich immer wieder neu zu arrangieren. Wie die Geishas können die Zuschauer nur reagieren, bekommen so aber eine Oase. Keine Situation stagniert, jeder Schnitt führt weiter, gibt neue Aspekte preis und macht den Alltag zu einem Hort der Reichhaltigkeit.
verstrahlt +
Hofbauer Kongress in Bologna. Nach einem durchgedreht bavaesken Auftakt, wo ein ausgebrochener aus der Irrenanstalt sowohl seinen Hunger wie seinen Geisteszustand durch das beißen auf Holzklötze und seine Ketten beweisen kann, kommt ein Schlagerfilm mit dem scheinbar nötigen moralinen Melodrama (ob der Iran der Zeit oder Khachikian dies heraufbeschwört, weiß ich nicht). Abwechselnd gart uns STORM IN OUR CITY in hysterischen Albernheiten oder den verzwickten Problemen, die entstehen, wenn moralisch gefestigte Männer (nicht ganz so gefestigten) Frauen helfen wollen. Voran bringt aber keines von beiden. Bis die Geschichte endlich da ankommt, wo sie ganz offensichtlich hinstrebt, da vergeht viel Zeit, wo die einen Männer Frauen jagen und die anderen Herren Frauen eben retten wollen, aber nicht können. Höchstens wenn persische Bauern zu Bill Haley tanzen wird dies angenehm goutierbar. Und wenn wir dann wirklich weichgeklopft sind, dann nehmen die Dinge überhand. In einem leerstehenden Haus, das Feuer gefangen hat, kämpfen ein Vergewaltiger, der Irre und der Held gegeneinander, während Steine an den Kopf von Schwestern fliegen und draußen die Polizei hilflos gegen die Tür anrennt. Unterlegt wird dieser manchmal gen Cartoon driftende Hort von Wahnsinn vom Höhepunkt von LE SACRE DE PRINTEMPS und lässt dieses brutale Stück Musik mit der Brachialität der Bilder wie Easy Listening wirken. … das Gesehene spottet irgendwo jeder Beschreibung.
???
großartig +
Ein Mädcheninternat, wo ein Klaps der Erzieherin auf den Po ihrer Subordinierten Lebensgeister weckt. Ein Traum von Zuckerbrot und Peitsche, wo Mädchen wie Soldaten erzogen werden, damit sich wieder ganz preußisch groß gehungert werden kann, und wo in dieser sadistischen Fetischwelt eine Lehrerin von Sex, Zärtlichkeit und Verständnis kündet. Nicht einmal für 1931, sondern für das 20. wie bisherige 21. Jahrhundert ist die Selbstverständlichkeit wie MÄDCHEN IN UNIFORM ständig etwas sagt, ohne es auszusprechen außerordentlich. Die Romantik ist so zu greifen, dass dieser Film sämtliche Ratio obsolet machen und einem ganz kitschige Gefühle bescheren kann, weil er einen so zärtlich versteht und in den Arm nimmt.
großartig
Gibt es eigentlich Gialli, wo alte Männer mit schlechtem Atem umgebracht werden? fragte Jenny J. nach dem Film. Wie Sam Dalmas (Tony Mustane) zu Beginn in einem Alptraum eingeschlossen ist – er findet sich gefangen zwischen zwei Glaswänden wieder; vor ihm eine abgestochene Frau zwischen abstrakten Skulpturen; hinter ihm der verschlossene Fluchtweg – so fand sich die Zitierte scheinbar in einem überfüllten Kino gefangen, dessen Klimaanlage nicht mehr Herr der Lage war. Sie war festgesetzt zwischen mir und einem Odem. Ob dies in Scope so schön ausgesehen hätte, wie THE BIRD WITH THE CRYSTAL PLUMAGE weiß ich nicht. Sicher weiß ich, dass die Erzählung des Krimis wohl ähnlich träge und mit absurden Spitzen wie der Plot im realen Kino war. Aber die einbrechende Angst in diese Ödnis, die Klauen der Unsicherheit, die waren vor Ort doch weniger ausgeprägt als in Dalmas‘ paranoider Frauenmörderwelt. Und außerdem war mir bisher nicht in Erinnerung geblieben, dass die Erklärung des kriminalistischen Hintergrunds am Ende über kreuzende Flugzeuge auf einem Flughafen erzählt wird. Wunderbar die Kräfte ins richtige Verhältnis gesetzt.
Montag 26.06.
großartig +
THE TRIAL OF VIVIENNE WARE könnte sich auch als zehn gleichzeitig stattfindende Tennispartien vorgestellt werden, bei dem das Publikum versucht am Ball zu bleiben. In ständigen whip pans jagt das Geschehen von Szene zu Szene. Der Kopf wird einem trotz starrem Blick auf die Leinwand hin und hergeworfen. Bevor jemand in diesem schnellsten Film seiner Zeit – möglichweise war das der Versuch hinter diesem Irrsinn, der sicherlich gelang – anfängt zu reden, holt diejenige tief Luft und dann geht es wie im Maschinengewehrfeuerhagel der Worte los. Das Ergebnis ist des Wahnsinns fette Beute, denn wer will in einer solchen Raserei auf Sinn und Verstand achten. Und so will Madame Divine nicht in den Zeugenstand, obwohl sie doch so elegante Kleidung trägt. Ein Rausch von Pulp.
ok
Der Mao-Bibel nicht ungleich sucht WEST INDIES nach einfachen, verständlichen Bildern um vergangene wie modern Sklaverei mittels eines brechtschen Musicals darzustellen und anzuklagen. Kirche, Kapital und Politik sind Heuchler und Ausbeuter und ihre Handlanger, egal welcher Rasse, nicht besser. So lautet die wenig überraschende Botschaft von bunten Episoden mit Broadwaytanzeinlagen und Songs die leider eher selten so garstig sind, wie das fröhliche Assimilationslied. Bewusst oder unbewusst ist das gezeichnete Bild dieses milden Agitpropepos‘ gerade darin sehr pessimistisch, dass die symbolischen Vertreter der besagten Institutionen stets dieselben Darsteller sind. Nur ihre Kostüme ändern sich. Loswerden scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, so scheint uns WEST INDIES entgegen singen zu wollen.
großartig
Gleich zu Beginn entscheidet sich ein Hund dazu, seinem Herrchen auf dem Weg des Seppuko zu folgen. Das erleichterte Lächeln des Besitzers bereitet auf das Kommende vor. Es folgt nämlich eine trockene Komödie über Sinn und Unsinn des Bushidos. Mittel des Absurden ist das Anhäufen eines Haufens sinnloser Tode. Je weitreichender und härter die Folgen von Mord und Nichtmord dabei werden, desto schattiger, kunstvoller und erratischer werden die Bilder. Im finalen Gewimmel stehen sich dann zwei Männer mit Lanzen gegenüber. Zwischen ihnen steht ein Brunnen. Das Seil, an dem der Schöpfeimer hängt, wird von den umherirrenden Pfeilen, Kantanas und Lanzen nach und nach zertrennt. Das reißende Seil im Vordergrund scharf. Im Hintergrund ein Kämpfer unscharf. Dies ist der Startschuss für den Kampf der beiden, aber auch das Ende von ABE ICHIZOKU, der dem Lebensseil des Abe Clans durch die Regeln des Bushido immer wieder Schnitte zuführte.
ok –
Vor CROSSROADS OF EVENTS sitzend ist ein Film wie DER PERSER UND DIE SCHWEDIN garnichtmal mehr so unerklär- wie wunderlich. In dem Fell dieser vagen Ähnlichkeit steckt aber ein moralinsaurer Wolf. Schon die Hinwendung des aufrechten Helden zu einer Diebesbande wird langgezogen … im zarten, langanhaltenden Leid – welches eigentlich nur durch die engen, moralischen Grenzen unseres Heroen entstehen und die ihn trotz seines Alters zum Tristkind machen – und in ausladenden Bilderstürmen, die seinen inneren Kampf schon in Richtung Cartoon rücken. Doch die CROSSROAD OF EVENTS bleibt eigentlich nur Randnotiz, da der unbeugsame Recke sofort wieder auf die rechte Bahn zurückfindet. Stattdessen nimmt sich der Film alle Zeit der Welt um sämtliche Figuren noch ihre Fehler erkennen und sich zum Guten bekehren zu lassen. Harter Tobak ist dies in seiner unerbittlich gutherzigen Sittenwärtermoral … welche die engelsgleiche Frau, die allen zu ihrer Erleuchtung verhilft, zudem unmotiviert sterben lässt, damit diese nicht im Weltlichen einer Paarbeziehung verkommen werde. Strahlstahl.
gut –
Kaum dem expressionistischem Stummfilm entwachsen sind hier alle Linien schräg und/oder gebogen. Einzig die Grenze zwischen den beiden Erzählungen der beiden Mönche um eine zurückliegende Dreiecksgeschichte zwischen den ehemaligen besten Freunden und einer Frau ist kerzengerade gezogen. Auf der einen Seite eine an Poe gewahrende Nervenkrankheit, Homoerotik und die verstohlene, nicht eingestandene Liebe zwischen den beiden Männern in jeder Lücke. Auf der anderen Seite ist das, was drüben schwarz ist, weiß und das, was weiß ist, schwarz. Allegorisch und buchstäblich in der Kleidung der männlichen Protagonisten. Die homosexuellen Lücken werden hier mit einer heterosexuellen Schicksalsgeschichte aufgefüllt und das Poeeske, schon am Ende der ersten Erzählung gelinde entzaubert, verschwindet im Weltlichen völlig. Die entstellten Holzmaskengesichter des finalen Fiebertraums retten DOS MONJES vor der allzu trüben Profanisierung.
großartig +
Ein lockerleichte und für Mel Brooks-Verhältnisse geradezu zurückhaltende Allegorie darüber, worum es bei (verrückten) Wissenschaftlern tatsächlich geht: einen größeren Penis zu bekommen. Darauf ein genüssliches Hhhhhhmmmmmmmm.
Sonntag 25.06.
gut
gut +
Ein Mann auf Kur. Der Film beginnt mit einer Montage des Partyalltags, der in diese führt, und zeigt dann in amüsanter Abfolge Porträteinstellungen der den jungen Mann umgebenden älteren Herrschaften in dieser Wüste der Langeweile … und dann sind da noch die Töchter verkündet schließlich ein Zwischentitel. Auf diesen folgt eine Horde Frauen, die aus einem Wald auf die Kamera zu gerannt kommt. Und dieses Bild wird die frivole Seite von LE MOGLI E LE ARANCE (Die Frauen und die Orangen) bestimmen. Diese jugendliche Traumvorstellung vom Ertrinken in einem Meer der Begierde, in dem aber auch der Horror der Überforderung steckt. Es folgen fröhliche Tänze zweier Männer umringt von den 14 Töchtern anderer, ein Baum, in dem diese jungen Frauen wie Früchte sitzen und eben das Bild einer Tür, die einen Spalt weit geöffnet ist und aus dem unzählige Arme nach dem Mann greifen. Ebenso schwungvoll werden die Orangen als Symbol der gottgegebenen Ehe eingeführt. Doch während das Auto des Mannes symbolreich unter der Last der 14 Mädchen zusammenbrechen wird, so wird LE MOGLI E LE ARANCE unter der Tristesse einer umständlichen Suche nach einem lebenslangen Lebenspartner in moralinen Gefilden partiell verkümmern.
gut
Kurzfilm mit dem jungen Jacques Tati, der hat, was den von ihm entworfenen Filmen fehlt: Unbekümmertheit.
(großartig)
Der stream of consciousness eines Soldaten am Sonntag, der … ach, leider habe ich von diesem so schön wirkendem Film viel zu viel verschlafen. Es ist immer wieder ärgerlich.
großartig
Kein Gramm von Ironie oder Sarkasmus trübt die Rührseligkeit von THE MAGNIFICENT OBSESSION. Selbst von einer wahnsinnigen Obsession befallen wird sich der frohen Kunde von christlicher Menschenliebe, die – richtig angewendet – zu unbeschreiblichem Glück führt, mit Engelchören hingegeben. Erzählt wird mit einem kunstvollem Auge für Farbe und Licht (so beherrschen die Bilder nach der Erblindung von Helen Phillips (Jane Wyman) zunehmend die Schatten) und einem Sinn für irrwitzige Symbole (so wird, kurz bevor Bob Merrick (Rock Hudson) seiner blinden Geliebten offenbart, dass er der Schuldige für den Tod ihres Mannes und ihrer okularen Umnachtung ist, in einem surrealen schweizer Ort eine Strohhexe verbrannt). Es gibt nur eine Rettung für den Kitsch: verrückten Kitsch.
großartig
TROUBLE IN PARADISE ist eine fröhliche, im Herzen aber völlig desillusionierte Sause. Dass Träume schwerlich zu verwirklichen sind, davon erzählt die Geschichte eines Meisterdiebes, der sich in sein Opfer verliebt. Aber auch, dass sich der Spaß davon nicht verdorben werden lassen soll. Es herrscht ein ständiges Lachen, das gerade sich im eloquent erreichten melodramatischen Höhepunkt vom Schicksal nichts abtrotzen lässt. Gerade bei diesem Il Cinema Ritrovato von 2017, wo die Selbstmorde täglich durch die Filme huschten,* eine Außenseiterposition. Ansonsten natürlich ein Schwank der obersten Zehntausend, bei dem die real herrschende Depression in Form eines Trotzkisten einbricht, der sich zu den potentiellen Findern einer 125.000$-Handtasche gesellt, nur um der verhinderten Besitzerin lauthals die Meinung ob eines solchen Luxus‘ mitzuteilen. Dieser Einbruch der Realität ins Paradies ist aber auch nur wieder Teil des Witzes, der unmerklich gegen eine Verhärtung des Herzens ankämpft.
*****
* Es waren, retrospektiv gezählt, ungefähr 13 vollzogene Selbstmorde, ein sich abzeichnender, ein sich als bloße Vermutung entpuppender sowie ein missglückter Versuch.
fantastisch
Am See der Frauen ist einiges los. Die Stimmung ändert sich förmlich minütlich. (Schwarz-)Romantischer Traumfilm, dem nur das Moor fehlt, Heimatfilm aus einem fiktiven Österreich, sommerlicher Schlagerfilm ohne Schlager, depressionistisches Sozialdrama ums Verelenden, plumpe Schenkelklopfer und ein Rollin vor Rollin mit Wasserleichen, Verfaulung, Heuschobern und fastvampirischen Fürsten. Dies zerfällt aber nicht in eine Heterogenität, da eine dem Traum entlehnte Logik dies alles – mit kindlicher Selbstverständlichkeit und Neugier – zu einem reichhaltigen Ganzen zusammenhält. Simone Simon wirkt darin wie eine Abwandlung von Mary Pickford. Ihr Körper – für sich zart und klein aussehend, wirkt dieser plötzlich neben anderen Frauen seltsam monströs, da sie trotz ihrem Petit-Aussehen diese überragt – nimmt einen Raum zwischen vorsexueller Unschuld und Sinnlichkeit ein. Bei ihrem ersten Auftreten als bemantelter Fährmann hält sie der Schwimmer, den sie im nächtlichen Nebel vor dem Ertrinken rettet, für einen Jungen. Ihren Umhang hat sie da schon abgelegt, aber auf die Bemerkung folgend wird ihr Dekolleté ausladend präsentiert. Knapp wird sie so mit zwei Gegensätzen bestimmt, die ihre verlorene Existenz zwischen argloser Freundlichkeit und der nervenkranker Sensibilität aus einer Poe Geschichte einführt.
nichtssagend
Wunderschöne Bilder von Wasseroberflächen und kahlen Baumkronen sowie verträumte Kinderbuchmotive wie das Aushorchen von Bäumen mittels eines Messerstichs in diese sind die zierlichen Rüschen dieses seelisch und moralischen Eitelbeutels. Denn je glücklicher der kriegstraumatisierte Mann (Hardy Krüger) und das von ihren Eltern und Großeltern in einen strengen Waisenstift abgeschobene Mädchen werden, desto klarer wird, dass die Niedertracht ihrer Mitmenschen dieses Glück zerstören wird. Das es eben nur dafür angehäuft wird.
Sonnabend 24.06.
großartig –
A ship is like a little world. Die USA in der Depression auf ein Narrenschiff zusammengeschrumpft. Die Kamera fährt raumgreifend die Ebenen ab und findet zerstörte Träume, Diebe und Flittchen, von der Ruinierung seltsam unbelastete Bankiers und sentimentale Hoffnungen … oder eben Figuren, die sich eine schlagfertige Oberfläche erhalten, um nicht einzuknicken. Und wie unberührt von all diesem tanzen die roaring twenties weiter. Wellen tragen diese schon veralteten Bildwelten von dem obersten Deck herab und setzen sie ins Geschehen als Mosaikstein einer vergangenen Welt ein. Ikonische Schießereien in Dampf und Schatten verengen die Probleme und die Rettung auf TRANSATLANTIC, dieser kleinen Welt soll Redlichkeit und die Fähigkeit zuzupacken bringen.
Donnerstag 22.06.
fantastisch
Kurz vor dem Ende sitzt Hauptfigur Stephen (Spencer Banks) auf einen Hügel und ein Paar kommt auf ihn zu. Mit den Versprechungen des Weltlichen und schmeichelnden Verkündungen werden sie ihn versuchen zu locken, denn final ist PENDA’S FEN auch eine Erlösung, eine Jesus-Geschichte geworden. Doch aus Stephen bricht es heraus: No, no! I am nothing pure! My race is mixed. My sex is mixed. I am woman and man, light with darkness, nothing pure! I am mud and flame! Zu Beginn ist Stephen rechts-national, arrogant, besserwisserisch, auf dem besten Weg ein Faschist zu werden. Doch die körperliche Anziehung, die der Milchmann auf ihn hat und die ihm nach einem Traum und einem Gespräch mit seinem (Adoptiv-)Vater – einem Priester, der möglicherweise nebenher aufrührerische bis blasphemisch aufklärerische Theaterstücke schreibt, aber auch so abgeklärt und geistig ungeheur flexibel und radikal verständnisvoll ist – auch bewusst wird, wird sein Weltbild zerstören. Dabei liegt PENDA’S FEN nichts an einer Entwicklungsgeschichte. Sprich, es wird nicht minutiös verfolgt wie Stephen sich an Altes klammert und das Neue langsam zugelassen wird. Nein. Stephen ist ganz interessiert und versucht sich in seiner zunehmend von Träumen zersetzten Welt einzuleben. Seine sexuelle Identität, seine ihm offenbarte Herkunft, die ihm umgebenden linken bis sozialistischen Gedanken, er nimmt sie an und versucht zu verstehen, was dies (für ihn) bedeutet. Da wo beispielsweise in LOOPER Bruce Willis kurz einmal das Nachdenken über Zeitreisen per Meckern untersagen darf, weil das eh (für den Plot) Quatsch ist, da ist David Rudkins Drehbuch fast nur an Ideen interessiert. Auf dem Boden von Stephens Verehrung von England im Jetztzustand entwickelt sich ein wildes Potpourri aus allen vergangenen und möglichen Englands. Clarke zeichnet Stephens Wissbegierde in tastenden Bildern nach, die über Bücher und Seiten gleiten, die Engel und Dämonen in seinen Lebensalltag lassen, die aus Gemälden (ua Der Nachtmahr) gesprungen scheinen, die atomare-paranoide Pulphorrorszenarien wie nebenher ausbrechen lassen und ebenso nie mehr aufgreifen oder auch einfach die Unterhaltung mit dem verstorbenen Komponisten Edward Elgar sachte distanziert als Realität möglich machen. Kurz PENDA’S FEN wandelt Protestantismus in einen wilden, hingebungsvollen Paganismus, irgendwo um die Ecke von THE WICKER MAN, voller Ideenschangeleien um Religion, Sex, Angst, Freiheit … wo am Ende der letzte heidnische König Englands wieder auf einem Thron sitzt darf und zu Stephen den Ethos von PENDA’S FEN zusammenfassen darf: Be secret. Child be strange, dark, true, impure, and dissonant. Cherish our flame.
großartig –
Nach dem Nervenzusammenbruch von DAS PFANDHAUS wartet Dietrich Haugk diesmal mit einer Komödie auf. Der Mädchenhandel-Giallo bleibt nur der Auslöser um die absurde Seite des Polizeialltags mit einem Derrick im 4 Tage durchgehenden Polizeidienst zeigt, der mit dreisten Sprüchen gegen die dreiste Sprüche der Schuldigen vorgeht. Absolutes Highlight: Harry schaut einem Teddybär unmotiviert unters Kleid … um herauszufinden, welches Geschlecht dieser hat.
Dienstag 20.06.
fantastisch –
CHRISTINE ist das companion piece zu ELEPHANT. Nur das nicht mit Waffen, sondern mit Spritzen und Heroin durch eine ruhige, bürgerliche Siedlung gelaufen wird. Abermals ist Clarkes Film von Repetition bestimmt. Laufen, reden, spritzen. Die Rituale der Jugendlichen sind zwanghaft, wie es die poetische Form des Films ist. Laufen, reden, spritzen. Kaum dringt Veränderung ein. Starre Formen des ewig Gleichen. Laufen, reden, spritzen. Innerhalb dieses von beiden Seiten (Filmemacher, Figuren) auferlegten Korsetts herrscht eine blumige Leere. Die Jugendlichen leben in einer Art PEANUTS-Welt, die fast ins abstrakte verengt ist und die, zumindest im von CHRISTINE gezeigten, nur aus ihren Wohnungen und den gespenstisch unbevölkerten Wegen dazwischen besteht. In die Schule scheint niemand mehr zu gehen und die Existenz von Erwachsenen ist von wenigen Ausnahmen abgesehen nur zu erahnen. Laufen, reden, spritzen. Christine besucht nach und nach ihre Freunde/Kunden, die meist erst aufstehen, und bringt ihnen ihre Spritzen vorbei. In ihrem Leben gibt es nichts, außer die im Hintergrund beständig laufenden Cartoons, die kurzen Unterhaltungen mit Christine und die Spritzen. Laufen, reden, spritzen. Wie ELEPHANT ist CHRISTINE ein Film, der an der Oberfläche mahnt. Achtet doch auf die Kinder. Laufen, reden, spritzen. Die Welt der leeren Rituale, die wir sehen, vollzieht sich in engen Häusern, die erst durch ihre Etagen für Familien bewohnbar werden. Und egal wo Christine hingelangt, die Wohnungen sind die gleichen. Die Couchen, deren Bezüge, die Sessel, die Bilder und Verzierungen an den Wänden, nichts gleicht dem anderen, aber trotzdem schafft Clarke, das alles aussieht, als ob wir dort eben schon gewesen sind … und es nur schnell umgeräumt wurde. Wie die Cartoons, die nie die selben sind, aber eben eine gleichförmige Atmosphäre eines Nebel kindlicher Simplizität über die Szenerie legt, sind die Räume Teil einer Verschiebung der Realität dieser Jugendlichen ins Traumhafte. Laufen, reden, spritzen. Statt den Zeigefinger, statt WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO, gibt es den Loop einer kargen Realität aus ALICE IM WUNDERLAND, der etwas Schönes und Beruhigendes hat … wo es nur ab und zu kalt durch die Szenerie weht. Laufen, reden, spritzen.
Sonntag 18.06.
großartig +
Die Einstellungen sind mitunter Suchbilder. Manchmal bewegt sich etwas im Dickicht oder im Schatten und dann war es doch schon die ganze Zeit sichtbar … nur eben nicht wahrgenommen. Und so verdichtet sich mit der Ankunft von Militärs in dem Dorf der Handlung die Diktatur Marcos‘ wie auch diverse Dinge, die vorher da waren, plötzlich viel sichtbarer werden … während andere verschwinden.
großartig
Emblematisch für THE MAN WHO WOULD BE KING ist der Blick den Rudyard Kipling (Christopher Plummer) den beiden Abenteurern Daniel Dravot (Sean Connery) und Peachy Carnehan (Michael Caine) zuwirft, die sich lieber in abgelegene Winkel der Welt begeben und kämpfen, nur um, manchmal ist es überdeutlich, keinen Sex mit Frauen haben zu müssen – bezeichnenderweise geht alles zu Bruch, wenn einer dieser beiden einander treuen Kerle doch eine Frau für sich erwählt. Jedenfalls schaut Kipling/Plummer sie mit den leuchtenden Augen an, mit denen wir Idioten anzuschauen neigen, die den kokoloren Irrsinn in die Tat umsetzen, von dem wir nur träumen. THE MAN WHO WOULD BE KING liebt seine knuffigen Hampelmänner mit Tonnen von Schneid und bietet ihnen eine feierliche, spaßige Bühne in Gewand eines epischen wie naiven Abenteuers.
Sonnabend 17.06.
gut
verstrahlt +
Während eines Regensturzes an einem lazy afternoon betreten zwei Typen den leeren Pub eines sich gerade schminkenden Barkeepers. Später kommen zwei jugendliche, fast erwachsene Mädchen hinzu. In der Ecke, widerwillig bis nicht den Tresen polierend, ein junger Mann. Die in Wortgefechten und Alkoholausschank bzw -verwehrung ausgetragenen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Geschlechtsentwürfen sind in der halben Stunde von UNDER THE AGE von hingebungsvoller Feindseligkeit und künden nur indirekt von einer leicht glimmenden Faszination füreinander. Doch alles endet, wie sowas enden muss, wenn jeder jeden herunterputzen muss, um die eigene fragile Identität nicht zu verlieren, nämlich im Horror. Das sieht dann meist aus wie das Fernsehen seiner Zeit halt aussah, also wie eine Folge EIN HERZ UND EINE SEELE. Aber Clarke filmt dabei konzentriert die Leerstellen, die das Drehbuch lässt. Wie eine Sitcomfolge mag es mitunter scheinen, bei der einem weder die Figurenkonstellationen noch die Running Gags nicht bekannt sind. Das Susie, der Barkeeper, lackierte Nägel hat, Lippenstift und Eyeliner trägt, diese sogar offensiv am Tresen ausbessert, es scheint niemanden zu überraschen oder zu wundern. Er wird damit aufgezogen, aber seine Existenz ist eher Teil der wundersamen Normalität dieser halben Stunde. Oder der Junge am Tresen … ist er Lustknabe, Angestellter oder Verwandter, wenn nicht gar Sohn von Susie. Sein Verhalten, wie das eigentlich aller ist ambivalent und wirft mehr Fragen auf, als das es Antworten gibt. Nur eines ist deutlich spürbar bei der allgemeinen Zickerei zwischen Menschen, die sich kennen, vll auch nicht, dass ihre gockelhafte, unentspannte Identitätsversicherung böse enden wird.
gut
Die computergenerierte Abhackung von Joseph Gordon-Levitts Nasenspitze, womit der Umstand, dass Bruce Willis sein älteres ich ist, gerechtfertigt werden soll, ist jeden Blick auf diesen Film wert.
Freitag 16.06.
ok
ok +
Bei dem sehr schönen DISSENT & DISRUPTION-Boxset steht auf den einzelnen Hüllen unter dem Titel stets der Drehbuchautor. Also beispielsweise THE GENTLEMAN CALLER by Roy Minton. Gerade wenn er sich in der HALF HOUR STORY-Programmschiene der BBC erste Sporen verdient ist er dementsprechend eher Erfüllungsgehilfe der Dialoge. Sowohl bei SHELTER als auch bei THE GENTLEMAN CALLER verdichtet er genau dies extrem. SHELTER besteht, mit einigen Ausnahmen, wenn die Dialoge auf etwas im direkten Umfeld Bezug nehmen, nur als Nahen und Großaufnahmen der beiden Schauspieler. Und selbst die Nahen verschwinden bei zunehmender Intensität auch noch. Zwei Menschen redend. Das Prinzip ist bei THE GENTLEMAN CALLER ähnlich, nur dass eben drei Personen anwesend sind, die zumeist in engen Dreieckskonstellationen ins Bild gepresst werden. Besonders bei zweitem sind dabei schon Clarkes Sympathien für widerständige Positionen zu gesellschaftlichen Narrativen zu spüren. Sprich, zwei Assis bestehen moralisch zwielichtig auf ihr Recht auf Arbeitslosengeld, welches ein Sachbearbeiter ihnen verwehren möchte, weil sie ihm sozial nicht sanktionierfähig erscheinen.
großartig
Dass der titelgebende Scum wohl eher der Jugendstrafvollzug ist, der seine Christlichkeit pharisäisch vor sich her schleift, und nicht die jugendlichen Straftäter, die konstant erniedrigt werden und erniedrigen, das ist mehr als offensichtlich. Körperliche Gewalt, Einschüchterungen oder Vergewaltigungen zwischen den Insassen werden von Wärtern und Leitern strategisch gutgeheißen, unterstützt und genüsslich beobachtet. Sicherlich nicht offen, aber da die brutalen Strafen der Exekutive meist die Opfer der Machtkämpfe treffen, entsteht ein gut gepflegtes Biotop aus Sozialdarwinismus. SCUM, trotz seiner gravitären Wucht dieses Dargestellten, ist dabei seltsamerweise leichtfüßig … zumindest in der von der BBC ursprünglich verschmähten und erst 1992 ausgestrahlten Version. (Ergo: ich habe nicht die Kinoversion gesehen, die sich mehr auf eine Person konzentrieren soll.) Denn nicht die Anklage eines widerlichen Status Quo steht im Mittelpunkt – diese stellt sich wie von selbst ein – sondern das Leben an einem solchen Ort. Ohne sich auf eine Figur gänzlich zu fokussieren treiben die Tage, Geschehnisse und Erniedrigungen vorbei. Und irgendwo zwischen den beiden Extremen Carlin (Ray Winstone), der zu Beginn neu in der Besserungsanstalt ankommt, der sich mehr oder weniger gezwungener Maßen an die Umstände anpasst, der sich folglich zum von offizieller Seite geduldetem Herrscher seines Flügels aufschwingt und der sich ein bequemes (was auch immer das in SCUM heißen kann) Leben unterhalb der Macht erkämpft, sowie Archer (David Threlfall), der als dickköpfiger Narr sanft der Verwaltung das Leben erschwert – so gibt er vor Vegetarier zu sein, damit ihm eine alternatives Essen und lederfreie Schuhe angeboten werden müssen – und sich so versucht seine Würde zu behalten, zwischen diesen beiden Extremen zeigt SCUM eben wie das Leben an einem solchen Ort einem langsam zwischen den Händen zerbröselt.
großartig
Einer der Gründe LAST ACTION HERO zu schauen, ist auch die schwelende Hoffnung, dass McTiernan mal ein Remake von DAS SIEBTE SIEGEL dreht und dabei hoffentlich nicht so viel Respekt zeigt, wie gegen Ende des Films … sondern eher so wie hier vorgeht.
Donnerstag 15.06.
großartig +
Ich brauch‘ Musik und Tanz und etwas Eleganz, sang Vicky Leandros in ihrem Gassenhauer THEO, WIR FAHR’N NACH LODZ, der als Leitmotiv ALARM AUF REVIER 12 durchzieht. Ähnliches mag sich Zbyněk Brynych bei den meisten seiner Filme gedacht haben. Hier auf jeden Fall … denn seine erste DERRICK-Folge ist dezent durchgedreht. Sie ist nicht wie PFANDHAUS von emotionalem Wahnsinn beseelt und auch nicht wie STIFTUNGSFEST von einem verständnisvollen, sondern von einer fast rauschhaften Trunkenheit, die beständig am Lachen ist … in der aber auch eine tiefsitzende Traurigkeit spürbar wird. Wenn Derrick das erste Mal auf Einbrecher Ross (Gert Haucke) trifft, dann beginnt er jedenfalls langsam, aber immer breiter zu lächeln. Es ist einerseits die Freude, weil sich in seinem Fall (ein scheinbar unbescholtener Mann wurde in einer Telefonzelle erschossen) neue, spannende Optionen auftun. Schließlich weiß er um den just aus dem Knast entlassenen Ross. In diesem Grinsen steckt aber auch das Entzücken endlich einen ebenbürtigen Gegner zu haben. Denn Haucke darf einen flüchtig aufziehenden Superschurken geben, eine Art Kingpin, der seine Familie despotisch unterdrückt und sein Umfeld mit seiner körperlichen Präsenz, seinem garstigen Lachen, seiner Unverschämt- und Durchtriebenheit terrorisiert. Und während sich der kafkaeske Superinspektor und der skrupellose Schwerverbrecher ein elegantes, tänzerisches Katz- und Mausspiel liefern, wird mehrmals die vierte Wand durchbrochen und abseits des Ganzen eine Stadt/ein Land porträtiert, wo Verzicht und Rausch in enger Umklammerung dumpf darniederliegen. Und so läuft THEO, WIR FAHR’N NACH LODZ, wenn Figuren einsam sind, wenn Einbrecher während eines Bruchs im häuslichen Pool eine derb-delirierende Party feiern oder wenn der ottonormale Deutsche in Massen in der Kneipe steht und das Leben genießt. Und jedes Mal wenn Vicky Leandros wieder beginnt, steht da auch die Frage im Raum, der mit einem etwas anders geartetem Lächeln, als dem Derricks, begegnet wird: Wo bin ich hier nur hingeraten?
Mittwoch 14.06.
fantastisch –
The Troubles, also der Nordirlandkonflikt, sei wie ein Elefant im Wohnzimmer. Mit diesen eingeblendeten Worten beginnt es. Die Struktur von ELEPHANT ist dabei sehr klar. Eine fluid schwebende Kamera begleitet einen Mann, der energisch und zielgerichtet durch Straßen, Gänge und Wohnungen läuft. Am Ziel angekommen erschießt er einen anderen Mann. Manchmal auch mehrere. Der Täter verlässt den Tatort und es folgt eine statische Einstellung (oder mehrere, je nach Anzahl der Opfer), welche die Leiche verloren in ihrem Umfeld zeigt. Und dann beginnt alles wieder von vorne, nur mit anderem Personal, anderen Waffen, an einem anderen Ort. Nach knapp 40 Minuten endet ELEPHANT, aber ein Schluss ist nicht in Sicht. Die unkommentierte Repetition von Morden, die in keiner Handlung, keinen Erklärungen verortet werden, erzeugt eine drückende Aura von Sinnlosigkeit. Das Anliegen ist so ebenfalls klar. Loyalist oder Republikaner, ELEPHANT macht keinen Unterschied kenntlich. The Troubles sind sinnlosen Morden. Dadurch, dass die Motivationen ausgespart werden, entsteht aber noch mehr. Vor allem ist ELEPHANT nämlich auf seine Weise wunderschön. Der heruntergekommene UK-Schick, die schäbigen Sackgassen, die Löcher in den Straßen, die verfallenen Wände der Häuser, aber auch das fast völlige Fehlen von Passanten, all das gibt der Sinnlosigkeit eine postapokalyptische Korona. Das getriebene Schreiten durch diese ist der Gang zum Shoot-Out. Das Fehlen der Rationalisierungen der Morde deutet auf etwas viel Tiefliegenderes. Von Machophantasien, die an MAD MAX, THE WILD BUNCH und John Wayne gemahnen, sprechen diese (in ihrer Repetition) ritualisierten Morde. Von bitteren Zeiten und ihren Machern. ELEPHANT ist von einer kargen, ätzenden Schönheit, die einen metallenen Geschmack auf der Zunge hinterlässt.
Dienstag 13.06.
großartig
Das madarinenorange L.A. aus Sicht einer gleisenden Handykamera. Darin zu sehen: Leute auf der Suche. Nach der blonden Prostituierten, die mit dem geliebten Zuhälter schläft. Nach den Traumfrauen der Straße. Nach den Machenschaften des Schwiegersohns. Oder einfach nach einem süßen Moment im hysterischen Drama um einen herum. Selbstredend vor allem Leute, die eher zärtlich, wütend und irrlaufend am Leben scheitern und es doch meistern. Ein Spaß.
Sonntag 11.06.
großartig
We love the simple things in life. Wenn DER WIND WIRD UNS TRAGEN nicht ganz so karg wäre, dann wäre er sicherlich u.a. Esokitsch. So begrenzt er das, was zu sehen ist, um am Ende die in der Sonne wehenden Kornfelder feiern zu können.
verstrahlt +
Am eindrucksvollsten ist möglichweise, wie John Huston auf eine leuchtende Landebahn und die tanzenden Lichter am Himmel schaut. In seinem Blick steckt das Versprechen, dass sich das Tohuwabohu um den Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen diabolischem Kind und hilfloser Mutter, zwischen Greifvögeln und Tauben, sich darin auflöst. Aber im Endeffekt steht da eben nur ein alter Mann und schaut sich Farben an. Mit einigen Ausnahmen, wo Vögel wie von Donald Cammell geschickt auftauchen, sieht THE VISITOR nach guter Sonntagabendunterhaltung aus. Doch im Herzen herrscht der Irrwitz … worin er an THE FURY erinnert. Sinn wird ganz anständig versprochen, aber tatsächlich bekommen wir eine bunte Wundertüte.
fantastisch
So now, less than five years later, you can go up on a steep hill in Las Vegas and look West, and with the right kind of eyes you can almost see the high-water mark—that place where the wave finally broke and rolled back. Wehmütig schaute Hunter S. Thompson einst in die Vergangenheit und betrachtete das Ende eines Traums. Den Summer of Love. Zurück blieben Neurosen, aber kein Groll. Man war halt an sich gescheitert. INHERENT VICE blickt in dieselbe Richtung, doch der Grund des Scheiterns ist mit dessen Art von Augen äußerst diffizil auszumachen. Vom Wesen her handelt es sich bei dem Erblickten um ein Sammelsurium von Verschwörungen und paranoiden (Schein-)Zusammenhängen. Im Mittelpunkt steht ein Hippie, der sein Leben als Privatdetektiv zubringt … die Struktur ist folglich die eines Film Noir. Eine Frau besucht das Bogart-Substitut mit den breiten Kotletten, Doc Sportello (Joaquin Phoenix). Es geht um Ehebruch und einen geplanten Mord. Simple Dinge … eigentlich. Es folgt noch ein einfacher Auftrag und dann Nazibiker, Morde, Immobilienspekulation, scheinbare Zufälle, vorgetäuschte Morde, Nixon, Black Panther, COINTELPRO, prügelnde Polizisten, Geheimgesellschaften, das FBI, Auftragsmörder, chinesische Triaden, Drogenschmuggel, Drogennebel, durch Drogen zerstörte Körper und Psychen …mit einem Schalk im Nacken packt INHERENT VICE immer noch mehr drauf, wenn Sportello durch die verzerrten Karikaturen von typischen Noir-Krimi-Orten geschleift wird und nach den meist geflüsterten Informationen von (geheimen) Informationen immer wieder mit offenem Mund völlig überfordert schaut. Überfordert davon, die überbordenden Dinge (in seinem benebelten Kopf) langsam, ganz langsam zusammenzusetzen. Oft genutztes Stilmittel ist dementsprechend ein kaum merklicher Zoom in eine Einstellung hinein. Also eine unmerkliche Konzentration auf eine Person oder einen Bildinhalt. Die Musik spielt teilweise über Szenen hinweg im Hintergrund weiter. Die Existenz der Erzählerin Sortilège (Joanna Newson) wird durch ein paar Schnitte in Frage gestellt. Alles verschwimmt in diesem Spinnennetz. Pynchon/Anderson sind dabei so übermütig und gutgelaunt, wie sie ausgestellt sachlich durch diesen sinnlichen Nebel stapfen lassen. Ernst oder Spaß? Völlig absurd wird das sich immer mehr verzweigende Labyrinth aus (möglichen) Zusammenhängen jedenfalls, wenn Martin Short als wild koksendes und zwanghaft promiskes Lächeln einer Zahnarztvereinigung vorsitzt, die möglicherweise hinter allem steckt. Am Ende der Implikationen dieser Rumpelkammer gesellschaftlichen wie politischen Zeitgeschehens wartet so, wenn auch noch weit, weit entfernt, die USA unter Ronald Reagan. Etwas Fatalistisches steckt in der Ruhe, mit der INHERENT VICE seinem Plot/seiner Satire eines Plots folgt. Wenn nur der Nebel sich endlich lichten würde. Dann könnte sich da Groll gegenüber einem ausgemachten Feind entwickeln. So ist es vll auch aber ausreichend, lebend wieder herausgekommen zu sein … aus diesem Traum, dessen Ende von Las Vegas aus zu sehen ist.
Sonnabend 10.06.
großartig
Am Ende zieht ein Zug aus mafiös-gekleideten Trauernden hinter einem Sarg her. Sie laufen durch eine graue Wüste, die Müllhalde sicherlich direkt um die Ecke, Schlote und Industriebauten am Horizont. Die Hippieträume des Beginns, hysterisch um Ruhe flehend, wurden erfolgreich zerstört. Zurück bleibt Tod, Hass und Frustration, eskalierend. Ein Trauerspiel.
fantastisch –
They always come back. Der psychopathische Arzt Matar (Sean Haberle) wird dramaturgisch höchst ungewöhnlich immer wieder gefasst. EXQUISITE TENDERNESS prescht wiederholt zum Höhepunkt vor, steht atemlos vor der eigenen Freudenlache und fängt wieder von vorne an … denn egal ob Matar sich nun das Rückgrat bricht, die Hand zu einem Stück Klump schlägt oder er von Kugeln durchlöchert wird. Er kommt immer wieder. Psychologisch ist er möglicherweise das schlechte Gewissen, welches Dr. McCann (Isabel Glasser) irrational heimsucht und welches wohl Ausdruck ihrer Gefühlswelt in einem männlichen Umfeld ist, wo Forschung, Erfolg und Rücksichtslosigkeit groß geschrieben werden, während sie, scheinbar unbeholfen, auf Ethik pocht. EXQUISITE TENDERNESS wirft sie in ihren persönlichen Alptraum voller Nässe, Kellern und Zwischenräumen, aus Rohren, Gedärmen und medizinischem Gerät, wo einfach alles für die Anerkennung und die Rache getan wird. Zusammengesetzt wurde dieser Alpdruck von jemanden wie M.C. Escher. Die Kamera gleitet oft an einem Raum vorbei, doch die Einstellungen nach den Schnitten (zumal oft durch Wände kaschiert) liegen quer zu dem erwartbaren Raum. Zudem: Belugas in blauem Wasser schwimmen hinter einem Date im Restaurant … kurz bevor die Datenden selbst im blauen Wasser wie diese Wale schwimmen werden … die Assoziationen der Farben und Schnitte knüpfen einem Knoten ins Hirn. Die einfache(n) Geschichte(n) kommen in einer Bilderwelt zum Leben, die beständig den kalten Marmor aus dem sie geschlagen sind, verkrümmt, anreichert und erweitert. Beginnen tut EXQUISITE TENDERNESS mit Blut, Lollipop-Pop und Regen in Schwarz-Weiß. Die Geschichte aus dem Groschenheft der 50er wird zur Geschichte aus einem Horrorfilm der 90er. Doch unter diesen Oberflächen herrscht eine wilde Tektonik.
verstrahlt +
Eine Eindampfung von de Sades JUSTINE auf etwas Wesentliches. Eine Frau flieht vor der Polizei und landet bei perversen Bürgern im Wald, welche ihre Hotelgäste nicht nur ausrauben und töten, sondern auch sexuell missbrauchen. Sie sind reich, alles andere können sie sich eh leisten, sagen sie. SALÓ als Moritat, wo die erste halbe Stunde langsam zu etwas hinführt und wo in der zweiten nur mehr sich den bizarren Vergnügungen des machtvollen Fleisches hingegeben wird. Roman Pornos haben nur eine Laufzeit von einer Stunde. Nach einem solchen Aufbau bleibt dann keine Zeit mehr. Also wird in der zweiten Hälfte gepeitscht, vergewaltigt und anderweitig seelisch und körperlich misshandelt, was das Zeug hält … wobei das meiste hinter den absurden Kumashiro-Zensur-Quadern versteckt ist. Gewalt als Freude der Korruption und Dekadenz. WOODS ARE WET ist eine freudlose Konzentration von etwas dumpfem.
Freitag 09.06.
großartig –
Der sich dezent andeutende Mutterkomplex des Oskar Roehler steht hier im Mittelpunkt eines verkappten Roadmovies. Es ist eine Reise in die Tristesse der, bald wird es versprochen werden, kommenden blühenden Landschaften, wo in Form der zunehmenden Verlorenheit einer suizidalen und über den Zenit ihres Erfolges weit hinausgelangten Schriftstellerin (Hannelore Elsner) ein Teil der BRD stirbt, den der Mauerfall und das Ende der DDR mit sich reißt. Die Widersprüche der Autorin, vor allem beste Kundin im Dior-Shop zu sein und Lenin(s Meinung) als letzte Wahrheit zu propagieren, wird der Boden entzogen. Dior ist für sie ohne Lenin nicht lebbar. So bricht sie aus ihrem goldenen Käfig in München in Folge des Mauerfalls nach Berlin auf und kommt wieder zurück. Der Schimmel an den Wänden im Plattenbau, die Bodenständigkeit sowie die Wurstigkeit der neuen Mitbürger (DIE UNBERÜHRBARE ist in erster Linie auch ein schöner Film über die letzten Tage der DDR, wo Menschen träumen, dass alles wie bisher bleibt, nur in viel besseren Umständen und den Betrug ihrer Fantasie noch nicht erahnen) und die beiläufige wie brutale Unauffindbarkeit einer neuen Heimat, dies dreht Roehler in einem Schwarz-Weiß, dass der Farbe beraubt scheint. DIE UNBERÜHRBARE ist ein Geisterfilm. Ähnlich der fahlen Wiederkunft in CARNIVAL OF SOULS bzw YELLA verbleibt hier eine vergangene Existenz aus Trägheit in ihrer Welt bestehen. Die Unwirklichkeit dessen in wie aus Zwischenwelten kommenden Bildern.
