STB Robert 2024 II
„The bourgeois world was haunted by sex, but not necessarily sexual promiscuity: the characteristic nemesis of the bourgeois folk-myth […] followed a single fall from grace, like the tertiary syphilis of the composer Adrian Leverkuehn in Dr. Faustus.“ (The Age of Capital)
„If Krupp commanded his armies of workers, Richard Wagner expected total subservience from his audience.“ (The Age of Capital)
„Er hatte von allem gekostet, und er hatte sich nicht satt gegessen, da er, wie er glaubte, weder Gelegenheit noch Zeit gehabt hatte, tief genug in die Menschen und in die Dinge hineinzubeißen. […] Und sie fand auch Gefallen an den vom Geld geschlagenen Wunden, an den Bankrotten, an den Feuersbrünsten, bei denen man geschmolzenen Schmuck stehlen kann.“ (Das Geld)
„This tropic of cancer answered: Drink the quicksand.“ (Lopsided)
Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein prosaisches System. Eine Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Ordnung zu quetschen. Deshalb hat die Wertung zumindest eine Y-Struktur für freieres Atmen. Die Einstufungen radioaktiv und verstrahlt reflektieren, dass ein Film in seiner eigenwilligen Qualität es einem nicht einfach macht, ihn einfach zu genießen. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.
Legende: Ist im Grunde selbsterklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wurde, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache lief, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute. Ein kleines K hinter einem Titel bezeichnet einen Kurzfilm (bis 15 Minuten), während ein kleines M einen mittellangen Film (16 bis 60 Minuten) kennzeichnet.
Vorangegangene Sehtagebücher:
2012/II | 2013/I | 2013/II | 2014/I | 2014/II | 2015/I | 2015/II | 2016/I | 2016/II | 2017/I | 2017/II | 2018/I | 2018/II | 2019/I | 2019/II | 2020/I | 2020/II | 2021/I | 2021/II | 2022/I | 2022/II | 2023/I | 2023/II | 2024/I
to be continued … und zwar hier
Dezember
Montag 30.12.
großartig
Kurze Schnipsel aus Ideen für RomComs zu einem verschnörkelnden Ganzen zusammengeschustert, das sowohl ein Film über das Grundgerüst des Genres geworden ist wie die Auslotung eines höchstmöglichen Schmalzgrades durch Addition … mit einer unverschämt großen Anzahl von Stars, die meist auch noch das bestmögliche aus ihren Figurenskizzen herausholen.
fantastisch –
Beim ersten Mal habe ich vll. etwas konservativ gewertet, weil ich mir vorstellen konnte, dass Keaton danach noch irrsinnigere Aufbauten noch irrsinniger zu Bruch bringen könnte, aber jetzt musste ich mir eingestehen, dass das kaum möglich ist. Vll. half auch, dass Lotti Z. kaum aufhören konnte, sich zu beömmeln, als das schiefe Haus auch noch anfing sich im Wind zu drehen.
großartig –
Während ich ONE WEEL Lotti Z. zeigte, weil ich dachte, dass er ihr sehr gefallen würde, wollte sie THE SCARECROW unbedingt wiedersehen, weil sie die Einrichtung des Wohnhauses liebte, in dem alles doppelt bis dreifach verwendet wird – bspweise gibt es einen Schrank, der Ofen, Herd und Plattenspieler in einem ist. Und weil es ihr so viel Spaß machte, wurde aus einem Film Keatons ein knappes Jahresend-Best-of seiner frühen Regiearbeiten.
großartig +
Nachdem ich jetzt einige Filme gesehen habe, in denen Buster Keaton von Massen (an Polizisten) verfolgt wird, fehlt hier irgendwie etwas, da es höchstens drei auf einmal sind. Aber es ist Nörgeln auf höchstem Niveau.
großartig –
Nicht ansatzweise der witzigste Film Keatons, in Bezug auf Kreativität, Wahnwitz und wahnwitzigem Handwerk aber schon ganz vorne dabei.
großartig –
Ein Liebesdreieck, eine Peter Pan-Geschichte. Ein junger Mann (Austin Butler) zwischen einer Vaterfigur (Tom Hardy), der ihm erlaubt auf ewig ungebunden, draufgängerisch und irrational dahinzuleben, und einer Frau (Jodie Comer), die möchte, dass er auf sich aufpasst und nicht nur an sich denkt. Ein trauriger Film im orangenen Ton eines Sonnenuntergangs, der nur schwer Abschied von Leder und Fahrtwind nimmt – nicht weil die Frau besonders gute Argumente hätte, sondern weil die erste Generation nur Idole aus dem Fernsehen nachspielen, während die darauf folgenden die vorgelebte Repräsentation für bare Münze nimmt und den Traum zum Alptraum macht. Erwachsenwerden, das bittere Erwachen.
Sonntag 29.12.
großartig –
Vom Krieg, der Liebe, ihren Unzulänglichkeiten Traumatisierte sitzen zusammen in einem feuchten, brüchigen Palazzo in Venedig fest und werden von sich und Geistern in schrägen, Paranoia fördernden Einstellungen terrorisiert. Selbst die graue Farbgebung lässt sich vorzüglich in die allgegenwärtige Lebensmüdigkeit ein. Was gibt es daran auszusetzen?
Sonnabend 28.12.
gut
Mitten im Film kam Lotti Z. wieder hinzu und schaute mit. Die deutsche Synchronisation milderte das überzogene Schauspiel Steve Martins, scheiterte aber monumental an der sensationellen Schmierigkeit Michael Caines. Das Problem blieb aber, dass davor und danach nichts ansatzweise so witzig war, wie die Peitschszene.
fantastisch –
Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters. Oder: Die Wahrheit ist nicht schwarzweiß. Auf solche Allgemeinplätze läuft es in diesem heruntergekochten, fast abstrakten Melodrama hinaus. Eine Schauspielerin (Natalie Portman) besucht die Frau (Julianne Moore), die sie in ihrem nächsten Film spielen soll. Vor 23 Jahren hatte diese – damals: 36-jährig, Ehefrau mit Kindern – eine Affäre mit dem 13-Jährigen Joe. Es folgte Gefängnis und die neuerliche Familiengründung mit eben diesem Joe (im Hier und Jetzt: Charles Melton).
Diese Ausgangslage trägt fast zwangsläufig zwei große Verheißungen in sich, die auch immer wieder angedeutet werden: Enthüllung und Verstrickung. Das Zusammentreffen würde so offenlegen, was damals wirklich geschah, wer und ob jemand Schuld trug, könnte aber auch dazu führen, dass die Schauspielerin in ihrer Rolle aufgeht und sich selbst in einer verhängnisvollen Affäre verstrickt. Doch gerade diese Erwartungen torpediert Haynes und lässt sie ins Leere laufen.
Einerseits indem er die Geschichte final als bösartigen Satire über Methode Acting offenbart – wenn Portman schlussendlich nur Klischees sieht, denen sie hochtrabend wie kläglich Wahrheit zu entreißen versucht. Andererseits indem er weder Rückblenden noch Auflösungen zeigt. Stattdessen eine Ansammlung vielsagender Szenen, die Personen und Verhältnisse scheinbar klar kategorisieren – immer wieder die Frau, die alles aus der Realität auszublenden versucht, was ihr nicht passt; der Mann, der mit 36 kaum von seinen Kindern zu unterscheiden ist, der sich nach einem anderen Leben sehnt, aber dann damit rechnen kann, dass ihm erklärt wird, dass er ein Leben lang ein Opfer war; traumatisierte Kinder, die zu verwirrten Erwachsenen geworden sind; Jugendliche, die nicht gern sehen, wenn ihre Umwelt daran erinnert wird, dass die Ehe ihrer Eltern nicht alltäglich ist; eine Schauspielerin, die gerne anekdotische Wahrheiten von sich offenbart, aber sich ihren Problemen wie alle anderen nur schwer stellen kann; die optische und artikulierte Thematisieurng von Schauspiel, Verkörperung, Dopplung und Wahrhaftigkeit. Diese Charakterisierungen bleiben aber unfertig und führen zu nichts, wenn sie nicht gleich widersprüchlich sind. Die Wahrheit steht offen vor uns, ist aber komplex und besteht nur aus Andeutungen.
Dass MAY DECEMBER mehr ist als das oben Genannte, liegt daran, dass Haynes die herbstliche Gelassenheit seiner Erzählung mit einer Atmosphäre sozialen Horrors kreuzt, die hinter einfachsten Zusammentreffen Abgründe vermutbar macht. Es ist so gesehen ein Abhängfilm, in dem alle nur gute Miene zum bösen Spiel (eine nachdrückliche Untersuchung) machen und sich niemand traut offen zu kommunizieren. Das Melodrama bricht so nicht heraus, ist schlussendlich aber doch der reißende Strom unter der Betonung des gelassenen Alltags.
Freitag 27.12.
ok
Ich wusste nicht, dass ich eine Mischung aus STIRB LANGSAM und einer RomCom brauchte. Nur hätte dies auch Qualitativ deutlich mehr STIRB LANGSAM und RomCom vertragen können.
*****
* Nach der Hälfte setzte sich Lotti Z. (8 Jahre) dazu, weshalb es synchronisiert weiter ging … was leider hieß, dass ich auf die Stimme von Lenny Kravitz verzichten musste.
fantastisch –
Die Trope, dass Polizisten und Gangster zwei Seiten einer Medaille sind, wird auf die Spitze getrieben. Und zum Horror und Kitsch gewandelt. Was ist, wenn der Psychopath der bessere Kollege, Vater und Ehemann ist? Wenn der Polizist dem Umfeld des Gangsters das gibt, was dieser ihm nicht geben konnte. Und so wird auf Spiegel geschossen, Schauspieler kopieren einander und kommen doch bei ganz unterschiedlichen Formen von Wahn heraus, Inzest angedeutet, einiges an Actionsubgenre und -allgemeinplätzen durchgespielt, in Kirchen theatralisch geschossen oder alles mit einem seltsamen religiösen Unterton versehen, das Kitten von Familien mit Irrwitz betrieben und Nicolas Cage Platz für seine vll. größte Show gegeben. Eine Seifenoper in der Oper sehr großgeschrieben wird.
*****
Erstmals habe ich ihn wohl bei seiner Erstausstrahlung im Fernsehen gesehen. Dann nochmal als einen der ersten Filme, die ich mir von Jenny J. ausgeliehen habe. Das erste Mal fand ich ihn albern, das zweite Mal langatmig. Es ist ein Testament dafür, wie sich mein Blick auf Filme (zum Glück?) geändert hat, weil ich nur ahnen kann wie verbohrt ich damals war.
Donnerstag 26.12.
ok +
Soviel Potential, das mit jemanden in der Hauptrolle, der mehr als hinfallen kann, vll. auch hätte verwirklicht werden können.
nichtssagend
Der Film von jemanden, der ganz geschickt Songs und Brillen für die passende Atmosphäre aussuchen kann, darüber hinaus aber an nichts interessiert ist … bzw. nichts vermitteln kann, was über diese, seine Fähigkeit hinausgeht.
Mittwoch 25.12.
ok +
Sichtlich hat Antonio Spaß dabei zwischen Dinnerpartys, Salons reicher Leute und dem Dreh von Actionszenen – der Film spielt im Schauspieler-Milieu – zu wechseln. Zugegebenermaßen sorgt es für den ein oder anderen surrealen Moment. Überhaupt führen die Dialoge, das Schauspiel und die Dramaturgie zu einer traumartigen Atmosphäre. Leider bleiben aber die Figuren fast durchgehend blass, wie auch die Enge des Zusammenlebens, die die Leute in den Wahnsinn treibt, etwas kurz kommt. Im Großen und Ganzen also vll. eher eine ganz gute Folge MORD IST IHR HOBBY als ein wirklich schöner Hercule Poirot-Film.
fantastisch –
Demy legt die Schranken der Realität vollends ab und erzählt ein Märchen – also eine wilde, symbolisch überladene Geschichte, die entweder für bare Münze genommen, als surreale Aufarbeitung der psychosexuellen Entwicklung Heranwachsender gelesen oder sonst wie aufgenommen werden kann. Heißt: eine Prinzessin im Eselsfell oder in einem himmelblauen Kleid, auf dem die Wolken ziehen; ein Vater (Jean Marais), der seine Tochter heiraten möchte, weil er sich nur mit dem Besten zufrieden gibt; eine Fee (Delphine Seyrig), die aus zweifelhaften Motiven zweifelhafte Ratschläge gibt; ein Prinz (Jacques Perrin), der als einziger unter die Eselshaut des hässlichen Entleins blicken kann und mit einem Ring, die eine sucht, der er passt; simple, fast aggressive schwelgende Ohrwürmer; rot und blau angemalte Menschen und Pferde; ein Katzenthron, Farben, Ornamente, Diamanten, Blitzen und Blinkern, Perücken, Kostüme, (rückwärtslaufende) Zeitlupen tun alles um einen Realitätseindruck zu verhindern, aber anders als bei Jean Cocteau, der die Atmosphäre eines Traums beschwört, stellen sie nie in Frage, dass dieser genüssliche Sturm der Eindrücke nicht Wirklichkeit abbilden würde.
Dienstag 24.12.
großartig –
Elliott (Maisy Stella) verbringt ihre letzten Wochen mit ihrer Familie in einem Kaff, bevor sie in die große Stadt aufbricht, um zu studieren. Sie wird in diesen reifer. Sie lernt sich und ihre Familie besser kennen und wertschätzen. Sie erlebt die Liebe. Der Aufbau ist klassisches Coming-of-Age. Elliott ist aber nur die Vertreterin für ihr zukünftiges, 39-jähriges Ich (Aubrey Plaza), die sie auf einem Pilztrip kennenlernt. Für sie darf sie diese Zeit, die beste, nochmal erleben. Das Wunder des Kinos ist, dass die Bitterkeit des Erwachsenseins ausgeschlossen bleiben kann und die Welt für Elliott und uns sentimental bleibt, Sonnen beschienen, aufs Jetzt konzentriert – mit einer lediglich schwammigen Vorstellung der Zukunft. Dass diese allgegenwärtige Schönheit zwar spürbar belagert ist, aber trotzdem uneinnehmbar bestehen bleibt.
großartig –
Liebe als Glücksspiel, Glücksspiel als Liebe … und Glückssträhnen als Überschwang der Gefühle in den ansonsten unterkühlten Versuchen dem Ungreifbaren mit Routinen, Ratio oder exzentrischer Hybris Herr zu werden.