Donnerstag 08.06.
großartig –
Reinecker belässt den Vater des jungen Mörders beim Vertuschen der Tat in einem Befehlston. Zunehmend schickt er seinen Sohn und seine Ex-Frau los, um etwas in der Küche zu erledigen. Die ständig hin geblökten Anordnungen, doch einen Kaffee oder was zu essen zu machen, während er die wichtigen Dinge mehr schlecht als recht händelt, sind Provokation pur und sensationell.
Montag 05.06.
ok +
Der englische Lord, der den ganzen Film sagt, dass er nicht als Pferd, sondern als Mensch von den Sioux wahrgenommen werden möchte, aber sich gerne vor jede Anstrengung und Qual spannen lässt, um sich mal etwas wirklich zu verdienen, bekommt alles. Die Figuren um ihn nichts, außer symbolträchtige Tode und einen Tod, der nur da ist, um die Person loszuwerden, und deshalb zum Witz gemacht wird.
großartig +
Das italienische Kino und seine sonderbaren Didakten (Polselli, Pasolini, Petri, Faenza …), die Welt wäre sehr viel ärmer ohne sie. COPKILLER im Speziellen hat eine der auf ewig am seltsamsten, schönsten Eröffnungsszenen. Unter dem Druck eines kontrollierten, spannungsgeladenen Basslaufs – Piano, Schlagzeug und so weiter setzen eher ergänzende Spitzen, als das sie sich diesem anschließen – gibt es Impressionen eines Mordes, von einem als Polizist verkleideten Serienmörders an einem als Drogendealer verkleideten Polizisten, Impressionen eines anderen Polizisten beim Start in den Tag und wie Harvey Keitel sich in ein Apartment begibt. Die Bilder bleiben irgendwann bei Keitel. Die Spannung hält über Minuten an. Zwangsläufig muss dies auf etwas hinauslaufen. Bis der Bass abrupt endet, Keitel sich poppigen Countryfolk anmacht, aus edlen Ledersesseln den Central Park beobachtet und alles scheinbar ins Nichts lief.
Sonntag 04.06.
ok –
Ein Wissenschaftler, der von dem Traum erfüllt ist, die Fortpflanzung vom Sex zu lösen, verliebt sich in eine Frau ohne Gebärmutter. Dessen Bruder, ein notgeiler Lehrer, dessen Probleme denen aus TOD DEN HIPPIES!! ES LEBE DER PUNK! gleichen – eine distanzierte Mutter, Unbehagen gegenüber Gutmenschen, nur dass er schon 40 ist und es in ihm zu einem Klumpen aus Hass und Verklemmung angewachsen ist – findet seine Traum erfüllt, als sich eine Beziehung zu einer Toten voller Perversion, Verlangen und Sarkasmus entwickelt. Wirklich gut meint es Roehler dabei mit keinem. Bei dem 10 Jahre später entstandenem Film richtet sich das Gemeine gegen eine Institution. Hier sind die Figuren und vermutlich er selbst im Fadenkreuz, aber der möglichen Schwärze des Stoffes gibt er sich nicht hin und lässt es eben bei den beschriebenen spaßigen Konstellationen.
fantastisch –
Am Ende tanzen zwei Verstoßene Arm in Arm auf einem Acker. Ihre Verlorenheit im Nirgendwo sowie der fruchtbare aber noch brach liegende Boden unter ihnen ist dabei durchaus metaphorisch. CENTURY OF BIRTHING hatte die Geschichte der beiden davor parallel erzählt. Sie (Hazel Orencio) war Teil einer Sekte. Nach einer Vergewaltigung (die durch den vorsätzlichen Versuch, ihr durch die nun zwangsläufige Vertreibung aus ihrem House of Father Turbico, wo nur Jungfrauen akzeptiert und gottgefällig sind, rationalisiert wurde) steht sie im Leeren. Obdachlos zieht sie schwanger durchs Land. Physisch wie psychisch hat sie keinen Anschlusspunkt mehr zu ihrer Welt. Dieser Teil von CENTURY OF BIRTHING weißt in Richtung des folgenden Films in Diaz Werk, FLORENTINA HUBALDO, und dessen wahnwitzige Nabelschau des Leids. Hier ist es aber weniger der blanke Schmerz, der verstört, sondern die Momente, wenn der leap of faith den Figuren mal zu sehr gelingt oder zu kurz gerät … und zu Menschen führt, die an der Klippe ihrer Vorstellungen hängen und abzustürzen drohen. Ausdruck findet der Teil der Geschichte vor allem in Fanatikern, die böse werden, wenn jemand sie auf die Widersprüche in ihren religiösen Ideologien anspricht, die eben Frauen vergewaltigen und diese Tat noch selbstgefällig als notwendig erklären, weil das Opfer ihrer Meinung nach ein falsches Leben führt, und vor allem Fanatikern, die ewig singen. Ein schiefes Singen in der grenzenlosen Hingabe an den Glauben, an Gott, an einen Anker in ihrem Leben. Das aber mit zunehmendes Laufzeit auch ein verzweifeltes Jammern und Schreien wird, das unter den eigenen Taten und den Geschehnissen diese Kommunion, diese Einheit mit der Welt durch den Glauben erzwingen möchte … aber sichtlich scheitert. Und trotzdem immer hoffnungsloser: Singen, Singen, Singen … von der Liebe Gottes. Diese Seite von CENTURY OF BIRTHING ist vor allem durch die Drastik seiner (verzweifelten) Figuren bestimmt. Die andere Seite handelt von einem Filmmacher, der auch noch Homer heißt (Perry Dizon) und der in einem ideellen Studentenleben gezeigt wird. Ab und zu sitzt er an seinem Schnittprogramm und schaut sich die gedrehten Szenen an. Er gibt auch ein Interview. Aber vor allem hängt er ab und redet unbestimmt von seinem Film … und seiner Blockade. Denn er ist auf seiner eigenen Odyssee, die zwar im orientierungslosen Treibenlassen selbst keine Drastik entwickelt, aber sich filmisch mit ihr beschäftigt. Sein Film, dessen Szenen auch immer wieder ausladend in CENTURY OF BIRTHING zu sehen sind, handelt von einer Nonne, die mit einem Mann schlafen möchte, bevor sie mit dieser Welt abschließt und ihn auf der Rückkehr in seine Heimat begleitet, und diesem Mann, einem Vergewaltiger und Mörder, der nach seiner Haftstrafe, wieder zu einem normalen Leben, wo seine Taten gesühnt sind, finden möchte, aber eine sehr drastische Form von Sühne erhalten wird. Wie in MELANCHOLIA suchen Homers Figuren nach Wahrhaftigkeit im Schmerz … es sind auch die großen Sünder, die zu großen Heiligen werden. Er findet jedoch keinen Weg aus seinem Relativismus, wodurch er seinen Film nicht zu einer Conclusion führen kann … weil all die Wahrheiten der Menschen gleichberechtigt sind, wie er an einer Stelle sagt. Erst eine handfeste Erfahrung von Leben und Tod wird ihn auf den Acker zu besagtem Tanz führen. Es ist vll der Witz von CENTURY OF BIRTHING, dass er ganz Lav Diaz Film ist, d.h. dass die Szenen frei durch die Welt des Films spazieren, sich immer wieder auf (holprige Um)Wege begeben, den Blick schweifen lassen und keinen zwangsläufigen Sinn ergeben/verlangen, aber dass dieser Film eben tatsächlich eine Conclusion erfährt. Wie gesagt werden dort zwei Verlorene auf einem Acker tanzen, grundlos Lachen und etwas (wieder) finden. Denn es wird ein Kind geboren, also metaphorisch vll ein Sinn, eine Ideologie für ihr Leben. Und dann beschließt den Film etwas, was es vorher nicht gab: Impressionen. Die Natur, sonst von Diaz als widerständiges Ding beobachtet, spricht plötzlich in fein entworfenen Bildkompositionen. Es ist das Ende von L’ECLISSE auf den Kopf gestellt. Im Kontext des Films selbst und des Werks seines Regisseurs ist diese Conclusion schwer zu bestimmen. Ist sie ironischer Bruch, Kommentar, Variation, Erlösung oder ein Gag? Wieder öffnet sich der Brocken. Und der Hahn kräht auch wieder, diesmal auf einer Kreuzung (wenn ich mich nicht irre).
*****
Ich hatte vor einiger Zeit mal den Plan für eine Filmreihe. Die Woche der Genitalverstümmelungen. Jede Tag hätte ich zu einem Film geladen, in dem sich jemand (in der Überzahl Frauen in Filmen von männlichen Regisseuren) im Genitalbereich verwundet, verstümmelt oder gleich mit einer Pistole hineinschießt. Film eben wie LES VALSEUSES, SCHREIE UND FLÜSTERN, DIE LETZTE FRAU, ANTICHRIST usw usf. In seiner Drastik war es ein Motiv, das mir häufig genutzt vorkam, aber tatsächlich fand ich beim Überlegen nicht genug für eine Woche. Mit THE CENTURY OF BIRTHING habe ich nun einen Film mehr (Vorschläge gerne gesehen), um vll doch einmal in einer konzentrierten Woche nachvollziehen zu können, was dies soll.
Sonnabend 03.06.
nichtssagend
WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN ist gnadenlos aufgeräumt. Ein Kind wird darin geboren und es ist nicht klar, ist es die Ausgeburt des Bösen oder ist es die fehlende Mutterliebe bzw das Versagen der Mutter an ihrem Kind (bzw das Versagen aneinander), was diesen Dämon erschafft. Es ist der Horror einer Mutter, der hier abgebildet wird. Und auf diese Unsicherheit fokussiert sich der Film. Alles drum herum erscheint wie ein Trichter, der am Ende immer wieder dorthin führt. Zum Beispiel der symmetrische Aufbau, der sich parallel auf eine Katastrophe zubewegt (möglichweise in Flashbacks) und von dieser weg. Es ist der Horrorfilm des sich entspinnenden Unheils (von dem wir wissen, dass es kommen wird) und das Drama mit dem Erlebten leben zu müssen. Mutter und Kind werden dabei mehrmals gespiegelt, in fließenden Bewegungen in einander aufgelöst und sind so untrennbar miteinander verbunden. Umgeben sind sie von Karikaturen. Der Karikatur eines Vaters. Der Karikatur einer geräumigen, aufgeräumten Vorstadtwohnung. Der Karikatur von ELEPHANTen im Raum. Dazu die Farbe Rot. Das Rot von Tomaten(matsch), Tomatendosen, Farbspritzern, Marmelade und Blut. Es ist nicht allgegenwärtig, aber sticht immer wieder in die Aufmerksamkeit herein … auch wieder als aufgeräumter Teil dieses Trichters, der alles immer wieder auf Mutter und Sohn und die Katastrophe ihres Verhältnisses zurückwirft. Es ist in seiner Offensichtlichkeit fast brutal. Vor allem wird darin aber alles erstickt, was über diesen nach 10 Minuten verstandenen Konflikt WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN Leben einhauchen könnte.
ok
Wegen dem Bild, wo Jesus mit Stroh aus dem Ärmeln hängend, als Vogelscheuche am Kreuz angebracht ist, werde ich LE LIT DE LA VIERGE im Herz behalten.
fantastisch –
Ein kruder Film. Aber auch ein sagenhaft kitschiger Film. Ein Biologielehrer hängt wie ein Blutegel an einer Onlineszene suizidgefährdeter Jugendlicher. Ganz sanft, vorsichtig und tapsig bringt er sie dazu, dass er sie ausbluten lassen kann (meist unter Vortäuschung dessen, dass er danach Hand an sich anlegt – suicide pact, you first – nur um dann ihr Blut zu trinken … und um es dann wieder auskotzen zu müssen. Denn, wenn es auch nie kommuniziert wird, ob er sich für einen Vampir hält oder gerne einer sei, er ist kein Vampir. VAMPIRE beobachtet seelenruhig seltsame Vorgänge und suizidale Tendenzen. Es wird sich durch eine Welt bewegt, die wenig Ästhetisches zu bieten hat, aber auch nicht deprimierend aussieht. Die Unterhaltungen über die Community, den letzten Tag, den tatsächlichen Selbstmord, die Versuche des Vampirs seine Spuren zu verwischen, alles ist unaufgeregt und liegt emotional knapp über dem Wirkungsgrad eines Kochrezeptaustausches. Fast lapidar und nebenläufig sind selbst die Ableben … etwas Nervosität, die mit einem Schulterzucken überwunden ist. Mehr ist da kaum. Und auch das Trinken des Blutes bekommt keinen größeren Stellenwert. Beim ersten Mal im Film hat es etwas sichtlich Erlösendes für den Vampir, wenn er die Flasche mit dem abgesaugten Rot endlich an den Mund führen kann. Später einmal hat es etwas dezent Erotisches … wenn er einer jungen Frau im Wald tatsächliche Blutegel vom Bein löst und sie überredet ihn an der Wunde saugen zu lassen. Hysterie kommt nie auf. Gerade die Selbstverständlichkeit mit der alles geschieht, die staunende Sanftheit gegenüber diesen von allen als Normal wahrgenommenen Dingen (wobei jeder in diesem Film seine sehr eigene Vorstellung von Normalität mitbringt), machen VAMPIRE besonders. Er schreitet ruhig voran, lässt Dinge geschehen, ohne sie stringent zu einer Geschichte zu formen. Es gibt den bizarren Handlungsstrang über die demente Mutter des Vampirs, die er in seiner Wohnung an einer Sammlung großer, mit Helium befüllten Ballons hält; einen sich daraus ergebenden über eine Frau, die ihn zu stalken beginnt, weil er, der Lehrer mit der Mutter, ihre große Liebe sein soll; und den wohl einschneidenden Teil, wo er auf noch bizarrere Vampire trifft, von denen einer sich als Mörder und Vergewaltiger herausstellt – Letzterer ist mit seiner fast kindlichen Vorfreude, die jeglichen Sinn für Realität verloren hat, noch die absurdeste Figur in einem Film voller Kuriositäten. Und ganz nebenbei verdichtet sich aus diesen kleinen Beobachtungen eine ganz eigene Freude am Leben. Am Ende wird es fast Dramatisch. Aber Iwai verlässt den harten Boden, auf den der Film von Heliumballons getragen aufschlägt, sogleich wieder. Die Härte des Lebens, sie ist nicht Teil dieses entrückten Tanzes. So wie er den Film beschließt, mit einem tatsächlichen Tanz auf einer Kühltruhe, will VAMPIRE viel mehr von den kleinen, absonderlichen Dingen im Leben – wenn sich jemand selbst seltsam fühlt, es aber vll gar nicht ist – sprechen, die dieses so schön machen. Auch im Angesicht des eigenen Selbstmordes. Und in diesen Momenten ist er von einer übermütigen, realitätsvergessenen Euphorie beseelt und gibt sich seinem absonderlichen Kitsch der Lebensfreude hin, der aus dem Zwielicht entsteigt.
Freitag 02.06.
nichtssagend
Nach dem Bücher-, Kunstgeschichts- und alles drum herum Film (PROSPERO’S BOOKS) folgt zwei Jahre später die Konzentration auf das Theater. Das Konzept, wie Greenaway das Theater nutzt – zusehen ist eine Inszenierung in Echtzeit vor einem Publikum, dass auch wieder Teil der Inszenierung des Films ist – erinnert an DIE VERFOLGUNG UND ERMORDUNG JEAN-PAUL MARATS DARGESTELLT DURCH DIE SCHAUSPIELGRUPPE DES HOSPIZES ZU CHARENTON UNTER DER ANLEITUNG DES HERRN DE SADE. Ein höchst natürlich geborenes Kind wird dabei zu einer Wunderjungfrauengeburt erklärt und die darauf folgende Gier, die Diskussion um Religion und Wissenschaft, die Leidenschaft sowie die Einmischungen des scheinbaren Publikums, sie führen zu Selbstoffenbarungen von Ignoranz und Heuchelei. Nur: das Größenwahnsinnige fehlt. Selbst das Vulgäre, dass Greenaway immer an seiner/der Hochkultur offenbarte, es steht nur pflichtschuldig herum. Es ist sein erster Film ohne Musik von Michael Nyman. Vll fehlt deshalb das Verspielte.
Donnerstag 01.06.
uff
Gerade im sich aufdrängenden Vergleich zu NATIONAL LAMPOON’S VACATION fallen zwei Dinge auf. Der Roadtrip der Griswolds ist erstmal einfach nur eine Fahrt mit kleinen Sehenswürdigkeiten. Das Perfide dabei ist, dass nichts Spannendes geschieht und wenn doch, dann sind es oft nur Irritationen. VACATION sitzt am Fluss der Tristesse, hält die Füße ins Wasser und genießt. THE LONG HAUL sucht im Gegensatz dazu beständig das Tohuwabohu. Er kann nicht entspannen und sich zurücklehnen. Alles ist mit teilweise arg verklemmten und bornierten Peinlichkeiten anfüllt, die voller Angst gegen eine potentielle Langeweile ankämpfen. Die Furcht der mit Handys aufgewachsenen Kinder davor auf sich zurückgeworfen zu werden, sie ist ebenso die Angst des Films. Zudem lässt THE LONG HAUL auf der Zielgeraden die Familie zueinander finden und alle, zumindest kurzzeitig, bessere Menschen werden. VACATION hatte, und das ist einer seiner größten Pluspunkte, solch einen familienpropagierenden Pathos nur als Witz zugelassen, als Ausrede vor der Polizei.
gut +
Tack, Tack, Tack, Tatacktack. Die Spannungsmusik besteht größtenteils aus einem mit einer Stimme gesprochenen Rhythmus. Kamillas Leitmotiv, also die Kennzeichnung einer Frau, die neben einem zielbewusstem Macher lebt und sich deshalb für die Leidenschaft einen Callboy leistet, erinnert an sehnsuchtsvolle Soundtracks italienischer Gialli. Mehr noch als in EIN KOFFER AUS SALZBURG wird die Musik momentan expressiver und geradezu experimentell. KAMILLAS JUNGER FREUND ist abgesehen davon ein getriebener Thriller, in dem Horst Tappert mit seinen Blicken brilliert und wo kleine Nebensächlichkeiten – wie die plötzlich ins Revier und vor den planenden Derrick geführten Hippierocker der Power Angels – alles erst richtig wohnlich machen.
Mai
Montag 29.05.
fantastisch
Ein Film von Wind und Wetter. Kurz nachdem der Taifun Durian mehrere hundert Leben forderte und das Land zu Füßen des Vulkans Mayon verwüstete, begann Diaz mit den Dreharbeiten vor Ort. Der Wind pfeift beständig durch die ramponierten Palmen, um deren Wurzeln sich Trümmer, Schutt und Dreck sammeln. Der Regen plätschert auf der Tonspur heftig, selbst wenn die Tropfen in den Pfützen eher auf ein Nieseln schließen lassen – so ist auch wieder das Krähen eines Hahns in DEATH IN THE LAND OF ENCANTOS zu hören, nur an einem noch ungewöhnlicheren Ort als in FLORENTINA HUBALDO, nämlich im Wartezimmer einer Heilanstalt in Manila, also an einem Ort, der im Gegensatz zu großen Teilen des Films nicht von Weite bestimmt ist, sondern von Enge und Höhe, also von schwarzen Hochhausschluchten. Die am Himmel ziehenden Wolken umlagern den Vulkan oder umschmeicheln die unter ihnen Sitzenden, Redenden, die sich Treibenlassenden oder mit sich Ringenden. Immer näher wagt sich der Film mit der Zeit, es sind wieder einmal Stunden, an die Brandung des Meeres. Am Anfang nur eine Ahnung zwischen den tropischen Bäumen und den Resten von Häusern, bewegen sich irgendwann die Figuren an ihr. Die Sonne scheint mal auf den Matsch hernieder und taucht alles in leuchtendes Weiß, aber meist herrscht schattiges Grau und Zwielicht. Und während es eben um einen rauscht, pfeift, weht, plätschert und schimmert, versuchen drei Freunde darin zu leben, mit Verlusten und Erinnerungen klar zu kommen und irgendwie ein richtiges Existieren in diesem vom Wetter angegangen Sein zu finden. Das hat, bei aller Bitterkeit, etwas Entspanntes. Denn trotz der Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten, trotz der Toten und Enttäuschungen lassen sich die drei treiben. Es sind die Künstlerin Catalina (Angeli Bayani), die aus den Steinen des Vulkans Skulpturen schlägt, der Poet Teodoro (Perry Dizon), der seine Kunst – was hier stets heißt, sich dem Gegebenen entgegen zu stellen, ihm etwas abzuringen … bei aller damit einhergehenden Eitelkeit – gegen eine Familie eingetauscht hat, und sein Rivale und Freund seit der Jugend Benjamin Agusan (Roeder), der nach dem Taifun aus seinem russischem Exil wiederkehrte. Irgendwann in der 6. der 9 Stunden des Films ändert sich aber dieses Verhältnis zwischen Mensch und Natur/Existenz. Benjamin sitzt in einem Café, er ist kaum mehr als eine Silhouette, während hinter ihm durch etwas entfernte Fenster der Verkehr in der Sonne zu sehen ist … wieder mit einer diesen unwirklich, leicht aufdringlichen Tonspuren, die förmlich nach Aufmerksamkeit buhlen und die durchaus ihr Witziges haben. Und dann kommt ein Mystery Man (Soliman Cruz), eine Phantasie oder ein brutaler Scherge der Geheimpolizei. Politik und eine Unsicherheit um die wahrgenommene Realität fließen mit ihm in den Film, auch wenn er nach dieser Szene/Einstellung – sie wird dauern – bis zum Endpunkt wieder aus dem Film verschwinden wird. Die Strukturen der Natur bekommen die Strukturen der menschlichen Gesellschaft, vor allem in Ausprägung einer (pervertierten) herrschenden Klasse, an die Seite gestellt. Die Labyrinthe des Daseins, hier meist offene Flächen ohne Wegweiser, durch sie lässt Lav Diaz seine Figuren tasten. Mitunter gleicht es mit den Affären, Offenbarungen und minimalen Skandalen einer kriechenden Soap Opera, manchmal ist es eher eine Meditation um wartende Menschen. Und so streift DEATH IN THE LAND durch eine greifbare Umgebung, eine Gesellschaft, die eine Auseinandersetzung förmlich fordert und die auf einen wie die Wolken oder der Regen unbestimmt, aber deutlich niederdrückt, durch Erinnerungen und Phantasien, durch physische wie psychische Zerstörung und einfach ein paar Momente oberflächlicher Gelassenheit.
gut +
Etwas gross out hier, etwas dämonische Schrecken da. Sam Raimis Rückkehr zum Horror ist gut abgehangen. Alleine der Kampf in der Tiefgarage mit einer zahnlosen Oma, die ihrem Opfer, im Glauben noch ihre Dritten im Mund zu haben, am Kinn saugt, ist eine der Highlights seiner Filmografie.
Sonntag 28.05.
großartig
PROSPERO’S BOOKS ist wohl der zweite größere Einschnitt in Greenaways Filmografie. Hier benutzt er zumindest zum ersten Mal (in einem Film) ungerahmte Einstellungen, welche sich wie die Videoquader einer Installation auf dem eigentlichen Bild befinden – anders als bei Split Screens stehen die Bilder nicht (gleichwertig) nebeneinander, sondern das eine liegt auf dem anderen. Die Verweise auf anderes wird noch weniger artikuliert. Die Einstellungen werden förmlich in ihnen ertränken – PROSPERO’S BOOKS ist angefüllt mit dem Inventar oder schon Strandgut aus Jahrhunderten Kunstgeschichte. Das Enzyklopädische von THE FALLS kommt mit den hereinbrechenden Vorstellungen fiktiver, phantasischer Bücher wieder vermehrt zum Zuge. Kurz es beginnt hier die Phase, welche später mit THE TULSE LUPER SUITCASE seinen Höhepunkt findet, in der ihm das Medium Film irgendwie zu klein geworden scheint. Wo er das Multimediale aus den starren Filmen herausplatzen lassen wollte. Die Möglichkeit, dass sich Filme in eigene Verweissysteme außerhalb ihrer selbst eingliedern, es sollte womöglich nicht mehr nur Möglichkeit sein. PROSPERO’S BOOKS ist so keine Verfilmung von Shakespeares DER STURM, sondern ein Film über den Sturm, über dessen Figuren, über die Zeit, in der er spielt, über dessen Rezeption und die dazugehörige Bibliographie. Fast mag es wie ein Zwang wirken, der einen raus in die Bibliotheken, Theater und Museen dieser Welt bringen möchte … sonst entgeht einem möglicherweise der springende Punkt in diesem Wust. Möglicherweise ist der Wust aber auch schon der springende Punkt. Ein Springbrunnen der Phantasie ist PROPSERO’S BOOKS. Die Einstellungen sind überfüllt, mal symmetrisch, oft nicht. Mal mit Symmetrischem, meist ist aber eine Rumpelkammer in den Einstellungen zu sehen. Es gibt Figuren, die sich mit Ausdruckstanz mitteilen, anderen reden in Shakespeares Versen. Manchmal spricht Prospero parallel zu sich auf einer anderen Tonspur noch einmal. Ein blondgelockter Jüngling in rotem Lendenschurz singt wie im elisabethanischen Zeitalter. Wir sehen wie eine Frau ein Ferkel gebiert. Die Halskrausen sind überdimensional groß, wie alle Kleidungsstücke verzerrt sind. Im Sumpf befindet sich Architektur, wie die Architektur in einen Sumpf ausartet. Zu Beginn erläutern zwei Texttafeln, dass es sich um die Geschichte Prosperos handelt, dem ehemaligen Herzog von Mailand, der ein Theaterstück schreibt. In diesem phantasiert er sich einen Sturm herbei, der seine Feinde auf seine Insel bringt. Aber vll ist es die Fantasie eines dementen Mannes, der sich in seinen unzähligen Büchern, in seinem Wissen verirrt hat und wo nun alles assoziativ aus ihm herauskommt. Es kann auch die sonderbare Geschichte einer verhinderten Rache sein, die sich tatsächlich zuträgt. Es ist egal. Ebenso wie Shakespeare, die Kunstgeschichte und eine Welt außerhalb des Films egal sind. Jedes weiteres Wissen kann ihn selbstredend bereichern, aber in ihm alleine bricht schon so viel hervor, dass sich fidel damit gedacht, gefühlt und getanzt werden kann. Kurz vor Schluss wird ein Vorhang fallen. Danach wird die Erzählung in ein lehrreiches Ende von Vergebung münden. Fast ausschließlich wird dieses über Dialoge aufgelöst. Gerade hier wird klar, wie übermütig der nunmehr versiegte Strom von wahnwitzigen Ideen war.
großartig –
Zu Weihnachten und im Suff schafft MERRY CHRISTMAS, MR. LAWRENCE trotz oder gerade wegen des Settings eines Kriegsgefangenenlagers mit Wärme und Herzlichkeit von den möglichen Brücken zwischen den Menschen erzählen. Es ist der augenscheinliche Humanismus, den Dolmetscher/Mittelsmann Lawrence und sicherlich auch Ôshima im Angesicht von Militarismus, Chauvinismus und Rechthaberei, von Menschen, die sich ob ihrer kulturellen und Machtunterschiede nicht verstehen (wollen), wiederholt anflehen, obwohl die Umstände eher zum Kapitulieren anreizen. Doch in diesem altersmilden Werk eines einstigen Bilderstürmers steckt die Schönheit eben nicht im Augenscheinlichen. Kitano Takeshi spielt beispielsweise mit. Blutjung und doch genau da, wo er sich später in seiner Filmkarriere verorten wird. Ein Enigma aus bitterem Sadismus und naiver wie gutherziger Clownerie, aus der kaum schlau zu werden ist. Aber vor allem die selbst in den offensichtlichsten Fällen nie ausgesprochene Homosexualität bestimmen MERRY CHRISTMAS, MR. LAWRENCE über seine Offensichtlichkeit hinaus. Der Kommandant des Gefangenenlagers (Sakamoto Ryûichi – von dem auch die sehnsuchtsvolle, ja herzzerbrechende Musik stammt) verliebt sich in dieser Geschichte, die wie eine Erinnerung an einen lange vergangenen Sommer funktioniert, in den gutaussehenden, rebellischen und dezent verrückten Jack Celliers (David Bowie). Zumindest liegt dieser Schluss nahe. Zwischen Rücksicht und Gewalt, in einer rigide urteilenden Welt findet der japanische Offizier jedenfalls keinen Ausdruck für seine Gefühle. Eine Möglichkeit ist, dass er, weil er die heiße Erektion Celliers nicht in sich zulassen kann, von ihm mit kaltem Stahl durchdrungen werden möchte. Und so gibt es Schuld und Sühne, Eskalation, Rätsel und einen kleinen Kuss, der wie ein Erbeben die unterdrückte Romantik an die Oberfläche schüttelt … zumindest kurz.
Sonnabend 27.05.
großartig
Wenn HR Gigers Dune Entwürfe nicht von düsterem Militarismus und Perversion bestimmt gewesen wären, sondern von Liebe zu Fäulnis und vom Willen zu Verständnis – vom verzweifelten Hoffen auf Humanismus im Angesicht des Untergangs – gekündet hätten, dann hätte das vll etwas wie bei Miyazakis NAUSHIKA ausgesehen.
großartig –
Zu Beginn haben Ben Z. und Finnlay O. fachmännisch darüber philosophiert, ob der Typ mit der Affentechnik – er ist zu dem Zeitpunkt, während er seine Gegner vorführt, arg besoffen – der Drunken Master ist oder einer der acht betrunkenen Götter, dessen Stile in SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER Jackie Chan gelehrt werden. Doch MAD MONKEY KUNG FU lässt ihn im Suff seinen Untergang finden … durch einen hinterlistigen Bordellbesitzer, der sich von seiner Fleischeslust leiten lässt. Es wird zwar nur in einem Satz propagiert, aber erst in Verzicht und Kontrolle findet sich hier die Möglichkeit der eigenen Unterdrückung zu entgehen. Nur wer sich bei vollem Bewusstsein zum Affen macht, muss nicht nur einstecken.
Freitag 26.05.
gut
Im beständigen Wechsel zwischen atmosphärischen Montagen und vielsagenden Szenen verzweifelt Frances. Alle scheinen ihr Leben auf die Reihe zu bekommen, nur sie nicht. Besonders hart dabei die plötzliche wie schleppende Trennung von ihrer besten Freundin. Zusammen waren sie ein Orkan der Lebendigkeit. Alleine wirkt sie mit ihrer durchs Leben tänzelnden Art eher fehl am Platz. FRANCES HA ist ein melancholischer, trauriger und witziger Film übers Erwachsenwerden, bei dem das Leben erschreckend einfach erscheinen kann und selbst eine Depression etwas Süßliches hat.
großartig +
Während ein Laster durch die georgische Pampa rast, werden drei kurze Episoden zum besten gegeben. Eine Zahnärztin erzählt von ihrer Suche nach einem Job, eine Schülerin erzählt eine kleine Lausbubengeschichte und das, sagen wir, perverse Kunstunverständnis eines Ehemanns führt zu einer tragischen Liebesgeschichte in einer Schneewüste. Es sind sanfte Nichtigkeiten und Schwänke, welche flüchtig die Bewegungen des LKWs und der Menschen in einem sich utopisch empfindenden Staat herzlich aufladen. Barnet erzählt übermütig von seinen Menschen, ihrem kleinen Sehnen nach dem Glück und ihren naiven Blicken in die Hoffnungen der Zukunft. Die Kamera prescht ungezügelt durch die Steppen, die sandigen Winde und die Farben des Himmels haben etwas Mystisches, die Witze etwas gleichzeitig Gelassenes und Fatales. So geringfügig und menschlich der Inhalt, so episch ALYONKA.
großartig
Ein zu kurz greifende Interpretation der vagen, traumhaften Bilder aus Schatten und Überbelichtung: Ein Kind bekommt als Gutenachtgeschichte von einer Flucht während der Resistance erzählt, in die es sich hineinträumt. Auf der anderen Seite die brechtianisch verzerrte Erzählsituation zu Hause, in der der Grusel die Familie befallen hat. Im Herzen, die Angst.
verstrahlt –
Die Folgen von Derrick enden oft mit einem verheerenden Moment. Mit einem Zusammenbruch. Wenn die Masken fallen. Wenn die Versuche das Gesicht zu wahren exemplarisch beendet sind. Das Folgende ist dann in der Hand von Gesetz und Gesellschaft. Doch die zu verhängenden Strafen, die Prozesse, ja schon eine Verhaftung, sie sind schon wieder Aufbau neuer Masken, neuer Einfindungen in die kommenden Situationen, die sich einfach gespart werden. In EIN KOFFER AUS SALZBURG läuft dies ins Leere, weil tatsächlich Derrick die Gesellschaft reinigen darf. Es wird ein Traum geträumt, wie mit einer Ringfandung und zielstrebiger wie ausdauernder Polizeiarbeit die großen Strippenzieher mit plötzlich aufblitzenden Flutlicht gestellt werden können. Vll ist diese Folge deshalb auch beständig mit dieser sehnsuchtsvollen Softpornomusik unterlegt, die auf den ersten Blick so völlig fehl am Platz scheint. Denn sie hängt dem Verlust der Unschuld nach und möchte, dass die Gesellschaft sich wieder mit sich vereinigen kann.
Donnerstag 25.05.
gut
Die zwischen Rocker und Gammler Stehenden, welche das Milieu dieser latenten Suche nach Individualismus bilden, sind stets noch gute Arbeiter. Selbstredend: an der Schaffung des gemeinsamen Glücks beteiligt sich jeder ohne Murren. Doch wo das Individuum anfängt, im Privatem, wird sich hier programmatisch der Planerfüllung versagt. Anhand der Scheidung einer viel zu jung geschlossenen Ehe, so wird diese zumindest an einer Stelle begründet, wird also die Möglichkeit porträtiert einen eigenen Kopf zu haben und seine Gefühle nicht zu verstehen. Oder anders: unter sozialistischen Vorzeichen ist JAHRGANG 45 ein Vorbote für ZUR SACHE SCHÄTZCHEN.
großartig –
In dem Bonusmaterial der Flipside-Ausgabe des Films findet sich ein Interview mit Richard Lester, in dem er erzählt, dass HOW I WON THE WAR, der mehr oder weniger unmittelbare Vorgänger, ein Film gegen seine literarische Vorlage sei. Erst wurde ein nur atmosphärisch ähnliches Drehbuch geschrieben und was sich dann als unabdingbar herausstellte, wurde wieder hereingenommen. THE BED SITTING ROOM ist auf eben diese Weise ein Film gegen die Gesellschaft, in der er entstand. Unter der Prämisse eines zivilisationsvernichtenden Atomkriegs, einem weniger als drei minütigem Missverständnis, wird sich hier dieser Gesellschaft entledigt. Nur was unaufhebbar war, findet sich in der absurden Müllkippe London wieder, wo die Strahlungsmutationen englische Aristokraten mit stiff upper lip auch mal in ein Schlafgemach verwandeln. Es ist nicht viel.
großartig
Bevor ein erster gemeinsamer Urlaub mit meiner (nicht mehr ganz so) neuen Familie angegangen werden kann – damit sich keinen falschen Illusionen hingegeben wird – wurde mit fast der gesamten Familie diese Dokumentation über Familienurlaub geschaut, die in kleinen Episoden voll Tristesse und fadenscheinigem Pathos offenlegt, was da auf einen zwangsläufig zukommt.
Mittwoch 24.05.
großartig –
Gerade jetzt fühlt sich die Beschwörung, dass alle antisozialen Elemente gegen die von Außerirdischen gehirngewaschenen Vertreter von Regierung und Status Quo zusammenstehen müssen, irgendwie fade an … so gutmütig sie auch ist. Dafür hat Lupo einen schönen Film gedreht, voll Nonsens, Naivität und hinreißender Optik.
fantastisch –
An der Oberfläche ein morbides Katz- und Mausspiel. Pfandhausbesitzer Gustl Karusska auf der einen Seite, der von Max Mairich fulminant als gigantischer Trauerklos gespielt wird und der sich in einer amour fou zu Doris Kunstmanns Fräulein Mangold verfangen hat. Auf der anderen Seite Großkotz Erich Forster, der von Klaus Maria Brandauer ebenfalls sensationell gespielt wird. Karusska wollte seinen Nebenbuhler Forster töten, doch der schickt seinen Mitbewohner kaltblütig in den Tod. Forster deckt daraufhin den Pfandleiher und nistet sich unverschämt in dessen Leben. Den Champagnerschaum immer siegessicher um sich spritzend, bis es überall klebt. Brandauer lässt diesen Schnösel völlig in sich aufgehen. Er ist so selbstbesoffen, dass er nicht mal mitbekommt, dass der Trauerklos immer seltener aus hängenden Schultern besteht, sondern zunehmend herausfordernd grinst. Karruska ist es zunehmend der Forster deckt … mit redegewandten Preisgaben seiner eigenen Jämmerlichkeit. Es ist so entwaffnend, dass selbst Stephan Derrick sich täuschen lässt … wenn beide – Derrick bekommt abseits des Falls eine Geliebte, eine Psychologin, an die Seite gestellt, weshalb ihn sofort eine existentialistische Aura umgibt – wahnwitzig über menschliche Notlagen, über das, was ein kleiner dicker Mann an Liebe zu erwarten hat, und eben die Liebe sprechen – Gefühl, Herr Inspektor, wenn man es hat, will gebraucht werden. Es sucht sich ein Objekt. Wie bei HOFFMANNS HÖLLENFAHRT herrscht in PFANDHAUS der Ausnahmezustand. Karusskas Wandel vom laufenden Elend zum Imperator seiner eigenen Kläglichkeit ist dabei eine dezentere Herausforderung seiner Umwelt, als Forsters Unverschämtheit, die bald auch zu rauschenden Liebestänzen im Heim Karusskas führt – einem Heim, irgendwo zwischen Dekadenz, Kitsch und René Magrittes sprechender Leere – aber eben auch ein Teil dieser unablässigen Eskalation. Vor allem wenn die Kamera per Hand durch die bangen Momente, durch die Räusche, den Schock ob dieser Räusche und andere Zustände einer wundgeriebenen Emotionalität jagt, dann spritzt es aus PFANDHAUS, wie aus einem Vulkan.
Sonntag 21.05.
ok
Wie bei der Vorlage, BLOOD SIMPLE, ist A WOMAN, A GUN AND A NOODLE SHOP eher an stilvoll inszenierten Zufällen interessiert, die zu immer verwickelteren Situationen führen. Es sind beides Dokumente vom Spaß an kunstvoll konstruierten Unwahrscheinlichkeiten, wo die Figuren schlicht Erfüllungsgehilfen des Ornaments sind.
gut +
Aus eigner Erfahrung kann ich sagen: Ja, so sahen Klassenfahrten damals aus. Trist as Tristesse can.
ok
Im Schatten des Galgens lauert eine Liebesgeschichte, die sich in einem Akt der Hingabe im Angesicht der Schuld offenbart. Ausgangspunkt ist der große mythologische Kampf der (us-amerikanischen) High Schools. Der Kampf zwischen den coolen Sportlern und den uncoolen Nerds. Zwischen den Mächten des Distanzierens und der Zerstörung und denen der Hingabe und des Erschaffens. Aber da es immer noch ein Film an einer High School ist, wird dieser beispielsweise mit dem Wurf eines Footballs an den Kopf eines Theaterbuffs und den darauf folgenden Lachern ausgetragen … und weniger mit Geistern, die stets verneinen. Diverse Found Footage-Quellen zeigen nun in THE GALLOWS den Angsttraum der Rache der Streber oder eben der Schüler mit Herzblut in Form eines dämonischen Henkers. Vll ist es auch der Traum einer Ermächtigung der Unsportlichen, der sich gen Wahnsinn wünscht, um der Destruktion etwas entgegensetzen zu haben. Drei Schüler schleichen sich also nachts in ihre Schule, um das Bühnenbild einer Theateraufführung zu zerstören. Der Beweggrund ist vor allem etwas als doof Empfundenes zertrümmern zu wollen. Nur bei einem der Dreien ist es anders. Er hat dem Football entsagt und ist, aus Liebe zur Hauptdarstellerin und treibenden Kraft hinter dem Stück, zum Theater gewechselt. Nur hat er Angst, dass er als Hauptdarsteller sich blamieren und die Aufführung durch seine mangelnden Fähigkeiten zerstören werde. Perfide ist nur, dass es die Wiederaufführung eines Stückes ist, bei dem jemand vor Jahrzehnten (unter nicht weiter erklärten Umständen) am Galgen auf der Bühne seinen Tod fand. Als Henker kommt das damalige Opfer nun des Nachts wieder und jagt die Saboteure. Doch da wo jemand wie James Wan seine Stärken in einem sich entfalteten Horror hat und diesen dann nur dubios aus seinen Filmen heraus bekommt, da liegt die Intensität von THE GALLOWS mehr in seinem romantischen Abschluss. Hier wird der Horror in einer Geste der Liebe und der Entschuldigung beendet, wenn der wackelige Realismus der (Handy-)Videos Platz für eine billige, aber nachdrücklich leuchtende Bühne macht. Die Liebe als Chance und als letztendlichen Zerstörer, der – in solch einem vergiftetet Umfeld zwischen Montagues und Capulets – keine Ruhe möglich macht.
Sonnabend 20.05.
gut +
Der letzte Auftritt des zunehmend altersbefleckten Roger Moore hat eine der wunderbarsten Bond-Girls überhaupt. Nämlich Grace Jones, die den Spieß in den besten Momenten umdreht und Bond zu einem Grace Jones-Boy macht.
verstrahlt +
In Zeiten, wo bestimmt auch schon Oliver Geissen im RTL-Abendprogramm anlässlich einer Chart-Show erzählt hat, wie bedeutsam und skurril die Zeit des Punk war, in einer Zeit, in der diese Bewegung domestiziert, verortet und vereinnahmt in der kulturellen Geschichte abgelegt scheint, da setzt Roehler einen gutgelaunten Mittelfinger. Statt Nostalgie gibt es eine mitunter geschmacklose Karikatur, die sich nicht an den Hits und den Insignien abarbeitet, sondern einfach mal losprescht und die Kacke so ziemlich bei jedem an die Wand schmeißt.
ok
SWISS ARMY MAN beginnt damit, dass Hank (Paul Dano) auf der Leiche von Manny (Daniel Radcliffe) – angetrieben von dessen Blähungen – Jet-Ski fährt. Ein sensationeller Auftakt. Als multifunktional stellt sich die angeschwemmte Leiche daraufhin hinaus. Als geniales Werkzeug um den Schiffbrüchigen Hank das Überleben zu sichern. Der erigierte Penis eignet sich wunderbar als Kompass, die Zähne bilden einen Rasierer, der Magen ist ein Wasserreservoir, mit den geschickt angewendeten Armen kann Holz gehackt werden und selbst Tiere lassen sich mit ihm abschießen. Die Beziehung zwischen beiden wird schnell sehr innig, weshalb der eine seinem Mr. Wilson bizarre Nachtlieder singt und ihm das Leben erklärt. Hinter diesem absurd anmutenden Quatsch birgt sich aber eine hart arbeitende Sinnbildungsmaschine. Als Variation diverser Werke der beiden Charlie Kaufman-Regisseure Spike Jonze (WO DIE WILDEN KERLE WOHNEN) und Michel Gondry (THE SCIENCE OF SLEEP, ENTERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND) mag SWISS ARMY MAN zuweilen erscheinen. Die Feiern der realitätsvergessenen Lebensfreude in einer eigenwilligen Pappmachewelt, sie beschwören in einem noch gleißenderen Licht als die Vorbilder die Schönheit der Naivität, das Glück der eigenen Phantasie abseits der grauen Welt der gesellschaftlich sanktionierten Lebenswege … und sie sind noch sachdienlicher. Die Botschaft ist, wenn der vereinsamte Hank abseits der Normen sein Glück bei der Liebe zu einem toten Mann findet, dass es völlig egal ist, (was wir selbst denken,) was andere darüber denken, was uns glücklich macht. Schön ist, wenn der Film auch den Blick findet, dies durchaus als psychopathisch zu sehen und sich etwas Widerständiges in die so umsichtige Schönheit mischt.
Freitag 19.05.
gut
Reden ist der beste Keuschheitsgürtel, postuliert Regisseurin Jeanne (Anne Parillaud) beim Entwurf einer Sexszene. SEX IS COMEDY schnallt eben diesen Gürtel sehr eng an. Besagte Jeanne ärgert sich mit ihren beiden Hauptdarstellern herum. Sie taktieren, gehen sich offen an und gerade mit dem Darsteller (Grégoire Colin) sieht sie sich in ständige Machtkämpfe verwickelt. Das Ergebnis, vor allem anderen: reden, reden und nochmals reden. Im Finale, wenn die Sexszene, auf die alles hinauslief, gedreht wird, wird nicht geredet. Hier sprechen die Körper … und das wenn nicht mehr, so doch eindeutiger als die Worte. Aus einer verkrampften Realität – in der die Worte ein Spiegelkabinett gebildet haben, hinter dem sich alles Fassbare versteckt – erwächst nun Intensität – und das obwohl es eben nur gespielt ist. Aus dem Keuschheitsgürtel SEX IS COMEDY kommt die Sinnlichkeit mit einem Mal wie ein Sturzbach herausgespritzt (um im Bild zu bleiben). Ein Film über Kino, Kommunikation und Wahrhaftigkeit. Ein Film als Beweisführung.
Donnerstag 18.05.
großartig +
HOFFMANNS HÖLLENFAHRT ist eine einstündige Tour de Force. Herbert Reineckers Drehbuch recycelt zwar den Mord aus STIFTUNGSFEIER und Derrick darf der Bestie mal wieder einen Köder anbieten, sprich die Eckpunkte dieser Folgen sprechen, je nach Perspektive, von etwas Einfallslosigkeit oder von Leitmotiven Reineckers Gefühlshaushalt … zwischen diesen liegt aber der Ausnahmezustand. Onkel Hoffmanns (Klaus Löwitsch) Versuche, den Mord an der Nachbarstochter zu vertuschen, tun weh. Seine fehlende Beherrschung, sein Schweiß und seine Aufregung und die daraus resultierenden Taten stellen Neonpfeile auf, die ihn als Täter offenbaren. Es ist so offensichtlich, dass die Blicke seiner liebevollen Familie erst davon sprechen, wie sie die Schuld aus ihrem Bewusstsein drängen, und später von entsetzter Schockstarre künden. Bezeichnenderweise ist er der erste Schuldige, den Derrick nicht auf den ersten Blick erkennt. Zu offensichtlich scheint es, weshalb Stephan das zerstörte Nervenkostüm Hoffmanns einfach auf die Institution der Ehe schiebt. Und Hoffmann ist dabei immer mehr Mensch gewordenes Entsetzen und unbeherrschte Verdrängung. Seine Höllenfahrt ist dabei auch ohne die Hinweise der Frau verständlich, die ihn eines Nachts erklärt, dass er schon immer eine Geisel seiner Aufregung war. Was zu Beginn geschieht, wird nicht eindeutig als Vergewaltigung erkenntlich. Bis die Kamera wegschneidet und das Geschehen im nächtlichen Dickicht belässt, war er eher der Passive der beiden. Irgendwann bei Erklärungen gegenüber Derrick spricht er aber den springenden Punkt aus und ausgesprochen schlägt es ihn nochmal nieder: er hat das Opfer heranwachsen sehen und die enge Bande zu seinen Kindern, hat Anneliese (Ingrid Steeger) fast zu einem seiner Kinder gemacht. Wohl hat er sich gehen lassen. Umbringen wollte er aber niemanden. Anneliese wurde schlicht das Opfer dessen, dass er verstecken wollte, was bisher seine Familie ebenso verdrängte. Dass er nämlich weiblichen Körpern nicht wiederstehen kann, da diese ihn eben aufregen. Und so leidet der Zuschauer an dem kopflosen Verhalten Hoffmanns, wie Hoffmann an der Schuld leidet … und daran dass nicht ganz klar ist, inwieweit sein Wesen Schuld daran hat, an diesem Punkt gelandet zu sein. Und so fragil und vielschichtig diese trampelnde Höllenfahrtsgeschichte ist … was Theodor Grädler, sein Kameramann Manfred Ensinger und Cutter Werner Preuss daraus machen ist Irrsinn. Die den Raum durchmessenden Kamerabewegungen, die zuweilen brutal assoziativen Schnitte, die Aufregung durch Zooms und erhöhte Schnittfrequenz, der Ausnahmezustand der Hauptfigur legt sich über die Optik. Wenn Stephan Derrick die Folge mehr oder weniger auf einer Motorhaube beendet, wobei seine Tränensäcke im unwahrscheinlichen Wind wedeln, dann ist, so unmöglich wie es scheint, das irrwitzige Monument dieser Folge schon lange geschehen. Die Mise en Scène als Hoffmann nach der Tat nach Hause kam, wenn er von den Nachbarn und der Familie belagert wird (er hatte doch den selben Heimweg wie die verschwundene Anneliese, hat er denn nichts gesehen) und er von der Kamera minutenlang so unter einem Lampenschirm gezeigt wird, dass es aussieht als habe er eine surreale orientalische Kopfbedeckung auf, die ihn blendet und unter der er gequält hervorschaut … die Ultrakunst.
Montag 15.05. – Mittwoch 17.05.
gut
Oliver Petszokat hat einmal angemerkt, dass GUTE ZEITEN, SCHLECHTE ZEITEN auf seine Art realistisch sei. Nichts was dort passiert, würde nicht auch in der Realität stattfinden. Das Übertriebene sei, dass diese Dinge auf einem so kleinen Ort in einem so kleinen Personenkreis so gehäuft geschehen. HINDAFING potenziert dieses Prinzip noch. Alles was derzeit Deutschland bewegt, hier findet es seine Entsprechung. Flüchtlinge, Korruption, Egoismus, Drogensucht, Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft, Fracking, Inkompetenz, Islamkonversionen, schwule Priester, Integration, Biofleischbauern, Biofleischbetrug, Schwarzgeldkonten Offshore, Metropolisierung, Vertuschung, Inzest, Demenz, sogar ein kleines BREAKING BAD-Methlabor, in HINDAFING findet es sich wieder. Abgerundet wird dies durch Politiker, die im Grunde nur in Saunas oder bei bizarren Maskenbällen in Swinger Clubs anzutreffen sind. Im Mittelpunkt: der Bürgermeister der beschaulichen Gemeinde Hindafing, Alfons Zischl. Sein Signatur Move ist das Ziehen der Nase über eine Oberfläche, auf der eine weiße Pulverlinie oder eben ein solcher Hügel liegt. Kräftiges Zischen ist dazu durch die Nase zu hören. Falls sich jemand an Ziggy Sobotka aus der zweiten Staffel von THE WIRE erinnern kann, der hat eine ungefähre Vorstellung davon, was für ein Mensch das Gemeindeoberhaupt von Hindafing ist. Ohne Talent und Durchsetzungskraft, aber mit einer gewissen Wieseligkeit bestreitet er seine Politik, die lediglich auf seinen eigenen Vorteil ausgerichtet ist. Geld, Aufstieg und Anerkennung sind seine Ziele, um jeden Preis. Sein Kraftstoff, die Crystal Meth Lines, schnieft er auch gerne mal unter der Bierbank in der Öffentlichkeit. Takt- oder Feingefühl, sowie eine Ahnung von seiner Außenwirkung, sie sind, falls sie jemals vorhanden waren, im Nebel der Ambitionen und Drogen verschwunden. Das HINDAFING zuerst eine Sitcom ist, die immer wieder bloß auf Zischl zurückfällt, der wendehalsig versucht jede seine Versprechungen, Lügen und Ambitionen von Murphy’s Law verfolgt unter einen Hut zu bringen, macht das Ganze etwas eindimensional. Doch je mehr Menschen er in seiner Schmierigkeit in den Abgrund zieht, wenn sie da nicht schon sind, desto mehr Fahrt nimmt die Miniserie auf. Bis es zur durchgedrehten Soap Opera wird, wo kein Stein auf dem anderen bleibt. Wo jeder der Akteure nur noch sein persönliches Ende verhindern möchte und dafür noch jede Tat als Mittel akzeptiert. Spätestens wenn der Dorfpfarrer in seiner durch Liebeskummer induzierten Verzweiflung den verstorbenen Flüchtling Amadou zum Heiland erklärt, sind die letzten Bande zu einem gesunden Menschenverstand gekappt. Das Ergebnis ist des Wahnsinns fette Beute, eine bitterböse Satire auf Deutschland. Das verzerrte Ebenbild des Sumpfes BRD als Party der Sittenlosigkeit.
Montag 15.05.
großartig –
Ein Hochglanzporno mit nur wenigen soften Sexszenen. Ein Hochglanzgiallo mit nur wenig Thrill und Mord. Wir sind in Venedig, Stadt der Labyrinthe, des Wassers, der vollmundigen Vergangenheit, aber auch davon ist kaum etwas zu spüren. Und doch ist alles irgendwie an seinem Platz, denn es ist Sommer. Der Himmel ist blau. Die Luft ist süß. Eine Frau ist verschwunden und eine Kollegin ermittelt Undercover. Wenn es keinen Verdacht gäbe oder das Beobachten vom Schleichen aller Beteiligten durch das Haus, wahrscheinlich würden sich alle nur ihren Körpern hingeben. Die Entspannung in Silvio Amadios Film hat etwas Verkommenes. Es sieht zwar alles wunderschön aus, wie die Pfauenfedern, die auf einen verrottenden Leib drapiert sind. Durch das Schilf wird die junge Ermittlerin bald gejagt werden. Verirrt wird sie durch den Matsch taumeln, während nach ihr geschossen wird. Aber vielleicht ist diese Jagd auch nur ein Missverständnis. HAUS DER TÖDLICHEN SÜNDEN ist sinnliche Paranoia pur. Es will sich nicht entscheiden, welche Personen sie bevölkern, worauf die Geschichte hinausläuft. Unbestimmte Schatten von Menschen in unbestimmten Schatten von Grauen und Verkommenheit in einem Gefühl von allgemeiner Gelassenheit. Gleichen dem Gefühl, wenn jemand unter Drogen krampfhaft versucht zu verstehen, was daran so schlimm ist, wenn ein LKW auf ihn zufährt.
Sonnabend 13.05.
fantastisch
Irgendwann zu Beginn wird Adriana (Stefania Sandrelli) Zeugin eines nächtlichen Verkehrsunfalls. Ein LKW hat einen Fahrradfahrer umgefahren. Leute stehen nun herum und wissen nicht, was zu tun ist. Der Wind weht. Und die vom Lastkraftwagen geladenen Pferde trampeln unruhig in ihrem Gatter. Dies gewahrt an Donner, als Vertonung des Schocks. Dies lässt aber auch das innerliche Chaos der Leuten bzw der Situation in der Luft liegen, dass nach einem Ventil sucht, aber keinen Ausweg findet. Adriana nimmt das Leben nicht sehr ernst. Liebe, Sonne und etwas Anerkennung, was braucht es mehr. Doch ihre Versuche als Schauspielerin oder sonst wie im Leben Fuß zu fassen, die in erzählerisch nur lose verbunden Episoden dargeboten werden, scheitern alle. Sie wird einmal vor einem Polizisten sitzen, der sie verhört, weil sie ihre Hotelrechnung dereinst mit einem geklauten Armband bezahlte. Sie hatte es vorher von eben dem Mann bekommen, Dario (Jean-Claude Brialy), der sie nach einer gemeinsamen Nacht im Hotel mit unbezahlter Rechnung zurückließ und hinter dem die Polizei nun her ist. Adriana kennt dabei kein böses Blut. Sie bittet den Gesetzeshüter Dario auszurichten, sobald er gefasst ist, dass er sie doch anrufen solle. Was sind schon Unannehmlichkeiten, wenn das Leben davor und danach ohne Zwänge genossen werden kann? Wieso jemanden Böse sein, wenn er eine gute Zeit zu verschenken hat? Und so lächelt sie mit dem zuckersüßen und dem Leid gegenüber apathischen Lächeln der Sandrelli alle ihre Tiefschläge weg, wenn die Riege der Männer ihres Lebens (Nino Manfredi, Mario Adorf, Joachim Fuchsberger, Enrico Maria Salerno, Ugo Tognazzi, Franco Nero) entweder brutal mit ihr umspringen oder nicht zupacken. Sie lächelt in diesem Mosaik der Nadelstiche alles weg, während im Hintergrund die Pferde trampeln und trampeln. Ganz unbekümmert werden einem hier die Nerven aufgerieben.
ok
DIE FLAMBIERTE FRAU arbeitet die freie Liebe (beispielsweise der Kommune 1) im Gewand der 80er auf. Heißt, wie Uschi Obermaier und Rainer Langhans trotz aller bewussten Ablehnung von Eifersucht, diese doch spürten, so wird die Utopie der Trennung zwischen (ver-)käuflicher und intimer Liebe auch hier durch diese zerbröselt. Eva (Gudrun Landgrebe) hat genug von ihrer bürgerlichen Ehe und sucht ihre Selbstbestimmung in der Prostitution. Sie will zur bestbezahlten Hure der Stadt werden, indem sie nichts von sich Preis gibt. Ergo wird sie zur Domina, die in kalten Sessions – eher wie anthropologische Studien gedreht als erotisch – Männer alles vorenthält und deren Selbsthass geil spiegelt oder ihnen die Freiheit der Unterwerfung bietet. Kurz nach Arbeitsaufnahme trifft sie Callboy Chris (Mathieu Carrière) mit dem sie zusammenzieht. Er gibt im Untergeschoss der Wohnung seinen Kunden ein Gefühl der Geborgenheit und des Umsorgens, während aus dem Obergeschoss zuweilen die Schmerzensschreie hallen. Der Traum ihrer innigen Liebe bleibt in dem lakonischen Tonfall des Films gefangen. Alles bleibt uneigentlich. Es gibt in den Dialogen, den Bildern, den Gefühlen nur Oberflächen zu melancholischer Musik. Lediglich die Eifersucht wird mit Gefühl gedreht. Geradezu gierend auf die Zerstörung. Der Erkenntnishorizont ist, dass diese bürgerliche Utopie eben im Kern bürgerlich bleibt. Ästhetisch ist es fatalistisches Wehklagen. Selbstqual an Standards.
großartig +
Wie wohl eine Komödie aus der Hand von Cassavetes sein würde? Lange konnte ich mir nicht einmal vorstellen, dass es tatsächlich Menschen wie in seinen Filmen gäbe. Dann habe ich die Folge von CINÉASTES DE NOTRE TEMPS mit ihm gesehen und wie er sich (vor der Kamera, vor einem Publikum) genau wie diese Leute benahm. Meine Skepsis gegenüber seinem Werk war danach größtenteils wie von Zauberhand dahin. Seeing is believing, scheinbar. Wie würde aber ein Film aussehen, mit dem er wirklich nur Menschen zum Lachen bringen möchte? Mehrmals wird in OPENING NIGHT ausgesprochen, dass es sich bei dem aufgeführten Theaterstück, von dessen Weg zur Broadwaypremiere erzählt wird, dass es sich bei diesem also um ein ernstes Werk handelt. Der Star der Aufführung, Myrtle Gordon (Gena Rowlands), scheint darunter zu zerbrechen. Geister ihrer verlorenen Jugend, in Form eines vor ihren Augen überfahrenen Fans, suchen sie heim, wie sie auch tiefsitzende Probleme damit zu haben scheint, dass sie nach diesem Stück wohl als alte Frau wahrgenommen werden wird. Das ganze Ausmaß ihrer Probleme ist aber kaum zu erkennen, weil sie zwar trinkt, kämpft und leidet, es ihr aber schwerfällt ihren inneren Tumult, den sie spürbar nach außen trägt, kohärent auszudrücken. Dass sie in einem Umfeld steckt, das von ihr erwartet, dass sie einfach funktioniert, macht es (für sie) nicht einfacher. Es ist klassischer Cassavetes. Jemand begibt sich ein ums andere Mal in Situationen, die aus dem Zwiespalt zwischen der spürbaren Peinlichkeit des Ganzen und der schmerzlichen Aufrichtigkeit ihre Kraft wie ihren Terror beziehen. In OPENING NIGHT löst er dies in einem geradezu programmatischen Happy End auf. In einer Ode an die Improvisation, an das Spiel mit den Dingen. Regisseur Manny Victor (Ben Gazzara), Autorin Sarah Goode (Joan Blondell) und Produzent David Samuels (Paul Stewart), sie alle werden glasige Augen bekommen, weil der Ernst des Stückes zerstört wird, weil der Spaß über die Trübsinnigkeit siegt und die Leute auf und vor der Bühne lachen. Weil sie anscheinend erkennen müssen, dass in bloßem Ernst etwas fehlt. Nämlich das Lachen als Befreiung. Und doch ist gerade dieses Lachen, dieses trunkene Feiern des Moments ebenso peinlich und schmerzhaft wie die Momente davor. Es ist wie immer mit Spaß, es ist irritierend, wenn wir selbst nicht mit drin stecken. Wenn jemand herzhaft lacht und es für einen nichts zu lachen gibt. Das Lachen von OPENING NIGHT, das kommt hinzu, entstammt nicht aus Pointen, sondern eben aus sich lösendem Druck. Vll ist dies Cassavetes‘ Manifest des Kampfes um Aufrichtigkeit, wie peinlich diese auch sei. Aber wie würde unter solchen Voraussetzungen eine Komödie aussehen, sein THE BOSS OF IT ALL? Das frage ich mich dann immer.
Freitag 12.05.
gut +
Als Kind fand ich es spannend in den Booklets die Hintergrundgeschichten von Ryu, Chun Li, M. Bison, Sub-Zero, Lord Rayden uswusf, also den Charakteren von STREET FIGHTER II, MORTAL KOMBAT oder anderen Beat ‚em ups durchzulesen. Die Mühe irritierte mich, sich dies auszudenken und dann im Spiel davon nichts zu finden, nur Figuren, die durch ihr Aussehen und ihren Stil genug charakterisiert wurden. Warum stand es da, interessierte doch eh niemanden? Bei HEADSHOT erinnerte ich mich wieder daran. Denn hier wird auch ein Plot mitgeschleppt. Ein Typ (Iwo Uwais) hat sein Gedächtnis verloren, nachdem ihm jemand in den Kopf geschossen und ins Meer geschmissen hat. Knapp überlebt muss er nun nicht nur herausfinden, wo er herkommt, sondern auch, wer er ist beziehungsweise wer er sein möchte. Seine Ärztin tauft ihn Ishmael, nach dem Erzähler von „Moby Dick“, sein Erzieher hatte ihn Abdi benannt. Programmtisch muss er sich im Laufe der Geschichte nun zwischen diesen beiden Namen entscheiden, zwischen einer neuen guten Identität und seiner alten nicht ganz so guten. Doch eigentlich hat er sich schon entschieden. Denn Ishmael ist eben der Held eines Computerspiels, der ausgeschickt wurde seine Damsel in Distress zu befreien. Diese Geschichte, nicht unweit von der Idee einen Klempner eine Prinzessin retten zu lassen, führt in den Film. Sobald aber die Kämpfe beginnen, sind es nur noch Zwischenspiele, welche von Kampf zu Kampf führen, von Level zu Level. Erst in einem Bus, dann in einer zerschossenen Polizeistation, dann im Dschungel, dann am Strand und schließlich im Hauptquartier, einem Bunker, erst gegen ein paar Fußsoldaten, dann gegen zwei Psychopathen mit Augenringen, die darauf schließen lassen, dass ihre Skrupellosigkeit vll nur mit bewusstseinsverändernden Substanzen aufrecht erhalten werden kann, dann gegen ein Hipster und Freund, dann gegen eine Frau mit gemeinsamer Vergangenheit und dann eben gegen den Vater. Teilweise fehlen in den Einstellungen – Totalen von den sich gegenüberstehenden Kämpfern – nur noch oben die Lebensbalken. Und so ist es auch hier irritierend, wenn HEADSHOT längere Zeit so tut, als würde er tatsächlich eine Geschichte erzählen.
Moralische Implikationen sind dabei nicht vorhanden, da nur von Schwarz und Weiß, Gut und Böse erzählt wird. Dass das Böse aber eine makabre Qualität hat, setzt die Atmosphäre. HEADSHOT spielt in einem Angsttraum. Hier wird von einer Welt erzählt, wo Gier, Perspektivlosigkeit, Korruption und Testorsteron jegliche moralischen Anker außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft aufgelöst hat. Als Hobbes davon sprach, dass der Mensch dem Mensch ein Wolf ist, hat er sich wohl nicht ausgemalt wie hier zwanghaft Menschen in einem Gewehrfeuer zerstückelt werden, bis noch das letzte Gedärm verteilt ist. Das Leben eines Menschen ist hier nicht mehr wert, als das Leben einer Schabe. Und so ist der Endgegner eine Art Buhmann. Jemand der kleine Kinder entführt und zu skrupellosen Tieren heranzüchtet, die für ihn alles machen. Die Welt in die HEADSHOT führt, ist die dunkle Vison eines abgehängten, verwahrlosten Draußen aus Sicht eines Safe European Homes.
Wie in THE RAID 2 werden die von Iko Uwais choreographierten Kämpfe dabei oft in scheinbaren Plansequenzen aufgelöst. In der Postproduktion wurden dabei am Computer mehrere Einstellungen so zusammengeschnitten, dass sie aussehen, als ob kein Schnitt da wäre. Eine lange unterunterbrochene Kamerafahrt, die durch Raum und Zeit zu fliegen scheint, ist das Ergebnis. Doch das Patchwork dieser Einzelteile ist in HEADSHOT spürbar. Es sieht aus wie ein Stück, fühlt sich aber wie ein Mosaik an. Die Übergänge sind nicht sauber. Zumal immer wieder tatsächliche Schnitte vorhanden sind, die aber wie Augenblinzen funktionieren, nach denen sich die Positionen der Kämpfer leicht verschoben haben oder die Perspektive eine etwas andere ist. Statt also scheinbar realitäre Plansequenzen in Hochglanz zu simulieren, fühlt sich das dreckiger an, subjektiver, wie die Synthese aus der Übersicht guten Handwerks und der Impulsivität einer Wackelkamera. Mit anderen Worten, das Gameplay von HEADSHOT, der ordentliche Schluck Adrenalin darin, findet in der Bildsprache zur Auflösung zweier gegensätzlicher Ideologien.
gut
Donnerstag 11.05.
großartig
Ein ehemaliger Nazi, Mörder und nunmehrige große Nummer in der Wirtschaft, Direktor Paddenberg (Peter Pasetti), bringt seinen Kriegsgefangenenfreund und einzigen Zeugen seiner Tat (Heinz Bennent) nach einem zufälligen Wiedersehen nach knapp 20 Jahren um. Die Frau des Ermordeten (Anaid Iplicjian) weiß um Paddenberg und quält ihn enigmatisch mit unausgesprochenen Forderungen. Geil auf Macht und skrupellose Gewinner ist sie, so sagt sie eindrucksvoll. Sie sucht die Nähe des Mörders … vll weil sie seine Klaue am Hals spüren möchte. Vll ist es wirklich ein Balzritual, welches den fahrigen Paddenberg da zusehends in ein Häufchen Elend verwandelt. Aber das Beste ist, wenn Stephan und Harry den Fall und die Frau bereden und dabei Wurststullen essen.
Mittwoch 10.05.
großartig
Die Dinge, die anders sind: Der Film alterniert zwischen der Doku über das Training einer Turnerin für ihre letzte Weltmeisterschaft und dem Spielfilm über die Ehe einer Hausfrau. Beide werden in einem mehr oder weniger rigiden Alltag porträtiert. Nur manchmal bricht die Lebensfreude durch. Und wie mein ehemaliger WG-Kater Lothar, der oft den Ausbruch aus der Wohnung probierte, bei Erfolg aber nur schnell wieder herein wollte, werden beide ihren Alltag hinter sich lassen können. Dann wird es für sie aber eher heikel. Ein beständiges, lyrisch sprödes Schaukeln zwischen etwas anderem.
Dienstag 09.05.
nichtssagend
Mein liebster Moment war, als Jennifer Lopez tatsächlich die personifizierte Schizophrenie von Vincent D’Onofrio verprügeln darf.
Sonntag 07.05.
großartig –
In einem fiktiven 1999 hat sich in Los Angeles der Charme der Unruhen von 1992 zum Status Quo entwickelt. Fast immer, wenn wir uns durch die Straßen bewegen, brennt oder explodiert ein Auto. Und zu Fuß unterwegs zu sein, scheint einem Todesurteil zu gleichen. Wenn nicht noch die halbwegs funktionierende Gesellschaft oben drauf bestehen würde, die Dystopie hätte etwas von Carpenters zu entflüchtendem L.A. Stattdessen Millennium, was heißt Party und erahnbare Apokalypse. Und Bilder, die oft überrannt sind mit Menschen … in einem ständigen Tummeln, wo es kaum glatte Flächen gibt. Und so ist das Pulverfass inzwischen so groß, dass diese Welt bei einem nächsten Rodney-King-Vorfall in Flammen aufgehen würde. Der millenalen Party, die all dies wegdrängt, stellt sich aber ein Krimi in den Weg. Bei einer Straßenkontrolle erschießen zwei Polizisten einen afroamerikanischen Rapstar und Bürgerrechtler, also diesmal nicht einmal jemand so zweifelhaften wie King. Die Vertuschung nimmt deshalb drastische Formen an und fordert Leben … im Umfeld vom Dealer von Mediendrogen Lenny Nero (Ralph Fiennes) und Bodyguard Mace (Angela Bassett). Zwei Figuren, die (bezeichnend) für die beiden Seiten der Medaille von STRANGE DAYS stehen. Nero ist gescheiterter Polizist, gescheiterter Liebhaber und lebt vom Verkauf von Wahrnehmungsaufnahmen von Sex, Gewalt und anderen aufregenden Situationen. Diese können per Minidisc in den Kopf der Käufer wie eine eigene Wahrnehmung abgespielt werden. Seine Seite des Thrillers ist paranoid, individuell und von Sucht, Perversion und Wahnsinn gezeichnet. Bürgerliche Biedermeierprobleme, die in einen tumultigen Abgrund geistiger Komplikationen verwandelt werden. Mace hingegen bewegt sich durch eine zerbrechende Gemeinde, die systematisch benachteiligt wird. Der Rassismus und die besagten Unruhen, die auf den Freispruch der Polizisten folgten, die Rodney King zusammenschlugen, sie durchziehen STRANGE DAYS zu jeder Zeit und im Parallelmontageende ist es Angela Bassett, die dies auf ihrer Seite ausagieren muss. Die gegen Polizisten in einer riesigen Masse kämpft. Und die die Hoffnung auf einen funktionierenden Polizeiapparat quasi als Entschuldigung für das Urteil von vor drei Jahre erhält.
Sonnabend 06.05.
fantastisch
MONTAG KOMMEN DIE FENSTER ist das Protokoll einer sich auflösenden Ehe. Nach einigen Anzeichen, dass Ehefrau Nina (Isabelle Menke) während der Renovierung des neuen Hauses in Kassel der Gesamtsituation überdrüssig ist, fährt sie, die jedem Konflikt am liebsten aus dem Weg geht, kommentarlos in die Nacht hinaus. Ein Telefonat, das sie zur Rede stellen möchte, beendet sie mit der Aussage, dass sie nicht wiederkommen wird. Stattdessen streunt sie durch das Leben ihres Bruders, durch einen Wald, durch ein Hotel in diesem. Zur Verdichtung der kommentarlos geschehenden Ereignisse scheinen immer wieder Genremotive einzudringen. Der Nebel in den Wäldern lässt Bedrohliches darin erahnen. Nina greift zur Motorsäge, wie im tollen Poster zu sehen ist. Die labyrinthischen Gänge des Hotels, durch welche sie wie ein Geist wandelt und wo immer noch surrealere Nichtsituationen auf sie warten (inkl. Eurodanceuntermalung), gewahren an THE SHINING (und somit auch an die nach Erklärungen verlangenden Schulgänge des Quasiremakes ELEPHANT von Gus van Sant). Später werden Autos von der gesamten Familie aus dem Dreck gezogen – buchstäblich. Affären mit abgehalfterten Tennisstars laufen ins Leere, wie Ehemann Frieders (Hans-Jochen Wagner) nächtliche Aufsuchen einer Verflossenen, mit der er sofort zusammenziehen möchte, nirgendwo hin führen. Der Horror, das Familiendrama, die Verdichtung durch solche Strukturen und Motive, sie geschehen nicht. Auch der (Kunst-)Porno, der den Film am Ende nochmal mit einem Erklärungsversuch überkommen mag, er endet in Apathie. Der Hinweis, der den ADVENTURES OF HUCKLEBERRY FINN – by order of the author, per G.G., Chief of Ordnance – vorangestellt wurde, er hätte auch MONTAG KOMMEN DIE FENSTER gut zu Gesicht gestanden: Persons attempting to find a motive in this narrative will be prosecuted; persons attempting to find a moral in it will be banished; persons attempting to find a plot in it will be shot. In einem althergebrachten Vergleich heißt es ja, dass Kino/Film voyeuristisch sei. Statt also zu erklären, macht Köhler aus dem Alltag ein Rätsel und bietet gerade das Spannende am Spannen. Etwas Widerständiges. Ein durchaus sehr witziges Faszinosum, das sich in Impressionen entziehen möchte. Wo eben Menschen in Kassel ein Sinnangebot für ihr Leben finden wollen und nur Weite, Leere und Nebel entdecken.
gut +
gut
Der MacGuffin von TO CATCH A THIEF ist die komplette Räuberpistole, die erzählt wird. Eine sommerliche Suche nach einem Juwelendieb, die es vor allem aber ermöglicht, dass Cary Grant mit aufmüpfigen, jungen Schönheiten herumschäkern und eine ältere Dame ihrer Tochter deren Prüderie vorwerfen kann.
gut
Von einer leicht schangelligen SM-Szene abgesehen ist der Sex in BLUE ECSTASY IN NEW YORK kurz, mechanisch und phantasielos. Ein klein wenig abgenudelt vll. Dafür ist er aber überall. Und ist ein kurzes sexuelles Intermezzo vorbei, beginnt das nächste auch gleich. Die blaue Ekstase ist wirklich etwas traurig. Erlebt wird diese von einer jungen Frau (Lesllie Bovee) aus einer Kleinstadt, die nach New York gekommen ist und nun den Sex überall sieht, zu ihm gedrängt wird, ihn aber nur in ihrer Phantasie mittels einer fiktiven Schwester, einer Luderversion ihrer selbst, erleben kann. Wenn es ihr zu viel wird, dann rettet sie sich zu Enten und Blumen im Park und genießt etwas Idylle, ehe wieder ihre beste Freundin (jemand der sich während gepflegtem Gruppensex gerne einmal im Raum aufbaut, an sich reibend, und allen verkündet, wie nah sie ihrem Orgasmus ist, sprich sie ist eine aufschneidende Selbstdarstellerin), ihr Freund oder der rücksichtsvolle Orgienfeierer (Jamie Gillis), ihre neuen Flamme, ankommen und sie in die Welt der Lust zerren wollen. Doch durch ihre Augen bleibt der Sex irgendwie fad. CAFE FLESH, die überreizte Pornoübersättigung in Pornoform, ist von Kemal Horulus Film nicht mehr weit entfernt. Hier herrscht aber noch ein verträumtes Sehnen nach Unschuld, in einer Welt, wo anscheinend nur die Ehe den Sex säubern kann. Leider dabei zu selten kultiviert: der Schnitt beim Sex auf Kuscheltiere und Heiligenbilder und die darauf folgenden (wehmütigen?) Kamerafahrten in die Untiefen des Fleisches zurück.
Freitag 05.05.
gut +
In dem Jugendclub des Stadtviertels, in dem ich aufwuchs, gab es 1993 eine Faschingsfeier. Ich war in der 5. Klasse und erlebte, glaube ich, das erste Mal Stroboskoplicht und laute stampfende Musik. U96 war mit DAS BOOT gerade der heiße Scheiß. Es ist einer der Momente, der für mich die 90er Jahre definiert hat. Und irgendwie musste ich bei LOLA RENNT immer wieder an diesen Abend denken. Denn Tom Tykwers Film ist in dem Jahrzehnt seiner Entstehung fest verankert. Der treibende Techno von Deep Forest, der Musikvideoschnitt, der rohe Zeichentrickstil in den entsprechenden Sequenzen, diese gewisse Aufbruchsstimmung, dass alles geht, was in Viva kurzzeitig seinen perfekten Ausdruck fand und genau dort auch am brutalsten zusammenbrach, sowie die Frisuren und Figuren. Erzählt wird eine schwerwiegende Geschichte um das Schicksal, die Macht des Zufalls und die Möglichkeit sich zu entscheiden. Und gerade zu Beginn, in der von Hans Paetsch erzählten Einleitung, die durch dessen knarzende Stimme eben etwas von Edutainment, Märchen und unendlichen Weiten (verbinde ich mit ihm eben vor allem meine He-Man-Hörspiele) hatte, wird diese Schwere dermaßen freudig überzogen, dass dieses stets etwas grundsympathisch Spleeniges hat. Wo die Dinge des Lebens, selbst der Herzschmerz, eben auch etwas Absurdes haben.
großartig +
Ein Modeschöpfer zwischen zwei Identitäten, einem derben, misogynen Erotomanen, der neben seiner Beziehung Lofts aufsucht, um dort sein Verlangen gegen Geld erfüllen zu lassen – was in diesem Fall heißt, er beobachtet ein Paar, beschimpft dabei vor allem die Frau, weil er in der Verachtung von weiblichem Begehren seine Lust findet und greift dann in das Geschehen selbst mit ein, wobei er die Frau weiterhin geifernd bestenfalls als Hure tituliert – und einer Identität als Transgenderfrau, die kaum weniger fordernd ist – also die Hure, die er gerne wäre bzw die er gerne ist, vll. Daneben Frauen, die offensiv ihre Befriedigung einfordern. Entweder wenn sie von den Sexualpartner verlangen, dass diese ihre Eier in sie hineinschieben oder eben den Mann so befriedigen wollen, wie es ihnen gefällt und nicht wie er es verlangt – im vorliegenden Fall mit einem in den Arsch des Typen geschobenen G-strings eben. G-STRINGS hat gerade so viel Handlung, um nicht schon Richtung Gonzo zu taumeln. Die vage verbunden Episoden, über deren Verlauf der wohl am ehesten nach Pornodarsteller und Schönling aussehende Mann nie in Sex involviert wird, erzählen irgendwo von einer Modenschau. Viel dringender brennen den ordinären wie raubeinigen Ereignissen aber Fragen nach Ermächtigung und Geschlechtsidentitäten unter den Nägeln, die unflätig in Schimpftiraden einem ins Gesicht gedroschen werden, aber nie doziert oder mit Lösung ausgestattet sind. Stattdessen Praxis.
Donnerstag 04.05.
großartig +
Die in den Gemächern eines chinesischen Fürsten zur Raumtrennung von der Decke hängenden Seidenbahnen verschleiern mitunter die Sicht des Zuschauers. Wir sehen in diesen Momenten aus dem Gesichtspunkt einer Auftragsmörderin, die ihr zugewiesenes Opfer belauert, die aber ihre Aufträge nicht mehr ganz zur Zufriedenheit ihrer Ausbilderin ausführt. THE ASSASSIN beginnt mit dem Nichttöten eines Fürsten. Seine Kinder sind anwesend und sie lässt ab. Warum sie nun durch Vorhänge schaut, statt zu Morden, es bleibt ihr Geheimnis. Vll sind die hauchdünnen Vorhänge, die die Konturen der Gesichter jeder Klarheit berauben Double von Tränen, da gebrochene Heiratsversprechen in die Motivationsmöglichkeiten hereinspielen. Vll entsprechen diese Momente nicht ganz durchsichtiger Kontemplation auch der nicht durchsichtigen Kontemplation des Films. Eine nicht mehr funktionierende Killerin – in den kurzen Gewaltausbrüchen funktioniert sie noch hervorragend und in einer Verschärfung von King Hus Obskuration von Kämpfen sind hier noch weniger ihrer scheinbar beeindruckenden Fähigkeiten zu sehen, da oft nur die Auswirkungen ihrer Handlungen von der Kamera greifbar zu machen sind … wenn eben Gegner ohne Kontrolle durch etwas hindurchfliegen oder wir selbst hier noch rätseln müssen, ob nun jemand tödlich verwundet ist oder ob nur seine meisterlich vorgeführten Unterlegenheit zu einem ohnmächtigen Zurücksinken in sich führt – eine Killerin also, die nicht mehr ihre Aufträge ausführt, findet sich in einem unwegsamen Gelände der Staatsräson wieder. Kaiser, Fürsten, Nonnen und andere konkurrieren um die Macht und suchen nach Strategien ihre zu erhalten bzw zu vergrößern. In klaren Bildern einer sanften Schönheit ist aber eben nicht viel klar … von den Oberflächen abgesehen. Was darin lauert, ist etwas anders. Tötet sie nicht mehr aus moralischen Skrupeln? Aus Mitgefühl? Aus Rache? Weil der Tod noch zu gut ist? Aus Streben nach Selbstständigkeit? Alles kann in dieser sanften Schönheit stecken, die wir wie durch Seidenvorhänge bespannen. Was wir darin finden hängt bestimmt auch von unserem eigenen Grad an Paranoia (den wir zu investieren bereit sind) ab.
großartig –
Action Derrick. Er springt aus Fenstern und bietet sich über den Dächern Münchens Schießereien mit Stripclubgeschäftsführer, mutmaßlichem Totschläger und Ausbrecher Raimund Harmstorf. Wie eine Spinne steht er einmal im Schatten einer Gasse, Arme ausgebreitet, mit der Pistole in der Hand, bereit seine Beute in Empfang zu nehmen. Noirschatten liegen im Treppenhaus des harmstorfischem Unterschlupfs an den Wänden. Etwas fällt ZEICHEN DER GEWALT aus der Reihe. Denn Stephan Derrick wird als Körper minimal erfahrbar. Dazu ein deftiger Stripclubbesitzer, der mit einem scheuen „ooh“ von seinem Divan aufspringt, von dem aus er Dias von nackten Frauen anschaute, als Derrick den Raum betritt. Selbstredend hatte dieser vorher (anscheinend) ausrichten lassen, dass er den Polizisten erwartet. So sehen die Zustände der Zeit aus. Kalter Zigarettenrauch in der Luft und nackte Frauen an der Wand, mit etwas formellem Schamgefühl betrachtet. Und Derrick führt in dieser Art auch in Formvollendung vor, dass er der Chef ist. Beim Überwachen des Stripclubs beschaut er die Damen auf der Bühne, während Harry die Umgebung im Auge behalten muss. Deshalb wundert es auch nicht, dass das Highlight der Folge ein Strip ist, den Grädler vor einer Wand mit symmetrisch-metallischem Blumenmuster dreht. Gülden und mit leuchtendem Rot wird dieses Beschienen, während die Zooms die Ausrufezeichen und die Kommas der Nebensätze bilden, bei einem gleichzeitig mit Ekstase und kühl überlegenem Stil vorgebrachten Tanz. Zentral im Bild, die Aufmerksamkeit voll einnehmend, ist Harmstorfs Frau hier die Spinne. So würden vll Filme von Feuillade aussehen, wenn er mehrere Jahrzehnte später gelebt hätte.
Dienstag 02.05.
großartig –
Nur keinen Stress. Von einem Drang Zuschauer binden zu müssen, lässt BLACK MAGIC fast gar nichts spüren. Gelassen schlurft er durch seine Geschichte korrumpierter Menschen, die über das Leben der anderen herfallen. Warum sich auch unter Druck setzen, es werden doch Sex, Hexerei und Laserduelle geboten. Dazu noch einen sympathischen schwarzen Magier, der neben seiner exorbitanten Preistreiberei auch noch seine Kraft mit buddhistischer Ruhe missbraucht. Fertig ist der schöne Film.
April
Sonntag 30.04.
gut +
Gleichzeitig ein Trittbrettfahrer von DAS DRECKIGE DUTZEND, aber auch ein Gegenentwurf. Zwar werden hier auch Tunichtgute zu einer verschworenen Einheit zusammengeschweißt und machen dann das Unmögliche und besiegen bravurös unbesiegbar scheinende Nazis. Doch hier werden sie nicht durch Strenge und einen Schleifer geeint, sondern durch einen William Holden, der seinen Soldaten nach einer Barschlägerei auch mal den Ausgang aus der Kaserne entzieht … für die nächsten 8 Stunden. Die wir gegen die-Dimensionen werden dabei sehr flexibel verschoben. Ein sehr interessanter Imagefilm fürs Militär, die ultimative Kumpelvereinigung. Helden und ihre Lügen.
tba.
JAMAIS-VU (Werner Biedermann, D 2016) – gut –
TREFFEN ZWISCHEN ZWEI PARKENDEN AUTOS (Anna Linke, D 2015) – großartig
THE GHOST IN THE MACHINE (Poppy Walker, Sophie Hexter AUS 2016) – gut +
DISCONTINUITY (Lori Felker, USA 2015) – großartig +
FÖDA (Mervi Junkkonen, S 2016) – ok
MR SAND (Soetkin Verstegen, DK 2016) – ok
ON AIR (Robert Nacken, D 2015) – großartig +
VINTAGE PRINT (Siegfried Fruhauf, A 2015) – großartig +
*****
An den Filmen, die es nicht in den Wettbewerb schaffen, kann ein Festival kennengelernt werden. Wieder findet sich hier, bei einer kleinen Auswahl von Filmen, die ihre Liebhaber fanden, aber nicht genug um in den Wettbewerb zu gelangen, die eine oder andere Perle. Stroboskopgewitter mit Epilepsiewarnung. Seltsamkeiten wie ON AIR, der von einer aus den 70 Jahren in die Jetztzeit gewehte Besetzung einer Radioshow erzählt. Inklusive umsichtigen politischen Rednern, zu Schmusebarden mutierende Aktivisten und einem allzeitbereiten Jazzmusiker. Ein anachronistischer Geisterfilm verebbter Ideen oder das zarte sprießen dieser im Absurden. Dazu noch ein ernster Film, der sich nicht anmerken lässt, dass er weiß, dass er mit Katzen, X-Files und dem Anpassungsmodus zum Beginn des gemeinsamen Wochenendes bei einer Fernbeziehung eigentlich nur Quatsch macht. Sowie diese eine Vergewaltigung zwischen zwei Autos, wo Schockzustand, Angst und die Suche nach Souveränität in der Situation nicht den Reflexen wie Rationalisierung, Empörung und Verdrängung preisgegeben werden. Ein seltsam lyrisches Porträt einer entsetzlichen Situation. Starke emotionale Filme, Erfahrungen und göttlicher Nonsens, die jedem Block gut zu Gesicht gestanden hätten, werden hier doch noch präsentiert. Und im Wettbewerb nette Filme über Pizza…
großartig
Das ganze Unglück dieses Filmes hätte verhindert werden können, wenn Rod Steigers Figur nur einen hoch bekommen hätte. Wenn sich da mal der ein oder andere Zuschauer nicht unter Druck setzen lässt. Ansonsten der erste Chabrol, der mir gefallen hat, sehr sogar. Vll ist der Zugang zu seinem Werk nun gefunden. Die Dreiecksliebesmordgeschichte erzählt er hier in morbider, moralisch zweifelhafter Romantik. Ein Film, der sich scheinbar wirklich um nichts kümmert und seine männlichen Figuren in allen Farben deftiger Selbstgerechtigkeit eine um Befriedigung kämpfende Romy Schneider einschnüren lässt. Der schmierig grinsende Ermittler, der stets mit seinem Kollegen am Essen ist, ist da das Topping, dieses bürgerlichen Gemäldes, das in seiner Fäulnis schon recht schwammig geworden ist.
Sonnabend 29.04.
uff
Diese Version von THE MOST DANGEROUS GAME ist ein bisschen wie eine Gruppe gerade in die Pubertät Übergehender, die eine Hüpfburg stürmen. Und die, damit niemand merkt, dass sie eigentlich Lust auf den naiven Spaß des Springens haben, sich wie Trolle benehmen.
gut
FRANTZ könnte durchaus interessant als Fortsetzung von DAS WEISSE BAND verkauft werden. Zwei Filme gespiegelt am Ersten Weltkrieg. Doch wo Hanekes Film in seiner Ansammlung mysteriöser Gewalttaten und Lügen noch auf die Wahrheit zu pochen scheint, dass der allgemeine Sadismus gleich mit in den Zweiten Weltkrieg führen wird, da wird in FRANTZ gelogen, um die Welt ein klein wenig erträglicher zu machen. Sogar um die Hoffnung der deutsch-französischen Freundschaft keimen zu lassen. Die Fakten tun nur weh. Allgemeine Umstände, wie das Wissen um das Leid auf beiden Seiten, geben einem wenigstens einen kühlen Kopf. Verpacken tut Ozon diese fragile Botschaft zwischen Hoffnung und Fatalismus in einem stillen Melodram, in dem ein ehemaliger französischer Soldat und die Verlobte eines kurz vor Kriegsende gestorbenen Soldaten sich kennen und lieben lernen. Selbstmordgedanken umkreisen sie, Erinnerungen und die gegebenen Umstände stehen zwischen ihnen. Da wo Haneke nun abwinkt und sich nicht vorstellen kann, dass mit diesen Menschen etwas anderes als Krieg anzufangen ist, da erzählt Ozon wehmütig, voller falscher Hoffnungen und morbiden Untertönen von einer Liebe die gerade, just in diesem Moment nicht sein kann.
großartig –
Die Philippinen sind das am häufigsten von Stürmen betroffene Land der Welt und der Taifun Haiyan war einer der schlimmsten, wenn nicht der schlimmste überhaupt. So eine Ankündigungsinfo zu STORM CHILDREN. Den Auftakt von Lav Diaz Bestandsaufnahme der Nachwehen dieses Taifuns bilden Impressionen von Strömen voll Geäst, Schutt, Unrat und einem so dichten Teppich an Dingen, dass es mitunter an eine sich bewegende Wiese gemahnen kann. Danach folgen Straßen und Brücken voller angespülter Dinge … bis ein gestrandet Schiff groß vor uns aus dem Meer ragend fast auf der Küstenstraße steht. Dieser Tanker hatte die Häuser an der unmittelbaren Küste dem Erdboden gleich gemacht. Erst steht da eben nur dieses Schiff, aber nach und nach wächst eine notdürftige Stadt darum. Die Überlebenden holen sich ihr Leben behelfsmäßig zurück. STORM CHILDREN arbeitet sich aber nicht an Elendstourismus ab und zeichnet auch kein Bild der Hoffnung. Vielmehr beobachtet es einfach Wasser und Kinder. Letztere fischen im Fluss, durchgraben die Berge von Treibgut und suchen nach Schätzen. Sicherlich sind es Existenz sichernde Arbeiten, auch wenn diese zumindest in den Sequenzen, die wir sehen, monetär nicht gerechtfertigt werden. Viel mehr sehen sie aus wie Variationen von Tom Sawyer, die der Katastrophe noch ein Abenteuer abgewinnen. Beenden tut dies alles dann auch ein kollektives, nicht enden wollendes Turmspringen von zwei im Meer liegen Schiffen. Lebbe geht halt auch hier irgendwie weiter.
nichtssagend
Das Hauptanliegen von DON’T KILL IT liegt darin, Körper möglichst überzogen zu zerstückeln. Da werden Köpfe zusammengequetscht, Brustkörbe durchteilt und Gliedmaßen abgehackt, dass es nur so eine Freude ist. Der Rest ist eher so eine Art Nebenprodukt dieser Freude am Gemetzel. Nebenbei stimmt dieses Schlachtfest dann aber auch einen schüchternen Abgesang auf die bürgerliche Gesellschaft an. Alle Menschen haben Waffen, alle drehen durch und nutzen sie an ihren Nächsten. Und die Kirche sieht dabei sowieso nicht gut aus. Und dann gibt es eben noch Bürgerschreck Dolph Lundgren, der in seinem Auto schläft, so wie er aussieht nicht regelmäßig duscht, keinen anerkannten Job oder Lebenswandel sein eigen nennt, aber eben als einziger weiß, was vor sich geht. Denn er ist der Dämonenjäger, der mit großem wie faulem Mundwerk und etwas tollpatschigen Übermut gegen das Böse vorgehen wird. Dass ihm dann aber nicht zugetraut wird, ein Engel zu sein, ist vielleicht das bitterste an DON’T KILL IT.