Montag 23.12.
gut
Einerseits ein Abenteuerfilm mit der visionären Vorwegnahme von Hongkongtrampolinaction, atemberaubenden Perspektiven und illustren optischen Ideen. Andererseits ein steifes Textaufsagen eines steifen Dramas mit zumindest durchgehend wahnwitzigen Technicolorfarben, Kostümen und Kulissen – mit Merry Men, die beunruhigend leicht und oft in schallendes Gelächter ausbrechen (Wie schlecht geht es ihnen unter diesem Anschein wirklich?). Einerseits der tolle Claude Rains als Prinz John, andererseits der trübe Basil Rathbone als Guy of Gisbourne. Einerseits ein Film von Michael Curtiz, andererseits von William Keighley, mutmaßlich.
uff
Es ist schon unerquicklich, dass einem umgehend auf die Nase gebunden wird, wer böse ist und wer nicht – ganz unabhängig davon, wer nun die Briefe schreibt –, und dass die gesamte Handlung, alle Szenen und Pointen es nur immer wieder unterstreichen, aber der heruntergekochte Wes-Anderson-aber-in-realistisch-Stil, in dem es daherkommt, setzt diesem Etwas die Krone auf.
Sonntag 22.12.
großartig
Ein Männermelodrama: Ein Vater (Sylvester Stallone) versucht eine Verbindung mit seinem entfremdeten Sohn aufzubauen, während sein Schwiegervater (Robert Loggia) den Enkel für sich behalten will, weil er als Machtmensch nur Schergen in seinem Leben hat, aber keine Liebe – die Mutter ist eine alle liebende Entität, die nur per Telefon erreichbar ist und alsbald aus dem Leben scheidet. Als solches ist es ein Film über Männlichkeit, über Alpha-Männerkämpfe (die Armdrückweltmeisterschaft) und gepanzerte Penisse, mit denen über die Landstraße und durch Tore gerauscht wird (d.i.: LKWs).
Der Film passt dabei natürlich zu den Reagonamics der Zeit, da Bildung mit Elitarismus verbunden wird, gegen den sich der einfache Mann zur Wehr setzen muss, der einfach nur an sich Glauben muss, um Berge zu versetzen. Aber mehr noch geht es um Männlichkeit, die mit Individualität verbunden ist, die mit übermütigem Unfug (ein Zwölfjähriger wird schnell mal von seinem Vater hinter das Steuer eines Lasters gesetzt) und Herausforderungen (er wird ebenso zum Armdrücken animiert) aus einem Befehlsempfänger einen selbstbewussten Menschen macht. Und überhaupt geht es um einen Mann mit traurigem Blick, der von verzerrten Überkompensierern mit irrsinnigen Augen umgeben ist, der sich nicht in ihre Welt, in dem Testosteron wahnsinnig macht, ziehen lässt.
Vor allem ist es aber ein knappes Melodrama, das in die große, adrenalingeschwängerte Montage eines ausladenden Wettkampfes führt. In eine der schönsten Exemplare des Kinos der 1980er Jahre, in dem aus Golans Charakterdrama ein wunderbares Rocky-Derivat wird … in dem der Sohn mal nicht ganz so unmenschlich – wie in den Rocky Filmen – behandelt wird.
ok +
Von der Lähmung zur energischen Agilität: Ein Mann (Taron Egerton) sitzt in seinem Leben fest. Bzw. hält ihn ein Terrorist (Jason Bateman), der ihn videoüberwacht und quasi seine Hemmungen darstellt, an seinem Arbeitsplatz gefangen. Nur lässt ihn der Zwang zu einer bösen Tat erwachen. Erst versucht er seinem Sitz und seiner Limitierung zu entkommen, später rennt er, schießt und trifft Entscheidungen – ohne Zeit zum Nachdenken zu haben. Der Film zerfällt so mehr oder weniger in zwei Teile, in die Spannung keine Handlungsmöglichkeit zu haben und doch handeln zu wollen, und in die Spannung, ob die ewige Bewegung auch was nützt. Und vll. fehlt Collet-Serra sein Liam Neeson. Der wäre zwar auch zu herb für die Rolle, Egerton hingegen passt zu gut in die Ausgangssituation, weshalb er das Folgende nicht tragen und nicht übertünchen kann, dass Collet-Serra, nachdem er zweimal in der Produzentenkinohölle feststeckte, vll. erst wieder in Tritt kommen muss.
Sonnabend 21.12.
nichtssagend –
Disclaimer: Die Bewertung entspringt aus dem Respekt vor der tollen Idee und der Sehnsucht nach mehr einfachen, als auch blöden Filmen und ist wohl höher als die diese Gräßlichkeit ohne Timing verdient hat.
Freitag 20.12.
gut –
Wahrscheinlich ein simpler, schöner Fantasyfilm, der mir vor allem meine Kleingeistigkeit vorführte. Weil jedes Mal wenn sowas wie: Oh, der Crynokop aus Utniank, gesagt wurde – und es wurde oft gesagt –, konnte ich nachvollziehen wie sich jemand fühlt, der das Genesis-Meisterwerk NURSERY CRYME wegen seinem Fantasy-Prog-Klimbim nicht mag.
Donnerstag 19.12.
ok
Zum Teil erstickendes Folterwerkzeug mit Popkulturtrivia, teils angenehm unangenehmer Film nasser, dunkler Gänge und Terrorbesserwisser. Mehr dazu bei critic.de.
Mittwoch 18.12.
ok
Im Kern ist die Erzählung des Verhältnisses zwischen Renfield (Nicholas Hoult) und Dracula (Nicolas Cage) als Co-Abhängigkeit, durch die die Titelfigur Hilfe in einer Selbsthilfegruppe sucht, ziemlich toll. Nur ist da:
– ein schrecklicher Nebenplot über korrupte Polizisten und die Stadt in der Hand der Mafia, der nur durch Awkwafina erträglich ist.
– die anhaltend abgeklärte Ironie.
– ein Nicolas Cage, der nur macht, was inzwischen von ihm erwartet wird, womit seine Seltsamkeit einiges an seinem Biss verliert.
– sehr wenig Schönheit.
Dienstag 17.12.
großartig
Belmondo verliebt sich, verlässt sein bürgerliches Leben und gibt sich einer Amour fou mit einer undurchsichtigen Frau hin, die im Tod endet. Schon in seinem übers Bein gebrochenen Plot gewahrt es an PIERROT LE FOU. Aber die Marker, die an Godards Film erinnern sind überall. Am deutlichsten vll. in Duhamels dahinziehenden Streichern, die sich auf die gleiche Weise Bernard Herrmann Hitchcocks Scores aneignen wie bei seinem Score für PIERROT. Nur ist Truffauts Version des Gleichen seltsam karg, wo Godard seinen Film mit Ideen und Ansätzen überhäuft. Täuschen wir uns nicht, die Bilder, die uns vom sonnigen La Réunion bis zum Schnee der Alpen führen (Kamera: Denys Clerval), sind zum niederknien schön – und erinnern mit ihren lebhaften Farben und ihren klaren Perspektiven mit eigenwilliger Cadrage durchaus an Raoul Coutards Arbeit. Nur verschleppen die ständigen Tempo- und Handlungswechsel hier eher das Tempo und vor allem scheinen sich die Figuren einfach zu ergeben, statt gegen ihr Schicksal anzukämpfen. Belmondo Zigarettenfabrikbesitzer lässt Reichtum und Status fahren ohne zweimal zu überlegen. Vielmehr stürzt er sich sehnsüchtig in Verfall und Tod – Bücher, Filme und Comics, immer wieder von ihm wie bei PIERROT LE FOU gesucht, sind keine Agenten der Bereicherung, sondern der Verdopplung des eigenen Schicksals. Und Catherine Deneuve trägt immer wieder die Frisuren Tippi Hedrens, ist eine unterkühlte Blonde, die zwar nicht auszurechnen ist, die sich nimmt, was sie will, egal, was es kostet. Dass sie zweimal nonchalant blankzieht, ist Teil ihres Charakters, immer setzt sie ihren Körper ein, wenn es für sie unsicher wird. Truffauts Film wird immer wieder zur Studie von einem Verlangen nach dieser kalten, abweisenden Schönheit … oder zur simplen soziologischen Skizze, dass die Unsicherheit der Armut aggressiv macht. Aber den beiden Figuren wird sich eben nicht mittels Psychologisierung genähert. Stattdessen werden auf ihren Todestrieb Charakteristika aufgepfropft, die den rasanten Abstieg in Kälte, Leere und Tod, in eine bedingungslose Liebe, abbremst.
Montag 16.12.
ok
Keatons Figur versucht sein Studium mit Nebenjobs zu finanzieren. Unter anderem malt er sich an und erschleicht sich mit Black Face einen Job – eine Anmaßung, für die er mit einem Beil gejagt werden wird, btw. Das Entscheidende ist aber nicht die Farbe, sondern dass er als Kellner nichts taugt und in faszinierend konzipierten Choreographien immer wieder haarscharf Katastrophen entgeht. Es ist eine der wenigen Teile des Films, in denen der athletischste Mann im Film sich nicht einfach unter Preis verkauft und sich fallen lässt uswusf., sondern wirklich atemberaubende Niederlagen entwirft.
großartig –
Manchmal ist es ganz einfach: es braucht nur ein alterndes Komikgenie, einen begrenzten Raum, in dem kleine Versionen alter Gags aufgeführt werden können, und eine schöne Landschaft, die vorbeizieht, und schon ergibt es einen schönen kleinen Film. Und gerade in dieser Genügsamkeit liegt eine entspannte Schönheit, die Keaton nochmal eine neue Seite abgewinnt.
Sonntag 15.12.
gut
Mit meiner Tochter an meiner Seite hatte ich während des Tanzes von Elphaba und Galinda Tränen in den Augen, einfach weil der Film nicht auf eine Versöhnung hinjagt, sondern die Unbeholfenheit der Situation erträgt, während das Ende, bei dem große Anstrengungen unternommen werden, um Emotionalität zu erzwingen, mir kaum etwas gab. Vielleicht hätte der Film auf den Zauberer und damit auf das Vertraute verzichten und einfach an der Shiz University bleiben sollen, wo der Film schön war.
Sonnabend 14.12.
großartig
Als einen seiner letzten Filme hat Rivette dann doch noch den Film gemacht, der Theater spielt und in dem dieses nicht nur eine (zentrale) Rolle einnimmt. Langsam baut sich eine Sechsecksliebesbeziehung auf, in dessen unterschiedlichen Ausprägungen es um Obsession, Selbstwert, Ausnutzung und Verzicht dreht, um Annäherung und Flucht … wie immer in kleinen, fragilen Miniaturen, die mit Spieltrieb und langen Einstellungen aufgebläht werden. Nur ist es dieses Mal ein abgekartetes Spiel mit Netz und doppelten Boden, eine Farce, in der alle nur Bauern sind. Das zu erreichende Wissen ist, dass alles Illusion ist.
Freitag 13.12.
ok +
Wahrscheinlich steht dem Film ein wenig im Weg, dass Woo nicht die richtige Wahl für diese Schnitzeljagd ist. Ihm ist das Mechanische fremd, wenn nach und nach herausgefunden werden muss, was Dinge in einer Tüte bedeuten und wofür sie gut sind. Die Identitätssuche kommt damit nicht aus den Leute heraus und verhindert scheinbar, dass er diesen Kram, der nach Wahnsinn schreit, in diesen umschlagen lassen kann. Vll. ist aber auch einfach das Problem, dass Ben Affleck Arschlöcher zu überzeugend spielt, weshalb es mir meist schwerfällt, ihn als Sympathieträger zu akzeptieren. Zumindest sein ahnungsloser Blick, wenn seine Figur überlegen soll, ist höchst unterhaltsam.
gut
Zwei gegensätzliche Leute, die Chefin (Sandra Bullock) und ihr Assistent (Ryan Reynolds), müssen sich aus einem Vorwand heiraten, was Grund für Lacher gibt, aber auch ihre gegenseitige Liebe offenbart. Der Twist: die typischen Charakteristika von Mann und Frau sind vertauscht. Er ist unterwürfig und fürsorglich. Sie lebt, als würde menschliche Nähe und Zuneigung sie und ihre erigierte Persönlichkeit schmelzen lassen. Zwar schafft es der Film nur bedingt, diesen Pitch mit Leben zu füllen und ist eben vor allem ganz witzig und halbwegs romantisch. Das Casting aber verhindert den Schiffbruch, weil die Hauptdarsteller aus dem Gimmick des quasi Gendertauschs etwas Eigenes entstehen lassen, was über die müden Witze hinausgeht. Und das nicht nur, weil Bullock 12 Jahre älter ist als Reynolds, womit die Castingnormalität Hollywoods auf den Kopf gestellt wird – was aber unter dem Anschein von Normalität geschieht und nicht als vor sich her getragene Subversion.
Andrew Paxton umsorgt jedenfalls alles und jeden bis zur Selbstaufgabe, weil er gegen seinen herb-männlichen Tycoonvater rebelliert und quasi alles sein möchte, was er nicht. Womit nicht nur der Sanftmut der Figur brüchig wird, sondern auch die gnadenlose und gnadenlos ironische Gefälligkeit von Reynolds. Margaret Tate hingegen ist ein alles und jeden ausnutzender Workaholic, die sich und ihrem Umfeld keine Pause gönnt. Die Angst, dass sie durch Nähe und Ruhe zusammenbrechen würde – und mehr noch, dass sie dann nicht mehr genügen würde – sitzt tief in ihr. Die glatte, ohne nennenswerte Höhe- wie Tiefpunkte ablaufende Gefälligkeit des Films verleiht es einen Hauch von Niedertracht. Denn auch wenn Margaret nie ungenügend sein wird, wird sie immer wieder ihrer Angst ausgesetzt und so genüsslich gebrochen. Und Sandra Bullock windet sich in ihrem Leid, das darin besteht, dass ihr Annehmlichkeit bereitet wird, schon sehr sehenswert.
Donnerstag 12.12.
gut
Die große Tragik des Films liegt darin, dass sich John Woo darin arg spiegelt. Mehr dazu bei critic.de.
Mittwoch 11.12.
fantastisch +
Die durch und durch pointierte Inszenierung einer Geschichte, die vielmehr auf Impressionen setzt statt sich gradlinigen Zwangsläufigkeiten zu verschrieben. Ein Mainstreamhollywoodfilm, der von den Bedürfnissen und Problemen einer nichtweißen Frau erzählt. Pumpende Musik, rasanter Tanz, irreale Tanzperfomances in einer für sie unpassenden Location, die einen im Unklaren lassen, was Realität ist und was nicht. Unsicherheit, Zweifel und Leid, von denen sich nicht ansatzweise die gute Laune und Warmherzigkeit verdorben werden wird. Der Megatrollmove, einen Mann in Drag in hautengen Klamotten aufreizend tanzen zu lassen und so zu tun, als sei es weiterhin Jennifer Beals. Kurz: ein herausragender Film. … Oder wie es ein afrikanischer Prediger im OKJ früher mal Filmemachern ans Herz gelegt hat: Mache es wie FLASHDANCE gemacht hat. Und wenn du es nicht wie FLASHDANCE gemacht hast, dann mache es wie FLASHDANCE gemacht hat.*
*****
* Es kann sein, dass er, den ich wegen seiner kuriosen Aussagen ab und zu anhörte, an ein allgemeineres Publikum redete und dass er Jesus statt FLASHDANCE sagte, aber wer kann das heute noch sagen.
Dienstag 10.12.
verstrahlt +
Sonne, Strand, Palmen und Enten: Es beginnt im Paradies, in das die Zivilisation einfällt in Form eines Fotografen mit seinen halbnackten Models. Der Auftakt ist ein Heimatfilm mit Fernweh und Interesse an freier Liebe. Hauptfigur ist eine junge Frau, die neugierig in die Moderne aufbricht und hier wie da nur Formen besitzerreifender Männer findet. Die sexy Exotik folgt entspannt seiner neugieren Figur und ist im Herzen doch der Horrorfilm von Unentrinnbarkeit – bei dem lange nicht zu erahnen ist, wie modern er reagiert.
Montag 09.12.
großartig –
Das sehnsuchtsvolle Muhen einer anhänglichen Kuh, dass hier nur zu sehen ist, es handelt sich schließlich um einen Stummfilm, ist eines der größte Liebesausdrücke, die je auf Zelluloid gebannt wurden.
verstrahlt
Unbedarft den Bonuskurzfilm einer blu-ray anschalten und mal wieder gezeigt bekommen, wie wenig ich auch nur erahnen, was dieses bekloppte Medium Film noch zu bieten hat: unbezahlbar. GO WEST erzählt von einem jungen, der in den Wilden Westen aufbricht, dort Cowboyklamotten stiehlt und vom Sheriff und anderen verfolgt mit einer Postkutsche entkommen will. Die Geschichte ist dünn und hanebüchen, aber der Cast besteht eben fast vollständig aus Kapuzineräffchen in kleinen Kostümen, die auf Ziegen statt auf Pferden durch kleine Pappkulissen reiten. Irrsinn.
Nur: Die Szene, in der eines der Äffchen fast erhängt wird, hält die Hoffnung leider klein, dass das alles ohne Tierquälerei entstand.
Sonntag 08.12.
ok +
Die Versuche, die neue Geschichte verkrampft an alle möglichen Gegebenheiten des ersten Teils anzudocken, bremst eine ansonsten oft durchaus gelungene Fortsetzung eines der besten Disney-Filme der sogenannten Meisterwerke-Reihe aus.
gut –
Raumgreifend steht der Titel auf der Leinwand. Rechts unter ihm, deutlich kleiner, findet sich der Zusatz Part One. Ich hatte es vorher nicht mitbekommen und das Wissen, dass dieser erste Teil schon alleine 160 Minuten dauern wird, ließ mich tief in meinen Sitz sinken. Meiner schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich zwar, aber es ist aber gleichzeitig war ich überrascht, wie wunderbar es ist. Mehr dazu bei critic.de.
Sonnabend 07.12.
ok +
Die Auflösung ist vll. die schönste, die sich je für einen Krimi erdacht wurde. Nur bedingt diese leider, dass der Film, nachdem sich ein europäischer Panzer aus einem exotischen, multikulturellen Bahnhof aufmacht, nur aus kleinen Skurrilität und Verhören in einer biederen Kulisse besteht. Das Wenige, was hier gebitched wird, ist nicht der Rede wert. Albert Finneys Poirot entspricht wohl mehr dem von Agatha Christie, was ihn aber leider nicht besser macht. Und Lumet kämpft zwar gegen all das an und macht gerade aus allem vor dem Aufbruch des Orient-Express zum Erlebnis. Danach ist er aber chancenlos.
gut +
Das Ende ist schon ein sensationelles Horrorgemälde, wenn eine junge Frau voller Lebenslust (Romy Schneider als Sissi) in einer pompösen Zeremonie mundtot gemacht wird. All ihre Zweifel, ob dieses Kaiserinnensein vll. gar nicht zu ihr passt, werden eindrucksvoll bestätigt. Der einzige Makel, den das ganze hat, ist, dass dafür auch Stahlhumorgott Major Böckl (Josef Meinrad) dafür aus dem Film gekehrt wird und die phänomenale wie feierliche Enge nicht noch mit seinen Späßen veredelt.
Freitag 06.12.
nichtssagend
Seneca ist ein wortgewandter Opportunist, der aus der Behauptung, trotz der Heuchelei als einziger Recht zu haben, eine große Show macht. Fast zwei Stunden bekommen wir seine Eitelkeit reingewürgt, während in verfremdeten Kulissen sein letzter Lebenstag abläuft. Und mit voller Absicht ist es stählern und schmerzhaft, sich der Verhohnepipelung dieser toxischen Verblendung auszusetzen. Höchstens wenn es mittendrin doch kurz zur Soup wird, gibt der Film etwas den niederen Instinkten nach und erstickt nicht alles in ironischem Bildungsbürger-Grand-Guignol. John Malkovich spielt das natürlich sensationell und Lilith Stangenberg ist auch toll, aber kaum mehr spricht für diese Ausbreitung des ewig gleichen. Aber vll. ist mein Problem einfach, dass Senecas kaiserlich angeordneter Selbstmord – eines der makabersten Dinge, die mir ein Lehrer erzählt hat, in Kürze: er schneidet sich die Pulsadern auf, aber durch Alter, schwachem Blutdruck und Blutarmut läuft nicht genug heraus, um zu verbluten, weshalb er Gift trinkt, nur ist der Stoffwechsel inzwischen so geschwächt, dass es nur bedingt wirkt, weshalb er sich nun im Dampfbad erstickt –, zur drögen, Pointen breittretenden Farce ausgeweitet wird.
ok –
Die Utopie ist, dass Identität, körperliche und geistige, bearbeitbare Entwürfe sind. Die Dystopie ist, dass wir selbst als Cyborgs von Vaterfiguren und gesellschaftlichen Gegebenheiten abhängig sind und nicht frei … dass wir uns kraftaufwendig lösen müssen, falls es überhaupt ganz möglich ist. Die Realität ist, dass Ed Skreim zu wenig Spielzeit bekommt und dass nach dem ganzen Aufbau vll. eine weniger behäbige und unbeholfene Fortsetzung hätte folgen können, die es nun aber wohl nie geben wird.
Donnerstag 05.12.
großartig +
Es ist beruhigend zu sehen, dass der beste Vater der Welt, natürlich, ein Psychopath sein muss. Dass er auch noch ein weiteres Gebiet wie kein zweiter beherrscht, also das Psychopathsein, davon versuche ich mich nicht beschämen zu lassen.
Mittwoch 04.12.
großartig +
Tick-Tack, Tick-Tack. Die Zeit zieht sich. Immer wieder auf der Tonspur: Tick-Tack, Tick-Tack. Immer wieder im Bild: die Uhr mit dem ausladenden Pendel, das alle Zusammenhänge von Ursache und Wirkung kappt, da dessen Bewegungen nicht ganz synchron laufen zum Tick-Tack, Tick-Tack. Eine Handvoll Entführer (vor allem männlich) sitzen mit ihrem Opfer (weiblich) in einem kahlen Haus und warten, dass endlich gezahlt wird. Spannung liegt in der Luft. Wann werden die emotionslos agierenden Schauspieler mit ihren versteinerten Gesichtern von ihren Begierden übermannt oder von der Liebe mitgenommen, wann geschieht endlich etwas Entscheidendes. Und selbst wenn etwas Entscheides oder auch nur irgendwas passiert, ändert es nichts am Tick-Tack, Tick-Tack, das diese existentielle Studie – Inhalt: Beckett; Form: Nouvelle Vague; Insgesamt: exploitativer Schmierfetzen – zerschneidet. Existenz als Kochen in seiner eigenen Suppe.
Dienstag 03.12.
großartig +
Der Serienmörder des Films meint, dass er das Bedürfnis zu töten bekommt, wenn er jemanden sieht, der den Anschein hat, dass er sich als ganz, heil, komplett empfindet. Er tötet und foltert um sich und dieser Person klar zu machen, dass wir in Wirklichkeit alle zersplittert sind. Die Handlung vollzieht sich größtenteils auf einem Popkonzert, einem Ort allgegenwärtiger Inszenierung (von Einigkeit mit sich und seinem Umfeld) – auf, vor und neben der Bühne. Anschein auf Anschein wird – vor und durch die Filmkamera – entworfen. Mit symbolischen Handlungen wird sich seiner selbst versichert – am nachdrücklichsten wird klar, welches Spiegelkabinett hier aufgemacht wird, wenn Lady Raven (Saleka) ihrem Vater verzeiht und ihr Publikum bittet per Handylicht anzuzeigen, dass sie auch jemanden verziehen haben … wobei alles von Salekas eigenem Vater, M. Night Shyamalan, geschrieben und inszeniert wird.
Ständig stehen (Überwachungs-)Kameras im Bild, die den Handlungsort ausleuchten und einkesseln. Aber auch die Bildschirme, auf denen entweder nach einer Identität (eines Serienmörders) gesucht wird, oder die dazu da sind, den Popstar zu überhöhen und mit seinen Publikum zu vereinen. Kurz: die Bühnen zum Aufbau von Identität – irgendwann zieht sich der Film auf die viel intimere, aber nicht unähnliche Bühne der Familie zurück – und das Entlarven des Scheins verschränken und umkreisen sich. Das Schöne und Perfide dabei ist, dass das ewige Spiel aus Aufbau und genüsslicher Zerstörung nie endet. Mit jedem zerbrochenen Anschein, der die Splitter darunter immer schmerzhafter spürbar macht, geht es doch weiter. Selbst wenn zumindest wir den Serienmörder erkannt haben, fiebern wir doch noch lange mit ihm mit, selbst er kann noch liebevoll umarmt werden. Die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung ist ebenso endlos wie die Paranoia, dass alles bis auf den Kern verrottet ist. Es ist die beruhigende, tröstende Kunde und die beklemmende Angst: Es geht immer weiter.
Montag 02.12.
uff
Ein pedantischer, jähzornig gegen das Gefühl der drohenden Entmännlichung ankämpfender Offizier bekommt es mit einem Rekruten zu tun, der im Dreck liegend lieber Blumen pflückt, als sich für das Üben von Gefechtssituationen zu interessieren. Das Problem des Films ist aber nicht, dass er nur von diesem Gegensatz lebt, sondern dass er selbst diesen nicht zu kultivieren weiß. Die Witzfigur des Offiziers wird mit Samthandschuhen angefasst, als solle sie nicht absurd werden, und der Rekrut schlurft durch zarte Anflüge von Pointen, meist unpointiert umgesetzt. Lediglich die übermäßig clownige Musik vermittelt die Ahnung, dass das hier spaßig sein soll. Am Ende steht eine zahme Satire über Nazis, Militarismus und die Bedeutung von Heldenmut, die ohne Anflug von Witz und Gewitztheit seine Plotpoints abgrast … und die am Ende doch einen Träumer zeigt, der durch den Krieg zum gefestigten Mann geworden ist, der im Hier und Jetzt steht.
Sonntag 01.12.
großartig
Das Einzige, was einen hindert, dies als RomCom zu umarmen, ist die Laufgeschwindigkeit, mit der Steve Martin am Ende zu John Candy zurückkommt. In einem offenen Liebesfilm wäre er gerannt, hier muss er sich aber immer wieder zum schnellen Schritt zügeln.
gut –
Zu Beginn brüllte der MGM-Löwe und in den Credits war zu lesen, dass das Drehbuch auf einem Bühnenerfolg basiert. Mehrmals fängt Keaton an, mit Ideen herumzuspielen, mit wildem Verkehr, mit tückischen Boxringabgrenzungen, uswusf. Jedes Mal muss aber die Geschichte vorangetrieben werden und die Idee, die für ein, zwei Gags diente, hinter sich gelassen werden. Und so dachte ich, dass dies eins dieser Prestigeprojekte war, in die MGM Keaton gezwängt hatte, wobei er seiner Freiheit und damit seiner Karriere beraubt wurde. Aber nach dem Film musste ich feststellen, dass der Film vor seinem Deal mit MGM produziert wurde. Dabei passt das Drehbuch einer Heimsuchung durch das eigene Überich wie die Faust aufs Auge – ein verweichlichter Mann verliebt sich in eine Frau aus einer Hinterwäldlerfamilie, die diese nur an einen richtigen Mann geben wollen, weshalb er vortäuscht Boxchampion zu sein; es geht also um jemanden, der sich inadäquat fühlt und dieses Gefühl vorne und hinten reingeschoben bekommt – so aber war der Zwang einer Vorlage schon hier als Falle erkenntlich, in die er dann halt später mit MGM tappte.