Freitag 28.04.
tba.
PINK VELVET VALLEY (Sébastien Petretti, B 2015) – ok +
THE DEAL (Ewa Smyk, UK/PL 2015) – gut
RAKASTAN ANNAA (Joonas Rutanen, FIN 2016) – gut +
PEEP SHOW (Rino Stefano Tagliafierro, I 2016) – großartig
ÜBER DRUCK (S. Binder, S. F. Schirmer, F 2016) – gut +
JUNGWILD (Bernhard Wenger, A 2016) – nichtssagend
FLOWERS AND BOTTOMS (Christos Massalas, GR 2016) – großartig +
FANTASIA (Teemu Nikki, FIN 2016) – ok –
CE QUI ÉCHAPPE (Ely Chevillot, B 2016) – großartig
*****
FANTASIA ist ein durchaus sadistischer Film, der seinen Hauptdarsteller erst die Möglichkeit gibt, sich die lang ersehnte Pizza Fantasia zu kaufen, wodurch er den ewigen Kartoffeln zu Hause entgehen kann. Dann, wenn er sie nicht sofort isst, sondern sie auf sein Motorrad schnallt, ist klar, was passieren wird. Zur Belustigung wird der Traum platzen. Dafür ist mein Gemüt scheint es zu wehleidig. Schön dafür eine Liebeserklärung mittels Ärschen und Blumen und eine schwitzige Sammlung von klassischen Gemälden pornösem Inhalts, zum Leben erweckt.
tba.
SOLDIERS LIKE STORKS (Saeed Nejati, IRN 2014) – ok –
THE DEAL (Maryam Farahzadi, IRN 2014) – ok
PRESENCE (Shahram Badakhshanmehr, IRN 2016) – gut –
THE INSTANT (Mohammad Hadad, IRN 2012) – uff
SAHAR (Alexander Farah, IRN 2014) – gut –
NEWZIF (Mohamad Esmaeeli, IRN 2011) – großartig –
WE ARE JUST TALKING ABOUT (Kaveh Haddadi, IRN 2016) – ok
THE GAMBLER (Karim Lakzadeh, IRN 2015) – ok
*****
Am schönsten: NEWZIF. Eine Variation von Sisyphos, bei der ein Mann eine Feder von einem Hochhaus fallen lässt und versucht vor ihr wieder die Straße erreicht zu haben. Ansonsten besonders in den Filmen, die den Block begannen, ein sehr eigene Symbolik, die sachte und naiv, mit einer Gesellschaft kommunizieren möchte, die sehr, so scheint es, reguliert und tabuisiert ist.
Donnerstag 27.04.
tba.
HAPPY END (Jan Saska, CZ 2015) – großartig –
LAST CALL LENNY (Julien Lasseur, USA 2016) – ok
LINES, PLANES AND HYPERPLANES (Antti Polojärvi, FIN 2016) – gut
GLASPÄRLAN (Tommi Seitajoki, FIN 2017) – gut
TURBO KILLER (Seth Ickerman, F 2016) – gut +
SYMBOLIC THREATS (M. Leinkauf, L. Henke, M. Wermke, D 2015) – großartig
STACEY EN DE ALIEN (Nelson Polfliet, B 2016) – gut –
DECORADO (Alberto Vázquez, E 2016) – großartig +
*****
Ein Bär im Morgenmantel erlebt die Welt als Abfolge irritierender, beängstigender Situationen. Ein Chor singt gleichzeitig als Ausrufezeichen und Komma in grellen Tönen zwischen diesen DECORADO. Da bleibt nur die Depression und die Paranoia zu umarmen.
tba.
CURVE (Tim Egan, AUS 2016) – ok
A NEW HOME (Žiga Virc, SLO 2016) – gut
AMO (Alex Gargot, E 2016) – großartig –
PORTAL TO HELL!!! (Vivieno Caldinelli, CA 2015) – gut
DET SJUNKNE KLOSTER (Michael Panduro, DK 2016) – großartig –
THE MONSTER (Bob Pipe, UK 2015) – ok
POINT OF VIEW (Justin Harding, CA 2015) – großartig –
*****
Mal von POINT OF VIEW abgesehen, brauchte hier niemand Angst haben, schlaflose Nächte zu verbringen. In seinen besten Momenten, also bei AMO und DET SJUNKNE KLOSTER (einer Zentropa-Produktion nach Hans Christian Andersen), kam das Grauen auch eher aus den Möglichkeiten eines Selbst gekrochen. Im kybernetischen Inzestporno AMO baut ein Mann von Menschen nicht zu unterscheidende Androiden, die, so wie sie Milch eingießen lernen, wohl auch sexuelle Dienste anbieten. Die Tochter, die er sich ebenso baute, fühlt sich dadurch zurückgesetzt und versucht eifersüchtig(?) ihm auch so zu Diensten zu sein. In DET SJUNKNE KLOSTER stopft ein Mann einen Klumpen in eine frisch geöffnete Wunde und schließt diese mit geschmolzenem Blei. Nach seinem Körper zu urteilen nicht das erste Mal. Daraufhin geht er an einen See und zieht an einem roten Faden eine tote Frau aus diesem, um sich an ihr zu befriedigen. Morgen beginnt es von neuem.
Mittwoch 26.04.
gut
Den Rahmen bilden Neulinge in der noch frischen berliner Nachkriegspolizei – beim Oberinspektor (oder so) des amerikanischen Sektors ist ein Schirm über den Tisch gespannt, von dem aus er seinen Kollegen seelenruhig Tee serviert, während es durch die löchrige Decke tropft – die losgeschickt werden, junge Damen zu verhaften, die unter sexuellen Versprechungen Herren ausrauben. Selbstredend wird es als große Sause inszeniert, wenn nackte Damen unter Zeter und Mordio sich ihrer Verhaftung erwehren und den Innenhof alles gewohnter Bewohner unterhält. Und so sind das zerbombte Berlin und der sich langsam vollziehende Wiederaufbau, einerseits eine ganz heitere Sache, wo selbst der ständige Hunger eher zum Schmunzeln einlädt, anderseits vollzieht sich vor einem Serienmordfall, der konsequent die Zerteilung Berlins ausnutzt, um unbemerkt zu bleiben, der Aufbruch in den Kalten Krieg. Und so steht verspielte gute Laune neben sachlich-ernster Abarbeitung in einem Berlin, das von 1972 aus imaginiert – also nachdem die Sicherheit herrscht, dass eigentlich alles irgendwie ganz ok weitergeht – wie sich der Blick von 1946 in die Zukunft wohl voller Hoffnung angefühlt haben mag.
ok
Curd Gustav Andreas Gottlieb Franz Jürgens gibt den bösen Wolf, der mit seinen Augen seine Gegenüber irritiert abmisst und am Ende seiner Nichte diverse Fragen beantworten muss, worauf die letzte Antwort fast wäre Damit ich dich besser fressen kann.
Sonntag 23.04.
großartig
Irgendwo zwischen Nouvelle Vague und DEFA-Sachlichkeit liegt TÄTOWIERUNG. Portrait eines Jugendlichen auf der Suche nach Erfüllung und vor allem nach Grenzen. Er scharwenzelt, dem Jugendhaus entlassen, durch nicht ernst genommene Jobs, verbrecherische Abenteuer und sexuelle Annäherung und findet sich dadurch beständig in Konfrontation mit seinem Ziehvater, einem stets verzeihenden Menschen voller Verständnis. Die Funken schlagende Energie des Films fließt so beständig in klamme Spannungslosigkeit … eben wie wenn eine Kreuzung aus Antoine Doinel und Michel Poiccard auf die kumpeligen Beamten eines DDR-Staats treffen, die sich das Kino der DEFA so oft erträumt hatte. Eine Mischung, die nichts auflöst und so den Druck aufbaut, bis die Explosion kommen muss.
ok +
Zwei Seelen hat DELTA FORCE. Die erste Hälfte ist ein Katastrophenfilm über diverse Schicksale bei einer Flugzeugentführung. Mit dabei zwei Schauspielerinnen, die nicht nur wie aus EINE SCHRECKLICH NETTE FAMILIE entsprungen zu sein scheinen, sondern auch tatsächlich ebenso aussehend dort mitgespielt haben. Die zweite Hälfte erzählt dann voller Euphorie von Chuck Norris und wie er ikonisch am Ende einer Straße mit Panzerfaust steht und ein kleines Bataillon Terroristen erwartet. Ergo es ist ein Actionfilm, der von einer stilvollen Rettung träumt.
großartig +
Die Angst vorm ich, die Angst vorm du. Die Angst vorm Sex und einer Auflösung. Eine einfache Geschichte – ein Dozent (Jake Gyllenhaal) findet einen äußerlich exakten Doppelgänger (Jake Gyllenhaal), der ihn nach dem Kennenlernen moralisch-dubios dazu erpresst für einen Tag die Rollen zu tauschen, damit er mit der Frau seines Gegenübers, die nicht wie seine schwanger ist, schlafen kann – eine wenig verwinkelte Geschichte erzählt ENEMY wie ein paranoides Spinnennetz. Kaum erkennt Dozent Adam sich selbst in einem Film, ist die Atmosphäre im Ausnahmezustand. Die Ähnlichkeit wird nicht aufgeklärt, da die Implikationen – Persönlichkeitsspaltung, zeitliche Verschiebungen, gespiegelte Schicksale, verheimlichte Geschwisternschaft – vor allem Adam in eine mentale Fötusstellung zurückschrecken lassen. Sein Doppelgänger fragt ihn beispielsweise einmal, ob er dieselbe Narbe am Oberkörper hat, während er sie ihm zu zeigen beginnt, woraufhin Adam panisch flieht. Dies dezidiert ruhig Erzählte findet keinen Grund und es wird dementsprechend in Schatten geschaut, in denen sich das Simple aufzulösen beginnt. Und innerhalb dieses Identitätsklumpatsches dröhnt stets der Sex. Gerade der Trieb unterscheidet die beiden sich oberflächlich Entsprechenden. Der eine plant und agiert kaltblütig um seine Gier zu befriedigen, während der andere von Skrupeln befangen wird, wenn er das Leben seines Doubles betritt. Und noch einmal, ENEMY erzählt nicht viel und konkretisiert dabei nichts, weshalb viel davon, was wir sehen, damit zusammenhängt, was wir in dies Unbestimmte mit hineinnehmen. Lediglich Angst und Unsicherheit bestimmt das Geschehen. Der zentrale Moment ist so ein Zurückschrecken, der Erzählerische Status Quo ein Vorantreibenlassen mit dem letzten Mut. An den Bruchstellen befinden sich Frauen und Spinnen und die gleitende Lust an der Phobie, am Schrecken.
Sonnabend 22.04.
gut –
Am Ende hat wohl alles zu der Schlusspointe geführt. Die Gefühlslage nach einer Trennung nimmt in RAMMBOCK das Gesicht einer Zombie-Epidemie an. Verschiedene Phase wie Leugnung, Trauer, Wut durchläuft Michael, die alle über die Zombies und dem Verhalten ihnen gegenüber ausagiert werden, bis er, wie durch einen Rammbock beigebracht, erkennen muss, dass seine Gabi unter allen möglichen Umständen nichts mehr von ihm wissen möchte.
großartig
Die strenge, geometrische Kadrage Seidls findet im Abmagerungscamp, mit seinen Regeln und strikt engmaschig geregelten Tagesabläufen, eine offensichtliche Entsprechung. In diesem Käfig frisst sich langsam eine widerständige Liebesgeschichte ein. Melanie (Melanie Lenz), Tochter von Teresa aus PARADIES: LIEBE, verliebt sich in den Arzt des Camps. Sie drängt sich ihm schüchtern auf und hofft mehr noch auf seine Zuneigung, als auf Erfolg bei der Gewichtreduzierung. Er flirtet und schäkert mit ihr, geht aber immer wieder auf Distanz. Mal scheint es die Öffentlichkeit zu sein, die ihn abschreckt, mal die Stärke seines Triebes, dem er sich nicht hingeben möchte. In der kalten Enge des Films wächst so langsam eine Blume, eine zarte, schreckhafte Liebesgeschichte, die mal in seidltypischer emotionaler Drastik ausagiert wird und mal zu zaghaften, gegen die Scham ankämpfende Annäherungen führt, die voller paradoxer Gefühle sind. Kälte und Wärme, Realität und Zauber, in PARADIES: HOFFNUNG lösen sich die Grenzen auf.
fantastisch –
Mark Wahlberg ist ein Castingglücksgriff sondergleichen. Wenn er als feuriger Verfechter von Wissenschaft dasteht, die Kamera in sein Gesicht hält und er in Sekundenschnelle die Bedrohung analysieren muss, die von einer Natur ausgeht, die alle Menschen scheinbar in Selbstmörder verwandelt, während der Wind die Ursache der suizidalen Tendenzen immer näher an ihn und seine Mitflüchtigen heranzutragen scheint und während alle auf ihn einreden und er nur einen klaren Gedanken zu fassen versucht, wenn er wie ein Ahnungsloser aussieht, der um Erkenntnis ringt, dann ist das schlicht sensationell.
Freitag 21.04.
nichtssagend
Die letzten Tage habe ich ein bisschen in meinen Sehtagebüchern von 2012 und 2013 gelesen. Etwas traurig stimmten mich die kurzen Verrisse und Abkanzelungen von Filmen, die mir zwar nicht ganz so gefallen hatten, aber sicherlich mehr verdient haben, als mit Worthülsen beworfen zu werden. Doof finde ich diese kleinlichen, nicht auf den Film eingehenden Watschen. Etwas mehr Demut und Verständnis erhoffe ich mir aus dieser Erfahrung. Nichtsdestotrotz fällt mir zu PARADIES: GLAUBE kaum mehr ein, als dass ich die Erfahrung, ihn zu sehen, doof fand. Von der wunderschönen Szene im Park abgesehen, als die eifrige Missionarin plötzlich vor exzessiven, nächtlichen, öffentlichen Gruppensex steht und sichtlichen zwischen den Impulsen weg zu rennen und an die Arbeit zu gehen schwankt, einem Moment, wo sich tatsächlich etwas zu öffnen scheint, besteht Seidls zweiter Teil seiner Trilogie vor allem aus der Vorführung von verhärteten Fronten. Zwei Personen, die aus Verzweiflung oder sonst was, sich auf ihre Position eingeschossen hatten, wurden aufeinander losgelassen und beim Eskalieren beobachtet. Den Versuchsaufbau konnte ich aber nichts abgewinnen. Er schien mir nur aus Klischees und Versteifungen zu bestehen. Nur aus Dingen, die man so über die da eben im ersten Moment denkt. Etwas Selbstgeißelung hier, etwas fehlende Flexibilität da. Aber vll gehört eben das mit zum Spiel. Interessant fand ich es aber nicht.
Donnerstag 20.04.
großartig +
Enttäuschung sprach wohl vor allem aus meiner Verabscheuung von M. Night Shyamalan, nachdem ich THE VILLAGE das erste Mal sah. Nach THE SIXTH SENSE und UNBREAKABLE, die mir nicht sonderlich zusagten, verstand ich nur die Euphorie nicht. Nach THE VILLAGE war da ein tiefes Ressentiment, das wohl gerade darin begründet lag, dass ich in der ersten Stunde so wahnsinnig darin aufging. Zu Beginn ist da beispielsweise die rote Blume, die sich durch die Stufen einer Verandatreppe in dem abgelegenen, puritanischen Siedlerdorf gekämpft hat und nun satt in den sachten Farben eines gedeckten Gelb-Braun-Grau des Dorfes erstrahlte. Sofort wird dieses scheinbar urplötzlich gewachsene Stück Sinnlichkeit ausgerissen und verscharrt. Die Atmosphäre eines Märchens, eines Ortes der eigenen, sich entziehenden Regeln gehorcht und von Geheimnissen bestimmt wird, in dieser kleinen Sentenz offenbart sich dies alles romantisch wie effizient. Das Dorf ist von einem Wald umschlossen, der, so wird gesagt, von Monstern in roten Kutten bewohnt wird. Die Farbe Rot ist verboten. Es herrscht Klaustrophobie, welche die Bewohner in einen sachten Ausnahmezustand zwingt, in ein Habacht der Frömmigkeit und Güte. Erst ist da einfach nur die Angst vor der Waldgrenze und dem Nichts, die Angst vor der eigenen Phantasie, doch als frisch gehäutete Tierleichen auftauchen, teilweise sogar an Türschwellen gehangen werden, da zieht sich der Kreis enger und Panik und Überreaktion scheinen nur noch eine Frage der Zeit. Dieses Dorf in seinem traumhaften Nirgendwo, beherrscht von einer Aura beständiger Geheimhaltung, ist von einem inhaltlichen wie ästhetischem Reichtum, der grenzenlos scheint. Überall gibt es Anschlusspunkte, Implikationen und Mysterien. In seinen einfachen Themen von sexueller wie emotionaler Repression, dem Leben in einer unklaren, sich entziehenden Welt, von moralischer Suche nach einem richtigen Leben und von Angst öffnen sich unendliche Möglichkeiten, von denen einem THE VILLAGE empfindsam, direkt und komplex erzählen kann … und wenn es nur die Erfahrung ist, dass Wahn und Paranoia, so wenig sie krankhaft sind, die Grenzen der Phantasie hinwegfegen und einem eine dunkle Unendlichkeit vorführen. Wie gesagt, ich ging darin auf. Dann twistete sich der Film aber ins banale, in einer keinen Schatten lassende Erklärung des Ganzen. All meine Phantasiegebilde brachen vor mir zusammen. All das, was ich so intensiv zu spüren bekam, würde kalt weggeduscht. Ich wollte einfach dieses Dorf nicht verlassen und Shyamalan zwang mich dazu. Ich habe ihn dafür wohl gehasst. Mit Abstand, nach der Erfahrung von SPLIT, hat sich meine Perspektive wohl geändert. Gerade die Banalität auf die alles hinsteuert, so schien mir nun, öffnet noch mehr doppelte Böden und reichert THE VILLAGE noch mehr an. Und wenn es wiederrum nur durch die Schönheit geschieht, wenn die Angst der Erkenntnis weicht, statt nur in Angststarre zu verweilen.
Mittwoch 19.04.
verstrahlt
Es ist der Sextourismus, der weniger beleuchteten Art, welcher Seidls erneute Unannehmlichkeitstortur bestimmt. Eine mittelalte, beleibte Frau macht mit Freundinnen Urlaub in Kenia. Dort kann sie sich begehrt fühlen, sie braucht nur etwas Geld und die Fähigkeit die Augen etwas zuzudrücken. Denn sie will lieber die geschwätzigen Illusionen von Liebe glauben … bis sie schließlich doch der monetären Realität ins Gesicht sieht und enttäuscht immer mehr zur garstigen Ausbeuterin wird. Auf der anderen Seite Männer, die zur Unterstützung ihrer Familien oder gar von Schulen ihren Körper und eben die Träume vom begehrt Sein an solche Touristinnen verkaufen. Am Ende gibt es nur Verlierer, so scheint es. Die sehnsuchtsvollen Träume endlich einmal (wieder) geliebt zu werden und Verlangen zu entfachen, sie sind in den starren Bildern einer makabren Trennung der Menschen (ein Band am Strand trennt die reichen Touristen von den lokalen Verkäufern) zum Platzen verdammt. Und der Verkauf einer Illusion scheint zwangsläufig zu schalem Missmut zu führen, den die Verkäufer abbekommen werden. Und gerade weil zumindest die Hauptprotagonisten nichts Böses wollen, aber von Seidl mit einer schüchterner Freude und geschlossenen Augen in ihr Unglück geschickt werden und dies zu durchaus peinlichen bis unangenehmen Situationen (mit Güte oder Hoffnung im Herz) führen, die unerbittlich gestreckt werden und ausgehalten werden müssen, deshalb ist PARADIES: Liebe trotz aller Zärtlichkeit wiedermal ein zwiespältiges Vergnügen.
******
Als Teresa, die Hauptfigur, ihr Hotelzimmer bezieht, trifft sie auf dem Balkon einen Affen an und gibt ihm übereifrig sofort eine Banane als Goodie. Wenig später wird sie immer weniger eifrig ihren Liebhabern Geld zustecken. Bei einem Ausflug sehen wir und Teresa wie sich Krokodile um ein über ihnen baumelndes Stück Fleisch streiten. Nur eines wird es bekommen. Sobald Teresa das besagte Band am Strand überschreitet wird sie von unzähligen Verkäufern von Touristennippes belagert. Nur einer wird ihr Geld erhalten. Werden die Kenianer hier systematisch zumindest bei der Symbolik der Situationen in die Nähe von Tieren gerückt? Ist es nur Teil dieses undursichtigen Spiels, ob Seidl Advokat des Teufels ist oder nicht?
Dienstag 18.04.
ok
Das zerbombte Berlin als Kulisse, so makaber es ist, ist für den Film Gold wert. Die Suche nach dem passenden Resetbuttons für die ganzen verschüttenden Lebensentwürfe strömen aus den Bildern, ebenso wie die Ruinen ein Abenteuerspielplatz für die Kinder des Krieges sind. Taschendiebe, Schieber, Heimkehrer, Wartende, Krieg spielende Kinder, düster könnte IRGENDWO IN BERLIN sein, aber dies wird weggewischt. Die zwielichtigen Gestalten sind zumindest bis zum bösen Erwachen charismatische Kumpeltypen. Und von diesen Geistern befreit wandelt sich Lamprechts Film zu einem ebensolchen Tristkind, gleich denen, die ihn zunehmend bevölkern. Das große und das kleine Wirtschaftswunder der beiden bald entstehenden Staaten in den kommenden Jahren sind Ziel der Beschwörungen von Ehrlichkeit und der Bitte die Ärmel hoch zu krempeln, die IRGENDWO IN BERLIN im Laufe der Zeit zunehmend wird. Und so ist es ein schöner Film des Ist und ein sehr sauberer Film über das erhoffte Bald.
Montag 17.04.
ok +
In einem Gespräch in einem Fahrstuhl erzählt Floyd (Frank Giering) einer Bekannten (Julia Hummer), in einer Mischung aus dem Wille beim Flirt zu überraschen und aus schlichter Überzeugung, dass das Leben immer von Musik untermalt sein sollte. Und wenn es am schönsten ist, dann sollte die Platte hängen. Am Ende, wenn Floyd über seinen schlafenden Freunden steht und zweifelt, ob er Hamburg wirklich verlassen soll oder doch bei seinen Kumpanen bleiben, rekapituliert er die Geschehnisse des eben gesehenen Films, der die letzte gemeinsame Nacht dreier Freunde und deren eigenwilliger Erlebnisse zwischen Glück und Katastrophe zeigte, und das Lied, welches seinen Blick ins Leere untermalt, bleibt hängen… Und nach etwa drei Hängern, just in dem Moment, wo einem die Erinnerung auf die Sprünge hilft, was das heißen soll, läuft das Lied weiter. Einerseits ist das eine hübsche Hommage an die Flüchtigkeit des Glücks, welches schon wieder vorbei ist, sobald einem klar wird, wie gut wir uns fühlen. Anderseits scheint es auch beispielhaft für einen Film, der Irritation gerne vermeidet. Melancholische Momente bestehend aus Musik, Blicken und Impressionen ziehen fast zwangsläufig erklärende (Off-)Kommentare nach sich. Die Figuren sind Karikaturen ihrer selbst und die Skurrilsten von ihnen können so auch der WOCHENSHOW oder SWITCH entsprungen sein. 90er Jahre Lebensgefühl in einer Konserve.
gut
Träume von Erhabenheit und wie sie an der Spießerseele scheitern. Außer in diesem.
gut
Die gute Nachricht ist: mein erster Impuls wäre gewesen, meinen verstorbenen Führer durch die afrikanische Wildnis zu begraben. So wäre mir die Verfolgung durch Geister und bedrohte Hinterbliebene erspart geblieben … aber mein Verständnis von der Welt auch nicht angegriffen worden. Hm.
Sonntag 16.04.
großartig –
Passend zum Ostersonntag habe ich die Umdeutung von DIE LINKE UND DIE RECHTE HAND DES TEUFELS Richtung Bibelverfilmung geschaut. Clint Eastwood nimmt dabei sachte Kevin Costners Magnum Opus POSTMAN voraus. (Denke ich zumindest, da ich Letzteren bisher leider nur ausschnittsweise gesehen habe und das Fantastische zu diesem Zeitpunkt nur erwarte.) Als Messias aus dem Totenreich inszeniert sich Eastwood, gesandt von Gott um ein paar Siedler vor den großen Kapitalisten zu schützen. Viel Wert legt er dabei darauf, dass die Frauen sich sofort in ihn verlieben, er aber nur bärbeißig im Schatten steht und ihnen mit aller Macht seines Blickes und Knurrens klar zu machen versucht, dass er ihnen wiedersteht und Lust und Liebe mit einem Gefallenen wie ihm, nicht funktioniert. Ansonsten ist PALE RIDER eine Beschwörung von Mut und Unkorrumpierbarkeit vor dem Hintergrund von epischen Wäldern und Weiten im Winter, die nicht nur moralisch von den Reichen und Mächtigen bedroht sind, sondern gleich umweltverschmutzend in den Dreck gezogen werden. Das Mittel dagegen, mit Mumm auf Gott vertrauen, er wird schon einen unbesiegbaren Schläger schicken. Und Eastwood erzählt dies wunderbar geschmeidig von einer Kanzel zu seinen Lämmchen hinab. Aber in seinen Augen blitzt der Wahnsinn, der in Schmutz und Gewalt auflöst, was er mittels Frömmigkeit an Spannung aufbaut.
Sonnabend 15.04.
großartig +
Edward Yangs Beitrag zu den Nachwehen des Erbeben der Globalisierung, welcher der II Weltkrieg war. Seine poetische Aufarbeitung der Jugend Anfang der 60er Jahre erzählt von us-amerikanischen Einflüssen in Form von Rock’n’roll und Elvis, von Rebellion, Jugendbanden und einer Welt, die nach ihrem Grund sucht. Die Situation von A BRIGHTER SUMMER DAY (der englische Titel des wortwörtlichen übersetzt Youngster Homicide Incident at Guling Street heißenden Films bezieht sich auf eine Zeile des prominent benutzten ARE YOU LONESOME TONIGHT?, wohingegen der deutsche Titel wohl wahllos und unpassend von einem Kalender genommen wurde) ähnelt im Allgemeinen den Zuständen an diversen Orten der Welt, im Speziellen ist es aber auch das Portrait eines sehr eigenen Momentes in der Geschichte … dem Yang nach Jahren der Militärdiktatur und ihrer eigenen Darstellung der Zeit zu Sichtbarkeit verhelfen möchte. Das große Problem in Taiwan, die Identität. Millionen von Chinesen flohen vor den Kommunisten nach Taiwan. Kaum wird es angesprochen, aber der Film handelt von Gestrandeten, die in den Häusern der ehemaligen japanischen Besatzer wohnen, an einem Ort, wo andere Dialekten gesprochen werden, wo ein Status Quo erst gefunden werden muss. Folglich ist das Leben von Hoffnung und dem Lauern von Krallen bestimmt. Hin und her schwappt dabei die Erzählung. Sonnige Sommertage, Heranwachsen, erste Liebe, keusches EIS AM STIEL, dann Bandenkriege, die in ihrer märchenhaften Schräglage einer Parallelwelt an Coppolas Hinton Verfilmungen erinnern, die jedoch auch unvermittelt in ein Massaker umschlägt, das in Schatten über die Leinwand blitzt, die jede Identität der Kämpfer verschlingen. Dann steht zwischenzeitlich eine Diktatur im Mittelpunkt, deren Bedrohung für ihre Subjekte meist nur zu erahnen ist. Der Vater des Hauptdarstellers wird inhaftiert und mit besten stalinistischen-faschistischen Methoden vernommen. Heißt, Schlafentzug, keine Aufklärung über die Vorwürfe, Unklarheit über Konsequenzen und Bedrohung, sprich, die Zerstörung von Sicherheit … sodass möglichst alles gestanden wird. Aber auch hier sind die wirklichen Gräuel nur am Rande zu erahnen. In kurzen, als Drohung gedachten Blicken in Räume, wo Menschen auf Eisklumpen sitzen müssen. Und so brennt die Sonne, eine junge Welt voller Möglichkeiten und Unsicherheiten trottet durch diese. Außer in seinem flüchtigen Ton, in dem vieles Drastische und Bezeichnende ohne Ausrufezeichen fast verschluckt wird – irgendwann wird beispielsweise eine neue Schulregeln aufgestellt, wonach Baseballschläger nun auf dem Schulgelände reglementiert werden, da diese zu oft in Auseinandersetzungen Verwendung finden … als wären es normale Zustände, werden solche Abgründe eben in Nebensätzen gepackt – also außer in diesem Ausbreiten eines Alltags von jugendlichem Zauber und unwirklichem Eindringen von Konsequenzen findet A BRIGHTER SUMMER DAY kaum eine Identität. Fahrig ist er deshalb nicht. Er steht nur mitten in einer komplexen Welt, die gerade in ihren Schatten und Ahnung porträtiert wird.
gut
Freitag 14.04.
ok +
Zwanzig Jahre nach der letzten Ostermayr-Version nimmt das Drehbuch die zuvor eingeführten Zusätze auf, also den dem Alkohol zugewandten Zollbeamten und die liebestolle Jungfer, und baut diese massiv aus. Scheinbar war sich Drehbuchautor Zibaso oder sonstwer bewusst, dass die sehr mild ergreifende Liebesgeschichte etwas Würze in Form von Gaudi brauchte, da dieser JÄGER VON FALL mehr noch als die anderen Hächler-Ganghofer-Produktionen Alexander Stephan dort verorten, wo er hingehört, nämlich als Lustknaben in einem Umfeld von Untoten. Auch wenn Reinls Film immer noch viel zu weit von diesem Ideal entfernt bleibt. Hätte Hächler eben etwas von Visconti gehabt, Stephan wäre eine wunderbar modrige Version Helmut Bergers geworden. Ansonsten mit dabei: Klaus Löwitsch als Narr, Prophet und Retter in der Not.
großartig
Serpil Turhan schreitet als Deniz – wieder ist das Gehen bei diesem Arslan enorm raumgreifend – wie eine Mischung aus Dampfwalze und Zombie durch DER SCHÖNE TAG. Sie geht auf Arbeit, trennt sich von ihrem Freund, unterhält sich mit ihrer Mutter, hat ein Vorstellungsgespräch, flirtet mit einem Mann, verbringt die Nacht mit ihm redend und eine alte Freundin kommt zu Besuch. So sieht die Oberfläche dieses möglicherweise wirklich sehr schönen Tages aus. Aber es ist ihr Gehen und ihre Art zu sprechen, die ihrem Gang entspricht – ihre Stimme hört sich zart an, aber das täuscht nur über das Blaffen hinweg, die ihre Sprache im Grunde bestimmt – die trotz der Sonne, der Natur, den Impressionen und der Ruhe eigentlich das Porträt einer schwelenden Frustration sind.
gut +
Der internationale Prostitutionsbund sucht neue Frauen. Lady Blue schickt ihre besten Männer los, um die gewünschten Unschuldigen, Kecken oder gleichgeschlechtlicher Liebe gegenüber Offenen mit einem Wundertrank absolut gefügig zu machen. Selbstredend endet sowas wie ein griechisches Drama.
großartig –
Schauen wie Wellen sich ausbreiten. Ermittler Tauber verhört den Großteil des Films die wahrscheinliche Täterin bzw Mitschuldige eines Mordes. Und beide schauen nur den Wellen ihrer Taten zu. Wenn sich der Fall in Rückblenden entrollt, dann offenbart sich immer mehr eine kaum Volljährige, die vor den Konsequenzen ihrer Entscheidungen und ihrer fehlenden Möglichkeiten/Fähigkeiten, ihrem Milieu zu entkommen, apathisch zusammenbricht und nur mehr schaut, als seien diese Dinge Tatsachen des Lebens eines anderen. Tauber hingegen kann nur zusehen, wie die Trümmer sich offenbaren. Retten kann er nichts mehr. Nur die Ruinen empathisch zusammenkehren … und wie nebenbei der Resignation durch Witz und je ne sais quoi von der Schippe zu springen.
Donnerstag 13.04.
ok +
Mal sind es an romantische Gemälde erinnernde Einstellungen, wie die Aufnahme eines Floßes über eine im Vordergrund liegende Leiche hinweg, oder Stilbrüche, wie der Einbruch eines psychopathischen Axtmörders aus einem Horrorfilm, mit denen Hans Deppe gegen ein Drehbuch ohne Zentrum und ohne über Klischees hinausgehende Ideen ankämpft. Schön ist allerdings, wie sehr DER JÄGER VON FALL mit seinen stoppelbärtigen, dreckigen Unholden, mit den Gewehren im Anschlag, mit dem Kampf um Recht und Ordnung in der Wildnis uswusf sich dem Western annähert. Der ja auch nichts anderes ist, als das Äquivalent des Heimatfilms in den USA.
ok +
In der Visions gab es einst ein Interview mit Tricky, der auf Kate Bush angesprochen total euphorisch wurde und gar nicht aufhörte zu schwärmen. Unschwer war herauszulesen, dass sie für ihn die Größte war. Ich kannte von ihr nur WUTHERING HEIGHTS, RUNNING UP THAT HILL und CLOUDBUSTING, für Euphorie hatte dies nie bei mir geführt. Aber das, von dem da zu lesen war, das wollte ich auch hören. Also lieh ich mir von meinem Vater die Best of Kate Bush und hörte. Es gab mir nichts. Das Interview las ich jedoch immer mal wieder, weil ich Tricky und dieses Gespräch mochte, woraufhin ich es immer wieder mit dieser Best of versuchte. Eben weil die ersten vier Alben Trickys mir so viel bedeuteten und ich hören wollte, was er hörte und was ihn da zu seiner Musik inspiriert hatte. Immer wieder gab ich die CD meinem Vater rätselnd zurück. Aber nach ein paar Jahren und diversen Versuchen wurde ich wärmer mit dem, was ich da hörte. Erst war da ARMY DREAMERS und dann kaufte ich mir nach und nach ihre Alben. Heute ist sie für mich die Größte, THE DREAMING eins der tollsten und verrücktesten Alben überhaupt und das eigentlich nur, weil ich nicht akzeptierte, dass ich nicht hören konnte, dass da Unglaubliches passierte.
Mit Terrence Malick geht es mir ähnlich. Immer wieder schaue ich seine Filme, aber warm geworden bin ich mit diesen noch nicht. Als THE THIN RED LINE auf VHS herauskam, habe ich ihn mir von einem Freund ausgeliehen und nach wenigen Minuten ausgemacht. Der nächste Versuch endete als Travolta oder Nolte auf dem Kreuzer mit der Intonierung seines inneren Monologs begann, was sich wie all die anderen gehauchten Offenbarungen zuvor anhörte. Wo war die Individualität dieser Menschen? Wo die Individualität der Situationen? Ich fand diese Art, die Figuren – wie kurz vorm Einschlafen – sanft ihr Sein zusammenfassen zu lassen, schrecklich. Gefühle, Leben, Differenzen, Widersprüche, nichts fand ich und machte eben wieder aus. Also wieder ziemlich schnell. Seitdem hat etwas wie Reife eingesetzt. Seit also so ungefähr 15 Jahren habe ich keinen seiner Filme abgebrochen. Ich schaue sie mir interessiert an. Aber die Jubelstürme meiner aktuellen diesbezüglichen Trickys, es sind Lukas F. und Thomas G., kann ich immer noch nicht in dieser Form nachfühlen … und es ärgert mich etwas. (Warum gerade bei Malick, ich weiß es noch nicht.)
TO THE WONDER sei der malickschste unter den Filmen des Terrence Malick, schrieb mir Lukas vor kurzem. Plötzlich hatte ich mal wieder Lust mich daran zu versuchen. Wenn schon, dann gleich die Essenz, dachte ich mir. Dass Thomas fast zeitgleich von SONG TO SONG schwärmte, festigte nur den Entschluss. Und wie stets seit THE NEW WORLD fand ich mich zwischen den Stühlen wieder. Fasziniert verfolgte ich den Bewusstseinsstrom, der TO THE WONDER ist. Es sind vll drei Stellen in denen das Gezeigte wie in einer Szene funktioniert. Also das Ton und Bild die Einheit eines realen Moments ergeben. Also als ob wir scheinbar bei einem Streit oder ähnlichem zusehen. Fast ausschließlich schweben stattdessen Fetzen von Situationen vorbei, die mit Musik und Monologen kommentiert werden. (Spannenderweise lässt Malick Ben Affleck, der immerhin den konstanten Bestandteil der beiden bzw drei Beziehungen bildet, die den Film mehr oder weniger ausmachen, nur zweimal zu Wort kommen. Sonst bleibt er außen vor, weshalb er etwas enigmatisch bleibt, wie ihn seine Partner scheinbar auch erleben.) Statt Greifbarem gibt es Eindrücke und den Nachhall des Wirklichen. Sich in TO THE WONDER zu verlieren, ist bestimmt angenehm. Der Ton des Ganzen verhindert es aber für mich. Thomas hat mal geschrieben, dass Malicks Filme gesehen werden wollen und nicht gehört. Das erschloss sich mir sofort, aber hier meine ich mit Ton etwas anderes. Es ist eher die gleichförmige Harmonie, die alles unter sich begräbt. Die Erinnerungen an die flüchtigen, kleinen wie großen Momente des Glücks, die Streits, die Verzweiflung, sie alle werden mit dem selben Ton erzählt, wie sich auch die inneren Monologe jeder Person zu jeder Zeit gleichen. Malicks Filme entsprechen in meiner Wahrnehmung oft entspannten Nahtoderfahrungen … wenn Nostalgie alle Gefühle außer Sanftmut aus einem herausgespült hat. Zwei Stunden Schönheit, die so vollkommen sind, dass sie kaum noch etwas von dieser Welt haben und eher etwas von Best of Travelguidebildern. Selbst Umweltkatastrophen werden mit derselben Harmonie gespielt, wie familiäres Glück. Da bin ich leider immer raus. Auch in der Visions stand mal eine Rezession zum damals neuen Album von Speech (vormals Arrested Development), das schön aber so positiv sei, dass danach erstmal Entombed nötig wär. Bei Terrence Malick fehlt mir vll genau dieses gewisse Quäntchen Entomed.
Vor einigen Jahren hat Kate Bush bei einer englischen Preisverleihung eine Ehrung erhalten. John Lydon ebenso, der sich mehr oder weniger durchs Programm und seine Rede pöbelte. Er kam auch auf den Preis für Kate Bush zu sprechen und aus dem Nichts offenbart er seine Liebe zu ihr und ihrer Musik. Es war seltsam. Selbst Kate Bush hatte wohl einen Rant erwartet … in meiner Erinnerung sah sie sehr überrascht und erleichtert nach dem Geständnis aus. Auch Stinkstiefel Lydon ist ihr verfallen. Vll in ein paar Jahren werde ich auch völlig überrascht eine neue Perspektive erhalten und meine Liebe zu Terrence Malick entdecken und ihn aus dem Nichts anpreisen. Bis dahin versuche ich es immer wieder, auch wenn mir mitunter während seiner Filme eher nach pöbeln zumute ist.
nichtssagend
In seiner zweiten Produktion von DER JÄGER VON FALL räumt Peter Ostermayr kräftig mit dem Drehbuch auf. Er ordnet die Wilderer-vs-Jäger-Geschichte der Liebesgeschichte unter und erhält somit eine klare Version, die dem Chaos seines 20 Jahre früher entstandenen Filmes vor allen Dingen darin überlegen ist, dass viel deutlicher zu erkennen ist, wie uninteressant die Geschichte ist. Nach der Hälfte der Spielzeit ist eigentlich auch alles erzählt. Es folgen nur Kalamitäten um die Liebe, welche das vorzeitige Ende hinauszögern. Gegen die Ödnis gibt es ein paar ulkige Nebenschauplätze wie einen durstigen Zollbeamten oder eine alte Magd, die an der Jungfernkrankheit leidet und dringend einen Mann braucht. Aber wenn ein Film, indem Rudolf Lenz ein goldlockiges Tristkind auf dem Rücken trägt, nicht beginnt zu strahlen, dann ist das Knäckebrot schon sehr hart.
Mittwoch 12.04.
großartig +
Die Uhren, die Musicalnummern, das Wandern durch verlassene, heruntergekommene Räume, die einen nur am Rande artikulierten gesellschaftlichen Zusammenbruch vermuten lassen, HOLE kann wie eine rudimentäre Studie für die nächsten vier Filme Tsais erscheinen … oder er trägt eben die Unterschrift eines Auteurs, oder so. Ein romantischer wie kitschig ramontischer Film. Eine Epidemie hat Taiwan befallen, die Mensch auf Mensch zu einem Kakerlaken ähnlichem Verhalten veranlasst. Müll regnet beständig aus Fenstern, während sich zwei Menschen behutsam annähern. Ein Laden, der als einziger in einer verfallenen Mall noch öffnet. Die Vereinsamung in einer Metropole, davon wird mit dem ganz selbstverständlichen Schlurfen durch eine zerbrochene Welt erzählt, wie von der Möglichkeit der Liebe, die in den campig über die Lethargie hereinbrechenden Musicalnummern steckt. Und gerade wenn der Symbolismus die klamme Verlorenheit mit Zweckmäßigkeit zu ersticken droht, da endet der Film mit einer Jahrhundertgeste des Zusammenfindens eben der besagten zwei Menschen. Einer Frau, die in einer Wohnung mit massiv zunehmenden Wasserschäden wohnt, und dem Mann, der in der trockenen Wohnung darüber haust. Ein Loch verbindet die Wohnungen, welches wohl der Klempner auf der Suche nach der Ursache für die nassen Wände schlug. Was würde Freud zu einem Traum von einer Frau sagen, die in beständiger Feuchte vereinsamt lebt und dieser nicht entkommt? Und von dem eines Mannes, der nur durch ein Loch eine Ahnung von den Zuständen in der Feuchte hat und an diesem beginnt herumzunesteln? In einem solchen sagenhaft mäandernden Quatsch ist es vll noch am ehesten möglich verloren und grenzenlos naiv von der Liebe zu träumen … und vom Schönen, Guten und … naja vll auch Wahren.
gut +
Wolfgang Becker versucht sich an seinem eigenem FACES. Immer wieder schaut er seinem Hauptdarsteller ganz tief ins Gesicht und lässt alles Wichtige darin geschehen.
Dienstag 11.04.
großartig –
Da Kafka vergessen hatte eine Figur wie Derrick zu erfinden, musste sie im Postwirtschaftwunderdeutschland erträumt werden. Er sei nicht gern ein Vertreter des Gesetzes, weil es ihm zu abstrakt sei, sagt er in dieser Folge (wenn ich mich nicht irre). Weniger lebendiges Wesen sind seine Tränensäcke ein fleischgewordenes Über-Ich, das bissig, herablassend und verhöhnend straft. Das nicht an Worten hängt, sondern an einem instinktiven, gierigem Sinn für Gerechtigkeit und zur Rechenschaft ziehen. Gerade wenn Derrick dann auf jemanden trifft, der glaubt mit Macht, Geld und Selbstverständlichkeit alles vertuschen und seinen Schmutz an die Schwachen hängen zu können meint, dann erst kommt er wirklich zu sich. Wenn er jemanden von seinem Thron der Dreistigkeit stoßen kann. Deutschland und dein (gerechtfertigter?) Selbsthass, komplexer, widersprüchlicher und derber porträtiertest du dich nie.
großartig –
Eine Folge ganz für die Präsenz von Peter Kuiper. Dieses schüchterne Lächeln des Wahnsinns, unsagbar gut.
gut
Der Clon des Vorgängers einsteigt einem Bad aus Zeitgeist. Es fehlt nur, dass John Connor (Edward Furlong) noch Nirvana neben Guns n‘ Roses gehört hätte, aber NEVERMIND erschien in diesem Falle auch erst ein paar Monate nach dem Kinostart von TERMINATOR 2. An zwei Stellen variiert Cameron dementsprechend den ersten Teil. Statt einer unwahrscheinlichen Liebesgeschichte bekommt erstens ein Jugendlicher einen unwahrscheinlichen Vater. Nicht mehr die intime Nähe einer Paarbeziehung wird über das Ende der Menschheit hinausreichen und dort die Möglichkeit von Sicherheit schaffen, sondern eine Familie … oder spezieller eine unbesiegbare Vatermaschine, die nichts im Sinn hat, als für das Kind/den Sohn da zu sein, die auf das Kind hört und selbst in seiner ungelenken Peinlichkeit noch cool ist. Oder anders, der James Dean der Generation X bekommt in seiner Rebellion gegen eine Welt der inneren Leere einen idiosynkratrischen Vater, der gleich einem süßen wie bissigen Hund, je nach den Bedürfnissen, für die nötige Geborgenheit sorgt. In der meditativen Fläche zwischen der Action des Plots, einem Tal in der Mitte des Films wird dies in einer Wüste zum zentralen Moment einer plötzlich perfekten Welt, wo der Wind einem den Sand wärmend über die Haut streicht. Es ist die Nostalgie bzgl einer gewünschten Erinnerung, die noch kommen wird. Andererseits wird das Paradox, dass die Zukunft sich erst selbst schafft, aufgelöst. War die Geschichte des ersten Teils noch eine runde Sache, also eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, da reißt JUDGEMENT DAY diese auf. Es war 1991 als der Film erschien. Der Kalte Krieg war vorbei und die düstere Zukunft eines atomaren Holocaust, 1982 noch so nah, rückt weiter in die Ferne. Und so versuchen die Connors mit ihrem umprogrammierten Terminator/Vater die Zukunft zu ändern, sie wirklich zu diesem Wahngebilde zu machen, zu dem es die Psychiater in beiden Teilen immer wieder erklären. Ein hehres Ziel, aber es mag am Director’s Cut liegen, den ich sah, dass dieses beharren auf Warnung und ultimative Hoffnung TERMINATOR 2 etwas die Kraft raubt. Denn in der verlängerten Version reichen die Visionen eines brennenden Spielplatzes nicht mehr als Antriebsmotor um unbedingt und schlussendlich verzweifelt die bessere Welt schaffen zu wollen. Es muss darüber geredet und rationalisiert werden. Michael Biehn darf gar als Kyle Reese im Traum wiederkehren und unterstützend auf die Schulter klapsen. Der TAG DER ABRECHNUNG zieht so in dieser Version der Dystopie endgülig den Zahn und hofft in effektvollen, besser produzierten, glatteren Wiederkehrungen von TERMINATOR auf den baldigen Sonnenaufgang.