November
Sonnabend 30.11.
großartig –
Christoph, der meine Liebe zu Ustinovs Poirot teilt, hatte mir vor Jahren von diesem mir damals unbekannten Film erzählt. Ich habe ihn nun seit über einem Jahrzehnt aufgeschoben, weil ich ihn mit ihm schauen wollte. Nun habe ich doch nachgegeben und ihn mit der einzigen Person geschaut, mit der ich dies eben noch lieber gemacht habe, mit Lotti Z. Zugegebenermaßen habe ich aber ein wenig mit dieser Verquickung von surrealen Krimi endlos zickender Leute und Israels Staatsgründung gefremdelt. Die Gründe sind leicht auszumachen: die Erwartung einer lebensverändernden Erfahrung, der Umstand, dass ich mich noch in die Komplexe einfinden muss, ein leider etwas blasser Sir Peter Ustinov, dessen Verhältnis zu den verkommenen oberen Zehntausend an der knappen Spielzeit leidet.
gut
Die Vision des epischsten aller Handtuchtests.*
*****
* Vll. nötige Erklärungen zu dieser, natürlich, treffenden Beschreibung:
Grundlegend kann mittels eines Handtuchtests Härte und Stärke einer Erektion getestet werden, wie ich aus verschiedenen Quelle gehört habe. Es scheint Männer zu geben, die ein Handtuch aus ihren erigierten Penis legen, um zu schauen, ob er es tragen kann.
In Fancks Film geht es äußerlich um Berge, das Meer, Freundschaft und Skifahren, nicht um Handtücher und ihre Zweckentfremdung, klar. Es wird aber auch ein Musterbeispiel für das geboten, was Klaus Theweleit in MÄNNERPHANTASIEN beschreibt. Karl (Luis Trenker) verliebt sich in die Tänzerin Diotima (Leni Riefenstahl). Er ist ein Mann der Berge, der harten, aufrechten Felsformationen. Sie ist eine Frau des Meeres, eines umschließenden Nass, das Felsen abträgt – die Alpen werden ausdrücklich als das beschrieben, was den Auswaschungen des Wassers widerstand und nicht als Faltengebirge.
DER HEILIGE BERG ist ein unglaublich schöner Film von Landschaften und Traumbildern, aber auch ein sich träge hinschleppendes Gebilde, dass sich zuweilen in seinen Obsessionen verliert – und Riefenstahl viel zu oft und viel zu lang ihr komisches Gehopse aufführen lässt. Der Fluchtpunkt ist aber stets, dass Frauen Männer durch Umschmiegen, Behaglichkeit und Ejakulation zum Erschlaffen bringen, und dass Männer ihnen trotz Lust widerstehen müssen.
Es wird einem als epischer, aufopferungsvoller Kampf verkauft. Als Ringen mit sich, als hehres Ziel und Rettung männlicher Freundschaft. So steht Trenker zum Finale eine ganze Nacht auf einer eisigen, männlichen Anhöhe und darf nicht nachgeben, weil sonst sein Freund – wie er von Diotima verführt – in die Tiefe stürzt. Das langgezogene Finale kreist um ihn, wie er als Einmannerektion der Erschlaffung trotzt. Wie er im Sturm steht und sich nicht bewegt – aufrecht, hart, unbeugbar. Die Bürde eines Megahandtuchs reißt an ihm und will ihn niederringen, aber er steht bis zum Schluss seinen Mann.
Freitag 29.11.
nichtssagend
Überall Absprungorte für gute Filme – Themen: der Einfluss von Träumen auf unsere Wahrnehmung oder Narzissmus, Berühmtheit und Aufmerksamkeitssteuerung in unserer Medien-, Shitstorm- und Memekultur; Genres: Ehedrama, Horrorfilm, Unannehmlichkeitskomödie; szenische Möglichkeiten: surreale Träume, deren Verquickung mit der Realität, absurde Treffen von Leuten, die nichts mit einander gemeinsam haben; uswusf – nichts davon wird genutzt. Ein seichter Fluss netter Memes und Gifs ohne Atmosphäre.
gut –
Zack Mayo (Richard Gere) sehen wir erstmals in einer schäbigen Wohnung, in der sein Vater (Robert Loggia) nackt mit zwei nackten Frauen im Bett liegt – er kontempliert in die Ferne schauend seine Vergangenheit und wie er hier landen konnte, wir sehen Rückblenden und Loggias Schamhaar. Zacks Dank für sein Geburtstagsgeschenk, auf die Frauen weisend, legt nahe, dass er mit seinem Vater eine kleine, private Orgie gefeiert hatte. Danach bricht er auf, um bei der Navy Offizier und Jetpilot zu werden … und ein zivilerer Mensch, der seine Bindungsängste abbaut. Die Leute um ihn haben dabei ebenso mit ihren sozialen Gegebenheiten und ihren Ausgangslagen zu kämpfen, sie spiegeln Zacks Kampf auf verschiedene Art. Der Vater taucht nie wieder auf, weil auch alles, was Zack vom Offizier- und Gentlemansein trennt, mit seinem Aufbruch schon hinter sich gelassen ist. Ihm bleibt nur noch, seine kleinen Lektionen in Szenen zu lernen, deren Ziel deutlich absehbar ist. Vll. vermisste ich auch den sensationellen Anfang, wenn der Rest des Films mir wie Malen nach Zahlen vorkam, der von seinen tollen Schauspielern (vor allem: Debra Winger, klar) getragen wurde. Die quasi Fortsetzung TOP GUN ist dann doch in vielerlei Hinsicht interessanter.
Donnerstag 28.11.
großartig +
Ein Mann reitet mit schwarzem Hut, schwarzem Hemd, schwarzer Hose, schwarzen Stiefeln und schwarzem Derringer durch Mexiko. Selbst in dunkelster Nacht, in der seine Kleidung doch einmal untertaucht, sticht er heraus. Sein Körper ist von vorne eckig wie ein Brotkasten, von der Seite ohne Einbuchtungen wie eine Spielkarte – nicht mal einen Po hat er. Seine blonden Haare wirken so stachlig wie das Kleid eines Stachelschweins. Sein Gesicht ist in Stein gehauen. Er hat sie goldene Zunge eines Barden, mit denen er alle bezirzt. Die Agilität und Kraft eines Löwen strömt er aus, immer bereit sich andere untertan zu machen.
durch Mexiko. Selbst in dunkelster Nacht, in der seine Kleidung ausnahmsweise untertaucht, sticht er heraus. Sein Körper ist von vorne eckig wie ein Brotkasten, von der Seite ohne Einbuchtungen wie eine Spielkarte – nicht mal ein Po ist da. Sein blondes Haar wirkt stachlig wie das Kleid eines Stachelschweins. Sein Gesicht ist in Stein gehauen. Er hat sie goldene Zunge eines Barden, mit denen er alle bezirzt, und die Agilität und Kraft eines Löwen, immer bereit andere untertan zu machen.
Der von Kirk Douglas gespielte Bren O’Malley sollte über seinen Mitmenschen thronen, so sieht auch sein Selbstverständnis aus. Doch THE LAST SUNSET ist eine Heimsuchung für ihn. Weil er heraussticht, bleibt er immer außen vor. Mit Dana Stribling (Rock Hudson), mit dem er sich weite Teile des Films in einem Liebesdreieck befindet, bekommt er jemanden vor die Nase gesetzt, der zwar so potent ist wie er, den seine Mitmenschen aber als ang-nehm empfinden, der in der Liebe triumphieren kann, der nicht unterwerfen muss, sondern auch sozial leben kann. Das traurigste Bild des Films ist, wenn O‘Malley wieder in der dunklen Nacht steht, das Glück anderer sieht, seine ewige Trennung von einem solchen Glück versteht und in seinen Tränen (dem Regen) steht. Der Film verehrt ihn, betrachtet ihn gierig und ist doch darauf aus, ihm ein für alle Mal das Herz zu brechen.
Dalton Trumbos Drehbuch möchte seine Figuren und die Handlung hemmungslos durchpsychologisieren. Wortreiche Dialoge sprechen dahingehend eine deutliche Sprache. Aldrich stemmt sich aber dagegen an und lässt die Leute ebenso ausgiebig rumstehen und gucken … oder zeigt sie, wie sie ihres Weges gehen – es gibt einem Pausen zum Luftholen und den Figuren ihr Eigenleben zurück. Drehbuch und Regie scheinen sich so spinnefeind wie es die beiden Hauptfiguren sind. Und doch ergänzen sie sich vorzüglich.
Gerade die letzte halbe Stunde, in der das bisher nur angedeutete griechische Drama plötzlich alles bestimmt, wäre kaum mit dem Rest des Films, einem Herdetriebwestern mit den dazugehörigen Rache- und Liebestropen, zu vereinen. Aber Aldrich lässt hier seinen inneren Douglas Sirk zu sich kommen und macht das Melodrama, dass nur da ist, einen Grund für Selbstmord zu liefern, zu einem Ritt durch einen schwülstigen Irrsinn. Und so vereinen sich ein beredsames Drehbuch, ein Regiestil, der sich für Staub, Bewegung und Freiheit interessiert, aber auch zu grellem Wahnsinn neigt. Sie ergeben zusammen einen Steinbruch, der beständig am Innen und Außen seiner Figuren klöppelt und Seltsames, Brüchiges, Faszinierendes erarbeitet bzw. entstehen lässt.
Zusammengehalten wird diese Männlichkeitsmeditation übrigens von einer Frau, Dorothy Malone als Belle Breckenridge – Witwe, Jugendgeliebte von O’Malley, Lustobjekt aller Männer. Bei ihr zeigen sich auch die sirkschen Qualitäten Aldrichs, der sie als Ikone aus Selbstwert und Sex inszeniert. Sie verströmt Letzteres in jedem Bild und kämpft dabei mehr noch um die Selbstbestimmung ihres Körpers und um die Wahrnehmung ihrer selbst. Sie macht aus der ganzen Chose sowas wie eine epische, durchgeknallte Version von WAS FRAUEN WOLLEN.
Mittwoch 27.11.
großartig –
Eine Frau läuft nachts nach Hause, verfängt sich in Seidenstoffbahnen, durch die sie ein als Frau verkleideter Serienmörder jagt. Er zerschneidet die Stoffe wie ihren Körper, nur um sie am Ende mit ihrem eigenen Strumpf zu erdrosseln. Leong Po-Chih lässt von Beginn weg keinen Zweifel, dass wir einen sinnlichen, perversen Psychothriller mit Giallo-Anleihen sehen … nur um uns genau diesen Film nicht zu geben. Stattdessen verwandelt sich HE LIVES BY NIGHT mir nichts dir nichts in eine hochgradig alberne Komödie über das Liebesdreieck aus einer kompetente Radiomoderatorin (Sylvia Chang), einem inkompetenten Polizeiinspektor (Kent Cheng) und seinem Kollegen (Simon Yam), der nicht zu seinen Gefühlen steht. Selbst der Serienmörder und seine meist hochgradig ästhetisierte Opfersuche wird Teil des Spaßes, wenn eines der Opfer ihn durch die Dunkelheit verfolgt, weil sie denkt, dass er ihre Freundin wäre, die auch mal erschreckt werden muss. Wie der Spaß vom Thriller eingeholt werden wird. Oder anders: Der zu sein, der man ist und damit ein bisschen peinlich, und jemand anders sein zu wollen, als man ist, es sind hier beides Horrorvorstellungen, nur jeweils mit ganz anderen Mitteln. Oder noch anders: Was wäre die Welt ohne das Hongkongkino.
Dienstag 26.11.
gut –
Es ist wunderschön fotografiert und der Konflikt der Agenten von Verklemmung und Zwang mit der von Kathleen Turner toll gespielten Agentin perversen Selbstgenusses und -entwurfes ist schick, aber Ken Russell übersetzt es aggressiv in ironische Possenreißerei, die Schönheit mit Fäkalien bewirft. Was vielleicht ganz interessant wäre, wäre da nicht der Score aus der Feder und den Fingern Rick Wakemans, der zumindest mir die Zehnnägel umdreht.
Montag 25.11.
großartig +
Es schmerzt ein wenig zu sehen, wie die Montage den nicht mehr ganz beweglichen Sammo Hung schützen muss, und doch ist es eben mal wieder eine Möglichkeit, die schönen Bewegungen Sammos nochmal in einem wahnsinnig guten Film zu sehen. Mehr dazu bei critic.de … oder bei dem sehr schönen Text im Perlentaucher.
Sonntag 24.11.
großartig
Der direkte Auftakt ist inszeniert wie ein Film 1914: erst Texttafeln, dann Bilder, die das Beschriebene zeigen. Zunehmend gewinnt es an Zug und Modernität und eskaliert schließlich zur Keaton-Masterclass, die Zwischentitel ablegt. Und doch: der Film kommt schmerzhaft langsam aus den Puschen.
ok
Wahrscheinlich ein Film, der nicht direkt nach SEVEN CHANCES geschaut werden sollte, weil er dann wie eine kaum inspirierte Kopie aussieht.
Sonnabend 23.11.
gut –
George Pollock arbeitet einen Tick besser heraus, was die Stärke seines ersten Films mit Miss Marple war, dass eine Figur nämlich, die bis ins hohe Alter Lebenslust verspürt, Miesepetern entgegengestellt wird. Hier: Einem Polizeiinspektor (Charles Tingwell bereits zu einem Running Gag geworden), der auf eine klar abgesteckte Ordnung besteht, und einem Schiffsoffizier (Lionel Jeffries), der trotz (oder wegen) seines – im Vergleich zu Miss Marple – jungen Alters verklemmt und gehemmt ist und deshalb Souveränität nur behaupten kann. Stört eigentlich nur, dass ein Kriminalfall gelöst werden muss.
großartig
Boris Karloff, sich selbst spielend, aber einen anderen Namen tragend, wird als gotische Horrorfigur einem moderneren Konzept entgegengestellt. Hier die Schrecken aus Filmen von Hawks und Corman, dort ein Schütze, der nach André Breton die einfachste surrealistische Handlung unternimmt, nämlich blindlings in eine Menge zu schießen – er legt sich mit Gewehren auf Dächer und hinter Leinwände einer waffenvernarrten USA und feuert los. Karloff ist aber nicht Frankenstein et al, sondern ein ins Alter gekommener Schauspieler, dessen Kunst inzwischen mehr als angestaubt ist. Bogdanovich erzählt so von geschichtlicher Patina, von der nackten, kalten Angst in der Gegenwart, und der Gemütlichkeit eines Horrors, der schon lange vergangen ist. Im Jetzt sind wir immer von Irren und Psychopathen umgeben, während früher noch alles schön naiv war.
Freitag 22.11.
gut +
Eine Culture-Clash-Komödie, in der die Leute miteinander zu kommunizieren versuchen, obwohl sie (in vielerlei Hinsicht) nicht die gleiche Sprache sprechen. Das Europa eines Miteinanders, statt einer Nation, die über allen steht. Dass die deutsche Synchro das Französische herausstreicht und durch Deutsch ersetzt, ist also durchaus nicht die beste Idee. (Jetzt, vollständig im O-Ton, habe ich feststellen können, dass die zweite Hälfte auch so die schwächere ist. Aber wenigstens sind die Leute nicht mehr taub.)
großartig
Ein Vater (Jean-Claude Van Damme als Feuerwehrmann McCord) möchte sich das Ansehen seines Sohnes zurückerkämpft und wird dafür in einen minimal variierten STIRB LANGSAM-Klon gesteckt – statt eines Hochhauses wird ein prallgefülltes Hockeystadium als Geisel genommen und mit Sprengstoff gepflastert; der Jack Gruber-Ersatz fällt nicht aus dem Fenster, sondern in einer sehr ähnlichen Einstellung durchs Dach der Arena … in einem Hubschrauber sitzend, uswusf. Bevor es aber zur endgültigen Versöhnung von Vater und Sohn kommen kann, endet der Film einfach mit dem Ende der bewaffneten Auseinandersetzung. Während McClane also doch mit einem spürbaren Innenleben ausgestattet wurde, ist McCord lediglich eine lebendige Actionfigur, die von einem Thrill in den nächsten gesteckt wird – aus Gründen wird er auch als Torhüter entscheidend ins Endspiel eingreifen. Als wäre er das Spielzeug seines Sohnes, dass ihn siegen sehen möchte, egal wie groß das Hindernis/das Leid. Er rennt von Station zu Station und findet überall einen Kampf, um sich zu beweisen. Es gibt nichts außer der Action.
Donnerstag 21.11.
verstrahlt
Die Suche einer Detektivin (Myriam Mézières) im Trenchcoat nach einem verschwundenen Sohn führt in einen Sumpf aus Erpressung, Politik, Pornodrehs und Orgien. Nur ist das alles andere als hard boiled. Die Krimihandlung wirkt wie eine schnell improvisierte Skizze, wie ein beglücktes Wandeln durch ein Genre, das ganz witzig gefunden wird – mit einer eklatanten Liebe für Soap Opera-Figuren –, ohne es qualitativ nachahmen zu wollen. Mehr noch wirkt es aber wie der trister Alltag, der stets auf Ekstasen hinarbeitet – auf vergrisselte, schwarzweiße Pornoinserts, lottrige Musicalnummern, wuselnden Orgien, auf Verkommenes mit ästhetischem Glorienschein. Ein bisschen ist es wie mit den Soft- und Hardcoreszenen, während die einen sichtlich etwas vortäuschen, fühlen sich die anderen wie eine Befreiung an, als ob alles an seinen Platz fällt. Oder: ein Film wie die Collaboration von Rivette und Franco.
Mittwoch 20.11.
großartig –
Doriana (Lina Romay) wird nicht älter, da ihre Zwillingsschwester für sie Lust und Ekstase empfindet – so wird angedeutet. Die Schwester, die nur als Blitzableiter zu existieren scheint, ist folglich wie eine Irre weggesperrt, da sie ohne sichtbaren Grund in sexuelle Räusche verfällt, wenn sich Doriana mit jemanden vergnügt. Dies bietet den Hauch einer Handlung, der sich durch einen Film zieht, der Konsequenzen nur allzu gern von sich abfallen lässt. Die Bilder schwelgen in nackten Körpern, in antiken Palästen, in Regenbögen, Wasser und Licht. Kaum etwas gewahrt einen an sinnhafte Zusammenhänge oder an eine Zukunft, zu der sich hinbewegt werden würde. Der Film verweilt in zufälligen Szenen und, noch schöner, Augenblicken. Alles ist darauf ausgerichtet Gegenwart zu sein. Erwin C. Dietrich erzählte einmal, dass Franco ihm den Film geschenkt habe, damit er auch mal davon profitiere, wenn Franco immer wieder nebenher zweite und dritte Filme bei offiziellen Produktionen drehte. Und was für ein Geschenk es ist, eine Ewigkeit im Jetzt.
Dienstag 19.11.
gut
Vielleicht hat mich AVENTURERA auf immer verbrannt, aber egal wie gut die Rumberas waren, die ich danach sah, ich war immer enttäuscht, weil sie nicht ansatzweise so fiebrig waren, wie dieser heilige Gral des Genres. Mehr dazu bei critic.de.
Montag 18.11.
fantastisch –
Ich weiß nicht, ob wir den Film damals von Anfang an schauten. Ich weiß nur, dass ich bei meinen Großeltern übernachtete und ich ausnahmsweise länger aufbleiben und mitgucken durfte. Meine erste sichere Erinnerung ist der (hochgradig paranoid inszenierte) Spaziergang zwischen den Säulen vor Abu Simbel und die POV-Perspektive von jemanden, der engen Treppen hochhechelt, um einen Stein auf seine Mitmenschen fallen zu lassen. Vll. sind Opa und Oma erst kurz davor bei TOD AUF DEM NIL hängen geblieben, vll. fing er da meine Aufmerksamkeit ein. Später musste ich jedenfalls allein ins Schlafzimmer vorgehen, wo ich auf einer Couch schlief. Ich drehte mich zur Wand und traute mich nicht, mich umzudrehen, weil dort ja sonst was lauern könnte. Der Film hatte es mich gelehrt: niemand ist, wie es scheint; irgendwo kann immer jemand lauern, der einen belauscht und sich nur als Fratze dem Zuschauer, aber nicht den Anwesenden offenbart; jedem ist alles zuzutrauen. Die Leute sind niederträchtig, hinterfotzig und fügen sich für minimale Vorteile – als nichts mehr erschien mir Reichtum – unfassbare Schmerzen zu. Die verschwitzte, fahle Haut der körperlich Leidenden, ihre Schmerzensschreie, bei denen ihnen in den Hals runtergeschaut werden kann, so weit sind ihre Münder aufgerissen erzählten potent von den Folgen eines solchen Seins.
Heute besteht der Film für mich zur Hälfte aus Flashbacks an ein hypnotisiertes Ich, das dann in der Dunkelheit Qualen litt. Es hat sich mir eingebrannt und der Gram, den er auslöste, ist inzwischen etwas Süßes geworden. Ich bin deshalb womöglich sehr parteiisch, was den Film angeht – andererseits habe ich DAS BÖSE UNTER DER SONNE erst viel später gesehen und ein ganz anderes Verhältnis dazu, trotzdem liebe ich ihn auch. Manch einer wird sagen, dass Guillermin spätestens dann mit seinem stickigen, ausladenden, redundanten Portrait einer hundsgemeinen Gesellschaft übertreibt, wenn er bei fast jedem Verdächtigen auch noch zeigt, wie dieser den Mord hätte begehen können. Aber gerade dass er jeder Möglichkeit reale Bilder gibt, ist für mich das Testament, dass alles möglich ist, dass die Paranoia uneingeschränkt herrscht. Dazu eben Bette Davis in Höchstform, was braucht es mehr.
*****
Ich habe es mit meiner 8-jährigen Tochter geschaut. Ich achtete drauf, dass wir nicht so starten, dass sie danach gleich ins Bett muss. Ich habe mit ihr über den Film gesprochen und hatte nicht den Eindruck, dass ich in ihr den gleichen Horror ausgelöst habe. Nach einem Barbie-Whodunnit hatte ich ihr von Agatha Christie-Verfilmungen erzählt. Sie ist nun Feuer und Flamme, und ich freue mich sehr, die Filme mit ihr zu teilen. Sie reagierte bei denselben Stellen wie ich damals. Bei Madame Otterbournes Kopfschuss bat sie den Mörder, dass Schießen doch endlich mal sein zu lassen, weil es reicht. Mit ihr bemerkte ich eben doch einmalmehr, was für ein Horrorfilm das doch eigentlich ist.
Sonntag 17.11.
nichtssagend
Bevor eine suizidale Frau das Gas aufdreht, klebt sie noch alle Fensterritzen ab – damit das Gas nicht entfleucht? Kurz bevor sie fertig ist, geht ihr aber das Gaffer-Tape aus. Die Montage des Abklebens endet mit einem Blop: Es ist eine wunderbare, klassische Woody-Allen-Pointe. Ich habe sie sehr genossen, weil ich den Rest des Films über nicht sicher war, ob Allen diese Karikatur eines strengen Seelendramas wirklich ernst gemeinte. So konnte ich lachen, ohne dass ich mich niederträchtig gefühlt hätte. Hier und da gibt es sicherlich tolle Momente, wie die wiederholt starrenden Gesichter, die von Kameramann Gordon Willis eingefangen werden, als würden diese gleich platzen, als wären sie Alpträumen entnommen, um uns heimzusuchen. Aber so wie die Strenge schnell einknickt – die kargen Aufnahmen karger Wohnungen, die das dortige Familienleben spiegeln sollen, werden alsbald zu Gunsten von Räumen für endloses Reden aufgegeben –, so heißt Drama bei Allen, dass alles ist wie immer, nur dass er sich die Pointen verkneift – soweit er das durchhält. Das Ergebnis ist das Zeugnis eines Filmemachers, der sich selbst verleugnet und jemand anders sein will. Und als sich die drei Schwestern zum Schlussbild nebeneinander positionierten, um nachdenklich aus dem Fenster/in die Zukunft/die Vergangenheit zu blicken, dann musste ich schlussendlich doch lachen, weil der Wille zur prätentiösen Ernsthaftigkeit nur noch absurd war.
Sonnabend 16.11.
verstrahlt
Eine Lehrerin (Bette Davis) erzählt ihrer neuen Klasse von ihrem Schicksal als Gouvernante in Paris. Sie versucht ihre Schüler davon zu überzeugen, dass sie niemanden zu einem Mord anstiftete – wie die Klatschpresse behauptet. Diese Klammer gibt der unförmigen, langatmigen, schamlosen Geschichte das rettende Setting. In ihr gibt es keine Grautöne. Hier eine gefährdete Idylle. Tristkinder und eine keusche Liebe, die entweder in sentimentalem Glück baden oder am Gift einer Person leiden. Dort eine alptraumhafte Ehefrau, die ihre Familie in den Wahnsinn und den Tod treibt. Alpdruckbilder einer Furie, die nur aus Egoismus und Paranoia besteht. Hier eine Frau in Weiß, dort die Schuld in Schwarz. Hier christliche Liebe und Verständnis, dort katholischer Wahn und Beklemmung. Für sich wäre es dubios, so ist der dreist einseitige Versuch einer Reinwaschung. Und als solcher sensationell.
gut
Der größte Teil zeigte mir kein Mysterium, sondern erinnert mich an mein Studium. Dort kritzelte ich während der Seminare und Vorlesungen vor mich hin, malte neben meine Notizen ein paar Striche und guckte, wo sie mich hinführten. Während wir hier also Leinwände sehen, hinter denen Picasso sitz und vor unseren Augen eine improvisierte Zeichnung entstehen lässt, fühlte ich mich ganz heimisch. Auch weil zu sehen ist, wie sehr er nur mit Wasser kocht. Am spannendsten ist das letzte Bild, dass er endlos ändert, übermalt und zu keinem Stillstand findet. Hier setzt der kritische Moment ein, während der Rest hingenommen wurde, wie er kam. Was stört ihn hier? Was sucht er? Welche Motive bleiben bestehen, während andere auftauchen und wieder verschwinden? Das Ergebnis ist nicht nur ein Blick auf den kreativen Prozess Picassos, sondern vielleicht eins seiner besten Werke, weil es keinen festen Ausschnitt aus der Zeit zeigt, sondern veränderlich und vergänglich ist.
großartig
Mir persönlich hat die Exposition am meisten gegeben, in der es ums Pupsen, Saufen und um Außerirdische ging, die eine witzig-lallende Babysprache benutzen. Es folgen anstrengende Themen, denen sich kontraproduktiv genähert wird. Themen wie das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, Verlust, Zeitenwandel und Kapitalismus wird sich entweder sentimental angenommen oder mit einer als Kalauer getarnten Bissigkeit, die eine Auseinandersetzung abwehrt. Vll. lag letzteres an der Synchro, vll. ist es gerade die traurigste Note dieses traurigen Films übers Älterwerden. Wir müssen in einer Welt weiterleben, die wir immer weniger verstehen, und nach und nach gehen die Dinge verloren, die einem wichtig waren. Die Flexibilität lässt nach. Schwer zu verhindern, dass Muff und Verbiesterung Einzug halten.
großartig
Miloš Forman nimmt sich deutlich mehr Freiheiten mit der Vorlage und konzentriert sich weniger auf deren (moralisch motivierten) Twists und Turns. Stattdessen fließt die Geschichte in seiner Hand geschmeidiger. Er zeigt Leute, die auch Spaß damit haben, was sie machen, die mehrdimensionaler sind als die groben Typen, als die gequälten Seelen, die leiden lassen, weil sie selber leiden, und dafür bestraft werden müssen. Vor allem das Ende ist stiller, aber auch fieser. Die eigene Perversion und die der Figuren wird überhaupt weniger nachdrücklich herausgestellt als in DANGEROUS LIAISONS. Auf den ersten Blick ist VALMONT zahmer, aber die nackte Haut ist für Forman eben kein Gimmick, sondern etwas, dem mit Lust begegnet wird. Das Rascheln des Stoffes ist hier intensiver als die Show bei Fears. Die Kamera bleibt mehr auf Distanz und beobachtet – d.h. lauert –, statt zu präsentieren. Die Leute im Film rennen, bewegen sich fast durchgängig, lehnen sich über Balustraden, um etwas zu entdecken. Der Tumult des Selbst (mit den eigenen Trieben), statt ein Blick nach außen. Oder kurz: Miloš Formans Film ist geil, während Frears Version des Stoffes uns geiles Zeug zeigt.