Montag 10.04.
großartig
gut
Auch im zweiten Teil herrscht Familienhorror, der durch hochgekrempelte Heiligenscheine besiegt wird. Manchmal scheint es dabei, dass Wan im Grunde keine Lösung für seine wunderbaren Zerstörungen von Familien und ihrer Nerven kennt. Die Momente der Unsicherheit und des Terrors scheinen nur aus ihm herauszufließen, vll noch nie besser als hier, aber die Versuche sie in eine Geschichte und, noch problematischer, in ein Happy End einzuhüllen, sind hohl, bieder und verwässern auch den Kern des Ganzen, den Horror. Jesus saves wird einem schlicht gesagt und plötzlich ist alles ok. Die größte Stärke von THE CONJURING 2 ist deshalb vll eine gammelige Dämonennonne, die etwas Dreck nach der allgemeinen Frömmigkeit schmeißt.
Sonntag 09.04.
großartig
Der Metzger, der während der Inflation mit seinem Fleischvorräten Frauen zum Sex nötigt, hat eine Frisur kultiviert, gegen welche ich mich bei einer bestimmten Haarlänge beständig zur Wehr setzte(n muss), die sich aber meist durchsetzt. Die wellenden Bogen auf seiner Stirn, die er so stolz trägt, in ihnen stand schon die ganze Obszönität seines Tuns und des Aufeinanderpralls von Armut und Reichtum, Hunger und Ausschweifung, Kriminalität, Verkommenheit und der Göttlichen in spe.
großartig +
Seitdem ich nun diverse längere Lav Diaz Filme sah, kann ich mich in Filmen mit langen Einstellungen noch mehr entspannen und genießen. Und manchmal reicht dann, dass ein Hausschuh im Hintergrund durch den Hausflur treibt, auf einer Wasserfläche, die niemanden zu irritieren scheint, während im Vordergrund die Figuren irgendwie handeln, um mein Herz zu erobern.
Sonnabend 08.04.
großartig –
Ein Poem über die Verarbeitung von Tod mittels romantischer Spiegelungen von Schicksalen bzw mittels des Eindrucks, dass sich beim neuen Mann alles auf wundersame Weise gleicht, obwohl alles neu ist, während sich das vorherige Leben weiter schlagartig auflöst … und eine Ode über die Unmöglichkeit sich mit anderen Menschen austauschen zu können als Widerspruch suchende Liebesgeschichte.
großartig +
Es ist schwer zu sagen, was hier am bittersten ist. Das Fest zwischen Familienfeier und Männerbundgaudi, das von heute aus gesehen den Mief von Jahrhunderte altem Hecht atmet, aber vll nur in seiner oberflächlichen Ausprägung nicht mehr aktuell ist. Ausgelassenheit um zu sich zu finden bzw um endlich von sich weg zu kommen, alles in einem. Mal richtig das kackbraune Herz Gassi führen, weil es ja nur Spaß ist. Der Mord, als ein ausgelassener Familienvater und Anstandsperson seine vll künftige Schwiegertochter und die Tochter eines engen Freundes begrapschen möchte, ihr Wehren nicht ernst nimmt und sie in einem Unfall tötet, um die eigene Übergriffigkeit zu verstecken. Eine Tat, die trotz ihrer Flüchtigkeit nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist. Oder sind es die Ausflüchte, die er danach bringt. Tausendmal gehörte Bezichtigungen von kurzen Röcken und aufreizendem Verhalten. Schön hingegen wie STIFTUNGSFEST ein Psychogram der Schulderkenntnis zeichnet. Langsam erkennt der Täter nicht nur, dass diese Tat zu ihm gehört, dass es nun Teil seines Lebens ist. Dass die Belästigung und die sexuelle Gewalt zu ihm gehören. Dass das Bild, welches dies wirft, ihm nicht gefällt, aber eben nicht mehr zu leugnen ist. Wie er um sich und sein Ansehen fürchtet … während er von dem kaltblütigen, bellenden Gestapo-Columbo eingekreist wird. Kurz, wir sehen einen Mann, der unter Schweiß und Tränen in aller Öffentlichkeit – und deshalb versteckt in sich – erkennen muss, wie sein Selbstbild sich auflöst.
Freitag 07.04.
großartig –
LES DIABOLIQUES aus den kalten Klauen Clouzots befreit, als gammelige Schönheit aus obskuren, beschwörerischen Nackttänzen, wilden Offenbarungen und groben Unfug als Ersatz für die an allen Ecken fehlende zwischenmenschliche Wärme.
verstrahlt
Der Schnitt versucht das Gefühl des Umblätterns zu erreichen, ohne schlichtes Umblättern als billigen Effekt zu benutzen. Splittscreens sollen die Panels nebeneinander wiedergeben. HULK experimentiert damit einen Comic zu verfilmen … womit gemeint ist, dass nicht bloß die Geschichte verfilmt wird. Das Format Comic wird viel mehr in das Format Film transzendiert, sozusagen. Und da der Regisseur Ang Lee ist, wird nicht einfach nur eine pulpige Geschichte erzählt, sondern diese auch ins Esoterische aufgeblasen, bis der Ballon voll Übermut, wortwörtlich, platzt. Ich kannte den Film ja schon, aber irgendwie muss mein Kopf das alles in die hinteren Ecken verdrängt haben. Ich mag Hulk, aber das ist einfach nur seltsam, gab Sabrina Z. danach an und es stimmt. Auch mein Kopf hatte all diesen an der Essenz der Welt kratzenden Irrsinn völlig weggepackt. Vll braucht es vor diesem HULK einen Selbstschutz.
Donnerstag 06.04.
ok –
Mittwoch 05.04.
gut –
Stephan Derrick als hemdsärmeliger Columbo. Wie in der ersten Folge ist der Fall bei Täterkontakt gelöst und wieder schaut Horst Tappert komplett irritiert auf den Mörder, der seine Tat durch Plappern mehr als offensichtlich macht. Ein Blick, der nicht glauben kann, was da vor ihm geschieht. Daraufhin spielt Derrick Spielchen mit diesem. Aber anders als der (vll) zerstreute Ermittler in den USA fehlt ihm die Geduld, die Grazilität und so bellt er ihm Andeutungen entgegen, die auch seinem Spaß am Sadismus offenbaren. Gerade in einer Folge, die psychologisch zwischen Verachtung und Mitleid für seinen Täter changiert – einem egoistischen Jammerlappen, dessen Gier im Leben auf eine grenzenlose Hilflosigkeit trifft – nimmt dieses perverse, derbe Einschlagen also die Rolle eines profanen, dürstenden Willen nach Rache ein, der Leid nur mit Leid beantworten kann. Ein Engel einer völkischen Lynchjustiz unter dem Deckmantel der Zivilisation. Auf der anderen Seite das Opfer (auch in Form ihrer Schwester), welches ob dieses Häufchen Elends sich nur erbärmlich fühlen muss. Ein schönes Drehbuch, eher bieder umgesetzt. Das sonore Erlebnis der hypnotisch knarzenden Dielen und Türen, hallend ob der hohen Räume, wird meist nur durch das schlichte Filmen der Schauspieler unterlegt. Ein psychologischer Streifen also, der nur im Wohnzimmer der blutjungen Geliebten des Täters (Helga Anders) den offenen Irrsinn findet und bebildert. Im nächtlichen Schein des Fernsehers strahlt das Gegenteil der Gier, eine uneingeschränkte Kapitulation vor dem Leben.
Montag 03.04.
großartig –
Um es zu dokumentieren, Christophs Verteidigungsessaygedicht der gesamten Serie: DERRICK ist der deutsche Policier und Polar der 70er, mit den meisten Qualitäten, die die Filme von Henri Verneuil, Jacques Deray, André Cayatte, Georges Lautner & Co aufwiesen. Zugleich ist DERRICK natürlich auch die Weiterentwicklung und Elaborierung all dessen, was Jürgen Roland, Alfred Vohrer, Rolf Olsen, Ernst Hofbauer, Edwin Zbonek, Wolfgang Glück und andere im deutschen Kino der 60er versucht haben. DERRICK ist, zusammen mit dem ALTEN, das beste aller deutschen Beispiele für kitchen sink, jedoch gepaart mit Genre-Abgründigkeit, und so wollte man kitchen sink natürlich eigentlich immer haben. DERRICK ist die Dekadenz der alten deutschen Nachkriegsfilmindustrie im Bett und zugleich auf dem Schlachtfeld mit dem Zeitgeist und seinen sozialklimatischen Voraussetzungen. DERRICK ist ein Füllhorn von B-Movie-Juwelen und Genrefilmmeisterwerken begnadeter, exzentrischer, intellektueller, verrückter und cinephiler (ergo: am und im Kino geschulter) Filmemacher wie Zbynek Brynych, Wolfgang Becker, Dietrich Haugk, Alfred Vohrer, Günter Gräwert, Jürgen Goslar und Helmuth Ashley, also eines Großteils der Crème de la Crème der deutschen Pulp- und Genreregisseure. DERRICK ist teutonische Melancholie par excellence. DERRICK ist der schizophrene Tumor, der im Gehirn eines Drehbuchautoren wuchern muss, bei dem Empathie und Misanthropie auf der gleichen Spur liegen, auf der er im Abgrund seiner einsamen Seele wandelt. DERRICK ist gleichermaßen Manifest teutonischen Miefs und popkulturelles Dokument, in dem man zwischen Peter-Thomas-Grooves und Minirock-Tanz zu „Don’t let me be misunderstood“ auf dem nächtlichen Stachus dem zumindest vermeintlichen Sterben der alten Bundesrepublik zusehen und sich daran ergötzen kann. DERRICK ist natürlich gerade in seinen ersten Jahren auch filmisch ein Fest, reich an kinetischer, suggestiver, frenetischer und idiosynkratischer Kameraarbeit. DERRICK osziliert grandios zwischen Schmutz und Seife. DERRICK appelliert durch permanente niederträchtige Entgleisungen und darauf folgende, trockene Erniedrigungen von Münchner Schickeria und Anzugträgern an die Schadenfreude des linken Zuschauers, die umso größer ist, weil dies ganz sicherlich nicht im Sinne des Erfinders war, aber Intentionalismus ist ja auch langweilig. DERRICK ist oft wesentlich dunkler, erwachsener, ambivalenter, erzählerisch reicher und melodramatischer, als heutiges Krimifernsehen selbst in seinen ambitioniertesten Momenten. DERRICK ist ein Born der Verstrahlung, ein Kabinett anthropologischer und filmischer Unfassbarkeiten, welches den Geigerzähler immer wieder durch die Decke gehen lässt und sich somit als Premium-Psychotronik qualifiziert. DERRICK ist bevölkert von den tollsten Charakterdarstellern, die zwischen 1930 und 1995 durch das deutsche Kino spaziert sind. DERRICK ist auch zutiefst amerikanisch, weil unter dem karierten Fluss diverse diffuse existenzialistische und spirituelle Ströme fließen. DERRICK ist auch deshalb amerikanisch, weil immer eine große und schamlose Nähe zum Groschenroman besteht, unter gleichzeitiger (häufig metafilmisch gebrochener) Suggestion von Sophistication und Eleganz. DERRICK ist in den ersten zwei Staffeln aber teils auch einfach fantastisches GenreKINO voller Action, Dramatik, Sex und Blut. In DERRICK haben sowohl Dialoge über das Wesen Gottes und die Ewigkeit von Liebe und Hass, als auch Todeskämpfe zwischen nackten Männern im Schlammbad und an MANIAC erinnernde Verfolgungen von Frauen durch Serienmörder in menschenleeren U-Bahnstationen Platz. DERRICK ist eine große Liebeserklärung an ein ranzigeres, runtergerockteres und prekäreres München, das es heute nicht mehr gibt (außer hinter der Sonnenstraße in Richtung Bahnhof, mein Münchner Sightseeing-Tipp!) und an die berauschende Hässlichkeit feudaler Innenarchitektur der 70er und 80er. DERRICK überrascht immer wieder mit berückendem Quatsch und lässt auch mal Einbrecher ihr Werk vergessen und im Swimmingpool der Bestohlenen zu „Theo, wir fahrn nach Lodz“ eine Plantschparty feiern. DERRICK ist und bleibt eines der größten Trostpflaster dafür, dass wir in Deutschland nach 1975 kein richtiges Genrekino mit entsprechender, eigenständiger Poetik und Philosophie mehr hatten. DERRICK ist nämlich in all seiner extremen Deutschheit (und ja, auch die ist in diesem Fall toll und faszinierend) der Beweis dafür, dass in diesem tristen Land, in dem wir leben, genug Sehnsucht, genug innerer Aufruhr, genug Lust und genug Gewalt für ein in der deutschen Wirklichkeit verankertes Genrekino steckt, bzw. hat DERRICK über seine 20 Jahre Laufzeit hinweg gründlich nachgewiesen, dass sich diese deutsche Wirklichkeit durch Genrekino möglicherweise viel pointierter und erhellender reflektieren lässt denn durch das freudlose Themenfernsehen/kino, mit dem wir heute traktiert werden. DERRICK erreicht, dass wir das Bescheuertste und Hässlichste an uns als Spektakel begreifen. Wäre Samuel Fuller Deutscher gewesen, DERRICK wäre sicherlich seine liebste Fernsehserie gewesen. DERRICK ist… tja… wie soll ich sagen… schlicht und ergreifend die Ultrakunst! (Ich hoffe er fühlt sich nicht auf den Schlips getreten.)
*****
Eine kurze Gesichtsbuchmeinung meinerseits zu WALDWEG: Toll fand ich vor allem, dass er neben dem Giallo auch ein wirklich bitteres Stück über die Enge der bundesdeutschen Gesellschaft ist. Das bittere, lechzende Denunziantentum, sobald es die Möglichkeit gibt, wie der „Ich mag die Mädchen“-Lehrer sich rechtfertigt, die verzweifelten Erklärungsversuche der Mutter, die Versuche mit sich klar zu kommen und Walter Sedlmayr in seiner kleinen Rolle als garstiger Arsch (gerade dass er diese Rolle immer gespielt hat, Irrsinn), den es vll noch freut, wenn die Menschen um ihn moralisch fallen und körperlich „bezahlen“ müssen. Wie grimmig und moralisch komplex…
Sonntag 02.04.
nichtssagend
Die Pop-Up-Bücher des Fieslings waren toll. Ansonsten das erwartbare emotional-manipulierende Allerlei für die ganze Familie. Netter, schmerzfreier Zeitvertreib. Nicht meine Tasse Kaffee.
Sonnabend 01.04.
großartig +
verstrahlt +
Nach ca. 4 Stunden und 20 Minuten ist im Grunde alles erzählt und aufgerollt. Trotzdem wird FLORENTINA HUBALDO noch etwa 100 Minuten weiter in perfider Penetranz das Gezeigte aus neuen oder ähnlichen Blickwinkeln vorführen. An einem Punkt wird die von ihrem Vater zur Prostitution versklavte Florentina im Dschungel stehen, direkt in die Kamera schauen und den Zuschauer um Hilfe anflehen. Minutenlang. Die einzige Möglichkeit, sie in diesem Moment zu ignorieren, ist das alles doof zu finden. Ihr zerschlagenes Gesicht. Ihr durch schmerzhaft verzweifeltes Strampeln blutig gewordenen Knöchel, an dem die viel zu kurze Eisenkette anliegt, die sie ans Bett fesselt. Ihre Schreie aus der Hütte, während ihr Vater seelenruhig mit dem nächsten Freier davorsitzt und mit diesem trinkt. Ihr Irren durch verregnete Gassen. Ihr in die Leere gehendes Flehen mit ausgestreckten Armen, dass von einer Sicherheit tröstend in die Arme genommen möchte, die es nie geben wird. Die Bilder der Qual Florentinas sind mannigfaltig und, da wir uns in einem Lav Diaz Film befinden, auch unerbittlich lang anzusehen. Als ob dieses Leid Florentina die Identität raubt, als ob sich alles darin auflöst, wird sie sich über die Stunden verteilt mantraartig darin erinnern, wie sie heißt, wo sie geboren wurde und wo ihre Mutter starb. Es ist ein Kampf um Identität, in einem Meer aus Schmerz.
Der Beginn ist dabei klassischer Lav Diaz. Lud die Natur wenigen Stunden zuvor bei Thomas Arslan noch dazu ein, darin zu verweilen, die Seele baumeln zu lassen, sich hinzusetzen und zu kontemplieren, da ist sie hier viel widerständiger. Die Büsche, Bäume und Sträucher, welche die Kamera stoisch aufzeichnet, sind Ausdruck eines in eine schweigende Welt Geworfenseins, die kaum subjektive Projektions- und Assoziationsangebote bereithalten. Möglichst unästhetisch aufgenommene Dinge, in denen wir uns eben befinden … und in denen Wege und Straßen verlaufen, die wie bei den Lumières aussehen. Sich irgendwo verlierende Möglichkeiten. Strukturen, die ins Unkontrollierte gestampft wurden und auf ein Anderswo verweisen. Wie Heremias wird Florentina an einer Wegkreuzung stehen. Sie wird ihren Kurs aber nicht wechseln (können) und auf ihrer Route bleiben. Wie Heremias hat sie damit kein Glück.
In einem Artikel über ein Extremsportereignis, ich weiß nicht mehr worum es ging, das Zitat hängt aber an meiner Wand, stand einmal der Satz: Für die einen sind die Strapazen Sinnsuche, für andere sportlicher Marathon. Und einer will endlich mal sein Pferd so richtig ausreiten. Ich fand dies immer sehr treffend für das Leben und es ist auch ein schönes Bild dafür, was es heißt sich vor einen Film wie FLORENTINA HUBALDO zu sitzen. Aber im Angesicht desselben ist dieser Satz auch bitter, weil hier derbe wie gebrochen, voller Lücken solchen Strapazen Ausdruck verliehen wird, die kaum noch zu ertragen sind. Es ist eine Drastik des Leids, die bar jeder Grazilität oder Feinsinnigkeit hernieder kommt. Es ist ein Monument, das Eleganz niederwalzt. Die Fragen, die FLORENTINA HUBALDO vor sich herträgt, sind so banal wie die Fragen, die einen Mann belasten, der Florentina kennenlernen wird. Wie kommt nur so viel Schmerz in die Welt? Was macht dies aus den Menschen und Florentina? Weltschmerz in Kinderfragen. Leid hat da nichts mehr episches, sondern ist jämmerlich, billig, gewöhnlich und eben nicht schön.
Nur wenige Einschübe lassen den allumfassenden Schmerz etwas auflockern. Wenn Lav Diaz die zukünftige Familie Florentinas in stilisierten, melancholischen Tableaus ausnahmsweise kunstvoll zeichnet und traurig in einem Fluss sitzen lässt. Die Rettung versprechenden Karnevalpappmachériesen, deren künstlichen Hände zusammen mit Florentinas suchenden Händen in Großaufnahmen gezeigt werden, neben einer Nahaufnahme von Florentinas Gesicht die einzigen Aufnahmen von Details, und die fröhlich, lächerlich durch die Straßen tanzen … teilweise scheinbar nur für Florentina. Und dann sind da noch zwei Schatzsucher, welche in dem unchronologisch erzählten Film nach einem Schatz graben … parallel zu Florentinas Suche nach Erlösung. Sie sind fast schon eine Art verschrobener comic relief, wenn sie relativ schnell im Grundwasser stehen und sich zerstreiten, da einer der beiden, irgendwann lieber versucht einen Gecko zu fangen. Einen Gecko, den, wie in einer Kindergeschichte, noch nie jemand fangen konnte und dessen krächzende Rufe in ihrer monotonen Schleife des selben Schemas eher an absurde Avantgardemusik erinnern. Sobald sie ihre Einfalt erkennen, sind besagt 4 Stunden und 20 Minuten um. Sie verschwinden aus dem Film und zurück bleibt Florentina, den es scheint nur Platz für verzweifelte Sucher zu geben. Und wenn all diese Einschübe enden, ist es meist noch brutaler wieder zurück zur eigentlich Drastik des Films zu kommen.
großartig +
Macht nur Graf (nomen est omen?) aus dem distanzierten Adligen Hanns von Meuffels einen Don Fabrizio, Fürst von Salina, also einen Leoparden, einen Außenseiter in den hohen Hallen der aktuellen Berliner oder schon Brüsseler Republik, der desillusioniert zwischen all den korrumpierten, blauäugigen oder radikalisierten Stühlen steht oder gehört das zur Rolle? Alleine diese Frage macht mir erstmals Lust mehr aktuelle Fernsehkrimis zu schauen … und wenn es erstmal nur solche mit Matthias Brandt sein sollten. Dominik Grafs Polizeirufe können einem die Hoffnung an das Format TV-Krimi zurückgeben, was erschütternd ist. Der eigentliche Kriminalfall ist jedenfalls relativ schnell mit einer Rückblende aufgerollt, doch er wird nur als Eingang benutzt, um zu einem Finale zu kommen in dem Europa und seine Bevölkerung in psychopathischer Geiselhaft finanzieller Interessen sitzen. An dieser Stelle ist aber alles so entsetzlich verworren, undurchsichtig und ernüchtert, dass auch das Juchhei um EU-Austritt, Rückbesinnung auf eine scheinbar bessere Vergangenheit oder sonst irgendwas schal wirken müssen. Ein aufwühlender, mittelbefingerter Trip in die Trostlosigkeit aktueller Zustände, wie sie immer schon waren.
März
Freitag 31.03.
großartig
Erwache, ruft uns BODY SNATCHERS von an einer Straßenecke entgegen und will uns eine Infobroschüre verkaufen. Die Furcht vor Konformität nimmt dabei in diesem Pot aus Ängsten viele Formen an. Da gibt es die intimen Unsicherheiten beim Erwachsenwerden, im Familienleben, in dem sich als Außenseiter gefühlt wird und an neuen Orten mit unklaren Regeln. Umweltzerstörung, Militarismus, Selbstoptimierung und erzwungene Gleichförmigkeit bekomme schreckliche Ausdrücke. Es schwappt aber auch bis zu einer populistischen Paranoia, die sich auch in den GMX-Kommentarspalten ausdrückt, wo unter Twittersammlungen die Erwachten erklären, dass die Dummen, die die Inkonsistenzen dieser Nachrichten nicht erkennen, in der Mehrheit sind und die Intelligenten endlich die Macht an sich reißen müssen. Bloß nicht einschlafen, lautet dabei die Parole, die schon aus Siegels und Kaufmans Version antrieb. Ferrara scheint darum zu wissen, dass er die Geschichte nicht überraschend erzählen kann und führt die Motive von Kohlballen und schreienden Brandmarkungen der noch nicht Körpergefressenen wie Dinge ein, auf die schon lange gewartet wurde. Statt also die Ursachen der Angst groß einzuführen, konzentriert er sich auf die Furcht und schickt eine kleine Patchworkfamilie in eine Welt, die in Bruchteilen von Sekunden in eine höllische Parallelwelt umschalten kann … und wieder zurück. Diese Familie zieht für kurze Zeit in eine Kaserne, wo der Vater die Lagerung von Giftmüll untersuchen soll, was beim Militär auf wenig Gegenliebe stößt. Ein Gang aufs Klo gleich zu Beginn ist wie das Umschalten in eine VIDEODROME-Welt, wo einem die Parole erstmals entgegengerufen wird. Ein 10-jähriger Junge wird vor der Frage stehen, ob er lieber in einen Kindergarten gehen möchte, wo alle unheimlicher Weise dasselbe Bild malen (und dies auch von ihm verlangen, er möge sich nur kurz schlafen legen) oder zu Hause bei etwas bleiben, dass wie seine Mutter aussieht, aber nicht diese sein kann, da er sie zufällig vor wenigen Stunden vor seinen Augen sich auflösen sah. Am besten in diese Perlenkette dieser Beklemmungen einer auseinanderfallenden Welt ist vll Forest Whitakers Militärpsychiater, der sich exaltiert in einen Schweißstrom an Panik spielt, weil nichts mehr um ihn stimmt … und die damit einhergehende Frage aufwirft, richtet er die Pistole nun gegen die Massen oder gegen sich.
Mittwoch 29.03.
großartig +
Wie Fathi Akin mit seinem Erstling KURZ UND SCHMERZLOS wenig später drehte Thomas Arslan bei seinem Kinodebüt eine lose Hommage an MEAN STREETS. Nur ist GESCHWISTER weiter weg vom Gangstermilieu und der weitaus introvertiertere Film. Vor allem ist es ein Film des Laufens. Es gibt den emblematischen Moment in MEAN STREETS, wenn De Niro energisch einen Bürgersteig entlang jagt, dabei jeden, der nicht schnell genug weg ist, anrempelt bis zusammenschlägt, während die Kamera ähnlich wutgeladen hinterher hechelt. Adam Bousdoukos durfte für Akin die Szene nachstellen. Bei Arslan scheint dieses Gehen in abgeschwächter Form ins Mark des Films vorgedrungen zu sein. Beständig laufen die Figuren Straßen entlang. Ähnlich beharrlich wie in einem D’Amato-Film wird dies gezeigt. Nur schlendernd sie hier weniger. Ohne zu reden laufen Erol (Tamer Yigit), Ahmed ((Kool) Savas Yurderi) und Leyla (Serpil Turhan), drei deutsch-türkische Geschwister, durch Berlin. Energisch, frustriert, druckvoll, am Rand zur Hektik oder eben mal schlurfend, lethargisch und genießend. Diese Spaziergänge des Films öffnen Räume um die Gedanken schweifen zu lassen und reden ohne Worte von den Probleme und den Verhältnissen der drei zueinander, zu ihrem Leben, zu ihrem Heimatland, ohne etwas in feste Formen zu gießen. Assoziative Perlen, die Arslan einem zu wirft.
Montag 27.03.
großartig
Der us-amerikanische DVD-Titel trifft es leider besser. GROPER TRAIN: SEARCH FOR THE BLACK PEARL, denn es gibt keinen Schlüpferinspektor. Weder einen offiziellen staatlichen, noch einen selbsternannten. Dafür schafft es Drehbuchautor Takagi Isao tatsächlich dreimal ausgedehntes Grapschen in S-Bahnen dramatisch sinnvoll in seinen Plot einzugießen. … und noch dazu wird hier die Innenansicht einer mit Fingern penetrierten Vagina ebenso sinnig genutzt. So geht das.
Sonntag 26.03.
uff
Eine Parodie im Sinne von SchleFaZ. Die meist schlichten Witze ruhten sich darauf aus, behauptete Klischees von schlechtem Schauspiel, Machoplattitüden und unglaubwürdigen Entwicklungen zu überziehen. Auf einen hölzernen Satz aus dem Mund eines hölzernen Schauspielers hölzern gezoomt zu hölzerner Spannungsmusik; das bloße dick Unterstreichen war oft der einzige Witz, der nach Sekunden ausgelutscht war, aber als Grundmotor beständig angeworfen wurde. Viel zu selten wurde bei BLACK DYNAMITE kreativ geklotzt wie in der wunderbaren M&M-Szene.
gut
Wenn De Palma davon erzählt, dass die Folge-Verfilmungen von Stephen Kings Debütroman „Carrie“ die böse Mutter am Ende, getreu der literarischen Vorlage, an einem Herzinfarkt sterben lassen, was er bei seiner grandiosen Adaption in den 70ern schon in der ersten Drehbuchdiskussion als unfilmisch verworfen hatte, um stattdessen eine ungleich drastischere Todesform zu erdenken, wenn De Palma also genüsslich von den Fallen erzählt, die er umgangen hat und in die andere hineingetreten sind, dann macht erst sein verschmitztes Lachen dies zur Sensation. […] Wahre Einsichten in die Ups’n’Downs des Lebens birgt am Ende nur das Lachen des Außenseiters in sich. Sagt Thomas G.
Sonnabend 25.03.
großartig –
Ein Mann schläft sich hoch. Ein Schmierfest, bei dem Käutner die Beschränkungen des Fernsehspiels in die Inszenierung integriert. Die Künstlichkeit der Kulissen, das Bühnenartige der Theatralik, BEL AMI spielt in einer oberflächlichen Welt, die den Mief zur Schau stellt, um den bürgerlichen Schein im fin de siècle zu wahren … selbst in den Intrigen und Ausschweifungen. Ein Film um den Eiertanz um die Lust, die durch ihre Verdrängung aus allen Ritzen drängt. BEL AMI ist ein Gesellschaftsportrait, das Verlogenheit und Scheinheiligkeit ohne moralische Läuterung auffährt und alle immer tiefer sich darin einbohren lässt, ohne dass sich jemand darüber gewahr werden würde.
großartig +
Impressionen eines letzten Tages. Ferrara kümmert sich nicht um eine biographische Verortung, geschweige denn um die Biographie Pasolinis, er verdichtet nicht, sondern lässt einfach geschehen. Ein Interview wird gegeben und abgebrochen. Freunde sitzen zusammen und haben Spaß. Zu entwickelnde Romanideen Pasolinis bebildert Ferrara. Zeitung wird gelesen. Straßenlaternen ziehen vorbei. Die Welt fließt. Dieser Tag ist im Fluss, weht sachte vorüber. Und doch ist eine Konzentration im Hintergrund zu spüren. Es ist Pasolinis Ringen mit einer Gesellschaft, die am Abgrund scheint. Die Zeitungsschlagzeilen wehen es uns vor die Augen. Das Interview mit dem mit sich und seiner Welt ringendem Pasolini (übrigens ein hinreißender Willem Dafoe), der zwischen sicheren Kampfansagen und unsicherem Suchen nach einem Schlüssel zu einer Erlösung oder wenigstens zu mehr Verständnis schwankt, legt es nahe. Es ist ein Tag eines Mannes, der sich trotz aller Unwägbarkeiten und Abscheulichkeiten um ihn gefunden hat. Ein Mann und ein Film deren Treibenlassen einem mäandernden Pfeil in Zeitlupe gleicht. Ein Film so flüchtig wie kraftvoll. Was den Mord, der wie eine Wand wirkt, noch sinnloser und bezeichnender macht.
Freitag 24.03.
uff
Erst durch meine erwachende Libido wurde mir in den 90ern richtig bewusst, dass Musikvideos schneller als andere Formate geschnitten waren. Vornehmlich begründete sich diese Epiphanie in dem Umstand, dass die Frauen, die ich darin begaffen wollte, irrsinnig schnell wieder verschwunden waren. Es nervte mich, dass ich die Körper und Gesichter nicht richtig anschauen, studieren und auskundschaften konnte. Nichtsdestotrotz schaute ich diese Videos immer wieder … und irgendwann wurde es mir klar, ich tat dies, gerade weil sie so waren. Statt verharren zu können und einmal die Dinge richtig anzuschauen, fühlte ich mich, als ob ich immer wieder schauen musste, um irgendwann alles gesehen zu haben, was die Phantasie mir versprach, dass da zu sehen wäre. Dieser Punkt der Befriedigung dieses Hungers kam aber nicht. Deshalb saß ich immer wieder vor solchen dreiminütigen Stroboskopbildgewittern … wegen Bruchteilen von Sekunden. Daran erinnerte ich mich als ich UNDERWORLD: BLOOD WARS sah und mir darüber klar werden wollte, ob Kate Beckinsale Teil des Cast von TOTAL RECALL war. In den von Dunkelheit und Schatten bestimmten Bildern war aber kaum ein eingehender Blick auf den Star des Ganzen zu erhaschen. Und da die Geschichte über den Klassenkampf zwischen elitären Schnöseln (Vampiren) und militanten Prolls (Werwölfe) wirklich gut ausgeleuchtet war, dass wirklich keine Unsicherheit über das bisschen Geschehen herrschte, saß ich eben vor Actionszenen, die ihre Bilder in Bruchteilen von Sekunden abspeisten, und Bildern voller Schwärze. Und ich überlegte, warum mir das alles so arg egal war. Warum ich keine Lust verspürte, dass nochmal, geschweige denn ständig zu schauen. Ich glaube, die Dunkelheit war fahl und flach. Es waren keine Schatten in den sich Dinge verstecken, sondern schlicht designte Flächen … leere Kleckse. Und die Schnitte warfen mit Impressionen um sich, aber in einer Abfolge die eben doch das Rudimentärste erkennbar machten … und mehr war da auch nicht. Ein Film wie das Musikvideo von SUBTERRANEAN HOMESICK BLUES, bei dem der Cutter einfach die Bilder in richtiger Reihenfolge einem Faden folgend fallen lässt. Lange Rede kurzer Sinn: Hach war das öde.
großartig –
Mein Vater ist Trekkie, so ein wenig. Jedenfalls kann es mitunter passieren, dass er ein inbrünstig Qapla‘ mit anschließendem freudigen Lächeln in den Raum wirft, um anzuzeigen, dass er etwas zu sagen hat oder das das das Ende der Diskussion war. Eine meiner wichtigsten Aufgaben in meiner Jugend war im Auge zu behalten, ob seine nachmittägliche STAR TREK – DIE NÄCHSTE GENERATION-Aufnahme auch funktionierte, damit er abends seine tägliche Episode zu sehen bekam. Zwangsläufig habe ich ziemlich viel davon mitbekommen. Da es das Ding meines Vaters war, war es mir stets etwas suspekt und/oder peinlich, aber Sympathien habe ich einige dafür. Wenn ich DOCTOR WHO sehe, muss ich immer an STAR TREK denken. Besonders das Liebevolle beim Entwerfen einer doch völlig verschrobenen Galaxie verbinden sie. Dass die STAR TREK-Filme erzählerisch wie bei Ausstattung und den Special Effekts die zugrundeliegende Serie aufpolierten, fand ich immer etwas schade. Deshalb ist der in der 16-jährigen Pause von DOCTOR WHO entstandene Film toll, weil er sicherlich etwas professioneller aussieht, als die Serie bis in die 80er Jahre hinein, aber im Herzen ist es immer noch eine bessere Pappmachéwelt, die mehr von Ideenreichtum und einem unverschämten Space Opera-Sein lebt. Eric Roberts spielt einen Timelord, der dem Doktor seine Leben stehlen möchte, weil er seine schon verbraucht hat. Dafür verführt er die Jugend (wobei eben auch pädagogisch vor der Gier gemahnt wird, ohne es allzu ernst zu nehmen), seine Augen leuchten Grün und dezentes Spiel erwartet auch niemand von ihm. Geradezu wird zelebriert, dass dies alles ein bisschen seltsam und schräg ist … wofür sich die STAR TREK-Filme besonders unter Picard eher schämten.
Mittwoch 22.03.
großartig
Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir Oscarssowhite zu verdanken haben, dass MOONLIGHT den Preis für den besten Film mit nach Hause nahm. Es ist aber auch so, dass MOONLIGHT auch ein klassischer Oscar-Themenfilm ist. In drei Stationen sehen wir, wie aus einem verschüchterten, schikanierten Jungen ein muskulöser Erwachsener wird, der sich einen Panzer gebaut hat, um sich in seiner Umwelt zu verteidigen. Der aber auch gegen Ende diesen Panzer (möglicherweise) für die Liebe fallen lässt und ganz Gewinner wieder zu sich steht … möglicherweise. Das tolle an MOONLIGHT ist aber, dass er dies eben nicht wie ein Oscar-Themenfilm erzählt, dass er sich nicht an seinem Thema abarbeitet und die gute Botschaft verbreitet. Viel flüchtiger beobachtet er seine Figur für ein paar Tage zwischen den Jahre liegen, die vom Film ausgelassen werden. Das Flüchtige entsteht aber nicht durch die riesigen Ellipsen, sondern durch die Anhäufung von Unsagbaren, von Dingen, die wie ein Elefant im Raum stehen und die Figuren innerlich zu zerreißen scheinen. Etwa von Momenten, wo jemand verliebt jemanden gegenüber sitzt, ahnend und hoffend, dass es auf Gegenseitigkeit beruht, aber niemand sich traut etwas zu sagen. Barry Jenkins erlöst erst nach unendlichen Minuten des Hoffens und Fürchtens (wenn überhaupt), in denen nur drum herum geredet oder geschwiegen wird. Nur die Augen, die starren oder unruhig wandern, lassen erahnen was in diesen verletzten Leuten in einer rigiden Welt geschieht. Da ist der Junge, der verfolgt wird und ahnt, dass seine Mutter drogenabhängig ist … und der vor allem böse auf seine Schuhe starrt und nichts sagt. Da ist der Jugendliche, der erkennt, dass er schwul ist, gemobbt wird … und der vor allem böse auf seine Schuhe starrt. Und da ist der Erwachsene, der sich eine Maske aufgebaut hat, sobald er aber auf alte Bekannte trifft, wieder nur ins Leere starrt und trotz seines einschüchternden Köpers wieder wie ein schüchterner Junge wirkt, der gleich am Zerbrechen ist. Und eigentlich ist das auch nur der Hintergrund für eine Geschichte, bei der eben dieser Junge/Mann in seinem wenig erheiternden Leben, Hoffnung hat. MOONLIGHT ist nacheinander eine Buddykomödie, ein Highschooldrama und eine Liebesgeschichte, die nur durch die Figuren und den Stil, die irrende, fliegende, vorsichtige Kamera als eine zu erkennen sind. Eine Geschichte von Liebe, wo Wut und der Schiss in der Hose alles zu ersticken droht … und die Gefühle so noch unbändiger vorpreschen.
Montag 20.03.
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THE VIXENS OF KUNG-FU bietet ein so enthemmtes wie dementes Surrogat fernöstlicher Weisheit und eine gender-politische wie -existentialistische Vision, die vom Kampf der Geschlechter, von Selbstermächtigung, Geborgenheit unter Frauen und heteronormativen Endpunkten mit esoterisch zerkochten Bildern erzählt, welche höchstens das Prädikat bei einem klaren Verstand entworfen verdienen, wenn ein Gehirn bei schwülen 50° im Schatten im Barbituratnebel als haarscharf arbeitend angesehen würde. Die Beziehung der Geschlechter ist brutal und durch Vergewaltigungen bestimmt. Wie der Untertitel schon sagt, ist es eine Geschichte von Yin und Yang. Erst wird die Geschichte von Yin erzählt, einer misshandelten Brie Anderson. Von Bobby Astyr und Jamie Gillis wird sie debil, zwanghaft und mit nicht wirklich knüppelharten Penissen im Wald vergewaltigt oder als Prostituierte wird lustlos abgenudelt, um dann möglichst entwürdigend mit Geld beworfen zu werden. Der Widerspruch zwischen Porno als Mittel zum Lustgewinn und der Darstellung von nicht Gutgeheißenem wird schlicht verdrängt, weshalb beides bitter nebeneinandersteht und zum Davonlaufen ist. Sie findet aber eine Frauensexkung-Fu-Gruppe, die mittels Liebe und Selbstverteidigung sie mit sich ins Reine bringt. Spätestens wenn bei der Meditation ihre Vagina raucht, erkennen wir, wie gut es um sie steht. Dann die Geschichte von Yang, dem David Carrdine-Ersatz in dieser heruntergekommenen Hardcore-KUNG-FU-Version. Er, der mit chinesischem Strohhut und Kleidung aus dem Asiatrachtenoutlet wie selbstverständlich durch us-amerikanische Städte läuft, wird nun von der Frauenselbsthilfekungfugruppe im Wald vergewaltigt und wegen seines ebenso wenig harten Penis‘ und seiner verfrühten Ejakulation verlacht und gedemütigt vertrieben. Etwas Training, u.a. Jogging mit baumelnden Steinen am Glied, später, können Ying und Yang sich vereinen und der Sex kann endlich lustvoll sein. Es hat etwas von einem Manifest … ein Manifest männlichem Selbsthasses und von der Heimeligkeit weiblichem Zusammenhalts, in dem eine Wüste fleischlicher Lustlosigkeit und Schuldgefühle durchschritten wird, dem nur der Budenzauber pseudoasiatischer Weisheiten und Abwandlungen Shaolinmönchausbildungen heilen kann. Ideologisch höchst zweifelhaft wird dabei kein großes Feuerwerk der Phantasie abgebrannt, eher die Dreistigkeit mit der kunterbunte Heilungsversprechen in einen trägen Fluss herber Sexmeditationen eingelassen ist, ist es, die, wenn auch nur ein bisschen ernstgenommen, einem das Gehirn immer wieder gegen die Wand haut, bis plötzlich wunderschöne Sterne zu sehen sind.
Sonntag 19.03.
gut –
Neoantiwestern, der davon erzählt, dass der Westen nichts für Frauen war. Entweder entsprechen sie den Vorstellungen von Zart- und Unterwürfigkeit und werden geheiratet, nur um in der Prärie, wo Krankheiten Kinder töten, Männer systematisch übergriffig werden oder das Leben brutal entbehrungsreich ist, in die Knie gezwungen zu werden. In diesem Fall verlieren drei Frauen im Umfeld der Stadt Loup ihren Verstand. Oder sie bleiben allein, weil sie eben nicht dem gewünschten Bild von Weiblichkeit entsprechen. Nicht viel Neues eigentlich. Der desillusioniert, zuweilen bissig dahintrabe Roadmovie verleiht diesen Frauen aber eine breite Subjektivität. Besonders Hillary Swanks Mary Bee Cutty, von letzterem Schlag wirkt dabei wie aus einem Ozu Western entsprungen. Beständig ist sie funktional und findet sich verantwortungsvoll mit ihrem Schicksal ab, nur um brutal ihre Verzweiflung offenbaren, wenn ihre pragmatischen Heiratsanträge wieder ins Leere liefen. Die Handlungen die darauf folgen sind so schmerzhaft, dass ihr ganzes Leben hinter der ruhigen Oberfläche darin mitzuschwingen scheint. Später wird das erste Bild der Zivilisation der Oststaaten ein Wagen voller festgeketteter Sklaven sein. Die Odyssee durch Entbehrung und Menschenfeindlichkeit endet in einer verlogenen Gesellschaft voll Ausbeutung. Schön ist es nirgendwo. Mary Bee Cutty wird das aber nicht mehr erleben, denn THE HOMESMAN trägt seinen Namen nicht umsonst. Früh bringt Tommy Lee Jones sich als rauen, schweigsamen Joker in den Film, der Mary Bee Cutty beim Transport der drei verrückten Frauen hilft. Er bringt Humor in den Film und übernimmt ihn zusehends. Und so ist es am Ende wie bisher, ein im Herzen guter Außenseiter reitet durch den Westen und besteht, was es eben zu bestehen gibt.
gut
Etwas bitter ist es schon. Vll aber auch zwangsläufig in einem Genre, das auf fundamentalchristlichen Aspekten von Hokuspokus basiert. Eine mehrköpfige Familie und ein liebevolles Exorzistenpaar bekommen es jedenfalls mit einer der, bekanntermaßen, schrecklichen Hexen von Salem zu tun. Und die erste Frage, die stets aufkommt, wenn es um die Besessenheit von Haus und Leuten geht, ist: sind auch alle getauft? Es ist geradezu absurd, wie die Familie nur als Katalysator dient, der den Grusel abbekommt, und damit Platz schafft für besagtes Paar. Zwei sauberen Personen, die nur aus Vertrauen, Liebe und Verantwortung besteht, die sich gänzlich ohne Egoismus opfern, die die perfekten lockeren Kumpel sind und James Wans Vorliebe für Geisterjägerwissenschaft ausführen dürfen, ohne sich ob des ganzen Mumpitzes irgendwie komisch vorkommen zu müssen. Ein Zweifel an einer solchen Reinheit, ein Abweichen von dieser und schon kommen die Geister. Das zum Horror gewordene Familienleben wird deshalb zunehmend von einem frommen Strahlen dieser christlichen Mustermenschen erfühlt, dass gerade deshalb so bizarr ist, weil … ja weil … im Haus des Paares gibt es einen Raum voll mit Utensilien in denen Dämonen und Geister gefangen wurden. Wie ein Schrein wird dieser Ort liebevoll gehegt und gepflegt und von der Welt ferngehalten. THE CONJURING erzählt so nebenher von dem Fetisch der Reinen für das Böse und wie sie es erst in die Welt bringen.