Freitag 15.11.
gut –
Eine französische Ensemble-Komödie, die um Jean-Claude Van Damme aufgebaut ist. Der Witz: in seiner absurden Übermenschlichkeit scheinen alle lächerlich. Sobald er also fehlt, zünden die Pointen gleich nicht mehr.
großartig –
Zu Beginn machen sich Leute bereit vor ihre Mitmenschen/ein Publikum/uns zu treten: Aufstehen, Perücke anlegen, pudern und schminken. Der Film endet mit einem Abschminken, der Auftritt ist zu Ende. Einerseits kann sich die betreffende Person abschminken, die Leute weiter zu täuschen – sie ist erkannt –, andererseits ist die Geschichte vorbei. Diese doppelte Dimension des Rahmens durchzieht den Film. Es geht um Nattern, die sich – ihres Lebens und ihrer Umwelt überdrüssig – verstellen und für den Kick Zwietracht säen. Der Film ist dabei spürbar konstruiert und präsentiert seine Dekolletés, nackten Körper, die Durchtriebenheit und ihre Sühne als lustvolles Spiel, dass über die Präsentation von Fetischen aufgebaut ist. Es spricht für, wie gegen ihn. Die Lust an schmieriger Perversion ist ein reiches Vergnügen, aber ich werde das Gefühl nicht los, etwas präsentiert zu bekommen, dass nur aufgesetzt ist.
Donnerstag 14.11.
ok
Wie im Vorgänger reißt ein Schauspieler den Film an sich, darf aber nicht die Hauptfigur sein. Auch sonst wird Tradition hochgehalten. Mehr dazu auf critic.de.
Mittwoch 13.11.
gut
Die Fortführung von ONE WEEK. Ein Haus irrsinniger Gimmicks, die das Leben einfacher machen sollen, aber nur für Chaos sorgen. Und die Gimmicks sind toll, aber teilweise wirkt es, als lasse sich Keaton wie früher bei Arbuckle ständig akrobatisch hinfallen, weil ihm die nächste Idee fehlt.
gut –
Der vielversprechende Anfang: Orientierungslos werden wir mit einem orientierungslosen Keaton zwischen gespenstischen Attraktionen. Er ist in einer Art Geistbahn. Von da aus geht es weiter zu einer Ballonfahrt, die nach wenigen Minuten zu einem launigen Allerlei mit Booten, Wasser und Fischen wird. Alles, was den Beginn so attraktiv macht, lässt er dabei größtenteils hinter sich.
gut
Zwischenzeitlich wirkte es, als sei Keaton zu Langfilmen gewechselt, da Zwanzigminüter ihm immer weniger Platz boten und seine Filme zunehmend aus allen Nähten platzten. Die letzten Filme erscheinen nun aber im Gegenteil so, als wären sie auf ihre Spielzeit gestreckt. Hier eine Idee, da eine Idee, irgendwie verbunden. Keaton wird nun auf hoher See mit einem Tyrannen auf engen Raum eingesperrt. Heißt: hier die drakonischen, überzogen, lakonisch akzeptierten Maßnahmen, da die Verfolgungsjagden und das Verstecken auf kleinem Ort. Es sah aber nicht so aus, als ob jemand ein größeres Medium bräuchte.
Dienstag 12.11.
gut –
Commodus (Joaquin Phoenix) steckt ein Stachel im Fleisch. Weder liebt ihn sein Vater Marc Aurel (Richard Harris), noch achtet er ihn. Zu aller Zeit nagt die Angst an ihm, dass auf ihn herabgeblickt, dass er hintergangen wird, er driftet gen Wahnsinn. Phoenix spielt ihn als fragilen Psychopathen, als jemanden, der sich anstrengt stark und gefasst zu wirken, der aber wie ein rohes Ei angefasst werden muss. In ihm könnte Scott seinen Nero oder seinen Caligula finden, ein perverses Kleinkind, das ein dekadentes Rom regiert. Doch neben einer verschämten, maximalst entschärften Andeutung von inzestuösem Sex und den für die Handlung nötigen Auftritten hier und da bleibt er doch nur der Spiegel, in dem Maximus (Russell Crowe, der stets treudoof blickt) und seine Reinheit glänzen sollen. Der schmierige, bedrohliche Sumpf, den Genre, Dialoge und Potentiale versprechen, zeigt sich nur bedingt.
Stattdessen interessiert sich Gorebauer Scott für Brot und Spiele. Bzw. für sich Abschlachtende. Krieg mit Soldaten, Schlachten von Gladiatoren, ein Massaker an Unschuldigen: immer wieder läuft es auf genüsslich zelebrierte Zerstörung hinaus. Aber auch diese bleibt etwas schwerlos. Nur bedingt schaut der Film auf zerbrochene Körper und aufgeschnittenes Fleisch. Dafür platscht das Blut nur so. Einmal in einer dicken Fontaine über die ganze Leinwand, die aus dem Nichts von unterhalb des Bildausschnittes hochschießt.
Diesem irdischen Matsch stellt Scott wunderschöne, noch körperlosere Prätention entgegen: Hände, die durch Ähren streichen; halbbewussten Körper, die knapp über der Oberfläche schweben; oder eine entfärbte Heimat, die uns als Elysium nach dem Tod empfangen wird. Aus dem fließenden Blut erwachsen so Sehnsucht und Melancholie. Wann wird es endlich hinter sich gelassen? Frieden bringen jedenfalls nur die Verdrängung der Realität und der Tod.
Phoenix, Blut und Feier des Jenseitigen machen GLADIATOR durchaus zum Genuss. Aber es verhält sich wie mit den eingebauten historischen Genauigkeiten. Es sind pflichtschuldig eingefügte Körner, die dem frei fabulierenden Drehbuch den Anschein einer Verankerung in der römischen Geschichte geben. Und so sind auch die Schönheiten ein wenig vereinzelt in einer schwerfällig vorwärtsschreiten, dünnen Geschichte, in zu viel Gerede.
Trotzalledem ist dies ein wunderschöner Film über den Westen, die Erwartung des eigenen Untergangs, die Barbaren, die an den Rändern auf die Übernahme warten, und die Herrscher (Bush, Trump), die die Gesichter dieser Angst sind.
Montag 11.11.
verstrahlt
Eine überdrehte High-School-Komödie, eine illegitime Street-Fighter-II-und-Super-Mario-Verfilmung, eine Wong Jing typische Herausforderung all dessen, was Qualität und guten Geschmack sein sollen: Bei allen Schwächephasen und den Unmengen, die nur leidlich funktionieren, ist es eben doch eine Erfahrung. Minimuspunkt: Jing weiß so viel mit Dhalsims langen Gliedmaßen anzufangen, dass es eine Schande ist, dass dieser nur eine Nebenfigur bleibt.
Sonntag 10.11.
gut +
Eine Show für Margaret Rutherford. Zu sehr sogar, da die Familie der Erbschleicher, Exzentriker und Schurken aber zu wenig Raum bekommt.
Sonnabend 09.11.
fantastisch –
Es ließe sich sagen, dass dies ein gefällige Ansammlung von ehemaligen Stars ist, die sich einfach nur endlos anzicken und die fürs Auge in eine Luxuswelt endlos blauer Himmel, azurner Meere und weißen Stränden versetzt wurden, in denen ihnen alle nicht Protagonisten Untertan sind. Zur Abrundung der Ödnis gibt es noch Wiederholungen und Erklärungen. Und darauf würde ich antworten: Hell yes! Endlose Paranoia und endlose Cat Fights in einer dekadenten, vergammelten Welt. Was gibt es daran auszusetzen?
großartig +
1. Endlich weiß ich, was das Finale von THE NAKED GUN 33 1/3 parodiert.
2. Hot Take: Die ganze Filmhandlung ist von Frank Farmer (Kevin Costner) erträumt. Die letzte Einstellung trägt nämlich mitnichten christliche Symbolik in sich, sondern zeigt den Bodyguard eines Geistlichen, der sich tödlich langweilt und seine Gedanken schweifen lässt. Diese Perspektive lockert zumindest das auf, was im Folgenden beschrieben wird.
3. Wie Van Damme in INFERNO ist Frank Farmer the man, who risks his neck for the brother man, the cat, that won’t cop out, when there’s danger all about, und a sexmachine to all the chicks. Es ist aber nicht genug, dass er jede Auseinandersetzung dominiert – oder wenigstens meistert – und dass Superstar Rachel Marron (Whitney Houston) und ihrer Schwester (Michele Lamar Richards) ihr Interesse/Verlangen/Liebe ohne große Umwege ins Gesicht geschrieben steht, mehr noch schaut Rachels Sohn (DeVaughn Nixon) zu ihm auf, als habe er endlich seinen Ersatzvater gefunden. Die Zuneigung stürmt auf Frank ein, doch herb muss er dagegen ankämpfen, da es seine (Selbst-)Kontrolle bedroht. Liebe ist eben immer und überall Drama: Glamour, Agenten, Ja-Sager, die schnellgeschnittenen Kostümproben, Musikvideoshots und Konzerte sind allesamt Agenten dessen, dass Rachel etwas neben Frank in ihrem Leben haben, dass sie einen eigenen Willen haben könnte; der Psychokiller, der selbst die ländliche Idylle heimsucht, ist die Manifestation von Verlustängsten und Ängsten vor all dem Unwägbaren. Ein Film wie das raue, salzige Meer, das stürmisch um den erigiert dastehenden Frank Farmer brandet.
4. Das Katana, das so scharf ist, dass es ein seidenes Tuch teilt, das langsam nach unten schwebt und auf dem Schwert landet, ist romantisch und pervers zugleich, ein Versprechen von Potenz und eine Warnung. Sensationell.
Freitag 08.11.
gut –
Die DVD hatte ich mal geschenkt bekommen und schon mehrmals aufgeschoben. In meiner Erinnerung lag das daran, dass das Seitenverhältnis nicht korrekt war. Und tatsächlich ist es mehr oder weniger Open Mate, wenn auch rundum etwas beschnitten. Aber während ich schaute, kam die Erinnerung wieder, dass sie auch geschnitten war. Warum ich sie damals nicht sofort entsorgte, ist mir schleierhaft. Wohl oder übel habe ich es trotzdem zu ende geschaut und erst danach bei Schnittberichte erfahren, dass 20 Minuten Sex, Drogen und Gewalt fehlten. Jetzt stecke ich in einer Zwickmühle: den Film neu besorgen, weil ich ihn vll. bisher verkannte, oder es auf sich beruhen lassen, weil alles mit Van Damme, der einen besoffenen Selbstmörder spielt und in einer Art YOJIMBO landet, zwar sehr toll ist, aber die 1990erJahre Post-Tarantino-Actionklitsche mit seinen skurrilen Charakteren wirklich nicht so aussah, als ob sie von Sex und Gewalt entscheidend gerettet werden würde.
tba.
Frite sans maillot [Die nackte Poolnudel] (Matteo Salanave Piazza, F 2024) – ok
Jmenuju se Edgar a mám krávu [My Name is Edgar and I Have a Cow] (Filip Diviak, CZ 2023) – ok
Hai oder Hyäne (Britt Dunse, D 2023) – nichtssagend
The Creators (Madeleine Homan, UK 2023) – ok +
Und dänn… [Und dann…] (L. Graf, T. Nuijten, R. Stalder, CH 2022) – gut
Felt Cute (Anna Karín Lárusdóttir, IS 2023) – gut
Historien om Bodri [Bodris Geschichte] (Stina Wirsén, S 2022) – gut
Beurk! [Bääähhh!] (Loïc Espuche, F 2024) – großartig
*****
Lotti Z. ist nach Logo hängen geblieben und schaute dieses Kurzfilmprogramm. Es bestand größtenteils aus Filmen, die, ob sie nun absurd, wohlfühlig oder spaßig waren, sichtlich Kindern etwas vermitteln wollen. Die das leere Gefäß füllen wollten. (Die schönste Ausnahme bildet UND DÄNN…, der einem rein gar nichts näherbringen möchte, sondern den Eingebungen einer von unterschiedlichen Kindern entsponnen Geschichte folgt.) Gerade ein Film über das Erwachsenwerden wie FELT CUTE leidet unter der Allgegenwart einer Agenda. Bei aller Schönheit fehlt ihm dann doch einiges zu einem Film wie BEURK!, der bei allen Implikationen zuvorderst doch einfach nur von einer Liebesgeschichte erzählt und darauf ausgelegt ist, Leid und Glück der Liebe adäquat und inspiriert einzufangen.
Kurz vor Schluss kam mit HISTORIEN OM BODRI ein Film über die Shoa. Mittels fluider Zeichnungen wird die Kindheitserinnerung eines jüdischen Mädchens bebildert, die mit ihrer Schwester das KZ überlebte. Die Geschichte/ihr Schicksal war das gleiche, wie es aus vielen anderen Geschichten bekannt ist – gerade in dieser Universalität liegt das Erschreckende: erst dürfte sie nicht mehr mit ihrer nichtjüdischen Freundin spielen, dann blieb die Familie lieber zu Hause, Bänke trägen irgendwann die Aufschriften, dass sie von Juden nicht genutzt werden dürften, schließlich wird die Familie deportiert, die Kinder von den Eltern getrennt. Der Aufhänger ist, dass das zurückkehrende Mädchen auf ihren Hund Bodri trifft, der die ganze Zeit auf sie zu Hause gewartet hat.