Sonnabend 18.03.
großartig –
Ich habe das immer falsch verstanden. Auf der Alm gibt’s koa Sünd‘ hieß als Spruch oder Titel für mich bisher, dass es auf der Alm keine moralische Engstirnigkeit gibt. Was auf der Alm geschieht, bleibt auf der Alm, quasi. Doch nach Franz Antels beschwingter Aufmischung einer, dezent ist es angedeutet, von vor 1945 herüberreichenden Spießigkeit (die noch dazu die Form eines schreienden Wutbürgers annimmt), habe ich nun leider verstanden, dass dies für Auf der Alm sind alle fromm steht. Wie furchtbar desillusionierend.
ok +
Ermüdende Gleichförmigkeit bildet weiterhin die ultramanieristische Tristesse aus denen Andersson seinen Witz quetscht. Nur den Biss hat es etwas verloren.
großartig +
THE BLACKOUT besteht aus einem Bildschirmkabinett, in dem eine originäre Wahrnehmung nicht mehr möglich ist. Videokameras, Fernseher, die Informationen aus anderen Orten und Zeiten oder einfach vom hier und jetzt wiedergeben und neben denen wiederum Bildschirme stehen, in denen eine alte französische Zolaverfilmung läuft. Dazu noch Tonbandaufnahmen und Spiegel. Ferrara erschafft eine Welt von der Qualität eines zerbrochenen Kaleidoskops. In Zentrum dieser zerbrochenen Beschau: das Selbst. Und so ist die bestimmende Essenz des menschlichen Handelns, besonders bei der Hauptfigur, einem exzessiv Drogen schluckenden Schauspieler, die(Selbst-)Inszenierung. Der Schock des Endes, der nur eine Wiederkehr eines Schocks des Anfangs darstellt, ist dann auch nicht die Wahrheit eines Videobandes, die den Blackout erhellt, sondern die wiederkehrende Erkenntnis über die fehlenden Kontrolle über das Bild, das wir und andere sich von uns machen.
Freitag 17.03.
großartig
Erst ein Film über christlich vermittelte Sündigkeitsgefühle im Angesicht von Sex. Eine jungfräuliche Jugendliche sieht vor dem ersten Mal mehrmals wie ein Priester leichtlebige Freundinnen von ihr brutal tötet, in dem er diesen ein Messer in die Vagina drischt. Bis in den Schlaf wird sie von den Visionen der realen Morde verfolgt, die aber ebenso nur für sie filmisch/traumhaft entworfen sind. Mit dem Sex wird es so selbstredend nichts. Ein infernalischer Schnitt bildet den Höhepunkt, als vom Stoß des Messers in einem verengten Bildausschnitt und einer passenden Kamerabewegung auf die hochzuckende, stöhnende Jugendliche geschnitten wird. Erst nach etwas Orientierung ist erfassbar, dass Penetration, Qual, Bestrafung, Befreiung, Mord und Lust hier nur assoziativ sich in ihren widersprüchlichen Ausprägungen für nur einen kurzen Augenblick ineinander verschlagen. Es ist ein Moment, der exemplarisch für WHAT HAVE YOU DONE TO SOLANGE? steht, der seinen frühlingshaft blühend aussehenden Krimi in seiner sachlichen Mördersuche stets auf andere liebesdienerische Bahnen gleiten lässt. In der zweiten Hälfte folgt eine Suche nach der Ausprägung der Freizügigkeit, nach dem Schlüsselerlebnis einer gewissen Solange, das in der vorliegenden engen moralischen Welt zu einer Katastrophe führte und die eben einen Priester auf Mädchen serienmörderisch losließ. Süß wird dies alles von Morricone unterlegt. Neben den von Jazzbesen angetriebene Spannungsmusiken gibt es das Hauptthema, dessen weiblich hauchender Gesang sich bis zur Ekstase erhebt. Bezeichnenderweise nimmt er nicht wie ab und zu im Gialli kindliche Unschuldsgesänge, welche mit ihrer Zerbrechlichkeit auf eine gruselige Bedrohung weisen. Denn das Reine und die Unschuld, dies sind hier Teile eines christlichen/anständigen Wahns. Morricone stellt WHAT HAVE YOU DONE TO SOLANGE? mit seinem Thema auf die sehnsuchtsvolle Seite einer sich öffnenden Mädchenblüte, also auf die Möglichkeit von Glück, was die Krallen von Angst und Moral nur bitterer macht.
großartig +
Mittwoch 15.03.
großartig
Vll weil ich OCTOPUSSY mit Finnlay (11) sah, ist mir aufgefallen, wie ausgeprägt Frauen hier zur Fleischbeschau objektiviert werden. Wahrscheinlich war es wirklich mehr als sonst, da Moore das erste Mal einen meist souveränen Bond spielt, der tatsächlich nicht seine Unsicherheit zu überspielen scheint. Und wie im Vorgänger ist der Kalte Krieg als Gleichgewicht gedacht, das diesmal durch Fanatismus bedroht wird. Und John Glen macht daraus eine Hetzjagd, in der die Fortbewegungsmittel abgehakt werden. Autoverfolgungsjagd? Haken. Motorräder, Pferde, Flugzeuge, Züge, Elefanten, Unterwasserkrokodilattrappen? Haken, Haken, Haken. OCTOPUSSY ist so von rasender Aktivität, die krampfhaft dem Fanatismus hinterherhechelt. Die Achtziger Jahre sind am Laufen: die Atompilzwolke naht, Schuld sind grundlegend andere und Bond hat mit uns dabei eine schöne, bunte Zeit, bei der Glen seine drängende Action mit Ansätzen von dem Schaustellertum von MOONRAKER paart.
nichtssagend
Eine sachte Naturkatastrophe im Skiurlaub zerstört das scheinbare Familienglück. Der Mann flieht vor der sich bald als nicht so gefährlich herausstellenden Lawine, statt Frau und Kinder retten zu wollen. Wer mehr enttäuscht ist, seine Frau oder er selber, ist schwer zu sagen, denn in den notorisch aufgeräumten Hotelzimmerkatalogbildern (die manchmal etwas von (edlen) Überwachungskameraaufnahmen haben) bleibt ihnen nur das Reden. Sich unterm Mikroskop anschauen, mutmaßen und darüber reden. Und das will eben nichts bringen, außer noch mehr Enttäuschung und Verzweiflung … die sich zudem ausbreitet. Das Seziermesser von TURIST schneidet aber kaum wirklich tief und findet ganz zufrieden das Erwartbare in seinem aseptischen Versuchsaufbau. Das wäre ganz nett, würde am Ende nicht jeder der angebrochenen Herren nicht noch seine Chance bekommen zu beweisen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Nur keine Panik, ist alles nicht so schlimm.
Sonntag 12.03.
fantastisch
Gespenster einer kinematographischen Vergangenheit. Der Auftakt ist eine Beschwörung der Epik, die es sein kann, in einem Kinosaal zu sitzen und auf etwas Großes zu warten. Die Musik über den Anfangskredits von DIE HERBERGE ZUM DRACHENTOR (oder eben DRAGON INN) tönt dabei durch den Gang zu einem vollen Kinosaal und latürnich auch durch diesen selbst. Sobald die Handlung auf der Leinwand jedoch beginnt, ist der Saal plötzlich fast leer. GOODBYE, DRAGON INN nimmt Abschied von einem Kino, wenn nicht vom Kino schlechthin. Es folgt ein Geisterfilm, der vor und hinter der Leinwand stattfindet, auf dem King Hus balletthaften Kämpfe während dieser einen Vorführung geschehen. Der Raum der Magie, wo eine bessere, schlimmere, schönere oder hässlichere Realität uns trotz besseren Wissens gefangen nehmen kann, (das Kind in einer der vorderen Reihen könnte eine Erinnerung an unsere Vergangenheit sein, ein Schatten der Erfahrung, wie wir erstmals und noch nicht abgeklärt eine Vorstellung erlebten) … dieser Raum ist also umgeben von klammen, verrotteten Gemäuern und Gängen, wo Fetzen wehen und der Regen in die unzähligen Eimer tropft. Diese Grüße aus der Gruft, d.i. seine Sterblichkeit machen diesen Saal wahrlich noch schöner, wertvoller und ehrenwerter. Wie bei dem nur kurz davor entstandenen ZWEI KÖPFE HAT DIE MIEZE, einem in meiner Erinnerung ungleich biedereren Film von Jacques Nolot über einen Tag(?) in einem Pornokino, ist das Kino dabei ein Ort der Begegnung. Dies nimmt mitunter die Form einer Komödie an, wo die nervigen kleinen Dinge, die so geschehen können, skurril Platz nehmen. Füße lassen sich direkt neben einem Kopf nieder. Ständiges Kommen und Gehen. Nüsse knacken. Und die Leute setzen sich, egal wie leer der Saal ist, direkt neben einen. Es ist ein Ort, wo Menschen einem zu nah kommen können, wie einem die Filme zu nah kommen können. Ein Ort, wo cruisende Männer flüchtig aufeinandertreffen. Kurze, kaum greifbare Liebesgeschichten wehen mit ihnen durch diesen Sehnsuchtsort, wo alles am zerfallen ist. Kaum jemand achtet über die Spielzeit auf den Film vor ihnen. Lakonisch blickt die Kamera durch die Reihen und die Gänge zum Klo und zum Vorführraum, und kaum etwas geschieht, außer kurzen Sentenzen von Absurdität, Liebe und Träumen. Menschen wandeln ohne sich verdichtenden Sinn durch die Gänge, die Kassiererin bringt dem Vorführer Essen, Toiletten werden genutzt und final abgestellt. Aber in diesen Kulissen einer zurückhaltenden Wiederkehr des Vergangenen bzw eines zaghaften Weltuntergangs sind diese Dinge i(n diese)m Kino nicht greifbar wie intensiv, bigger than life eben … und irgendwo zwischen Nostalgie, Resignation, Hoffnung, Witz, denen still Platz gelassen wird, schafft GOODBYE, DRAGON INN einen Ort, der all den Möglichkeiten, die ein Film und ein Kinobesuch mit uns anstellen können, einen gefühlvollen Raum lässt … denn bestenfalls ist ein Kinobesuch ein Erlebnis, wie uns Tsai Ming-liang wie nebenbei versichert.
großartig –
gut
Bei den früheren Lustigen Taschenbüchern, als in einem Buch entweder nur Geschichten mit Mickey Maus oder nur mit den Ducks enthalten waren, wurden die einzelnen Kapitel durch Zwischenspielen verbunden. Diese waren etwas weniger stylisch gezeichnet, liefen den eigentlichen Geschichten mitunter auch plump entgegen (PHANTOMIAS GEGEN PHANTOMIME), hatten aber immer einen seltsamen Charme. Der graue Alltag zwischen den Abenteuern kam darin als triste Fuge zu Wort. Als hemdsärmeliger Versuch von Absolutheit. Tsais Kurzfilm THE SKYWALK IS GONE verbindet WHAT TIME IS IT THERE und THE WAYWARD CLOUD auf ähnlich Weise.
großartig
Am Ende offenbart sich WILD BOYS OF THE ROAD als Werbevideo für den New Deal: So kann und soll es nicht weitergehen. Davor ist von Botschaften nicht viel zu spüren. Wellman lässt seine Jugendlichen in der Depression dementsprechend nicht einfach nur unter Tränen aufwachsen und auf brutalst mögliche Weise mit einer harten Realität kollidieren. Wie bei vielen seiner Filme stoßen unbedarfter Spaß und Freude am Leben auf bittere Erfahrung. Es steht nebeneinander, als ob eine Trennung nie erfolgt sei. Statt Dramaturgie gibt es Reichhaltigkeit. Statt Konzentration Weitläufigkeit.
Sonnabend 11.03.
ok
Die Liebesgeschichte zwischen einem Sadisten und einem Masochisten, in etwa. In kalter Präzision wird dabei vom Wechselspiel zwischen Aufbauen und Demütigen erzählt, welche die Bindung verfestigt. Die Verführung durch faschistische Größenidealen wird angerissen und seltsam leidenschaftlos sollen Leidenschaften vermittelt werden. Aber wie seine Protagonisten in einer obskuren Vorstellung von Kunst kommt von Können … oder eben Qualität kommt von Qual hängen bleiben, wodurch aus einem geworfenen Becken in einem Kurzschluss ein Folterkeller wird, so ist WHIPLASH schlicht ein nettes Uhrwerk, dass wiederrum dem trostlosen Jazz gleicht, der darin gespielt wird.
ok
Der Kurzfilm, aus dem Chazelle seinen Durchbruch formte, offenbart vor allem wie eine schon präzise Szene noch präziser gemacht wurde.
gut –
Den ganzen Film passiert nichts, rein gar nichts … außer etwas Puderzuckeressen, Laufen durch Wohnungen und der Lebensbeichte eines Truckfahrers. Wenn aber Finnlay O. (11) und Ben Z. (9) aus dem Bett kommen, dann finden sie mich selbstredend dabei vor, wie ich auf einen Bildschirm schaue, auf dem eine nackte Frau ihren Kopf zwischen den Beinen einer zweiten nackten Frau hat. Wenigstens war es schwarz-weiß und ihnen war sicherlich klar: Kunst.
Freitag 10.03.
großartig +
Exploitativer Katholizismus bildet den Auftakt. Das Drehbuch stammt wenig überraschend von Nicholas St. John. Danach kommt der Glaube aber nicht mehr zu Sprache und liegt lediglich als Schatten der Erinnerung über dem Rest. THE DRILLER KILLER beginnt so gesehen mit einer Flucht. Maler Reno (Ferrara) wurde von einem Unbekannten in eine Kirche bestellt. Diesem orthodox aussehenden Herrn (heißt großer Bart) aber ansichtig werdend gibt er Fersengeld. Auf seine panische Reaktion folgen lediglich Ausflüchte. Wenig später wird Reno teilweise wie hypnotisiert in die Augen eines von ihm gemalten Büffels schauen. Atavistische (oder eben diabolische) Leidenschaft scheint sich seiner zu bemächtigen, woraufhin er mit einer Bohrmaschine erst Obdachlose tötet und dann Racheakte vollzieht. In die Arme der Verzweiflung scheint er gerannt zu sein, statt sich Gott hinzuwenden. So kann es gelesen werden. Aber das Schöne am Gespann Ferrara/St. John ist irgendwo, dass sie wie das radikalisierte Aufeinandertreffen des scorsese’schen Kampf mit dessen Katholizismus wirken. Sprich, der eine bringt leidenschaftlich den Glaube in die Filme, der andere kämpft, wenn auch nicht mit dem Feuerschwert, so aber doch kratzborstig dagegen an. Gerade in THE DRILLER KILLER verblasst die besagte angebotene Moral, da Ferrara die Verzweiflung zwischen verschrobener Morrissey-Factory-Mäanderkunst, DOWNTOWN 81-Zeitkolorit und Exploitation- bzw. Pornofilmschmutz nicht verdammt, sondern ihr Raum gibt. Keine Bestimmung der moralischen wie psychologischen Rahmen nimmt er vor. Stattdessen: ein Bild eines prägiuliani New York, das so ist, wie sein Ort. Ranzig, heruntergekommen, radiant, voller Aussätziger, die sich einem einfachen Funktionieren verschließen. Seelenfressende Selbstverwirklichung oder -verleugnung. Und wenn dann mal einer zur Bohrmaschine greift, dann gehört es, traurig wie es ist, aber trotzdem dazu.
großartig +
In Tsui Harks PEKING OPERA BLUES gibt es diesen Schnitt, wo von einer Pointe zu einer gefolterten Frau geschnitten wird. Kaum angefangen zu lachen, finden wir uns am falschen Platz für einen solchen Freudenausbruch wieder. Bei LIEBESGRÜSSE AUS PEKING geschieht ähnliches, wenn auch nicht in solch kondensierter Art. In ein Inferno aus Jux und Dollerei brechen immer wieder traumatische Situationen ein. Dinge werden nebeneinander gebracht, welche die Stimmung brutal brechen. Unaussprechlicher Höhepunkt ist eine Kaufhausschießerei, bei der Gauner umgeben von Spaß einen Vater direkt vor seinem Kind erschießen. Bei SAVING PRIVATE RYAN kam ich mir damals verarscht vor, als Spielberg den D-Day in seinem Schrecken beständig mit Pointen artikulierte. So als würde er so tun, als bemerke er gar nicht, wie verlogen er Schrecken zu einer Sause macht. Stephen Chow gibt seiner Sause mitunter einen riesigen Schrecken mit und gerade diese dramaturgischen Irritationen machen LIEBESGRÜSSE AUS PEKING noch toller, als eh schon, weil er sich so in mir verbeißt. Was heißt das aber im Umkehrschluss? SAVING PRIVATE RYAN eine dritte Chance geben?
gut
Die heimelige Auftragskillerwelt des ersten Teils ist nunmehr abgestanden. Ohne Regeln herrsche Anarchie, wird hier gesagt. Aber in Ihnen, den Regeln, gibt es nur Verlierer. Es sind nicht nur die prominent aufgestellten griechisch-römischen Statuen, die JOHN WICK 2 irgendwo unter seinen Texturen der eleganten, adrenalingetränkten Schlachten Wicks gegen nicht enden wollende Ströme von Gegnern zu einem antiken Drama machen, welches Menschen überdrüssig und gelangweilt mit ihrem Schicksal zerreibt. Die besagten Texturen aber stecken voller Liebe und gleichen spätestens im Kampf im Spiegelkabinett, in dem die kunstvoll aufgebauten Dreh-, Hänge- und Zerrspiegel und die sie bescheinenden Lichtinstallationen die Konturen der Umwelt auflösen, einer Entspannungskur. Statt sich seiner psychologischen, existentialistischen oder sonst wie gearteten Probleme zu stellen, tötet John Wick. Ist der Feind bekannt, hat der Tag Struktur. Und hinter diesem Vordergrund löst sich die Welt auf und es bleiben Formen, Farben und Staunen.
Mittwoch 08.03.
gut
Sehr salopp gesagt ist REPEATER das fehlende Bindeglied zwischen dem filmischen Werk Alain Robbe-Grillets und dem von Quentin Dupieux … vom Regisseur der später einmal DER ENGLÄNDER, DER AUF EINEN HÜGEL STIEG UND VON EINEM BERG HERUNTERKAM drehen sollte. Dinge gibt’s.
Dienstag 07.03.
verstrahlt +
Ein bisschen ist es, als ob dabei zugeschaut werden kann, wie sich ein Film in die selbstgewählte Demenz zurückzieht. Beginnen tut es als DR. JEKYLL AND MR. HYDE-artige Geschichte über einen genialen Wissenschaftler, der unter dem Druck zerbricht, den er von außen auf sich spürt. Ein Double entsteht, das skrupellos für Entspannung sorgt. Es zerstört das Labor, damit er gefeuert wird und privat und heimlich weiterarbeiten kann. Es versorgt ihn mit Geld, Technik und Infos über die Konkurrenten. Es schläft mit den Frauen, mit denen er gern schlafen würde und lebt eben alles aus, was das Original sich nicht traut. Die großen Fragen nach Identität folgen so geradezu zwangsläufig. Besonders interessant ist es hier, weil beide sich nicht auf einen einfaches schwarz-weiß Schema herunterbrechen lassen, sondern beide komplexe Wesen sind, schlicht mit sich spiegelnden Sonnen- und Schattenseiten. Aber Kurosawa formuliert nichts aus, verfolgt keine straffe Agenda. Die Erfindung, ein Rollstuhl der durch bloße Willenskraft gelenkt werden kann, macht eine dezidiert cronenbergische Komponente auf. Einbringen tut dies aber nur Stichwörter. Sein Konstrukt taumelt durch die angerissenen Motive und weiß nicht so richtig, wo es hin gehen soll. Und so werden die gegangenen Wege immer obskurer. Sie versumpfen geradezu. Irgendwann wird ein Komplize in einem verfallen Haus im Nirgendwo eines Waldes indianajonesmäßig vor einer anderthalb Meter großen Discokugel davon rennen, die hinter ihm her die Treppen heruntergerollt kommt. Es ist einer der gegen Ende ab und zu im allgemeinen Herumtrüben auftauchenden Momente, die förmlich darum bitten dies alles hier doch bitte nicht mehr allzu ernst zu nehmen. Der stilsicherer Vertreter schleichenden Horrors sieht dergestalt auch zusehends abwechselnd hässlich, ulkig bis gekonnt aus. Final wird das zentrale Objekt von DOPPELGÄNGER wie eine Figur aus der Augsburger Puppenkiste über eine Klippe geschickt. Die Szene ist traurig, sie ist witzig und komplett bescheuert. Vll will Kurosawa die ganzen Brocken Thematik so zu Grabe gebracht sehen, denn was nutzten die großen Fragen, wenn wir stattdessen zufrieden sein könnten. Passend dazu der verstrahlte, abgeranzte Kitsch der finalen Postkartenoptik. Vll steckt aber mehr dahinter, aber wer will das ob der episodisch bleibenden Geschehnisse um Vertrauen, Ambitionen, Gier und Verwirklichung sicher sagen.
Sonntag 05.03.
gut
Die beiden Eröffnungsszenen sind sehr toll. Erst ein Pokerspiel zwischen drei Noir-Gaunern, die im Laufe des Films als Polizisten identifiziert werden. Einer ist Typ Macho, der, zum Unterstreichen seiner Männlichkeit, seine Freundin gelangweilt um sich herum scharwenzeln lässt, damit er ihr vor den anderen rigide den Mund verbietet kann, wenn sie Wünsche äußert. Ein sich unter dem Druck des Spiels, vll auch des Lebens in Schweiß auflösendes nervöses Wrack. Und, am schönsten, Hark Bohm als verträumter Melancholiker, der seine Zeit nur absitzt. Er verliert sich, während die anderen, vulgärfreudianisch gesagt, darum Zocken wer den Mächtigeren hat, in den Hardcorepornobildern auf den Karten. Weltvergessen, unbestimmt und wortkarg sinniert er über die Schönheit der Frauen vor ihm. Angespült im Leben. Danach eine Autofahrt, in der der amerikanische Soldat (Karl Scheydt) mit Irm Hermann fast ohne Schnitt durch die Nacht fährt. Irm Hermann spielt abermals ihre durch beständige Verstoßungen verbitterte Frau, die schnippisch ihr Recht auf Glück einfordert und es damit nur noch mehr vertreibt. Die große Ungerechtigkeit ihrer Existenz dabei: sie ist nicht schön. Scheydts Ricky wirft ihr vor, sie sei nicht vollleibig genug. Er ist dabei eine Mischung aus dem Macho und Bohm. Ein melancholisches Arschloch, aus dessen traurigen Worten eine gefühlvolle Seele spricht, der aber Irm Hermann aus dem Auto prügeln wird. Einer der zentralen Sätze des Films wird sein: Er ist lieb. Ein Satz, den der gemeinte Scheydt mehrfach ad absurdum führt … was aber nur bedingt an seinem Kredit auf Mitgefühl kratzt. In diesem von Stilbewusstsein, Sprache, die auf’s nötigste reduziert ist, und Kälte bestimmten Beginn steckt schon der ganze Film. Nur Kurt Raabs Figur des liebenden Bruders (?) führt diesem Klotz aus Kälte noch etwas Neues, Erratisches und höchst Sonderbares zu.
ok
Eine wunderbare Titelmelodie, die leider nur tristes Einerlei untermalt. Lediglich durch die unmotivierten Gegenschnitte zu Aufnahmen Bruce Lees von anderen Filmdrehs, die wirklich nie passen wollen, und durch seine Metageschichte, in der sich Bruce Lees Leben spiegeln soll, erhält GAME OF DEATH wenigstens eine absurde Note.
verstrahlt +
Eine roman porno, der wie so oft für seine Lacher ohne Hintergedanken sexuelle Gewalt bagatellisiert. Eine Krankenschwester rettet beispielsweise eine ihrer Kolleginnen, 27 und noch Jungfrau, davor, von einem reichen Schnösel vergewaltigt zu werden. Nach einem kurzen Hinweis, dass Vergewaltigungen nicht nett sind, schlägt sie vor: Vergewaltige doch einfach mich. Erst windet er sich, da das eigentliche Ziel seiner Leidenschaft entfleuchte, aber schließlich kann er sich mit hängenden Mundwinkeln mit der Situation abfinden. Wenig später wird er auch Filzläuse durch eine ähnlich durchkreuzte Gewalttat abbekommen. Mit pumpenden 80er Jahre Beats gibt es ob der Nymphomaninnen, Großkotze, Impotenten, Verklemmten, Unsicheren und Scheuen keinen Abbruch für eine gute Laune, die es einem mulmig ums Herz machen kann. Schließlich wird die liebreizende, unschuldige Schwester einknicken und lässt den Sohn reicher Eltern mit sich schlafen … aber erst nachdem sie ihn, er hat ja nun Filzläuse, intim rasiert. Auch am Anus. Mit einem Rasiermesser schabt sie an seinem Schambereich. Sie wird abermals von ihm gedemütigt, da er ihr seinen Schwanz gegen ihren Willen in den Mund drückt … erigiert ist er nur im Weg. Und sie schabt mit scharfer Klinge an Eiern und seinem Arsch … in demütiger Hinnahme der Situation, wo doch ein blutiger Ausbruch nicht nur erwartbar, sondern zwingend nötig scheint. Doch die Revenge zum Rape wird nicht kommen, was aber nicht heißt, dass STORY OF A WHITE COAT hier mit sich bricht. Ein letztes Mal wird an dieser Stelle ein Gaudi gemacht, bevor die Stimmung trübe in sich zusammen sackt. Nicht nur die Vergewaltigung zehrt an Schwester Shinobu, sondern auch, dass sie gegen ihren Willen einen Orgasmus hatte. Ein Verehrer versucht sie mit seinem kleinen Penis aufzuheitern, aber das Leben ist nun grau in grau. Gerade der unbedachte Spaß scheint etwas zerstört zu haben … und auch wenn die Hoffnung der Liebe als Ausweg den Film beschließt, so bleibt doch ein vergnügter Film, der seine unanständigen Taten schlussendlich in Betrübung und einer dezent verspielten Übelkeit ausklingen lässt.
Sonnabend 04.03.
großartig –
Ein herzlicher Lebensbericht, der einem notorischen Frauenhelden und Ehebrecher die Ewigkeit in der Hölle verwehrt, weil er das Herz am richtigen Fleck hat. In seiner Rührseligkeit ein beherztes Stück Frivolität im Angesicht bornierter Moral und des Hays Code … mit einem Großvater, der schon immer mal eine Braut rauben wollte und hier seine Chance bekommt.
verstrahlt –
Kirchlich finanzierter Mondo, wo fast das sämtliche des geringen Budgets dafür drauf ging, möglichst ab und zu George Méliès stolz zu machen. Der außerweltliche Ton, der darüber liegt, beinhaltet einen Erzähler, der auch alle Leute spricht, wenn es tatsächlich Spielhandlungen gibt. So weit so normal. Bisher habe ich mit Bikern und Rockern aber etwas Verruchtes assoziiert. Das Altamont Free Concert und die ganzen Bikerfilme haben dieses reißerische Bild bestimmt … wurde mir klar, als ich aus den trüben Bildern herleitete, dass einer der größten britischen Bikerclubs nicht nur mit kirchlichem Beistand fährt, sondern dass die wenigen lederbejackten Motorradfahrer in ROGER WONDERS WHY auch ein Leben wie bei den Pfadfindern nachgesagt bekommen. Sonntäglicher Spaß mit Picknick und Spaß für die Kleinen. Wie aus einem Paralleluniversum schienen diese Bilder für mich, aber Recherchen malten dieses Bild. Priester auf Feuerstühlen… Manchmal dringen auf meinem Heimweg ganz unheilige Geräusche durch die besinnliche Abendruhe vor der Stadtkirche. Dort im Keller unter dieser dürfen Doommetal- und Punkbands mitweilen proben. Ein hier lebender Pfarrer ist auch nicht sofort als ein solcher zu erkennen. Die Kirche, immer wieder für Überraschungen gut oder ist dieser Club so bieder, wie die 20 Minuten hier nahe legen, Robert wonders why.
gut +
Das Trauma des ersten Teils stellt sich als nicht abschüttelbar heraus. Manifestieren tut es sich in der Norman-Bates-artigen Hintergrundgeschichte des Dämonen, dessen Schrecken sich einfach an Josh heftete und in ihm bis zur Übernahme arbeitete. Deshalb bietet INSIDIOUS 2 eine ca. 100 minütige Therapiesitzung, die abermals in den Karneval einer Psyche abtaucht, um dort die bösen Erinnerungen herauszuschneiden.
Freitag 03.03.
großartig +
Die Beweisführung, warum es überhaupt keine gute Idee ist eine Feministin im Keller gefangen zu halten und daran die Familie teilhaben lassen, weil dies der beste Hinweis dafür ist, dass das eigene Weltbild etwas zweifelhaft ist, schön und gut, das Schönste an THE WOMAN sind die Innereien. Nicht die, welche gegen Ende durchaus prominent durch die Bilder spritzen, sondern dieses Drücken in den eigenen, wenn diese Mischung aus Teeniekomödie und dezent unangenehmen Missbrauchsfamilienhorrorfilm langsam korrumpiert. Gerade der Musikeinsatz, der einen Anstrich von einer netten Highschoolfarce über noch den biestigsten Moment legt, und die ausgesuchte Lockerheit und Unbedarftheit mit der noch das Unsagbarste gezeigt wird … als ob da kein Elefant im Raum stehen würde … es lässt einen irgendwo ruhig einen Platz im Geschehen nehmen und bietet ganz nonchalante an, der Frage nachzugehen, wie wir selbst an Stelle all dieser verkommenen oder sich auflösenden Figuren reagieren würden bzw könnten. Es lullt einen ein, nur um dann umso heftiger zu eskalieren und einem mit der angebotenen, bequemen Decke die Luft wegzudrücken.
gut
Filme, wo es zur Kampfkunstausbildung gehört, zu lernen wie drei Meter weit mit ordentlichem Druck gepisst werden kann, und wo die Zotenquote, wenn auch nicht sehr hoch, so doch höher ist, als im Sicherheitscenter Hollywood oder im anständigen Förderkino … solche Filme finde ich begrüßenswert. Fies nur, dass ICEMAN, als der Plot keinen Stein mehr auf den anderem lässt, einfach aufhört und einem klar macht, dass wir es nicht mit einem abgeschlossenen Film zu tun haben, sondern mit einem Auftakt.
Mittwoch 01.03.
gut
Februar
Montag 27.02.
großartig –
Eine Stadttour durch New York ohne die Touristenattraktionen. Mittels eines Mordfalls führt Dassin die Zuschauer beschwingt durch die Stadt und ihre Schichten, zu aufrechten Beamten, glücklichen Familien, notorischen Lügnern, Schlägern, Dieben, Händlern, exzentrischen Reichen, heimlichen Lebemännern uswusf. Großen Wert scheint dieses Portrait einer Großstadt dabei darauf zu legen, neben der sittsamen Verdammung von ausgeprägten Ambitionen, dass ein solcher Ort ein Abenteuerspielplatz ist, an dem Mord und Totschlag eben geschehen, weil es Teil der Aufregung ist.
Sonntag 26.02.
radioaktiv
Am nächsten Morgen gleich Sabrina Z. gezeigt, damit sie mithilft die Streichhölzer vor all den Kindern zu verstecken. Was nicht alles hätte passieren können.
gut +
Hanebüchene Science-Fiction-Übermenschenphantasie, voller Lust an der Freude Esoterik als Motor eines wissenschaftlich-philosophischen Thrillers zu verkaufen. Mit Stil inszenierten und zugespitzten Konflikten und Schießereien den Ernst des Ganzen untermalend. Ein Vergnügen.
radioaktiv –
Krish entwirft einen fiktiven, vierteiligen Wettkampf für Kinder. Ein Wettrennen über Zuggleise, Steinwerfen nach Zügen (von 2 Punkten für einen kaputte Scheibe bis 7 Punkte für einen niedergestreckten Lokführer), Wer rennt als Letzter und der große Tunnellauf. Als Klammer fungiert der Mahnmodus, aber der Großteil dieser 22 Minuten ist einfach nur von einer perversen Freude getrieben, Kindern die Konsequenzen ihres Handelns möglich drastisch auszumalen. Das Ergebnis ist die Sesamstraße als sadistischer Karneval.
Sonnabend 25.02.
großartig –
In der Titelsequenz fahren Biker in Zeitlupe zu psychedelischer Musik. Die Aufregung wurde weggekifft. Danach heulen die Motoren auf und die Biker werden sich sukzessive umbringen, um als unverwundbare Lebende Tote ihr Umfeld zu drangsalieren. Ihr Bürgerschrecksadismus, der nun auch Mord einschließt, reicht ihnen als Lebenserfüllung für die Ewigkeit, so scheint es, und nur die Mutter der Chefbikers kann diese aufhalten. Die Exploitation zieht mit den heulenden Motoren an, irgendwo, aber PSYCHOMANIA ist vor allem so selbst genügsam vergnügt, wie seine Hauptfiguren. Ein Film zum Entspannen.
großartig +
Wieviel wohl von Antonioni in Regisseur Niccolò (Tomas Milian) steckt? Ob er wie seine Hauptfigur den Frauen gerne so enzianisch die Gesichter ablecken wollte oder ob es Milians agieren ist, die Niccolòs Zunge wild werden lässt. Als IDENTIFIKATION EINER FRAU erschien, war Antonioni nun auch schon 70 Jahre alt, vll ist das Vordringen von Lust und Sex auch Teil einer Verlustgreisung seinerseits. Der Kater, der ab Ende der 70 Jahre im Kino Einzug hält – die gesellschaftlichen Utopien, die Neuen Wellen, das Gefühl cinematische Grenzen spielend immer weiter einrennen zu können, alles vorbei – hier ist er sehr brummend. Antonioni hat über den vorangegangenen DAS GEHEIMNIS VON OBERWALD garstiger Weise gesagt, dass das einzige Geheimnis sei, warum er ihn gedreht hat. Das Leichte war dahin und deshalb drehte er einen verqueren, wunderschönen Film voll Leere und leuchtenden Farben (im Gegensatz zu den stumpfen, gedeckten Farben, die große Teile von IL DESERTO ROSSO beherrschten), mit dem er nichts anfangen konnte. Der nunmehr Suchen nach Möglichkeiten zu reden war, nachdem er alles gesagt hatte … pathetisch gesprochen. Und so fällt er mit IDENTIFIKATION EINER FRAU auf sich zurück, statt weiter nach Neuem zu forsten. Er macht einen Film, wie von einem Antonioni-Epigonen, bei dem nichts mehr episch wirkt, sondern ausgelutscht, verbraucht und klein. Es fühlt sich ein bisschen für mich an, als ob IDENTIFIKATION EINER FRAU plappert, ohne etwas ausdrücken zu können … als ob Antonioni beim Drehen in einem seiner eigenen Filme feststeckte. Ein Regisseur sucht darin eine ideelle Frau für seinen Film und für sein Leben. Aber die Frage zwischen den Brocken sich nicht annähernder Liebenden ist, ob eine Beziehung über das schmuddelige und verkitscht erhebende der körperlichen Liebe hinaus möglich ist … wenn denn Ideale im Spiel sind, wenn seltsame Familienkonstellationen herrschen und wenn, wie hier, irgendwie jeder ein Voyeur ist oder von einem belauert wird … und es am schlimmsten und ernüchternsten scheint, wenn eben niemand mehr schaut. Ein Film des irritiert Blickens.
gut
Beim Sehen von CAPTURED kam mir John Krish wie ein ernster Ernst Hofbauer vor. Wie jemand, der in Lehrfilmen und Dokus gefangen war, aber viel lieber Thriller gedreht hätte. CAPTURED, von den Hinweisen eines Offiziers zu Beginn abgesehen, ist klar ein Kriegsgefangenendrama um Gehirnwäsche, dass sein Sein als Lehrfilm fürs Militär einfach ignoriert. Fast könnte es als Bewerbungsfilm für Größeres verstanden werden … und die garstige Perversion seiner Aufklärfilme als Verbitterung, weil sich dies nie verwirklichte.
radioaktiv
Eine Minute Kamerafahrt durch ein postkatastrophales Haus. Wunderschön. Dazu, weniger schön, verhallende Klagerufe auf der Suche nach Vater, Mutter und anderen. Konsternierend ist es, wenn das alles am Ende seinen Zweck offenbart. Manipulation, wie sie arglistiger, fieser und lachhafter kaum sein kann.
verstrahlt +
Aber schon mit dem Vorgänger von SEARCHING, ebenfalls eine Minute, bringt sich John Krish für den FWU-Gedächtnispreis für überzogenes, manipulatives Mahnen ins Spiel. Oder ist sowas wie YESTERDAY WHEN I WAS YOUNG, der FWU-Motorradfahrer-sind-(Selbst-)Mörder-Film (siehe STB 2015 I), im Fahrtwasser dieser gemeinen Abrisshämmer entstanden?
Freitag 24.02.
verstrahlt
Einer der avantgardistischsten Filme aus Hollywood in den 90ern. Ein Hort von Stil, der sich wie ein Frack um den puren Nonsens legt und diesem die Aura des Normalen gibt. Vll eine Satire auf sich selbst? Tsui Hark, wenn er mal entspannt hätte, hätte wohl einen ebensolchen Film gedreht.
Donnerstag 23.02.
ok
An einem Punkt sagt Ip Man (Donnie Yen) tatsächlich, dass doch bitte an die Kinder gedacht werden soll. Der Offenbarungseid des Verteidigers von Anstand und den Rechten des kleinen Mannes wurde also gesprochen. Vier Dinge, die ich an IP MAN 3 aber sehr mag: 1. Die Einstellung, wo Doooonie Yen während eines Kampfes in einer Nahen, vll noch Halbnahen zu sehen ist, alles ruhig scheint und dann plötzlich eine Faust aus dem Bereich rechts neben der Kamera auf ihn zu kommt. 2. Dass zweimal Konflikte auf eine einfache Entscheidung zugespitzt werden (bspweise: entweder kämpfen und das Leben einer Geisel riskieren oder die Waffen strecken), dann auf das Gesicht des Entscheiders geschnitten wird, welches ob der Aufgabe versteinert, und daraufhin schließlich einfach dorthin geschnitten wird, wo alles schon entschieden ist und derjenige ganz entspannt dreinschaut. 3. Die Parallelmontage zwischen dem anberaumten Kampf um den Titel des Wing Chun Großmeisters, der ob des nicht Auftauchens von Ip Man zu Ausschreitungen führt, und der Tanzstunde von Ip Man und Frau, wo beide lachend ihr Leben genießen. Einen fröhlichen Rucksack an Implikationen schnürend. 4. Dass Mike Tyson einen ehrenwerten Gangster spielen darf.
großartig
Ich persönlich würde sicherlich denken, dass der Mann mit der Ruhe, den Aalen und dem Wasser ein netter Mensch ist, der anderen helfen möchte. Aber A CURE FOR WELLNESS erzählt aus Sicht eines skrupellos aufsteigenden Bankkaufmanns und Workaholic. Und so ist dessen Ausflug in ein Luxusspa in die Schweizeralpen, wo er nur kurz einen Sündenbock abholen soll, der Trip in ein schwarzromantisches Märchen, wo teuflische Hohepriester hinter Masken der Hilfsbereitschaft versteckt einen mit Wasser aussaugen und wo Aale die Reste von einem vertilgen. Von Gore Verbinski ist dieses gotisch-abgründige Institut der Heilung wie ein Badezimmer inszeniert, bei dem sich Schimmel und Moder schleichend durch die Fliesen und die Spiegel drücken und einen langsam einkreisen … wie eine Würgeschlange. Überall findet sich dabei das Wasser. In Gläsern, in Tanks, im Klo, in Teichen, in Grotten, in den Träumen. Es ist der Hort der Gefühle und der Unsicherheit, der A CURE FOR WELLNESS bestimmt. Es ist der Tümpel des Brackwassers, in dessen unabschätzbaren Tiefen alles lauern kann. Und so lauert unter den immer präsenten Wasserflächen (manchmal sind es einfach Spiegel) auch so einiges. Der Eine, der an einen seltsamen Ort kommt, wo die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Es hat etwas von SHUTTER ISLAND, nicht nur weil Dane DeHaan wie ein DiCaprio Stand-in wirkt. Doch dieser mythische Alptraum kommt aus ganz klassischen Horrorecken. Denn unterhalb des ehemaligen Schlosses in den Alpen liegt ein Dorf, das in den 50ern festzustecken scheint und wo Bars 80er Jahre Außenseiter mit Piercings beherbergen, die stets bereit scheinen mit Mistgabel und Fackel nach oben zu den wahnwitzigen Fürsten zu ziehen, deren widernatürliche Experimente zu stoppen haben, aber jetzt erstmal unterhalb des Schlosses sich wegducken. Dieser Ort, von verfremdeten, anachronistisch zusammengesteckten FRANKENSTEIN- und DRACULA-Tropen gespeist, hat zudem alte, zurückliegende Geheimnisse um Mord, Inzest und eine perfide Perversion auf dem Weg zu einer unheiligen Perfektion auf Lager. Ein Ort und ein Film zerrissen zwischen glatter, niederdrückender Teutonik und blühendem Jugendstil. Ein Sumpf von regelmäßiger Schönheit. Wasser ist in A CURE FOR WELLNESS stets etwas Zersetzendes, was mit Feuer gereinigt werden muss. Aber alle und alles möchte oder soll sich hier reinigen. Der Bankier wurde zu Beginn aus einem hyperkapitalistischen Büro ohne Luft, Wärme und Behaglichkeit losgeschickt. Der Startpunkt ist schon ein Ort des Horrors. Und wo immer DeHaan hin stolpert, es wird nicht besser. Diese Verhandlung über die amoralische Reinheit des modernen Kapitalismus vs esoterischen Selbstsäuberungs- und –optimierungszwang vs deftiges Menschsein, alles darin bezieht sich aufeinander als Reinigungsmittel und Dreck. A CURE FOR WELLNESS hat einen allumfassenden Waschzwang, der, egal wo er ankommt, immer neuen und immer mehr Dreck vermutet und findet. Wasserdicht abgeschlossen ist dem nicht zu entkommen. Es wird sich kein Ausweg gegönnt und am Ende schrubbt sich dieser Film stetig das grüne, getragen-schöne, grauenvolle Fleisch von den Knochen.
Mittwoch 22.02.
großartig –
Da wo Ozu versucht die Gefühle in seinen Figuren hinter Staumauern zu verschließen, dem Alltag gleich, da herrscht bei Duvivier der Ausnahmezustand. Schon wenn Hauptfigur und Waise Denise in Paris ankommt, dann preschen die Doppel- und Dreifachbelichtungen über sie ein. Die Hektik der Großstadt, Autos, Züge oder später sie auslachende Mitarbeiter, fast immer ist es zu viel. An jeder Ecke, in Groß und Klein steht zudem der Name des Kaufhauses, Au bonheur des dames, dass Denise‘ Onkel in den Ruin treibt und das von Octave Mouret (in der Rougon-Macquart das Kind einer Ehe zwischen Cousin und Cousine, die, wie so oft bei Zola in Wahnsinn endet, aber nur nebenbei, da das im Film nicht erwähnt wird) spekulativ geführt wird, d.h. mit fremden Mitteln immer größer werdend und ihn so erfolgreich machend, aber auch abhängig. Der Fortschritt und die Moderne bekommen mit diesen ewigen Lettern etwas aufdringliches, niederschmetterndes und wenn nicht auch verführerisches, dann wenigstens unaufhaltsames. Da Duvivier noch fast ohne Ton dreht, müssen die Bilder alleine dieses Melodrama um zerstörende und unmögliche Lieben anpeitschen bis der Glorienschein am Ende am Horizont aufgeht.
gut
Sonntag 19.02.
verstrahlt
Ein Film, der immer wieder sagt, er sei für die Jugend – auch kurz vor dem finalen Auftritt, bei dem das Publikum sichtlich nur aus graumelierten bzw. beglatzten Herrschaften besteht – aber durch Altenheiminsassen (beispielsweise Hans Moser und Paul Hörbiger mit dezenter Altersruhe) etwas Schwung in die steifen Hüften (Udo Jürgens) bekommt.
*****
Diesen Film auf DVD zum Geburtstag geschenkt bekommen. Für mich ein Indiz, dass bei mir gerade viel hervorragenst läuft.
gut +
In den beiden entscheidenden Momenten, jedes Mal wenn Ricos (Edward G. Robinson) Ambitionen mit Joes (Douglas Fairbanks jr.) Willen zu einem ruhigen Leben aufeinanderprallen, wenn also die Partnerschaft der beiden, die in die Stadt gekommen sind, um etwas zu erreichen, zerbröckelt, dann wandelt sich LeRoys Stummfilm geschulte Noirgangsterblaupause in einen Wind aus Impressionen. Wenn Rico das Lokal, in dem Joe arbeitet, ausraubt, zerreißt alles in Eindrücke, die durch Überblendungen ineinander übergehen und doch, auch durch ein Tondesign wie mit Watte in den Ohren, präsentiert werden, als ob es eine riesige Anstrengung braucht, diese zu verarbeiten. Und wenn Rico Joe erschießen möchte und die Unschärfe der Gesichter wie ein Tränenfluss auf den Bildern scheint. An den Wendepunkten der Geschichte wird es feucht und emotional, wenn das sonst Verdrängte, die Gefühle, in der trockenen Gangstergeschichte mit NOSFERATU-Schatten dringen und offenbaren, was als Strom im Verborgenen zu finden ist.