Es endet mit einer Überblendung der beiden gezeichneten Geschwister zu einem Foto, dass sie als alte Frauen zeigt. Lotti fragte nun, wer die sind. Und ich wollte ihr einfach nur sagen, dass das eben die beiden Mädchen in alt sind … aber ich bekam keinen Ton heraus. Hätte sie nicht gefragt, ich hätte nicht mal mitbekommen, wie sehr es mich berührt hat, dies mit meiner achtjährigen Tochter zu schauen. Ich bekam es irgendwann zwar rausgepresst, aber es führte dazu, dass mir die Tränen in die Augen standen. Sie guckte etwas irritiert und wollte mich trösten. Wer denkt sich sowas auch aus?, sagte sie und unter langsam fließenden Tränen sagte ich ihr, dass es nicht ausgedacht war. Wir haben uns dann gedrückt.
*****
Der KIKA hatte übrigens kein Budget für die Synchronisation der Filme. Stattdessen sprach ein Sprecher den Text über die Bilder. Ein Grauen.
fantastisch +
Es ist ein abgekartetes Spiel. An der Liebe des Titels sind mehrere Mienen angebracht. Der Aufbau macht die Intention unverkennbar. Eine kleinbürgerliche Lehrerin (Jennie Linden) verliebt sich in einen bellenden, aber nur passiv-aggressiv beißenden Libertinären (Alan Bates). Ihre Schwester (Glenda Jackson), eine nach mehr gierende Künstlerin, verliebt sich in einen Industriellen (Oliver Reed), der die Natur und seine Frau unterwerfen möchte. Die beiden Advokaten der freien Liebe verbandeln sich also mit jemanden, der allein geliebt bis angehimmelt werden möchte. Es ist nichts als Sprengstoff. Noch dazu lieben sich die Männer, die nur Ringen als Ausdruck ihrer homosexuellen Begierden besitzen, mehr als sie ihre Frauen lieben. Diese brisante Mischung muss den vier Protagonisten ins Gesicht explodieren.
Das Ergebnis könnte fürchterlich sein, aber Russell, der makabre Clown greller Oberflächen, und D.H. Lawrence, ein Symbolist, der sich in den Gegensatz aus bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaft und subjektiven Lusthaushalt verbeißt, ergänzen sich hervorragend – bzw. Russell und das Drehbuch, das Larry Kramer aus der lawrence‘schen Vorlage herausholt. Anderthalb Stunden kommt der Film nicht zur Ruhe, und Russells Raserei hat einen festen Grund, verwurzelt in der portraitierten Gesellschaft einer Mienengemeinde und in körperlichen, geistigen Begierden. Optische Widersprüche – bspweise fahren die beiden Schwestern mit feinen, farbenfrohen Sachen mit einer Straßenbahn voller Arbeiter, die von oben bis unten schwarz sind – und grimmige Gleichsetzungen – der jeweils erste heterosexuelle Sex zwischen den Paaren wird per Montage jeweils mit einem Sterbefall verbunden –, exzentrische Bon-Mot-Tiraden, Rennen, Tanzen, Schwimmen, Ringen im Schweiß evozierenden Kaminfeuer, exaltierte Überblendungen und Kameraschwenks: eine Rastlosigkeit herrscht vor, die immer auf die abrupten Stimmungswechsel hinarbeitet. Geht es doch um vier Leute, die sich herausfordern – zu Dingen, die über ihre eigenen oder die Grenzen der anderen hinausgehen. Immer wieder stehen die Wahnsinnigen der Liebe vor den mal subtil, mal gehässig präsentierten Scherbenhaufen ihres Tuns.
Das Ergebnis ist ein sagenhafter Film voller sagenhaften Szenen und Sequenzen, die sagenhaft aufgenommen (Kamera: Billy Williams) und geschnitten (Michael Bradsell) sind. … bis die letzte halbe Stunde einsetzt. Der Scherbenhaufen to end all Scherbenhaufen. Nach der Heirat: Urlaub in den Alpen. Eine weiße Landschaft dominiert die Bilder, die Abgeschmacktheit von Russells Stil hat keinen Gegenpol mehr. Vier Leute stecken fest und müssen in oberflächlich fröhlicher Stimmung ausbaden, was sie sich einbrockten. Je nachdem, wie es gesehen werden will, macht dieses Ende den Film langatmig oder es endet mit dem bitterbösen Kater, den der davorliege Rausch verdient.
Donnerstag 07.11.
ok +
Ein wenig Zerstörungswut mit einem großen Magneten, einer Lötlampe, einem Sattelstoßdämpfer und einem Luftballon. Macht kaputt, was euch kaputt macht – und wirkt dabei, als wären es nur Unfälle.
gut –
Fernando Martín Peña, derjenige der auch die vollständige Version von METROPOLIS entdeckte, fand auch eine verlorengegangene Version von THE BLACKSMITH, die Keaton anfertigte, weil er mit seinem Film nicht zufrieden war und die er eigentlich veröffentlicht sehen wollte. Neben kleineren Änderungen lässt er unverständlicherweise die sehr schöne Einführung des Originals wegfallen. Zum Ausgleich ersetzt er die behäbigste Sequenz durch eine wilde Verfolgungsjagd … womit er den besseren Film erhält, aber immer noch keinen seiner besten.
verstrahlt
George Lucas wollte irgendwann nicht mehr, dass Han Solo als erster geschossen hatte, und änderte seinen Film. Buster Keaton schießt in dieser Ansammlung unzusammenhängender, aber eben guter, teilweise makabrer Ideen, die traumgleich zusammengefügt wurden, als erster und macht noch einen seiner besten Pointen daraus.
gut
Übrig gebliebene Ideen aus anderen Filmen oder Ideen, die Keaton vielleicht erst nach deren Fertigstellung kamen, werden hier sichtbar zu einer knappen Handlung über einen Mann zusammengeschustert, der durch die Welt reist und verschiedene Jobs ausprobiert. Das Ergebnis ist zwangsläufig durchwachsen, aber von einer Vielzahl von Cops verfolgt zu werden, ist für Keaton offenbar eine Quelle, aus der er endlos schöpfen kann und die ihn nie enttäuscht.
Mittwoch 06.11.
großartig
Innerstes bei aller Peinlichkeit zeigen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Der Suche eines Ehepaars nach ihrer weggelaufenen Teenagertochter werden dokumentarisch anmutenden Aufnahmen aus einem Casting entgegengestellt, bei dem junge Leute vorsingen. Die Annäherung der Eltern an die völlig fremde Lebenswelt der Hippiejugend und die damit einhergehende Erkenntnis, doch noch ein eigenes Leben zu haben, sowie die Impressionen von jungen Leuten fliegende Pferde singt, oder Carly Simon), die nach einem Ausdruck ihrer selbst suchen, die ihre Zeit absitzen, denen noch der Absprungpunkt fehlt, sie kommentieren sich gegenseitig. Die Traurigkeit des einen gleicht der der anderen. Gerade der Ton vom Casting liegt immer wieder über den Bildern der Eltern. Der Generationenkonflikt ist bei Forman eine Möglichkeit von einander (und gerade dem Scheitern des anderen) zu lernen. Trotz dass er sich verwehrt, das Gezeigte auf einen Punkt zu bringen, und bei allen wilden Stimmungsschwankungen – vom intensiven Cassavetes-Drama zur Z.A.Z.-Komödie geht es mitunter mit einem Wimpernschlag –, ist dies vor allem ein Hoffnungsschimmer, da wo uns sonst allzu oft ein Stellungskrieg gezeigt wird. Am beste: Vincent Schiavelli erklärt uns und einem Saal mit verzweifelten Eltern wie richtig gekifft wird, sowie Mary Mitchells ODE TO A SCREW.
Dienstag 05.11.
großartig +
Jean-Claude van Damme erzählte auf der Promotour, dass es mal ein sehr schönes Drehbuch namens THE COLONY gab, es wäre aber geändert worden, bis es ein seltsames Etwas geworden war. Die Ausgangsidee ist nur noch ein Farbtupfer von vielen. Eine der ersten Actionsequenzen findet nun auf einem Jahrmarkt statt, und obwohl die Schauplätze und der Mittelpunkt der Handlung ständig wechseln, verlassen wir ihn nie. So bunt, grell und affektgesteuert wie Dennis Rodmans Äußeres ist das Ergebnis geworden. Wir bekommen Panzerwagen, die durch Züge springen; eine Hightech-Weltpolizei aus toterklärten Agenten, die auf einer Insel festgehalten werden; Unterwasserlasernetze, ein Orden von Computermönchen; Massenkloppereien inmitten von Touristenmassen; ein Finale im römischen Kolosseum mit Minen, einem Tiger, einem Baby, einem Scharfschützen, einem Motorrad und einer enormen Explosion, deren Hitzewelle durch einen Cola-Kühler gebrochen wird. Dem Finale hätte vll. etwas Konzentration und nachhaltige Eskalation gutgetan, aber ansonsten ist es ein nicht enden wollendes Vergnügen geworden, nicht trotz, sondern gerade wegen Tsuis Fahrigkeit, dessen vielseitigen Gegenstände er durch seinen straffen Attraktionsstil zusammenhält. Und gerade Van Damme sah wohl nie besser aus.
Montag 04.11.
gut –
Die verzerrte Freiheit, die Jugendliche eben finden, wenn sie nichts als Enge kennenlernen. Der Horror funktioniert zwar nicht, der seltsame Abhängfilm ist aber schon schön. Mehr dazu bei critic.de.
Sonntag 03.11.
nichtssagend
Burton wollte wohl einen Film über den verrückten Hutmacher (Johnny Depp) machen. Ihm wurde aber der Murks der Rückkehr einer jugendlichen Alice (Mia Wasikowska) ins Wunderland aufgezwungen, die dort lernt, gegen die Enge eines sexistischen Bürgertums aufzubegehren. Anders ist dieses blutleere Etwas kaum erklärbar, das am schönsten ist, wenn es immer wieder wirkt, als wären der Hutmacher kurz davor mit Alice rumzumachen – nur ist er gehemmt (psychisch, durch Disney) –, oder wenn Anne Hathaway ihre weiße Königin höchst awkward als Aufziehballarina und Diktatorin in spe hinter der aufgesetzten Maske übertriebener Freundlichkeit spielt.
ok
Sicherlich gibt es nicht viel, was für dieses JUMANJI-Version spricht, bei der sich Leute von heute in einem fantastischen Mittelalter wiederfinden und dort nichts ins Bild passen. Aber die Hingabe mit der sich den flachen Witzen und Running Gags gewidmet wird, ist mindestens eindrucksvoll und sympathisch.
Sonnabend 02.11.
gut –
Immer wieder bricht die Realität des Films. Mal steht Louis de Funès plötzlich im Theater auf der Bühne und erzählt seinen Monolog nicht mehr in der Küche, sondern vor einem König. Mal stehen Pferde, über die geredet wird, nicht da, sondern wurden von Uderzo nur an die Wand gemalt. Mal ändern sich Garderobe oder Aufmachung des Handlungsorts mit einem Schnitt – als Pointe und dramaturgische Verdichtung. Eine Schublade ist beim Öffnen dreimal so lang wie der Schrank, in dem sie steckte. Die Wände schmücken mal große Seiten aus Molières Text, mal finden sich dort psychedelische Farben. Und es tut mir für Molière leid dies sagen zu müssen, aber jedes Mal wenn der Film betont, dass er Film ist, wird schmerzlich bewusst, dass das endlose, verschnörkelte Gerede das uninspirierte Tal ist, aus dem sich der Film dann jedes Mal mit Furor erhebt. Das Beste: de Funès-Pfauenanzug – ich will sowas auch, sofort.
ok –
Christopher Lloyd spielte vor und nach seiner Rolle hier in den beiden HOT SHOTS-Filmen. Womit er unwissentlich auf das Grundproblem hier weist. Dieser Film über verrückte Wissenschaftler, Kleinkind-Godzillas und ein Katastrophenfilm-Las-Vegas schreit förmlich nach Wahnsinn und Zerstörung – immerhin ist doch Admiral Benson anwesend. Aber das Einzige, worauf sich konzentriert wird, ist die Tatsache, dass ein Kleinkind schwer zu kontrollieren ist und die Nachbarn einen auf den Kieker haben. Dieser Film könnte nach den Sternen greifen, bleibt aber in seiner Kleingartenproblematik stecken. Lediglich mit Nicks Pubertät und seinen schüchternen Kämpfen mit dem anderen Geschlecht – wenn die frivolen Stärken des Vorgängers aufgegriffen werden – kann der Film punkten.
großartig +
Einerseits: die Zeit, deren Pendel eine Erhängte ist, die erst gefunden wird, wenn es zu spät ist. Andererseits: der Raum, Leere, die mit Identität gefüllt werden kann. Julien (Jerzy Radziwiłowicz) repariert enorme Uhrwerke, damit die Zeit nicht mehr hinkt und wieder isochron läuft. Das Hinken zeigt sich in einer zweiten Chance bei einer verpassten Liebe, in einer nekrophilen Romanze. Seine Geliebte (Emmanuelle Béart) ist von Echos und Spiegelungen umgeben, sie flieht in Nicht-Räume, in die ihre Identität wie ein Wellenberg brandet – während er eine Frau mit der Enthüllung ihrer Identität erpresst. Die Kamera liegt auf der Lauer und beobachtet. Mit sachten Schwenks und Schnitten auf der Suche nach dem hinter der Oberfläche. Rivettes träumerische Liebesgeschichte zeigt dabei wie nebenbei, was Film im Grunde ist. Das Schwelgen in Dingen vor der Kamera und eine Märchenmaschine, die sich weigert, die Realität so zu akzeptieren, wie sie ist. Resignation als epische Schönheit, Hoffnung als kleines Glück, beides als Bedingung voneinander.