Sonnabend 18.02.
nichtssagend +
In einer Nebenrolle gibt Steven Seagal den Kampfklopsbuddha, der väterlich der sich herb entwickelnde Männerfreundschaft der Hauptfiguren, einem Drogenbaron, der für seine Familie aussteigen will, und einem US-Marshall, der aus dem Schatten seiner Familie heraussteigen möchte, die nötigen Impulse gibt … und am Ende mit der mythischen Kraft des Steven-Seagal-Seins einen Kampf voll Zen aufs Parkett legt und Tritte und Schläge einfach an sich verpuffen lässt.
radioaktiv –
Nach der Exposition ist klar, es ist Hongkong, es sind die 80er Jahre und es wird keine Gefangenen geben. Michelle Yeoh wird in den ersten Minuten als Polizistin eingeführt, die zuvorderst mit einem Buch das Ding eines Exhibitionisten einklemmt und ihn so dingfest macht – genau dieses Niveau wird hier gehalten, super – nur um sich daraufhin eine brutale, fast drastische Schießerei mit den Bankräubern zu liefern, die nebenan ein Geldinstitut erleichtern wollten und die von ihr resolut und ohne Kompromisse gestellt oder erschossen werden. Danach ist es eigentlich unmöglich zu sagen, dass es nicht zu ahnen war, worauf es hinausläuft. John Shum spielt eine Hauptrolle, Tsui Hark eine Nebenrolle und Richard Ng hat einen Kurzauftritt. Soll niemand sagen, es war nicht abzusehen. Die Kalauer, wenn sie auch manchmal die offensichtlichen Pointen unterwandern, sind derb. Die Leute echauffieren sich fast durchgängig und reden taub aufeinander ein, mal durch authentische Gefühlsausbrüche, oft um nichts an sich heranzulassen oder dem Anderen das Gefühl zu verwehren, dass er mit seinen Anschuldigungen recht haben könnte. Die Bösewichte lachen so übertrieben irrsinnig und bei jeder Gelegenheit, dass sie sich dafür auch im Angesicht der Polizei halbseiden dafür entschuldigen. Die von Michelle Yeoh und Cynthia Rothrock gespielten titelgebenden Polizistinnen betreiben einen Wettstreit, wer am ehesten Informationen aus den Kriminellen herausprügelt. Das Leben der Stuntmänner und -frauen wird für atemberaubende Bilder, anscheinend gern aufs Spiel gesetzt. Und so weiter und so fort. Der Sturm kennt keine Grenzen. Lachen, Wut und Tränen, Überforderung, Irritation und plane Offensichtlichkeit liegen nur Sekundenbruchteile auseinander. Selbstredend ist es wunderschön gefilmt. Und nichts davon ist unerwartet … und doch, als der Abspann losging und wie so oft die besten Action- und Stuntmomente zum abermaligen Staunen wiederholt wurden, da war mir nur nach weinen und alleine in eine Decke gekuschelt liegen bleiben. Die riesen Mauer aus Genreabläufen, Witzen und Gemecker, die aufgebaut wurde, um den emotionalen Ausnahmezustand von sich abperlen zu lassen, sie wird kurz und final zusammenbrechen und einen, zumindest mich, zerstört zurücklassen.
großartig
Einiges lässt sich über DIE UNSCHULDIGEN ZAUBERER an der Frisur von Tadeusz Lomnicki ablesen. Nach einem Beginn, der einen eigensinnigen Hallodri, Frauenheld, Arzt und Jazzdrummer einführt, der an die Helden aus AUSSER ATEM, SCHIESSEN SIE AUF DEN PIANISTEN, LOLA oder ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN erinnert, der also mit seiner schnöseligen Rebellion gegen Ernst und Bindung ein klassischer Protagonist neuer Wellen ist, folgt ein Kammerspiel der Liebe. Zu dieser Zeit trägt er eine adrette Kurzhaarfrisur, die akkurat gekämmt ist. Kein Haar steht ab. Reih und Glied sind klar zu erkennen. Es hat etwas von einem Helm. Wie die Kamera zu der Zeit durch den Raum und um die Protagonisten gleitet hat etwas ebenso Adrettes. Die Frische und Unbekümmertheit ist eine Lüge. Etwas Inszeniertes, das einem psychologischen Helm gleicht. Bazyli (Tadeusz Lomnicki) und Pelagia (Krystyna Stypulkowska) sind in einem Raum, wollen dabei nicht der Liebe auf dem Leim gehen, sich aber auch nicht zum Abenteuer bzw zur Eroberung des Anderen machen lassen. Und so umkreisen sie einander mit gespielt lockeren taktischen Manövern, aus denen die Verklemmung spricht … in ebensolchen Kameraeinstellungen und -fahrten sowie Schnitten. Der Jazz, den Bazyli spielt, ist dezidiert neurotisch gehetzt. Etwas Getriebenes steckt darin und etwas kubistisch Zerstückeltes. So lässig DIE UNSCHULDIGEN ZAUBERER auch erscheinen mag und will, irgendwie ist es das nie. Jedenfalls bis dann Bazyli auf einem Mofa durch den Morgen rast und der Wind seine Frisur zerzaust. Auf der Suche nach der entschwundenen Frau und der verpassten Chance (offen zu sein), jagt er tatsächlich dringend durch den Tag und vergisst die Spiele … kurz. Diese eine Fahrt, dieser kurze Moment am Busen seines Protagonisten verwandelt wie durch Zauberer den frischen Mief in einen Ort grenzenloser Sehnsucht.
*****
Der DVD von Second Run liegt laut Hülle eine ausgezeichnete neue HD-Restauration zu Grunde. Nach einer halben Stunde habe ich dann aber doch aufgegeben zu versuchen, den Look eines 60er Jahre Fernsehspiels loszuwerden und etwas zu erhalten, was wie Film aussieht. Was hier ausgezeichnet sein soll, muss mir bitte erklärt werden.
Mittwoch 15.02.
radioaktiv –
Die abermalige Wiederkehr des Sohns Gottes zur Discozeit verläuft zumindest für ihn wenig erfreulich. Kurz bevor er zu seinem Vater (oder eben sich) heimkehrt, spricht vor allem Verbitterung aus ihm, wenn er sagt, dass es ihm auf Erden nicht gefällt, wirklich gar nicht. Offensichtlich wird dadurch, was sein Vater in Zwiegesprächen stets wiederholte. Er soll sich mal locker machen, denn versteift ist er. Und wahrlich zwischen schmachtenden und schmalzige Balladen singenden Jüngern, bei den ihn versuchen wollenden Discotanzperformances der Fleischeslust und der Drogensucht – wo sich Personen auch mal wiederholt in drei Meter lange Heroinspritzen verwandeln – sowie bei den Gesprächsfetzen mit den Bürgern einer säkularisierten Welt, die seinen Auftreten aus dem vorletzten Jahrhundert wenig Verständnis entgegenbringen, zwischen all diesem weltlichem Trubel wirkt Jesu meist wie ein verklemmter Besserwisser, der strikt und ängstlich an der Welt vorbeilebt. Wiedergekommen um die Welt zu retten, stolpert er planlos in kleine Konflikte und hilft, wo er kann. Nachhaltig ist sein verwirrtes Belehren aber nie. Deshalb ist irgendwann nicht nur die fröhliche Lieder über ihre Niedertracht singende Mafia hinter ihm her, sondern auch die Polizei – vertreten durch einen ganz tief unter Niveau nach Kalauern schürfenden Gianni Magni, der sich adrenalingeladen in einen Atomwitzstollen ungeahnter Skrupellosigkeit reinfräst. Aber so wage und elliptisch WHITE POP JESUS die Ahnung einer Geschichte mit einer Ahnung von Stringenz erzählt, so eigenwillig Sinn und Verstand und Ästhetik gestreckt und gedehnt werden, bis der Zuschauer von den sich aufbauenden Potentialen der Auslegung, der Drastik des Nonsens und den treibenden Beats in den Seilen hängt, so selbstverständlich wird Jesu Jünger um sich sammeln, in Menschenmassen auf einem Esel in eine Stadt reiten, während mit Lorbeerzweigen gewedelt wird. Jesus ist gekommen, um dich zu retten, und seine Wege sind unergründlich. Da bleibt nur in Deckung zu gehen oder sich wagemutig hinzugeben.
Sonntag 12.02.
großartig +
WHEN WILLIE COMES MARCHING HOME zerfällt in zwei Teile, die jeweils von ihrem eigenen running gag bestimmt sind. Erst wird William Kluggs mit Beförderungen und Medaillen überhäuft, die er jedes Mal bekommt, wenn er seine Vorgesetzten anbettelt, endlich an die Front gelassen zu werden. Und wenn er nach Monaten des Flehens tatsächlich in Europa landet, kriegsentscheidende Informationen erlangt und diese bis nach London schmuggelt, dann wird er beständig mit Alkohol zur Stärkung abgespeist, wo er doch nur endlich mal schlafen will. Der euphorische Kluggs, der sich als erster in seinem Ort bei Kriegseintritt der USA freiwillig meldet, wird dabei wie ein nasses Papierkügelchen behandelt, das erst im Blasrohr feststeckt und dann doch mit wahnsinniger Geschwindigkeit gegen die Wand klatscht. Sein naiver Begeisterungstaumel für den Krieg läuft fortwährend beherzt ins Leere. Während selbst der kleine Junge von nebenan mit Abenteuergeschichten nach Hause kommt und seine Mitbürger um ihre Verwandten und Freunde bangen, sitzt er bei Mutterns am Mittagstisch (denn fieser Weise wird er auch noch in seinem Heimatsort stationiert) und wird zunehmend schräger angeguckt. Und als er bekommt, was er möchte, ist er nur ein passives Blatt im Wind, dass über Europa verweht wird und irrwitzig alle Träume übererfüllt bekommt, nur um atemlos wieder zu Hause zu landen, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, irgendwas zu verarbeiten. Das Ergebnis ist eine Farce, die seinen Protagonisten und seine Träume vom einfachen Heldentum fies verlacht, aber doch wunderschön arglos daherkommt.
gut +
Nach ca. 18 Jahren wieder gesehen und was habe ich ihn als Kind geliebt. Viele Gags haben sich bei mir dermaßen eingebrannt, dass ich oft zu meiner kleinen Tochter, wenn sie nicht schlafen möchte, Haaaaaraaald sage. Im festen Glauben, dass sie sofort einschlafen müsste. Bei einigen Sachen wird mir heute mulmig – wenn z.B. Otto die Gutmütig- und Leichtgläubigkeit einer alten Dame (Tilly Lauenstein) ausnutzt und ihr Günther Kaufmann (Pointe einiger weniger Neger-Witze) als Sklave verkauft bzw ihr Gebühren wegen unangemeldeten Sklavenbesitzes abzockt – während andere Momente mich in ihrem teutonischen Betteln nach Vergnügen beklemmen – wenn sich Otto in Heinz Erhardt geschulter Manier hyperaktiv vor dem Zuschauer in den Dreck wirft, um diesen zu amüsieren. Aber im Großen und Ganzen noch ein toller Film, der gerade punktet, wenn Otto das Ottosein etwas sein lässt. Vll hätte ihm ein ständiger Partner wie Jopie Heesters, der nebenbei bei seinem Kurzauftritt die Rolle seines Lebens spielt, wenn er als Clochard im abgewrackten Galaanzug vor Edelrestaurants sitzt und dort seinen Wein nippt, denn dieser ruft Otto zu Contenance und Stil auf. Und das ist, was im Dreck nötig ist … und was OTTO – DER FILM auch oft hat, Kalauer und Absurditäten mit vollem Ernst und sehr viel Herz.
*****
Lief bei Pro7maxx, wo ich nach Jahren ohne Werbeunterbrechung ob der Zerstückelung konsternierte und wo er nicht nur links und rechts beschnitten wurde (tatsächlich ist OTTO – DER FILM ein Scope-Film (!) 😀 ), sondern wo es manchmal schien, dass auch oben und unten etwas fehlte.
Sonnabend 11.02.
großartig
Ein Propagandafilm gegen die Ehe, so scheint es lange. Bette Davies heiratet gegen besseres Wissen und alle ihre Bedenken bzgl Besitzanspruchdenkens, Verfliegen der Aufregung uswusf bewahrheiten sich. Mit diebischer Freude und einem Quäntchen Sarkasmus wird beobachtet, wie der Frust in Bette Davies Augen steigt. Besonders perfide für sie: nicht sie ist es die eingesperrt wird … von ikonischer Schönheit ist es, wenn sie bei einer Feier sitzt, neben ihr die Schwaden ihrer Zigaretten aufsteigen und die Luft stickig machen, sie immer schlechtgelaunter durch den Raum schaut und ein fremder Mann ihr unentwegt von Boilern erzählt, während ihr Mann sich amüsiert. Boilers, es wird der Kampfruf der Unzufriedenheit. Und für den Zuschauer gibt es die Freude dazu, Will Hays die Zornesröte förmlich in den Kopf steigen zu sehen. Aber auch das Scheitern der Ehe wird scheitern, weshalb EX-LADY im Grunde nichts über Ehen erzählt, sondern darüber das Liebe und Gefühle schwer zu händeln und fiese Schweinehunde sind … und darüber, dass die Menschen im Film lachen, damit niemand mitbekommt, wie traurig sie sich fühlen, während der Zuschauer lacht, weil dieser absurde Eiertanz zum Glück (ausnahmsweise) nicht seiner ist.
gut –
Alles hängt zusammen und jeder ist schuldig. Sachter Neodepressionismus, leider aus dem Baukasten.
gut
Auf die Katastrophenfilme der 70er habe ich nie Lust gehabt. Dieses Genre hatte auf mich immer den Anschein von Sonntagnachmittagslangeweile. Gediegene Unterhaltung, die ungefähr so aufregend wie eine Folge MORD IST IHR HOBBY ist, nur eben auf drei Stunden gedehnt … mit unzähligen Stars, die aber nicht wie bei den Agatha Christie Krimis durch den Plot gebunden waren, sondern nur als Schauwerte rumstehen würden. (Paul Newman und Steve McQueen spielen mit, was mutmaßen lässt, dass ein infernalisches Feuer nötig ist, damit der Film nicht vor Coolness schockfrostet, aber sie bleiben einfach eingekauftes Charisma, dass sich nicht wirklich entfaltet.)
Da in einer Diskussion vor kurzem fiel, dass dies Roland Emmerichs Lieblingsfilm sei, hatte ich plötzlich Lust herauszufinden, was es mit diesen Filmen auf sich hat. Vll bin ich inzwischen auch viel offener für Sonntagnachmittagslangeweile. Und TOWERING INFERNO war auf einer Seite so, wie ich ihn mir lange vorgestellt hatte. Kaffeekranzaction, wo über lange Zeit hinweg Leute in einer Mausefalle sitzen und die immer wieder heraufbeschworenen unwegsamen Situationen einen findigen und mutigen Menschen beschwören, der möglich Auswege aufzeigt. Ein einstürzendes, brennendes mitunter explodierendes Hochhaus ist mir aber zu abstrakt und die Dramaturgie scheint mitunter einen Rollator zu brauchen. Vll ist es aber auch wie beim Dschungelcamp. Die Ekelprüfungen sind zwar die Raison d’Être, aber die zwischenmenschlichen Dramen das wirklich Spannende. Denn abgesehen vom Muff berstenden Betons war es tatsächlich ein kleines Inferno des Irrwitzes. Wie Menschen mal komplett moralin in einen brutalen Tod geschickt werden, ein anderes Mal aber aus purem Sadismus. Wie O.J. Simpson, nach regelmäßigen Auftritten, Mitte des Films eine Katze rettet und erst am Ende wieder auftaucht um diese einem konsternierten Fred Astaire zu geben, der die Besitzerin derselben verloren hat … was für ein Trostpflaster! Wie Robert Wagner nach einem Techtelmechtel sich vom Feuer eingeschlossen findet, aber immer noch zuversichtlich grinst, bevor er losrennt und Rettung holen möchte … und einfach humorlos abfackelt. Einige solcher schönen irrwitzigen Seifenoperelemente hält THE TOWERING INFERNO parat, der zwar wirklich sehr dröge seinen Thrills folgt, aber durchaus entspannt Spaß hat, wenn er Leute quält und dabei so tut, als ob er mit ihnen mitfiebert.
Freitag 10.02.
großartig –
Folgte im zweiten Teil auf die Enge der Schuld, der Selbstgeißelung und dem Habacht vor neuerlichen Verfehlungen eine schwer zu greifende Katharsis, die physisch durch einen Schlag aufgerundet wurde, aber fast so etwas wie Leichtigkeit oder zumindest den Verlust von Ballast mit sich brachte, schlicht einen Zustand, wo nicht mehr alles eindeutig war, da dreht Teil drei dies um. Eines der Mädchen zieht sich nach dem Erlebten (in sich) zurück, bis sie immer mehr Zweifel beschleichen, was ihr Bruder mit seiner Stieftochter so macht. Hier ist zu Beginn alles Leichtigkeit. Der Bär, als solchen sieht sich die inzwischen junge Frau, hat es sich in ihren leichten Angstzuständen fern der Welt bequem gemacht. Erst die Indizien, eine Fährte die nie aufgeklärt wird, reißen sie wieder in die Welt. Es bleibt schlicht unklar, ob wir eine Heldengeschichte sehen oder ob wir verfolgen, wie sich jemand durch die Horrorbilder seiner Phantasie zum Trottel (und Mörder) macht. Was wir sehen ist aber Hoffnung und die findet Kurosawa zunehmend dort, wo eben nichts klar ist.
gut
Nach zwei Teilen lyrischen Sühnens gibt es die Verweigerung davon. Arschlochsein in der Endform. Manipulation, Diebstahl, Mord und kein bisschen Einsicht. ZEHN MONATE UND ZEHN TAGE einfach jemanden dabei zusehen, wie diejenige verschüchtert alle leiden lässt und so tut, als ob sie Spaß daran hätte … was sie vll auch hat.
ok
Romanski hat es endlich geschafft. Er musste zwar das Ende seiner Serie erleben, aber im abschließenden Film kann er endlich blank ziehen und uns nicht nur seinen Schwanz präsentieren, er kann auch einen anderen Mann, der mit dessen Nacktheit nicht umgehen kann, mit diesem malträtieren. Ich bin mir sicher, dies war, worauf die drei Staffeln hinausliefen. Endlich den Selbsthass, das sich hässlich und dumm Finden jemanden in Form eines Tabus, also eines Penisses ins Gesicht und ins Kreuz halten. Psychologisch möglicherweise ein Offenbarungseid … aber ansonsten, wenn es eben nicht um Sammy (Romanski) geht, eine ganz nette Sause über eskalierende Partys.
Donnerstag 09.02.
großartig –
In einem riesigen, prunkvollen Spiegel sehen wir Audie Murphy die Treppen eines Saloons herunterkommen, der blitzt und blinkt wie eine Bordelltür. NO NAME ON THE BULLET erzählt von schönen Oberflächen. Wenn die Masken fallen. So könnte Jack Arnolds Western aber auch heißen. Denn wenn der legendäre Revolverheld und Auftragskiller John Gant (Audie Murphy) in eine kleine, ruhige Stadt einreitet, dann wirkt sein Ruf wie ein Katalysator. Sobald sein Name fällt sind zwei Dinge den braven Bürgern scheinbar klar. Dass er nämlich seine Opfer immer auf dieselbe Weise beseitigt – er provoziert sie und zieht einfach unschlagbar schnell, scheinbar in Notwehr handelnd ohne justiziable Folgen – und selbstredend denkt jeder er sei das neuerlich auserkorene Opfer. Da Gant über seinen möglichen Auftrag aber schweigt, bricht schnell Paranoia aus. Schießereien wird es geben, aber sie stehen am Rand, sind letzter Ausdruck des sich abspielenden Dramas von Menschen, die von ihren Gewissen und Ängsten langsam aufgefressen werden. Die Masken fallen eben, während John Gant einfach nur still dasitzt und mit einem Arzt oder den Leuten, die ihn vertreiben wollen, um ihre Ruhe zu haben, über Moral diskutiert. Darüber ob es besser sei, schlechte Menschen medizinisch zu retten oder eben zu exekutieren. Darüber, ob er was für den Wahnsinn um sich kann oder es eben nur die Schuld der ach so guten Bürger ist. Doch hinter all diesem Palaver und den durchdrehenden Kleinbürgern versteckt sich auch der Killer. Denn das eisige Schweigen Gants überspielt vielleicht auch nur den Überdruss der Allmacht. Er frisst seine Skrupel, sollte er denn welche haben, in sich hinein. Nur die Spiegelung des Auftragskillers im Arzt, der anders als seine Mitbürger Ruhe bewahrt und sich nicht verrückt machen lässt, spricht dabei etwas. Der Rest ist Spurensuche, während alle die Nerven verlieren.
gut
Jean-Luc Godard hat seiner Zeit in seiner Rezension über THE TRUE STORY OF JESSE JAMES geschrieben, dass dieser Film am besten wohl nicht nach der vorhandenen Form bewertet werden sollte. Nicholas Ray wurden alle radikalen Ideen verwehrt, er musste Szenen aus der Version von 1939 einfügen und als er einen unchronologisch erzählten Film vorlegte, musste er diesen umschneiden. Nunmehr in Rückblenden in zeitlich richtiger Reihenfolge war die Dramaturgie, die Suche nach der Entmythologisierung des Robin Hood des Westens dahin. Das Ende beispielsweise gehört wohl nicht dahin, so kraftlos wie es dort rumliegt. Wahrscheinlich war es eher als Beginn gedacht. Würde ich als Laie mutmaßen. Aber so unpassend es dort ist, so schön ist es. Eine wunderbare Szene über einen unmotivierten Mord, der zwar nicht aus dem Nichts kommt, aber kaum mehr als aus irren Augen. Der Rebell mit einem Grund sollte eigentlich von James Dean gespielt werden und vielleicht hätte Nicholas Ray ein Komplementärstück zu seinem Stück jugendlicher Rebellion, die ins Leere läuft, vorlegen können. So haben wir nur einen Torso. Schöne Einzelteile aneinander gepappt. Die Möglichkeit eines Meisterwerks.
Mittwoch 08.02.
gut +
Ein Episode wie Verstopfung, die durch Aufrichtigkeit gelöst wird. Kurosawa spürt einer weiteren traumatisierten Frau nach. Diese hält ihr Leben in einem analen Kontrollzwang umkrallt. Die Lösung ist einfach: ehrlich zu sich sein. Zum Dank gibt es einen Faustschlag ins Gesicht.
Dienstag 07.02.
großartig
Irgendwo ist SOYLENT GREEN eine beherzte Warnung vor Überbevölkerung und ökologischem Zusammenbruch. So muss Charlton Heston beständig über die Menschenmassen steigen, die in den Treppenhäusern liegen, weil sie keine andere Zuflucht haben. Die Leute müssen sich mit nicht gerade im Überfluss erhältlichen gepressten Soja- und Planktonriegeln der Firma Soylent zufriedengeben, weil jegliches andere Essen Ultraluxus sind, da Pflanzen und Tiere in der grünen Luft des verdreckten Planeten nicht mehr wachsen können. Zu allem Überfluss wird Edward G. Robinson (in seiner letzten Rolle) vor einer Leinwand sterben, auf die zu klassischer Musik Aufnahmen einer unberührten Natur projiziert werden. Ihm und seinem Partner Charlton Heston stehen die Tränen vor all der unwirklichen Schönheit in den Augen. Es ist etwas Unschuldiges in SOYLENT GREEN, wenn die simplen Freuden des Lebens genossen werden, als wären sie Prunk und Pomp. Es ist ein Film des Staunens, wenn sich an einem Blatt Salat, ein, zwei Löffel Gulasch und einem Schluck Bourbon gelabt wird, wie wenn es der irrsinnigste Luxus auf Erden sei … was er hier ja auch ist. Die leuchtenden Augen von Heston und Robinson sind eine Wonne.
Aber Richard Fleischer lässt es nicht bei diesen Bildern des Mahnens und Staunens über das Glück der heutigen Zeit. Sein Film ist mehr noch ein Schwein. Ein dreistes, geiles Schwein. Als Polizist auf der Suche nach einem Mörder hat Charlton Heston freie Hand. Ohne Skrupel durchsucht er die Wohnungen von Verdächtigen und Opfern, nimmt, ohne Zeit auf Heimlichkeit zu verschwenden, alles mit, was Luxus und nicht niet- und nagelfest ist. Er duscht, wenn er die Möglichkeit hat, genießt Seife, das Essen und die als Möbel bezeichneten Frauen, die es in den noblen Apartments dazu gibt. Der Genuss, dem er frönt, und auf dessen Seite SOYLENT GREEN durchaus steht, ist nicht nur durch die Verknappung der Güter zu erklären. Wenn schon Apokalypse, dann wenigsten die Sicherheit, dass sich etwas Herausgenommen werden kann. Oder wie es Patrick Wagner in ON TOP (leider keinen Link gefunden, deshalb dies hier in berauschender Qualität) schrie: Das haben wir uns nicht verdient. Das nehmen wir uns raus. Da gehörn wir hin. Rausch – Wahnsinn – Maßlosigkeit. Unsere Verschwendung und die Wendung. Oder so.
Nebenher ist SOYLENT GREEN aber auch ein Film voll des Glaubens an die Macht der Bücher. Nicht nur ist Polizeiarbeit teilweise einfach nur Wälzarbeit an den verbliebenen Büchern – Robinsons Aufgabe in dem portraitierten Duo – als ob dort alles nötige zu finden sei. Aber auch der nur rudimentär verfolgte Plot wird magischer Weise durch einen Blick in Bücher gelöst. Wunderdinge scheinen diese Hüter der Kultur in einem Hort des Drecks zu sein.
Montag 06.02.
gut
Nach dem Prolog für die Serie – ein Kind wird ermordet und die Mutter lädt auf die vier Freundinnen, die den Mörder sahen, noch extra einen Mühlstein Schuld und möchte von ihnen Hinweise zum Mörder oder eine andere Sühne, weil eine Freundin mit dem kommenden Mörder weggehen gesehen haben nicht traumatisch genug ist – bekommen wir das Leben der ersten Freundin 15 Jahre nach dem Vorfall. Etwas, passenderweise, Blutleeres über männliche Lüste aus Frauen Dekoration zu machen.
Sonntag 05.02.
großartig +
Sehr gut erzogene, altkluge Tristkinder, Hobbykriminologen für die Mord ein Jux aus fernen Weiten ist und jugendliche Mädchen mit einem süßen existentiellen Überdruss, die unter kleinsten Aufregungen weltbewegende Nervenkitzel versteht – das us-amerikanische Vorortleben ist eine Idylle sondergleichen und ein Kinderkarussell karikativer Arglosigkeit. Fast wirkt es wie eine Capra-Parodie. Dagegen Joseph Cotton, dessen Figur Onkel Charlie zu Besuch kommt bzw eher Zuflucht bei seiner Familie sucht, der im Laufe des Filmes zu erkennen gibt, wie weit außerhalb dieser Harmonie er steht. Das Leben scheint er als Vorhölle zu empfinden, von der die bürgerlichen Bürger in dieser Glasglocke noch nie auch nur ahnten. Er ist ein Agent von Sadismus, Masochismus, Folter und Mord. Wenn Luftmassen solcher starken Temperaturunterschiede aufeinander treffen, dann entstehen Stürme. Onkel Charlies Stil hält aber alles, was in ihm brodelt, unter der Oberfläche, auch wenn es Zweifel erregend doch ab und zu heraustrieft. Der Sturm ist folglich einer, der durch die Köpfe von Charlie und seiner gelangweilt-euphorischen Nichte, ebenfalls namens Charlie, fegt … denn sie ahnt (kaum gibt es Wissen), wer da vorbeigekommen ist. Bitterkalte, kristalline, niederdrückend schöne Noirschatten sprechen vom Unsicherheitsorkan zwischen den beiden. Panisch zwischen den Sackgassen – Illusion aufrechterhalten und ignorant, aber glücklich weiterleben vs. das Gefühl zu tief in die Abgründe der Welt geschaut haben und von ihnen aufgefressen werden – jagt Nichte Charlie hin und her und mit ihr SHADOW OF A DOUBT, der vll von einer Welt ohne Onkel Charlie träumt, aber diese Illusion auch gerne genüsslich zwischen seinen Händen schmelzen lässt.
gut +
Das Finanzberatungsgespräch in der lokalen Filiale der Sparkasse als brutales Verbrechen. Tatsächlich fühlt es sich hier fiktionalisiert so unangenehm an, wie in real. Wahrscheinlich weil in LIFE WITHOUT PRINCIPLE evident dargestellt wird, was im Alltag nur zu ahnen ist. Wie die alte Frau nämlich um ihre Ersparnisse behumst wird und weil die als Absicherung der Bürger gedachten Mittel (Aufnahme des Beratungsgespräches, Warnen vor allen Risiken) absurde Rituale nach sich ziehen, die wie von Lars von Trier erdacht scheinen. Das Leben ohne Prinzipien ist eines des allgemeinen Bereicherungswillens, ein Portrait von Hamstern in Laufrädern. Ein Börsencrash deutet sich an und zwangsläufig sind Existenzen bedroht … aber auch Chancen bieten sich. In den sich zunehmend auflösenden Grenzen zwischen den Episoden kommt eine entlassungsbedrohte Bankkauffrau in Besitz von 5 Mio. Hongkong Dollar eines Kredithais, die nach dessen Ermordung hoffentlich niemand mehr beansprucht, ein obsessiv-naiver Triadenhandlanger, der da ist, um kleinere Summen für seine Bosse zu erbetteln, versucht Geld aufzutreiben und hält sich, nach kurzer Analyse von Börsenkursen für ein Finanzgenie, weshalb er mit lebenswichtigen Geldern zockt, und die Frau eines Polizeibeamten leiht sich Geld für ihre Traumwohnung, droht aber vor dem Scherbenhaufen zu stehen, als ihr Mann auf der Jagd nach einem dementen Mörder sein Leben riskiert. Es sind kleine humanistische Skizzen von Moral, Chancen und Unglück, die aber erst mit zunehmender Laufzeit sich aus der kühlen Zeichnung einer ritualisierten Tretmühle herausblättern. Der humanistischer Strukturalismus von LIFE WITHOUT PRINCIPLE spielt dabei in einer heruntergekommenen Gangsterwelt, die nur durch Trägheit und als Parasit am Busen der Finanzmärkte lebensfähig bleibt und wie die Rumpelkammer früheren Glanzes erscheint, und in einer Welt der glatten Oberflächen, der Kredite, Renditen und Aktienkurse, einer leblosen, erstickende Hölle. Irgendwo dazwischen bzw darin, die Leute, die auf Gewinn setzen und/oder die Nerven verlieren.
großartig
Eine Autoverfolgungsjagd durch Texas. Ein Roadmovie mit Polizei im Rücken. Ständige Bewegung und das Fließen des Lebens sind dementsprechend die Tatsachen des SUGARLAND EXPRESS. Und doch gibt es diese angezogene Handbremse, dieses Gefühl, dass etwas zurückhalten wird. Der von Ben Johnson gespielte Sheriff, der die Verfolgung eines Pärchens anführt – dieses hat einen Polizisten als Geisel genommen und will den eigenen Sohn aus der Hand von dessen Pflegeeltern befreien – wird in einem zentralen Moment auf seiner Motorhaube sitzen, während die Meute der Polizisten an ihm vorbeirast. Hier ist es am deutlichsten zu spüren. Es ist ein Moment der Resignation. Vll ist es die Zivilisation, die in diesem Moment letztendlich von den Leuten abfällt. Denn die Ordnungskräfte, die sich in einer Blechlawine hinter ihrem Vorgesetzen stauen, gieren danach jemanden zahlen zu lassen. Sie jagen schließlich Verbrecher und wollen strafen. Ben Johnsons Sheriff setzt auf Deeskalation und Verständnis und bildet einen salomonischen Damm um Goldie Hawn und William Atherton, die selbst als Entführer vieles sind, aber keine schlechten Menschen. Doch hinter ihnen sammeln sich Leute, die andere gerne in ihre Schranken weisen (das Leuchten in den Augen, wenn sie Redneckvigilanten, die wild auf das Pärchen und den Polizisten schossen, festnehmen dürfen – endlich jemanden verhaften) sowie Waffen- und Autonarren, die einen solchen Grund nur allzu gerne wahrnehmen um ihre Spielzeuge einzusetzen. Fast den ganzen Film ist es ein Spaß, diese hinter den naiven Outlaws zu sehen, aber wenn sie an Johnson vorbeifahren, dann ist Schluss mit lustig, denn dann wollen und dürfen alle endlich Blut sehen. Und das fühlte sich irgendwo sehr aktuell an.
Sonnabend 04.02.
großartig –
Dann ist alles still, ich geh‘ / Regen durchdringt meine Jacke / Irgendjemand kocht Kaffee / In der Luftaufsichtsbaracke. Leider kennt Oshii wahrscheinlich diesen Monolith deutschsprachiger grau-in-grau Poesie nicht, wo kein Blatt zwischen Trübnis und Irrwitz passt. (Luftaufsichtsbaracke, welch Geniestreich) Ansonsten würde ÜBER DEN WOLKEN vll doch einmal in THE SKY CRAWLERS erklingen. Nicht weil in diesem Steampunkparalleluniversum die kriegführenden Rüstungsindustrien Rostock und Lautern heißen, sondern weil neben der Weite des US-amerikanischen Mittleren Westens oder neben der Atmosphäre von Fliegerfilmen über Weltkrieg I etwas sehr bodenständiges in der Sehnsucht nach Fliegen und Freiheit zu finden ist. Unbemerkt scheint dies alle niederzudrücken. Wie im Nebel liegt auch das Geschehen, welcher erst nach und nach durchdrungen wird, nur um am Ende, ob des ewiggleichen Treibens um gezüchtete, nicht erwachsenen werdende Kindsoldaten, lakonisch den Kopf zu schütteln und weiterzumachen. Es herrscht die Stimmung von hängenden Schultern, aber wie bei Reinhard Mey ist dies bei der ausgestellten beseelten Hoffnung leicht zu übersehen.
großartig
großartig
Meine Familie ist mein Buddy Rydell. ANGER MANGEMENT ist so ein sehr persönlicher Film für mich, dessen Ende dadurch gerettet wird, dass dort alle allen Ernstes Ringelreihen tanzen.
Freitag 03.02.
gut +
Tricky spielt mit, Frauen tragen hier oft sehr schmucke Glatzen und die Musik, vor allem habe ich durch DAS FÜNFTE ELEMENT Cheb Khaled kennengelernt, … die Nebenschauplätze sind sehr wunderbar.
gut –
Ein leichter, dünner Stock steckt diesem oft recht schönen culture clash im Arsch. Irgendwo zwischen enzianischer Verkrampfung und poliziotteschischer Lockerheit beim Aufdrehen der Konflikte wirkt LA MALA ORDINA ein bisschen wie Augsburger Puppenkiste ohne die schluppsche Eleganz des Unbeholfenen.
Donnerstag 02.02.
ok –
Ein bisschen Spaß mit Gewalt, seltsamen Monstern und einem wenig dezenten, ausführlichen wie ehrerbietenden Diss gegen Laura Croft. Dazu eine überbordende Beschwörung von Coolness, wie bei französischen Actionkomödien.
Mittwoch 01.02.
fantastisch –
Mit Superhelden hat SPLIT erstmal nichts zu tun. Offensichtlich handelt es sich um einen Psychothriller. Drei Mädchen werden von einem Mann mit dissoziativer Identitätsstörung entführt … wobei nur zwei der 23 Identitäten des Mannes die Jugendlichen gefangen halten. Neben Suspense um Ausbruchversuche, Anfreundung mit fragileren Identitäten des Entführers, sich scheinbar anbahnende sexuelle Übergriffe und rituelle Morde sowie mögliche Hilfe durch die Therapeutin des Entführers, sprich neben der Darstellung von nackten Existenzkämpfen und -ängsten durchmisst SPLIT den Raum eines möglichen Umgangs mit Opfern traumatischer Erlebnisse in der Kindheit. Einfach auf böse Menschen draufhauen ist das Ding von SPLIT nicht. Denn das Perfideste ist vll, dass eben nicht nur die drei Entführten sich in der Hand zweier schwer einzuschätzender Persönlichkeiten befinden, sondern dass auch die anderen Identitäten im Körper weggesperrt sind, dass der Kampf also nicht der nur mit einem Täter ausgetragen wird, sondern auch mit einem Opfer. Von fast grenzenlosem Verständnis bis zur Tötung stehen alle Möglichkeiten mit einem am Schmerz Zerbrochenem umzugehen beredsam im Raum, auch wenn sie zu keinem Zeitpunkt ausdiskutiert oder monologisiert werden. Es sind nur wir und ein Geschehen. Ein Geschehen dessen breitgefächerte Empathie die Dunkelheit nur noch unwägbarer macht und die einen in seinen Grundfesten gespaltenen Film entstehen lässt. Einen Thriller und eine Abhandlung über das Leben mit Traumata, einen Horrorfilm über psychopathisch werdende Opfer und eine Utopie bzgl eines über sich Hinauswachsens, einen Film über die rettende Wirkung von Fiktion und das Grauen von Realitätsverlusts … ein Film über die Erlösung durch Superman, der aber auch nur ein bestialischer Übermensch ist. Überall sind Pros und Kontras, Realitäten und Fiktionsebenen … Immer weiter reichende Perspektiven, besonders wenn eines der Mädchen behutsam als Leidensgenosse und Spiegel des Täters aufgebaut wird, zerstückeln den zu Beginn ruhig beunruhigenden SPLIT immer mehr, bis er sich fiebrig, mitfühlend und gedankenvoll dem Irrsinn anheim gibt.
Januar
Dienstag 31.01.
ok +
Sommererinnerungen von früher Mal. Das Mosaik eines Lebens in unruhigen Zeiten und zwischen unruhigen Gestalten. Mit edler Ruhe abermals in Zentrum des Sturms: Ip Man (Anthony Wong mal als Kung Fu Ass). Irgendwo als Nebenschauplatz hat der gerechte Kämpfer mit der Zen-Gelassenheit aber eben ein ihn auffressendes Magengeschwür oder ähnliches. Vll die spannendste Implikation der Reihe (bisher).
Montag 30.01.
fantastisch
Es gibt keine Zwillinge, keine Vampire, kaum bis keine Wesen in Rollkragenpullovern aus anderen Dimensionen und trotzdem reichert Rollin LA ROSE DE FER mit etwas Lyrischem an, welches ihm speziell eigen ist. Vll in diesem Abendspaziergang eines Paares über einen Friedhof, wie nirgendwo sonst. Etwas Existentielles schwingt in der kargen Konstellation der Geschichte mit … wie bei DER ALTE MANN UND DAS MEER. Irgendwie hört sich eine Zusammenfassung der Handlung alles andere als verlockend an und die symbolische Überhöhung scheint einen anzuspringen. Denn der Kampf der Geschlechter schwingt mit, wenn der junge Mann die Frau zum Picknick auf einem Friedhof überredet, wenn er sich an ihrem Unbehagen weidet, während er ohne Respekt durch die Wege und Gräber springt, dabei beständig Grabsteine umwirft und gerne in Gruften erotisch wird, beständig von Leben redet und doch Zerstörung zu meinen scheint und dann schließlich seine zunehmende Nervosität, sobald sie den Ausgang in der Nacht nicht mehr finden, mit Gewalt an seiner Gefährtin ausagiert und mit Hysterie Herr zu werden versucht … oder eben darin wie die Frau erst unsicher den Wünschen des Mannes folgt und dann ihren Frieden mit allem macht, einen Frieden fern des Lebens, einen Frieden voll Zuversicht in sich, den Tod und die Toten, der sie mit dem Leben und dessen Unwegsamkeit aussöhnt. Doch neben diesen schematischen wie vieldeutigen Entwürfen von Mann und Frau laufen in LA ROSE DE FER einfach zwei Leute über einen märchenhaften Friedhof, der sie gefangen zu halten scheint. Selbst in den kargsten Einstellungen ist er beredet. Selbst wenn nur Knochen zu sehen sind, wallt er von einem ruhigen Strom der Gefühle. Das stille Wehen der Assoziationen.
Sonntag 29.01.
großartig –
Das Branden des Wassers am Ufer, das Branden des Unwohlseins an der Moderne. Die Perspektive eines imaginierten Blicks aus der Unschuld der Vergangenheit auf die Gegenwart ist hier das Jucken eines wiederkehrenden Traums. Sprich Gangster werden von einer Unschuld vom Lande (aus der Vergangenheit) beobachtet und sehen dabei irgendwie doof aus … und fühlen sich wohl auch so. Dazwischen Branden und Gitarren.
großartig +
Sonnabend 28.01.
verstrahlt +
Unmengen Personen und kleinste Handlungen, die schwerlich einen Plot ergeben. Actionfilmversatzstücke, die auf einen Endkampf hinstolpern. Selbst die Kampfszenen sehen wie zusammengeflickt aus. Kein Fluss, sondern ein Arcimboldo aus seltsam verwobenen Ninjas, Racheplots, Drogenringen und Liebe. Diesen Film hat Bergman sicherlich nicht gesehen, sonst wüsste er, dass nicht Tarkowskij ein Sprache für das Wesen des Films (das Leben als Traum) gefunden hat, sondern Godfrey Ho.
großartig –
Vor ein paar Jahren ging ich einmal die Straße entlang und fragte mich, was anders wäre, wenn jetzt eine faschistische Diktatur nach der Macht gegriffen hätte. Sicherlich nicht viel. Die Straßenszene würde sich wohl nicht grundlegend ändern, auch wenn das Wissen um diese sicherlich anders wäre … dachte ich gewichtig vor mich hin. Ein Offizier fragt sich während eines Staatstreiches hier ähnliches. Denn der vonstattengehende Coup des Militärs ist nur als Hauch zu spüren, obwohl er doch im Zentrum des Geschehens steht. In der Mitte und doch nicht dabei, könnte hier das Motto lauten. KAIGENREI verfolgt Kitamura Kazuki, den Anführer eines Putsches, der sich an der Wirklichkeit nicht die Hände schmutzig machen möchte. Sprich er sitzt eher vor einem Schrein und bettet für das Gelingen seines per Buch veröffentlichten Sinnens, als dass er etwas tun würde, was ihm später nachteilig ausgelegt werden könnte. Vorlage sind Kita Ikki und sein Februarputsch von 1936, der trotz Misslingens Japan weit nach rechts außen schleudern sollte. Der coup d’etat ist unter Yoshida Yoshishiges Regie aber schlicht ein Fetisch und erlangtes Kriegsrecht die Verstaatlichung des eigenen Masochismuses auf alle Bürger. Neurotische Einstellung von Bildgewalt verweilen im Nichts. Wiederholt nimmt Kitamura ein Rasiermesser und zieht es über seinen Unterarm, bis Bluttropfen sich zögerlich von seinem Arm lösen … woraufhin das Messer in einen Eimer mit klarem Wasser fällt. KAIGENREI hat keine Pointen, eben beschriebene Verknüpfung von Autoaggression und Ejaculation ist auch keine … und doch wirkt es alles wie ein Witz. Hinter der Teutonik der Bilder wie hinter diesen martialischen Gesten wartet nur ein grinsender Kasper, der den Ernst der Sache kaum sichtbar verlacht. Aus karikativen Zwecken wird dem Verweilen Kitamuras im Äther das Schicksal eines Wendehalses entgegengestellt. Dieser möchte etwas für die Revolution tun, zweifelt aber immer wieder, kneift immer wieder, verrät seinen Führer später und lässt dessen Rockzipfel doch nie los. Zwei die sich gefunden haben, führt uns Yoshida vor. Zwei die das Schweigen des Tennō/Gottes mit ulkigen Phantasien über Herrschaft füllen. Die äußere Rechte als Teddy … was in seinem Ulk vll auch vorführt, warum Hitler und Trump Erfolg hatten/haben, gerade weil niemand sie wirklich ernstnahm/-nimmt, bis es zu spät war/ist.
gut
Die Blicke die Gänge hinunter gleichen in RESIDENT EVIL den Blicken in Kaas Augen. Von außen sieht es vll etwas blöd aus, so offenen Auges in die Fallen zu gehen, aber die Figuren folgen schlicht der Neugierde und den Versprechen der Ferne.
Freitag 27.01.
gut
Die Klammer von CITIZEN KANE recycelt Scorsese kurzerhand für seinen Film über das Leben eines der beiden Vorbilder für Kane. Vll findet sich darin schon die Inspiration und die Dringlichkeit, mit der Scorsese seine Version von Howard Hughes unter die Menschen bringt. Es ist schönes Altherrenkino auf der Höhe seiner Zeit. Schön gemacht und erzählt mit, vor allem anderen, tollen Farben und Farbspielereien. Gediegen gleitet (wiedermal) ein Besessener in die Wildnis seines Kopfes ab. Das Konzept ist einfach: sobald Wunderkind Hughes (DiCaprio) auf Widerstand trifft, fallen das Ansammeln und Verstärken von Reinlichkeitsphobien zusammen mit einem Sammeln des Selbst und seiner Kräfte. Sprich immer weniger wird er seinen Alltag und sein körperliches Umfeld meistern können, aber seine Siege auf der großen Bühne werden umso triumphaler. Diese immer teurer erkauften Siege, diese Gewinnergeschichte eines Verlierers türmt sich auf, bis in der letzten der drei bombastischen Stunden schwer zu unterscheiden ist, was real ist und was nicht. AVIATOR erzählt dabei von einem Flieger, von jemand, der von Freiheit und Größe träumt, aber sich an die Erde und ihren Unrat gekettet fühlt, als ob es nur darum geht eloquent zu reden und als ob Herz und Seele ein wenig zu hohe Einsätze wären.
Donnerstag 26.01.
gut
Sammo Hung ist nur Schauspieler, aber nicht action director unter Herman Yau. Die Kämpfe sind damit gleich weniger irrwitzig … sie sind gewöhnlicher, wie du und ich. Ip Man muss sich eben erst noch finden. Aber auch die Geschichte mäandert mehr als bei Wilson Yip. Sie ist weniger gerade, kompakt und gerichtet. Mehr Nebenschauplätze, weniger einfache Botschaften. Romantik und Selbstmorde. Statt Zweck gibt es Suchen und Leben. Und die Europäer sind lernfähig, während die Japaner wieder die Rolle der diabolischen Schergen einnehmen. Einmal landen Ip Man, eine ihn liebende Frau und ihr Verehrer zufällig nebeneinander im Kino. Sie schauen NOSFERATU, der mitunter gar nicht nach Friedrich Wilhelm Murnau aussieht, und hier im Dunkeln des Kinosaals können sie verweilen und den Schrecken und Spaß einer sich öffnenden Welt genießen, die draußen vom wahren Alptraum einer irrsinnigen japanischen Unterwanderung angegangen wird.
Mittwoch 25.01.
gut –
Ein Buddha wird solange provoziert, bis sein Damm der Ruhe bricht und er in einem ohnmächtigen Rausch jemanden halb tot boxen muss, damit dieser einsieht, wie arrogant und fies er ist … denn anders als der opportunistische aber gutmütige Hong (Sammo Hung) lies dieser sich nicht von der freundlich lächelnden Persönlichkeit mit den umsichtigen Fäusten (Donnie Yen) inspirieren, sondern brauchte eine Tracht Prügel. So das pädagogische Leitmotiv, dass den Plot von IP MAN 2 antreibt. Spannend an sind dabei aber mehr die von Sammo Hung mit wahnsinnigen Drall inszenierten Kampfszenen, die gerade beim Hauptkampf, wenn Ip Man gegen den europäischen Boxer Twister kämpft, von etwas ganz anderem erzählen. Denn der Europäer ist eine übermächtige Maschine, auf die die vormals in allen Kämpfen wuchtigen Schläge des Chinesen einprasseln wie Mückenstiche auf einen Panzer. Seine Muskeln sind kein Fleisch mehr, sondern Stahl … und doch wird China diese Übermacht besiegen und in ihre Schranken weisen. Für eine bessere Welt. Eine, die auf die chinesische Weisheit hört .. oder sie wird mit gerechten Schlägen sich Gehör verschaffen.
Montag 23.01.
großartig –
Genüsslich wird der Blaxploitationdetektiv auf Normalgröße zurechtgestutzt. Der Kampf zwischen der Killerin (Mensch bzw Vamp gewordene Vagina dentata) und der bürgerlichen, kleinlauten, niedlichen Hausfrau, der in Geena Davies‘ Figur tobt (und der wohl mit der scheinbaren Utopie einer ganzheitlichen Frau endet), er macht aus Samuel L. Jacksons Machogroßmaul einen Handlanger, der sich keine große Initiative mehr zutraut … der nur mehr staunend darauf wartet, abermals zuschauen zu dürfen, wie eine Frau an seiner Stelle beständig den Tag rettet oder wenigstens Unmengen Bösewichte erledigt. Es ist eine etwas traurige Konstellation, da der Afroamerikaner entmannt wird … aber zum Trost: mit ihm eben auch alle Detektive der Schwarzen Serie, da er ua auch als Nachfolger Elliott Goulds Figur in THE LONG GOODBYE aufgebaut wird. Aber vor allem zwängt THE LONG KISS GOODNIGHT seine Männer in eine simple Dualität (die Kaukasier sind allesamt entweder fiese Wichser mit Knarren oder eben Ehemänner, die sich nicht mal als damsel in distress eignen und nur als fürsorgliche Ehemänner (als Surrogat für einen netten, wärmenden Kamin) einen Sinn haben), während Geena Davies einziges Subjekt bleibt, deren Identität unsicher, mehrdimensional und flexibel ist … teilweise inszeniert wie in einem Horrorfilm (der Alptraum tatsächlich immer jemand anderes gewesen zu sein, als wir immer glaubten, und der sich erst im Testosteron- oder Östrogenrausch auflöst). Im Endeffekt hat THE LONG KISS GOODNIGHT sein Herz am rechten Fleck und lässt die Minderheiten zusammenhalten, die gegen die weiße, männliche Welt bzw die weiße USA (der Reichen) zusammenhalten müssen. Ein Film wie eine erhobene Faust im deliranten wie naiven Traum den rassistischen, sexistischen Status Quo wenigstens auf der Leinwand im mglweise sexistischsten aller Genre einfach mal das Knie in die Weichteile treten zu können.
Sonntag 22.01.
großartig +
Los Angeles kurz nach dem Überfall auf Pearl Harbour, also nach einem der einschneidenden Ereignisse der USA im 20. Jahrhundert, nach einem nationalen Trauertag. Und Steven Spielberg baut daraus eine virtuose Dominostrecke, die sich nicht nur in einer fulminanten Zerstörungsorgie ergießt, sondern auch der menschlichen Lächerlichkeit ein Denkmal setzt. Unmengen an unpassend und egozentrisch handelnden Figuren in jeder denkbaren Form von Realitätsverlust stellt er in eine latente Kriegsparanoia/-euphorie und lässt uns bei dem sich entspinnenden (Slapstick-)Irrsinn ungläubig zuschauen – wofür er einige Leute in den Tornado baut, die außerhalb des Trubels bleiben und entweder kopfschüttelnd vor der allgemeinen Raserei stehen oder ruhig wie erfolglos zu mehr Contenance raten. Ein einzelner Stein des Anstoßes lässt sich am Ende nicht mehr ausmachen, zu genüsslich und gedankenverloren stürzen die Steine von allen Seiten ineinander und ergeben ein Füllhorn von überbordenden Ideen, wie die Leute sich noch mehr zum Hans Wurst machen können. Meine Lieblingsfigur ist Robert Stack, dessen General wie ein Ruhepol wirkt und der sich lieber ins Kino setzt, zum x-ten Mal DUMBO schaut, weint und die Dialoge mitspricht, als sich mit dem vorschnellen Handeln all der Verrückten und Paranoiden auseinanderzusetzen, die die Japaner an allen Ecken vermuten. Sicherlich ist er genauso lächerlich wie die anderen, da er all seine Verantwortung ignoriert, wenn er all das nur als lästigen Trubel sieht, der ihn vom DUMBO-Schauen abhält … aber damit kann ich mich voll und ganz identifizieren. Und deshalb leide ich auch immer mit dem japanischen Soldaten, der auf dem tatsächlich vor der Küste kreuzendem U-Boot hockt – das aber nicht ansatzweise so viel Zerstörung bringt, wie die Einheimischen – und sehnsuchtsvoll immer wieder Hollywooood haucht, ruft und weint … wenn er beispielsweise der nackten Frau auf dem Periskop gewahr wird, welche eine JAWS-Persiflage dorthin spülte, oder wenn ein Vergnügungspark leuchtend im Meer versinkt. Immer wieder Hollywoooood als Liebeserklärung an den irrealen Traum einer Traumfabrik, die es wirklich schafft das Gute, Schöne und Wahre im Menschen zu wecken, egal wie weit diese davon entfernt sind.
großartig
Ca. 20 Jahre sind seit der ersten Sichtung ins Land gezogen. Ekliger und viel debiler hatte ich ihn in Erinnerung. DUMB AND DUMBER ist aber latürnich große Filmkunst und selbstredend Hochkultur.
Sonnabend 21.01.
großartig
gut +
Beim zweiten Mal kurz hintereinander, weil Sabrina Z. ihn gerne mal schauen wollte, ist der Grusel von INSIDIOUS gleich weniger effektiv. Schaute ich mich in der Nacht des Donnerstags noch mehrmals um und konnte der Leere der dunklen Wohnung nicht wirklich trauen, war jetzt, wo ich wusste, was wo auftauchen wird, alles ein gediegenes Vergnügen bezüglich der Anwendung von jump-scares. Dafür macht der zunehmend einsetzende Karneval der Gespenster noch mehr Spaß.
Freitag 20.01.
großartig
Die Message ist einfach: Bewahrt einen kühlen Kopf, egal wie laut die Hufe donnern. Zum Vermitteln dessen reitet Raubein Randolph Scott durch ein Postsezessionskriegstexas, das vom Militär verwaltet wird, in dem Banden weiterhin gegen die Invasoren kämpfen und Businessmänner aus dem Norden das Land und die Leute halblegal ausrauben. Als Texaner und Unionsoffizier sitzt Scott zwischen dem eskalierenden Widerspruch, dass eine solch unwürdige Behandlung ein Schlag ins Gesicht jedes Texaners sei und dass eine solche Behandlung aber durch Rebellion und Aufmüpfigkeit mehr als verdient ist. Sklaverei wird mit keinem Ton erwähnt. Demonstrativ dürfen Afroamerikaner an einer Stelle ein paar Nordstaatler auslachen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Randolph Scott ist nun in diesen Wirren und weiß selbst nicht, wo er steht. Impulsiv ist er, möchte er doch beispielsweise den schnöseligen Nordstaatlerkollegen Lex Barker den ganzen Film über verdreschen … aber meist hat er sich unter Kontrolle. Denn ausladend wird präsentiert, dass nicht Radikalität, Terrorismus, Revolte, Draufschlagen uswusf den Frieden und den Sieg bringen, sondern das Einstehen für den gesunden Menschenverstand. THUNDER ON THE PLAINS ist ein Film gegen Lynchmobs und Extremismus, da das nur den Falschen, in diesem Fall den (kapitalistischen) Ausbeutern in die Hand spielt. Im Moment wo Randolph Scott alles, was um ihn herum geschieht, verstehen wird, muss er vor Bösewichten durch ein Fenster springen. Aus einem dunklen Raum bricht sein Körper durch Glas ins Tageslicht. Nicht wie bei Plato schabt das Wissen an seinen Augen und an seinen Kopf, sondern der Glaube an die Aufklärung leuchtet hier expressiv, wenn plötzlich das Licht über ihn hereinbricht. Dunkle Stellen gibt es THUNDER ON THE PLAINS genügend, aber auch die Hoffnung auf die vergehenden Schatten.
verstrahlt –
Noir-Versatzstücke, die einem zarten Trübling in Bogartmodus die Realität rauben. Ein Labyrinth am Boden eines fast leer getrunkenen Cocktailglases. Die am Rand hängenden Früchte dabei nicht mehr ganz frisch.
Donnerstag 19.01.
gut +
Ein schleichendes Ausfransen der Realität … in Form von verschwindenden Dingen, flüsternden bis schreienden Stimmen im Babyfon sowie in Form von seltsamen bis bedrohlichen Leuten, die aus dem Nichts auftauchen. Der Horror, wenig originell, aber effektiv, scheint zuerst die Materialisierung der Überforderung einer Frau und Mutter zu sein. Als Hausfrau will sie die Zeit nutzen um sich musikalisch selbst zu verwirklichen. Doch allein gelassen von ihrem Mann, der all ihren Stress mit seinen stetigen dahin gemauzten babe’s wegwischen möchte, drängen sich die drei Kinder (und andere Phänomene) zwischen sie und ihre Kompositionen. Die Familie ist in INSIDIOUS lange Zeit ein Invasor der Selbstachtung, ein langsames Mürbemachen. Aber irgendwann kommt der Karneval. Erst durch Geisterjäger (Qualität=Gebrauchtwarenladen), durch die sich offenbaren wird, dass es die Verpflichtungsängste des Manns und Vaters sind, die die immer wilderen Dämonen des Familienlebens freisetzen. Entsprechend findet INSIDOUS dann voll zu sich, wenn das Schleichen des Beginns in einem wilden Jahrmarkt eines jammernden Unterbewusstseins endet.
Januar
Mittwoch 18.01.
gut –
Am Ende ist es eine Vorbereitung auf den Abschied. Jackie Chan spricht im Abspann zu seinem Publikum und verspricht, dass er weiter macht, solange es noch geht. Und so fühlt sich CHINESE ZODIAC auch oft an. Wie ein Pflichterfüllung für die wartenden Fans. Stunts und Kämpfe möchte er ihnen bieten, beweisen, dass er noch liefern kann, was seine Karriere, von gewissen Punkten aus betrachtet, auszumachen scheint. Zwischendrin eine hyperaktive Schatzsuche mit Herz und Captain Jack Sparrow, die irgendwann in eine krampfhaft motivierte Lieferung von atemberaubenden Sequenzen nach der anderen ausläuft … und langsam dahin führt, dass sich wirklich alle irgendwann lieb haben und CHINESE ZODIAC im seligen Glück endet.
Dienstag 17.01.
nichtssagend +
Sonntag 15.01.
großartig –
Am Ende fehlte nur, dass der KGB-Chef Bond küsst. Denn am Ende war alles egal. It’s all in the game und am besten ist, wenn sich eh nichts ändert. Zwei Stunden Spionage und Gegenspionage, Schießereien der schmierigen (und bei Moore auch immer etwas verunsicherten) Lichtgestalt des Westens mit deutschen Übermenschrobotersportlern und anderen Schergen sowie Liebeleien mit Gören und Rasseweibern fürs Vaterland und am Ende lachen sich alle im Wissen an, dass nun wirklich nur ein Unentschieden diese unsere Welt rettet. John Glen drängt sein Bonddebüt dabei Richtung rauem Actionfilm, aber ohne Timothy Dalton und mit einem Roger Moore bleibt dieser mit Spässken durchsetzt.
großartig –
Ein Liebesdreieck mit einer zusätzlichen Metaecke. Sprich eine Dreiecksgeschichte, die die Gerade eines weiteren Dreiecks ist. Es ist die Zeit nachdem die USA Vietnam verlassen haben, die Zeit von Hasard- und Profiteuren … oder eben die Zeit für bescheidene Einwanderer das Land schnellst möglich zu verlassen. Mitten in den Wirren aus Korruption, Machtmissbrauch, Schiebereien und blutigen wie explodierenden Unruhen: die Liebe … die sich ihrem Umfeld anpasst. Ein Liebesfilm für Jungs, da die Tränen oft die Form von hagelnden Kugeln annehmen, weshalb ein sicherer Ort entsteht, an dem den wirklichen freien Lauf gelassen werden kann. Bis auf Mark (Chow Yun-Fat) und dem Theme an einer Stelle des Aufbruchs hat Tsui Harks ramontische Eruption zwischen zwei Freunden und Glücksrittern und einer Dame im Schatten militärischer Korruption sowie einem mittendrin auftauchenden ehemaligen Liebhaber und Gangsterbaron kaum etwas mit den ersten beiden Teilen gemeinsam. Nur diese Liebe, diese zerreißende Liebe.
ok –
Sonnabend 14.01.
gut –
Malcolm McDowell spielt einen aufgeräumten, klar seine Auftritte planenden Diktator der, inzwischen, United Coorperations of America im Jahr 2050. Wirtschaftsmacht, Autoritarismus, Präsidentsein, einiges verbindet seine Figur mit dem realen neugewählten Präsidenten, aber ohne die wilde Locke auf McDowells Haupt würde dies verpuffen. Die bitterste Dystopie im Remake von FRANKENSTEINS TODESRENNEN ist so vll, dass Donald Trumps Frisur bei Präsidenten der USA das Äquivalent zum Lorbeer- und Goldkranz der römischen Kaiser werden könnte. Der Federkranz, der sich bunt über den Rücken des filmischen Präsidenten erstreckt, gewahrt an die Kennzeichnung der Dekadenz der Reichen, wie sie DIE TRIBUTE VON PANEM kultivierte. Nur hier ist die gesamte Zukunft schrill und überdreht, selbst in den Ruinen der Städte und in den verlassenen Einöden des bible belt, nur mit etwas mehr Staub und Dreck. DEATH RACE 2050 handelt von einem Rennen von Old New York nach New Los Angeles, bei dem gewinnt, wer die meisten Menschen überfährt. Mit seiner Brot-und-Spiele-Logik ist es also wie sein Vorgänger eine Satire auf unsere Gesellschaft. Nur die Lautstärke und die Kritikpunkte haben sich geändert. Impotenter, äußerlicher Perfektionswahn, träges Hinwegtrüben in virtuellen Realitäten, prollige Ghettoisierung im Auftreten, blindes Folgen von Führern und religiöser (christlichen) Fundamentalismus … mit dem Hammer jagt das Rennen durch die Karikaturen der (populistischen) Ängste der Jetzt-Zeit. Fehlende Charakterfestigkeit und Strebsamkeit werden von Frankenstein, dem Star dieses Megaevents, und seiner Begleiterin beklagt. Sie sind die Leerstellen, die der Zuschauer als Projektionsflächen bekommt, weil diese nicht auf Charakteristika der Kritik festgenagelt werden und so für den Leidenden an dieser Gesellschaft, vor allen den besorgten Bürgern von links und rechts einstehen. Und Charakterfestigkeit und Strebsamkeit, davon hat DEATH RACE 2050 genau so wenig wie von Feingeist … dafür besitzt es Dreistigkeit. Nicht nur die, jede Kritik, die dem Boulevard zu entreißen ist, in offensichtliche wie derbe Witze zu gießen, sondern auch sich dessen bewusst zu sein und so am Ende, wenn es aussieht als ob tatsächlich eine frohe Kunde wie bei IDIOCRACY vollmündig präsentiert würde, alles in eine bittere Zombieapokalypse untergehen zu lassen. Nur das die Zombies die sind, für die sie bisher immer einstehen mussten, nämlich die menschlichen Massen, wir.
Freitag 13.01.
großartig
Die ewige Frage wozu. Der Vater, der seine 25-jährige Tochter mit dem Geist einer 3-jährigen verloren hat, fragt es immerzu. Ebenso der Inspektor, der die Ermittlungen antreibt, um irgendwie mit der Welt ins Reine zu kommen. Sie fragen Täter imaginär wie gegen Ende real, sie fragen Kleinkriminelle, Zuhälter und Prostituierte. Die Straßen und Rotlichtmilieus werden von der Erzählung nüchtern durchkämmt. Spur auf Spur folgend, aber dabei immer mehr die Enge im Herzen verdichtend. Die Fragenden bekommen jedes Mal ganz gute Antworten, aber sie bekommen nie die Antwort darauf, ob diese Welt wirklich so sein muss, so gemein und dreckig. Zumindest wenn sie Antworten bekommen, wenn zB eine Prostituierte giftig und ohne Reue die Meinung über ihre Berufswahl ausspuckt, dann sind sie zumeist von der Nachvollziehbarkeit dieser so überrumpelt, dass sie gar nicht erkennen, dass sie eine Kinderfrage stellen. Wozu auch wozu? Eine sinnlose, die sie kein Stück weiterbringen wird. Und so irrlichtern sie durch eine Welt, in der Menschen eine hilflose Frau entführen, die gutgläubig mit jedem Mann mitgeht, um mit dieser etwas Geld zu verdienen. Eine Welt, in der Apathie und Hilflosigkeit herrschen. DEATH OCCURRED LAST NIGHT splittet sich nach einer guten Stunde der Suche … nach dem Mädchen und einem Schlüssel … wobei der Inspektor entmutigt und erledigt weiter seine Arbeit tut und der Vater in der Rache seine Tränen ertränken möchte. Am Ende wird aber weiterhin nur ernüchtert das Fragezeichen stehen.
Donnerstag 12.01.
gut +
Alles geht in Feuer auf. Ständig. Kaum das jemand durch etwas anderes leidet oder stirbt. So ist es Quell allen Grams und der Reinigung. Religiöse Verdammung wie existentielle Zerstörung. Ein Western.
Mittwoch 11.01.
fantastisch
Kämpfe aus STREET FIGHTER 2 in real life. Frauen, die durch ihre enorme Oberweite (in Realität gar nicht so enorm) ab und zu das Gleichgewicht verlieren und nach vorne fallen. Anzügliche Witze in Hülle, abstruse Witze in Fülle. Ein Orkan gutgelaunten Irrsinns. STIRB LANGSAM auf einer Kreuzfahrt wie auf Helium … wobei die Story irgendwo mitläuft, während CITY HUNTER wie eine sanfte Dampframme überdrehte Idee an überdrehte Idee lospreschen lässt.
Dienstag 10.01.
großartig
Wie in RUN ALL NIGHT ist es Liam Neeson, der als gebrochener Mann den Tag rettet. (Bei UNKNOWN war er es, also gebrochen, bestimmt auch, ich weiß es nur nicht mehr.) Der, der sich verloren hat, setzt sich gegen alles und jeden zur Wehr und wird bestehen, wird wieder ganz. Ein protofaschistisches Märchen voller Paranoiasuspense – unbekannte Terroristen nehmen mittels Handynachrichten an Flugmarshall Neeson ein Flugzeug in Besitz und dieser muss herausbekommen, welcher der Passagiere dahinter steckt, Katz-und-Spiel-usw – dass wie ein Uhrwerk betrieben wird. Wenn dann die Pistolen im Sturzflug schwerelos durch den Raum fliegen, bereit ergriffen zu werden, dann ist kaum noch zu übersehen, wie sinnlich Collet-Serra dieses ausstaffiert. Und wenn in den ganzen Bester-Darsteller-Oscar-Einspieler-Momenten die Figuren ganz tief in ihre menschliche Scheiße greifen und ihre Verletzlichkeit anderen an den Kopf schmeißen, dann hat NON-STOP noch einen leicht betrunken-melancholischen Touch. Klassisch wie Shakespeare und Stallone.
Montag 09.01.
großartig
Sonntag 08.01.
großartig
Im Kino gesessen und gefroren … während die Figuren, wenn sie sich auf den Straßen aufhielten, sich in ihre Jacken mummelten und, wie ich, sich nach Wärme sehnten. Leider war kein Schnaps im Saal greifbar.
großartig
Die Geschichte eines verklemmten jungen Mannes, der seine Erziehung durch einen Priester angstschlotternd und unhinterfragt aufgesogen hat und der durch die Mühlen weiblicher Lust gezogen zu einem nur noch sozial verängstigten Hengst wird. Tendenziell wird er gar ein zärtlicher Vergewaltiger, da die Frauen ob seinem enormen Glied – ein Polizeiinspektor erhält bei einer Vermisstenmeldung von dem besonderen Merkmal des jungen Mannes Bericht und einen betroffen geschüttelten Kopf einer Dame zu sehen, die sein Lineal als Referenz entschieden als untauglich erklärt – in VERFLIXT NOCHMAL nur noch von einem denken können und in regelrecht verschleppen … bis er irgendwann gar nicht mehr wirklich fragt, weil sie ja alle eh wollen. Es ist das Thema des Kongresses, nur mit vertauschten Geschlechtern und dadurch nur mit leichten düsteren Untertönen, aber dafür als bunter Cartoon mit effektvollen Sounds, wenn der zu versteckende, aber erigierenden Penis gegen das Metall einer Ritterrüstung gongt, wenn Erbeben bei seinen Eskapaden die monumentalen Orgasmen unterstreichen und das Umland staunen lassen. Wo Frauen durch sein Ausmaßen ins Krankenhaus müssen, nachhaltig traumatisiert werden oder eben am Stock gehend von den vergangenen Entzückungen träumen. Der immer gleiche Witz, der von den Lüsten der Frauen sehr verkommen, aber lustvoll träumt, wird dabei immer noch aberwitziger überzeichnet oder unterlaufen wird. Ein wichtiges Dokument des 20. Jahrhunderts.
gut +
Geschlechterkampf in der Ehe. Die Frauen versuchen ihre Männer, von Natur aus Schlingel, im betreffenden Fall notorische Spanner, an die Kandare zu bekommen. Während die Männer eben lieber so sein möchte, wie sie eben von Natur aus sind. Doch einig sind sie darin, dass die Schuld in diesem Kampf der Klischees bei anderen zu suchen ist. Stein des Anstoßes, der ultimative Anschlag auf den Anstand: baden. Denn die Faszination des Ungewohnten, ein frischer Duft am Leib, ist nur möglich, wenn sich tatsächlich ausgezogen wird … was bei der Konstellation Spannermänner, die wie Fliegen jedes Stück nackte Haut umschwirren, und eifersüchtige Damen, die vll traurig sind, weil sie von ihren Männern nicht mehr bespannt werden, zu einigem Trubel führen wird. Trubel, der in der unhinterfragten Zeichnung seiner Klischees bis ins Gruselige reicht. Wenn beispielsweise der Wirt und Bürgermeister von seiner Frau des Bettes verwiesen die Nacht mit der Magd verbringen möchte. Wenn ein Argument für den gemeinsamen Sex, wie von ihm vorgebracht, Ich bin doch wie ein Vater für dich. ist, dann erstarrt in mir alles vor Schreck. Doch all diese Klischees und altbekannten Konflikte, auf denen sich ausgeruht wird, sind nur die halbe Wahrheit. Denn die Reinlichkeit wird von einem gewissen Sartorius, einem reichen Kaufherrn aus Wien ins Dorf getragen. Baden, es ist so ein Ding derer da oben. Die Spannungen sind so auch solche der Klassen und damit eine Frage der Anpassung oder der Ablehnung des Privilegierten … und wiederum damit eine Frage des Selbsthasses (der Drang mehr anerkannte Positionen der Gesellschaft einzunehmen, also reinlicher und gebildeter zu sein) und einem Bewahren der eigenen Identität (Bauer sein, mit allen Konnotationen von fehlender Zivilisation). DAS BAD AUF DER TONNE gibt sich mehrdimensional dem Muff hin und wehrt sich gegen das Affektierte da oben … auch wenn es mitunter verführerisch die Nase umweht. Muff, in den Kleidern, die zu jeder Minute einen Geruch von der Leinwand zu senden scheinen, in seiner Volkstheatrigkeit und eben beim Beharren auf Klischees … ein unüberwindlich scheinender Riss in der Gesellschaft offenbarend, der sich hinter diesem versteckt.
fantastisch –
Träger Weise verweise ich auf das Sehtagebuch von 2015, Teil 1. Einfach oben auf den Link gedrückt und mit Steuerung-F nach EVA NERA gesucht. Besser bekomme ich das heutzutage auch nicht hin.
großartig +
Gaudi mit Gaudi.
Hugo Ball in episch und sakral.
Anamorpher Kubismus der Seele.
Quatsch, Lederjungen und kein Wal.
gut –
Die Diktatur der Fürsorglichkeit kommt mit Geschichten über das richtige Erwachsensein in ihrem bürgerlichen Hafen an. Beispielsweise in Folge 6, wo Katja, die nach ihrem ersten Mal denkt, dass sie schwanger ist, und erkennen muss, dass Zebu und auch sie noch nicht reif genug für ein Kind sind, während Mucke (Sebastian Koch) eben als Erwachsener alles hinbekommt und seine Frau, trotz Tour, nicht alleine lässt. Mit den Experimenten und Verirrungen ist jedenfalls vorbei, die Ehe ist worauf es hinausläuft. Und selbst der Spanner-Opi von unterm Dach findet eine neue Partnerin, zu der er auch sofort zieht. Mit Folge 7 ist DER LIEBE AUF DER SPUR hinter alle Rätsel gekommen und einem schönen Leben steht nichts mehr im Weg … wenn da nicht Aids wäre. Denn weiterhin soll nichts der körperlichen Liebe spezifisches verheimlicht werden. In einem Nachklapp wird sich also auch den dringlichen, neuen Dingen angenommen. Und wenn die nebligen Straßen des nachts nicht gerade wie bei DER EXORZIST aussehen, dann ist auch eine Herausforderung wie HIV für die Gesellschaft und den Einzelnen, der nicht infiziert ist, schaffbar. Personen mit Aids werden aber nur als gleißende Erinnerungen präsentiert. Um die scheint es zu spät.
Sonnabend 07.01.
verstrahlt
In der enzianischen Version ein lyrischer Film, der vor allem seinen Schulausflug ins Unwirkliche wie Malerische umfallen lässt. Schlüpfer hängen da in den Bäumen, während die Damen, breitbeinig wie Westernhelden dastehend, ihre Röcke zum Duell hochziehen, wenn die Herren um die Ecke kommen. Wo leichter Bodennebel und Gitarrenmelodeien dem plumpen Verlangen (Schau mal die Beine, die sind so heiß, da möchte man fast sein Leberkäsebrötchen wegwerfen.) etwas Verspieltes geben. Wo Männer sich zum mexican standoff vor den schon darniederliegenden Frauen einfinden. In der gezeigten Hardcoreversion war VERBOTENE SPIELE AUF DER SCHULBANK aber von dem harten, wenig sinnlichen Sex bestimmt, der ebenso dem Leitthema des Kongresses folgte: vor einer heißen Person (meist wie hier eine Frau) klappen alle moralischen Schranken und mentalen Fähigkeiten zusammen. Beim 16. außerordentlichen Kongress des Hofbauer Kommandos ging es um die knallharte Hilflosigkeit der Protagonisten vor dem eigenen Verlangen. Und kein Film fing dies mehr ein als das enzianische Werk mit den harten Tatsachen.
großartig +
Alle Druckmittel mit denen der Schwiegersohn/Zuhälter seine angeheiratete Familie erpresste, lagen in der Scham begründet, dass jemand erfahren könnte, dass eine Frau mit mehr als einem Mann in ihrem Leben Sex hatte. Es war kaum zu glauben, dass sowas wirklich ein Mittel war, aber am Ende sagt eine hintergangene Ehefrau über ihren just gestorbenen Mann und die mit ihm gestorbene Hauptfigur: Wir müssen nicht um sie trauern, sie waren schon tot, bevor sie gestorben sind. Die Kälte der Menschen in diesem Film wurde mit diesen Worten auf die Spitze getrieben. Die Soup Opera SYRTAKI mit ihren Haken schlagenden und sich windenden Formen ehelichen wie familiären Unglücks gipfelte so in einer Schlusspointe, die den ganzen nach Leben suchenden Verkrümmungen noch die finale Dornenkrone aufsetzt.
gut
Wenn in DIARY OF A DEPRESSED MAIDEN, so der englische Titel, der Stiefvater wiedermal kurz davorsteht seine Tochter, die einen ähnlichen Leidensweg wie DAS INSEKTENWEIB beschreitet, zu misshandeln, dann stand stets im Bildvordergrund phallisch eine ausgetrunkene Flasche vormals alkoholischen Inhalts mit enormen Ausmaß. Wenn sie da war, war es an den Fingern abzuzählen, was passieren würde. Optisch war LUSTVOLL EINE SCHLANGE STREICHELN in seinen Verengungen, sprechenden Bildinhalten, Zeitlupen und Bebilderungen von Unwohlsein sehr schön. Nur, wo waren die Menschen?
(großartig +)
Die Figuren starrten unentwegt in die Kamera. Das Geschehen wurde dadurch mit noch mehr Intensität von der Leinwand in meinen Kopf getrieben. Einen Kopf, der sich ansonsten den Impressionen von Dingen und Füßen hingab, die immer wieder kurz in die Kämpfe und Intrigen geschnitten wurden. Kurz, aber wirksam, dass der Nachdruck der Menschen etwas entspannt wurde. Wie saftige Blumen in der Salzwüste. Aber auch einen Kopf, der sich im Abseitigen und im irgendwie zufällig Zusammengefügten wohl fühlte. Und einen Kopf, der die erste Hälfte des Films mit der eigenen Müdigkeit zu kämpfen hatte. Aber wie bei DIRTY LOVE weiter unten beschrieben, ist es eine Müdigkeit, die zum Kongress dazu gehört. Wie jeden Mittag, wenn die Teilnehmer langsam aufschlagen. Die ständigen Fragen, wie der Gegenüber geschlafen habe und die immer gleiche Antworte, dass es durchaus hätte besser sein können. (Abgesehen von ein paar Angebern, die behaupten sie hätten keine Probleme gehabt.) Doch da ist auch immer das freudige Lächeln in den verzehrten Gesichtern, wenn es um die kommenden Attraktionen geht. Die Augenringe und die blasse Haut, der Preis für das Glück, sie werden im Laufe der Abende zunehmen und irgendwann ihren Tribut fordern. Irgendwas wird immer verschlafen und bei mir war es diesmal vor allem leider der Doris Wishman Film, der mir aber in bester Erinnerung bleiben wird, weil er sich in meine Träume mischte, weil er irgendwo tief ins Unterbewusstsein wirkte und, obwohl ich mich nur vage an den Plot erinnern kann, weil er mich mit seinen Bildern wie in einer Hängematte menschlicher Verkommenheit empfing.
gut –
Ein und derselbe Witz in steter Abfolge eines überfordernden Fließbandes. Ein Witz der die Ehre eines Berufes beschmutzt. Ein Witz, eine Dekonstruktion, meint abermals Lukas F. Da der Cutter nach dem Regisseur genannt wurde und auch noch einen deutschen Namen trug, vermute ich eine (stark) veränderte Form. Vll ist es auch die Hoffnung, dass der zarte D’Amato schlussendlich nicht einen solchen Brecher gedreht hat.
Freitag 06.01.
fantastisch +
Ende Januar 2012, als ich erstmals Gast bei einem außerordentlichen Kongress des Hofbauer-Kommandos, dem 5., war, hatte schon die erste Nacht gereicht, um mein Verständnis von Film, Kino und sowas aus den Angeln zu heben. Ich hatte auf diesem Blog hier schon vorher von Filmen gelesen, von deren Existenz ich wohl ansonsten nie gehört hätte, aber vor allem hatte ich von Rezeptionsmöglichkeiten bzgl solcher Filme erfahren, die ich sehr wohl kannte. Eine Tür, nein ein Tor begann sich zu öffnen. Und dann saß ich mitten drin. Nachdem ich Zeuge wurde wie Christoph im Schweiße seines Angesichts einen Filmriss bei HEISSES PFLASTER KÖLN von ca. 1 Meter – quer durch – reparierte, kamen in der Nacht von Freitag auf Sonnabend in einer Tour: DIE NACKTEN AUGEN DER NACHT – TAIFUN DER ZÄRTLICHKEIT – DIE KÜKEN KOMMEN. Eine weltvergessene Elegie von einem Alptraum, ein Film in dem träumende Romantik und bittere Garstigkeit sich nicht ausschlossen und eine brutal alberne Komödie, die allem, was als Können und Anstand galt/gilt, den Finger zeigt. Jeder Film war anders, so dass das Staunen blieb. Und dazu mischte sich meine Müdigkeit, weil ich den Kongress fatalerweise in dem Moment nach meinem Studium kennenlernte, als ich meinen Tagesrhythmus tatsächlich in den Tag legen musste, die Filme aber erst im oder nach dem Morgengrauen endeten. Eine Müdigkeit, welche die Erfahrungen und Eindrücke mit etwas Ungreifbaren, etwas Traumgleichen versetzen… was letztendlich sehr zu den Filmen und deren Rezeption passte. Vor allem die Rausschmeißerfilme in diesen Tagen, die schon am nächsten Vormittag im Büro für Unglauben sorgten (DIE MÄDCHEN VON DER PEEPSHOW – DER SEX-AGENT – DAS GASTHAUS ZUM SCHARFEN BOCK), wie trüb sie möglichweise gewirkt hätten, wenn das Bewusstsein diesen noch etwas hätte entgegensetzen können. (Aber das ist ja das Schönste an den Kongressen, dass sich nicht gegen Filme gewehrt wird, sondern dass sich ihnen auf Gedeih und Verderb hingegeben wird … was manchmal auch nicht ganz so schön ausgehen kann, aber selten, eher selten.) Was mich dann aber wirklich an meinen Augen und meinem Verstand zweifeln ließ, was dann der eindrücklichste Film des Wochenendes war, dass merkte ich erst viel später, wohl Monate, wenn nicht Jahre nach dem Kongress. Es war TESTAMENT DER BEGIERDE von Joe D’Amato in der zweiten Nacht. Ein melodramatischer Thriller, der fast ohne Melodrama und Thrill auskam, der dahinschlenderte um öfters mal seltsam aussehende Brüste zu zeigen und irgendwie nichts machte, was aufregend war. Noch nie hatte ich solch prominent ausgestellte Füllszenen gesehen, fast schien sich alles nur um diese zu drehen. Christoph hat sie zum Glück und für eine nähere Untersuchung hier gesammelt. Im Büro hat mir irgendwann an diesem ersten Wochenende Marian (glaube ich) von einer Doku erzählt, wo D’Amato erzähle, er könne jedes Gefühl im Zuschauer mittels seiner Kunst hervorrufen. Dann haben wir gelacht. Ich zumindest, weil diese großmäulige Aussage aus dem Mund eines solchen offensichtlichen Dilettanten einfach nur absurd war. Aber dann wollte nicht aus meinen Kopf verschwinden, wie die beiden Hauptdarsteller immer wieder um die Ecke kamen und die Straße herunterliefen. Wie sie wirklich die ganze Straße jedes Mal entlang gingen, ohne dass etwas passiert, ohne dass sie reden würden, mit einem solchen Willen dies auszuhalten. Wie diese Einstellungen zueinander einen klar aufgebauten Rhythmus und nach einer kühnen symmetrischen Logik entworfen waren. Dazu noch die Selbstironie, wenn die Hauptdarstellerin auf die Uhr guckt, weil wirklich gar nichts in einer anderen Szene geschehen will. Heute hätte es mich an Lav Diaz erinnert … in einer Pop-Art-Version. Damals war ich verwirrt. Es war schön, aber so billig. Zwei Szenen aus einem Tanzfilm, die Christoph mir zeigte (wie eine Frau in einen LKW zu Beginn steigt und die Kamera sie zwischen Lenkrad und Schenkel des Fahrers von unten aufnimmt, den Schaltknüppel vielsagend präsentierend und dann noch die erste, verträumte Tanzszene), führten dazu, dass ich fast anderthalb Jahre später das erste Mal DIRTY LOVE schaute. An einem unbedeutenden Morgen. Zum Film gab es kalte Pizza vom Vortag. Danach hatte ich über Tage hinweg gute Laune. Und langsam verstand ich. (Nachdem ich inzwischen auch ABSURD gesehen hatte und ebensolche Füllszenen sich auch in diesem Horrorschocker tummelten. Es schien also mehr als nur Überspielen von Unvermögen zu sein. Zu sehr war es Teil der Filme D’Amatos.) Lukas F. hat das ausufernde Radeln der Füllszenen von DIRTY LOVE dann konsequenterweise auch zur Utopie erklärt. Die Lebenswelt dieses Films ist jedenfalls eine sehr heruntergekommene. Nicht weil die Straßenecken und Gebäude schon bessere Tage gesehen haben, sondern weil Terry Jones (Valentine Demy) in diesem Freiwild ist. In einem Fort wird sie begrapscht. Von (fast) allen Männern, von Frauen, aber auch vom Drehbuch und von der Kamera. Deshalb radelt sie, um nicht mehr auf Beifahrersitzen zu sein, wo sie selbst von schüchternen Jungs wie selbstverständlich angefasst wird. Deshalb verhöhnt sie dann auch den nackten Stripper, der im Bett keinen hoch bekommt. Das Band zwischen den Geschlechtern, wenn nicht gar zwischen den Menschen ist zerschnitten. Oft handeln D’Amatos erotischen Filme von einem Geschlechterkampf, wobei die Männer meist Opfer ihrer Libido zu sein scheinen und dafür mal Prostatakrebs bekommen, mal ein Sein als Witzfigur. Hier sind sie eben Grapscher, aber mit einer solchen Insistenz, dass das Leben (für Frauen) in einer solchen Welt ermüdend und deprimierend erscheinen muss. Aber trotzdem, D’Amato hat einen naiven Film geschaffen, einen Film voll Liebe und Wärme. Weil es ja noch den Tanz gibt, weil es Menschen gibt, die einem aus dem Nichts ein Fahrrad schenken. Und weil sich Terry selbst nahe an einer Depression zwischen Schmierbolzen, zweifelhaften Yuppies und einer Kamera, die sie lüstern beglotzt, wenn sie sich bei exzessiven Trainingseinheiten abreagieren möchte, dass sie zwischen all diesen existentiellen Abturnern ihr Leben doch irgendwie tanzend meistert. Das Ende dreht auch vielsagenderweise die Chronologie um. Erst kommt der Erfolg auf der Bühne und sie findet ein Engagement … und erst dann folgt die Szene, welche sie zum Vortanzen führte. Sie trifft einen der beiden Männer, der einfach nur mit ihr tanzte, einen der sie nicht belästigt und dieser erinnert sie daran: Tanzen ist ihre Erfüllung. Und so tanzt sie und die Einstellung friert ein. Nur Terry für sich mit einem Lächeln … auf der Straße tanzend. Bei sich. D’Amato schneidet stets um Valentine Demys Tanzkünste herum, weil sie wahrlich nicht die beste Tänzerin ist, aber dies ist was DIRTY LOVE ausmacht. Es ist eine Tänzerin zu sehen, die vll nicht die graziöseste ist, die aber mit ganzem Herzen dabei ist. Egal wie peinlich es für andere scheinen mag. Ihre Bewegungen haben so eine Verletzlichkeit und eine Würde, wie sie in der Perfektion schwerlich zu finden sind. Das Herz hüpft hier mit. Mit DIRTY LOVE und dem unvergleichlichen Œuvre des Joe D’Amato.
verstrahlt +
Wenn es jemand gut mit uns meint, dann kann das anstrengend sein. Wenn es jemand dermaßen und umsichtig gut mit einem meint, wie es bei DER LIEBE AUF DER SPUR der Fall ist, dann kann dies zu einem dezenten, zärtlichen Strahlen führen. In 8 Episoden machen die Bewohner eines Hauses exemplarische Erfahrungen im Leben, die uns eine Landkarte für die (körperliche) Liebe und das Leben an die Hand geben sollen. Beginnen tut es mit der ersten Menstruation und der ersten überrascht und lakonisch hingenommenen Ejakulation in Folge eins und mit jeder Folge arbeiten sich die parallelen Entwicklungen zu jeweils einem Thema gen Alter voran. Und schon die erste Folge macht mit seinem Vorgehen den Modus Operandi klar. Nicole bekommt nach ihrer ersten Blutung vor allem Geborgenheit zu spüren, wie sie wohl jeder erfahren kann. Wir sollen bloß keine Angst haben, uns vor anderen zu öffnen. Bis wir erwachsen sind und sowas nur noch bedingt brauchen, finden wir schon irgendjemanden der uns hilft. Sven hingegen hat nachts wilde, surreale Träume von hexenähnlichen Jahrmarktsfrauen mit Kondomen im Lostopf und seinem Schwarm Nicole. Nach dem gezeigten waren eher Beklemmungen zu erwarten, aber Sven wacht nach diesem mit nasser Hose auf. Das Erwachsenwerden, es ist eben ein seltsames, aufregend niedliches Abenteuer … in dieser Wattewelt. Und in dieser werden dabei voller Verständnis Tabus gar nicht erst thematisiert und zum Teil eines freudigen Experimentierens beim Erwachsenwerden erklärt. Wenn beispielsweise beim Zelten die Milch beim Ringen zweier pubertierender Jungens umfällt und sich in den Rasen ergießt, dann spricht das für das sanfte Verständnis der Filme. Und die Lust dies in eine fröhliche Symbolik zu bringen. Wenn einer der beiden nach den sich anschließenden ersten sexuellen Gehversuchen etwas verunsichert ist, ob das jetzt heißt, dass er homosexuell ist, dann wird es von dem anderen mit einem stoischen: Macht es denn alleine mehr Spaß? weggewischt. Alles kann, nichts muss … solange es einen selbstredend nicht zerstört. Denn niemand raucht oder trinkt in dieser sauberen Welt, die nur unser Wohlergehen im Sinne hat.
uff +
Ein brutaler Film. Eine Maschine von kalter Präzision mäht sich durch eine Satire über sich und andere Heimatfilme, wobei jede Pointe maximal lustvoll in den Sand gesetzt wird und im wilden Wind, der dadurch entsteht, dass sich keine Pause gegönnt wird, wirkt dies Vorgehen wie die mutwillige Erschaffung der am grausamst denkbaren Scherze am Rande. Gleich einem Trommelfeuer gehen diese Kalauer auf einen nieder und bevor irgendwo im Körper das Signal ankam, dass dies wieder ein Witz sein sollte, war die Situation schon fortgejagt. Auch werden diverse Heil-Rufe und ähnliches eingebaut, die wie aus ONE TWO THREE oder DR. STRANGELOVE hereinzuschwappen scheinen und wohl das braune Herz des Heimatfilms, Deutschlands und der Dörfer karikieren sollen, aber es bleiben wie die sonstigen Späße leere Gesten. Kein Luftholen, kein Verweilen. Ein Film um Heimatfilme und Komödien zu beenden. Sprich einer voll Todessehnsucht. Das Seltsame: gleichzeitig ist HEUBODENGEFLÜSTER wie ein Panzer, der über einen rollt, aber luftig leicht dabei ist, weil er wirklich nichts hinterlässt. Nicht einmal härtere Qualen. Halt einer dieser abstrakten Kunstfilme…
ok
Ein brutaler Film. Ein Aktmodell kommt in eine kleine Stadt und die Gehirne ihrer Cousins wie die von deren Freunden schmoren durch, sie vergessen ihre Freundinnen (nur dank dem Kleinhirn scheinen sie noch halbwegs lebensfähig zu sein) und stellen ihr nach. Ihr, die auf Bedrängung meist nur lächelt, es durchaus genießt, aber sich ganz vage auf Distanz hält, sich also nicht festnageln lässt. DELIZIA breitet dabei eine heiß-schwitzige Leere vor einem aus. Es ist ein Dokument der Einseitigkeit. Männer verlieren vor Brüsten ihren Verstand, bleiben aber meist mit hechelnder Zunge stehen. Keine Kreativität, kein Charisma, keine Gewalt, nichts entwickelt sich. Nur jämmerliche Männer. Irgendwo am Rand der Scheuklappen sind die Freundinnen immer mal zu sehen. Nicht so, dass sie irgendwelche Eigenschaften abbekommen würden, außer dass sie nicht zufrieden sind mit dem Abgehängtsein. Tatsächlich hatte ich irgendwann eher Lust diese kennenzulernen.
Donnerstag 05.01.
ok –
Wenn jemandes Haut dunkler als Blau ist, wird dies in Rainer Brandts Synchro zwanghaft benannt. Passend dazu wird das asiatische Kind durch ein afrikanisches ersetzt. Ein Kind wie Propaganda für Fortpflanzung. Es macht, was es will, rettet damit aber Freude strahlend den Tag. Oder es belustigt wie ein Clown mit seinem Appetit. Das Dreieck aus stoischer Kompetenz (Plattfuß), fahriger Impotenz (Caputo) und eben kindlicher Knuddeligkeit werden eingelassen in ein Krimiabenteuer, dass immer wieder Touristen fröhlich beim brutalem Müßiggang (Safaris und Ethnoausbeutung) zeigt und liebevolle wie ausgebeutete Afrikaner … bei einem kleinen Trip in die Ambivalenz der Apartheit, die aber nur an den Ränder herausbricht. All dies sind Schnörkel auf einem sich versteinerten Skelett, d.i. das Rezept eines Plattfußfilms. Hier gesehen in der deutschen Kinofassung.
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