Freitag 01.11.
gut
Die Qualität des Films liegt – neben den Spezialeffekten und dem perspektivverschobenden Abenteuers – darin, dass der kurze Gag über Mund-zu-Mund-Beatmung und Französischunterricht nicht auf sich ruhen gelassen wird. Stattdessen denkt ein junger Protagonist immer wieder laut darüber nach, so dass sichergestellt wird, dass die zuschauenden Kinder ihre Eltern tatsächlich fragen, was an Französischunterricht so lustig ist.
großartig +
Ein Film übers Filmschauen, bzw. über zwei Arten desselben. Ein Serienmörder schaut die Super-8-Aufnahmen seiner Opfer und taucht in die Projektion der Harmonie ein, in die Selbstinszenierung der Fremden. Er verbeißt sich in die Bilder und tötet für die Immersion. Ein Ermittler schaut sich die Heimvideos im Fernsehen an. Er spult vor und zurück, sucht nach Schlüsseln, was und wie alles gesehen werden kann. Er analysiert, spricht mit sich und potentiellen Zuschauern, er schreiht gegen diverse Blickwinkel an, weil sie drohen seine zu werden. Mein Traum ist, dass ich Filme irgendwann so wie FBI-Agent Will Graham (William Petersen) schauen kann, während ich bisher eher zum Sehen wie die Tooth Fairy (Tom Noonan) tendiere.
Die erste Hälfte zeigt dabei ein Procedural, in dem sich Graham Schritt für Schritt in den Mörder eindenkt. Die zweite Hälfte folgt eher dem Serienkiller, der sein nächstes Opfer findet, der die Ansätze einer Liebesgeschichte erlebt – die Frau (Joan Allen) schmust beim Kennenlernen vielsagend mit einem betäubten Löwen. Und ich weiß nicht, wie ich es finden soll. Einerseits ist die kippende Romanze schon super unangenehm, andererseits ist sie völlig unpassend, weil sie das erarbeitete Muster des Tickens der Tooth Fairy links liegen lässt. Einerseits ist dieser mutwillige Bruch auffrischend, andererseits hätte ich gern mehr Obsession und Zwangshandlungen gehabt…
Oktober
Donnerstag 31.10.
gut
Der Donnerschlag der Stille, wenn der manisch unzufriedenen Spießer, der einen anarchistischen, freigeistigen, (selbst)zerstörerischen Geist ständig anschnauzt, plötzlich verstummt, weil dieser Geist sich ihm unterwirft und schwört, alle seine Befehle zu befolgen, ist tausendmal verstörender als Klaus Manns DER UNTERTAN.
großartig
1. Auch wenn das Konzept der Zeit ein wenig instabil ist, ist dieses doch von Stephen Hawkings Ideen beseelt. Sollten Zeitreisen möglich sein, werden Menschen sie trotzdem nie beherrschen. Wenn es Besucher aus der Zukunft gäbe, wären sie bereits an wichtigen Punkten in unserer Vergangenheit aufgetaucht; es wäre nicht unbemerkt geblieben. Die Art und Weise, wie die Polizisten, die die Vergangenheit vor Veränderungen schützen sollen, alles mit Waffen und Fäusten zu Kleinholz verarbeiten und immer noch glauben, gute Arbeit zu leisten, erscheint allzu realistisch.
2. Eine psychologische Studie: Der Kämpfer gegen den Wandel der Zeit verändert die Zeit, weil der Schmerz und das Schicksal aller anderen unausweichlich ist, das eigene Trauma aber nie hätte sein sollen.
3. Peter Hyams als Kameramann ist eine wahre Freude.
4. Die Innenräume der Zukunft sind weiß. Nirgends ein Bild an der Wand. Es ist trist. Implizit wird eine Dystopie mitgeliefert.
Mittwoch 30.10.
nichtssagend
Eine Studie über Klassen und die feinen Unterschiede. Fünf Preisausschreiben- und Lotteriegewinner rütteln an den Grenzen zwischen oben und unten, reich und arm. Die bekommen zu spüren, wie wenig sie in den besseren Kreisen erwünscht sind, die anderen, wie Emporkömmlinge ihre soziale Stellung gefährden. Die beiden Perspektiven werden aber nie zusammengeführt. Jede Episode verschreibt sich an eine der beiden Seiten und kostet den Schmerz einer Partei aus. Die Struktur ist steif und die Ausführung stumpfer Sadismus. Nur selten treffen die Witze ins Schwarze. Interessanterweise ist der beste Moment der, in dem ein Lüstling ein Meet-and-Greet mit einem Star gewinnt, der die Marionette eines Schuppenshampoo-Magnaten ist, und sie gemeinsam Musik hören: erst andächtig das Ave Maria genießend, dann mechanisch aufspringend und sich zusammen verrenkend, als der Rock ’n‘ Roll folgt.
Dienstag 29.10.
gut +
Auf engem Raum verdeutlicht sich, warum Van Damme so oft mit sich selbst zu tun hat – mit Zwillingen, Reinkarnationen und Doppelgängern. Als Muay Thai-Kämpfer ist er wieder Ivan Kraschinsky aus KARATE TIGER. Ohne Emotionen, ohne Gefühl für den eigenen Schmerz oder den der anderen, schlägt er mechanisch auf seine Gegner ein. Nichts an seinem Äußeren lässt auf ein Innenleben schließen. Später, in Tibet bei einem Turnier der Besten der Besten, besteht sein Gesicht nur aus Zweifel, Schmerz und Emotionen. Es steht kurz vorm Zerfließen. Vor allem aber wird dieser offenbare Unterschied nie thematisiert; es ist vollkommen schizophren.
Aber es beschränkt sich nicht auf ihn, sondern ergreift auch den mongolischen Endgegner (Abdel Qissi). Auch dieser wird als Fleischmasse und Dampfwalze ohne Gefühl eingeführt. Aber seine Blicke auf Christopher Dubois (Van Damme) sprechen eine andere Sprache. In ihnen stecken Mitgefühl, Zweifel, vll. sogar Liebe. Dass er den Kampf doch noch verliert, wird weniger mit Kunst und Willen Dubois erklärt, als mit diesen weichen, sanften Blicken im Kopf einer Kampfmaschine.
All das steckt in einer Version von BLOOD SPORT, die mit Exotik und dem Geist der Abenteuerliteratur vom Ende des 19., Anfang der 20. Jahrhunderts aufgepimpt wurde. Mit Roger Moore als Gentlemangauner, der den indischen Ozean unsicher macht, und den Zwischenweltkriegs Straßen New Yorks, die auf den Lebenswelten eines Charles Dickens basieren.
Montag 28.10.
gut +
Ich habe keine Ahnung, was zuerst da war. Die Idee, möglichst viele von Chang Chehs Stammdarstellern in einen Film zu packen, oder die Skizzen mehrerer möglicher Geschichten, der einfach über Rückblenden zu einer Erzählung oder besser einem Flickenteppich verwoben wurde. So oder so ist dies einer der Filme Chang Chehs, der weniger von einer Obsession für Tod und Schmerz inspiriert ist als von der Liebe zu den virtuosen Bewegungen muskulöser Körper. Das Ergebnis ist daher eher abstrakt.
Sonntag 27.10.
großartig –
Der Pate des Hongkong-Kinos? Jemand wird in einen Fatsuit gesteckt und muss verrückte Stunts auf Skiern machen. Und die Inszenierung muss zeigen, wie dumm es war, diesen Mist überhaupt zu machen. Außerdem klettern die Darsteller auf meterhohen Phallen herum. Der Rest, die Story und so weiter, dient nur dazu, diesen Wahnsinn zu ermöglichen. Mehr dazu bei critic.de.
Sonnabend 26.10.
nichtssagend
Drei Episoden über das Verbot von Freudenhäusern in Frankreich in Folge des Zweiten Weltkriegs. Einmal: Der Abend vor der Schließung, an dem alle ihre Koffer packen, einer unsicheren Zukunft nicht entgegenschauen wollen und der Vergangenheit nachtrauern. Dann: Der Prozess um die Laterne des Puffs, der einer in bessere Kreise aufgestiegenen Prostituierten entwendet wurde. Und schließlich: ein Biedermann (Louis de Funès), der nur zu ahnen und zu verdrängen scheint, dass er mit den bei sich aufgenommenen Damen nach und nach einen privaten Puff aufbaut.
Das Beste ist, wie wenig ich den Film einzuschätzen weiß. Kaum wird versucht witzig zu sein. Stattdessen suhlt es sich in Sentimentalität bzgl. Geschlossener Häuser. Alle Frauen verkaufen fröhlich und davon erfüllt ihren Körper (zu Spottpreisen), und aufrechte Gentleman, machen ihnen mit ihrem Begehren eine Freude. In hellen, aufgeräumten, netten Bildern. Es ist alles so entschieden simpel … und langweilig … und spannenderweise so falsch.
gut +
Die Gegenwart in Belagerung durch die Vergangenheit. Das Leben in einer Ruine, die einmal eine blühende Landschaft war und noch mehr hätte erblühen sollen. Statt eines geradlinigen Brenner-Krimis das Festsitzen in Kopfschmerzen, feuchtem Verfall, zertrümmerten Träumen, Inzest und Abhängigkeit vom Wohlwollen anderer. Ein Kater, der so gesehen zu viel Handlung verfolgt.
Freitag 25.10.
großartig –
Zu Beginn steht Buster Keaton hinter Gittern und verabschiedet sich. Statt im Gefängnis steht er aber nur am Eingangstor eines Anwesens. Es folgt ein endloser, eskalierender Versuch nicht verhaftet zu werden. Eine existentielle, irrwitzige Flucht davor (fälschlich) zur Rechenschaft gezogen zu werden.
ok +
Das Über-Ich sind keine Polizisten, nicht die technische Moderne oder Naturgewalten, sondern – zufällig – angeheiratete Schwäger. Wie die Braut sind diese imposante, große, fleischige Gestalten, die ihre Verachtung von Schwäche höchsten zurückhalten, wenn jemand reich scheint und sie davon profitieren können. Leider begnügt sich Keaton mit der Ausstellung dieses physischen Unterschieds, weshalb Schönheiten wie der riesige Hefeschaumberg und das halsbrecherische Turnen an Markisen die Ausnahme bleiben.
ok
Sicherlich ist es eher als Satire über selbstobsessive Identitätsdebatten gedacht, als Vehikel für den Cat Fight verwöhnter, endlos bitchender Gören, die aber doch die Fassade einer positiven Gemeinschaft ausladend vor sich hertragen. Dass das Gewand des Slashers dabei so blut- und lustlos mitgeschleppt wird, ist aber schon abtörnend. Und selbst das Eigentliche leidet darunter, dass die Performances sehr unausgewogen sind – zumindest Sennott und Myha’la sind super. Am besten verdeutlicht sich das Problem vll. in den bunten Knicklichtern: Welch optisches Potential in ihnen steckt, scheint erst zu spät aufgefallen zu sein, weshalb sie auf dem Poster, aber nicht im Film zentrales Gestaltungsmotiv sind. Die 90 Minuten sind zwar erfrischend kurzweilig, aber trotzdem lässt sich nicht abschütteln, dass es deutlich besser hätte sein können.
Donnerstag 24.10.
verstrahlt
Die Willkür ist absolut. Ein Paar fährt in die Flitterwochen, wird von barbusigen Frauen festgesetzt und unter irrealen Scheinzusammenhängen und einer anmaßenden Behauptung von Vollmacht zu einer Haft verurteilt – zumindest wird sie es, er darf gehen, weil als Mann uninteressant. Der Auftakt gleicht einem Mittelfinger gen Ratio. Ganz offensichtlich geht es nur um Fetische. Im Folgenden dreht sich alles um Sadismus, Impotenz, perverse Rollenspiele, Menschenjagd und -handel. Dargeboten durch grandios verzerrte Spiegel/Gläser, wilde Schnitte, karge, auf ihre Körper beschränkte Menschen in einer kargen Savanne und in kargen Palästen. Das Abstraktum diverser Lüste.
Mittwoch 23.10.
großartig –
Die Actionszenen sind ein wenig schnarchig – die Geschlagen- und Getretenwerdenden warten immer brav auf den Einschlag –, dass der in einem irrealen Keller mit Transvestitenharem hausende Priester unausgesprochener Genüsse nach seinem Auftritt nicht in seinem Reich belassen, sondern zur normalen handelnden Figur gemacht wird, die treuherzig hilft, was ihn völlig entzaubert und entmachtet, ist sehr bitter, und auch der ungelenke Subplot, bei dem per Twist ein Politiker als korrupt entlarvt wird, ist zumindest arg enttäuschend, solange Sarafians Film aber seinem Kerngeschäft nachgeht und einen Gesetzeshüter (Jean-Claude Van Damme) in einen paranoiden Alptraum versetzt, in dem er in engen Gängen und Räumen ohne Rückzugsmöglichkeit von einer Alptraumgestalt (oder einem Lynchmob) gejagt wird, ist sehr schön.
Dienstag 22.10.
großartig –
Tao Te-chens Episode erzählt ein Märchen: ein Kind wird von der eigenen Familie und von Gleichaltrigen wie ein Stiefkind bei den Gebrüdern Grimm getriezt und findet doch unerwartet Liebe, Verständnis und seinen Spielzeugdinosaurier. Edward Yangs Episode, die ein Jahrzehnt später als die vorherige spielt, erzählt mit etwas älteren Personen poetisch von amouröser Resignation und dem schmierigen ersten Erleben von Geilheit: Eine junge Frau verliebt sich in den neuen Untermieter, dessen schwitzenden Oberkörper die Kamera gierig betrachtet, doch die ältere, erfahrene Schwester ist schneller. Ko I-chen wieder ein Jahrzehnt später angesiedelte Episode mit wieder etwas älteren Figuren erzählt von Erfolgen, wenn sich nicht untergekriegt lassen wird: Ein junger Mann, dem nichts zugetraut wird, trainiert, vertritt seine Schule unerwartet bei einer Art Duathlon und isst kamelhöckeriges Gebäck, während er nach dem Körper einer Frau giert. Chang Yis Episode, ihr könnt euch denken, wann und mit wem sie verortet ist, erzählt von den Schwierigkeiten für sich selbst verantwortlich zu sein: Ein Mann sperrt sich aus der neuen Wohnung und muss sich nun im Schlüpfer wieder Zugang verschaffen, erschwert wird es durch Schäferhunde und die eigene Scham. Das Auftaktwerk des Taiwan New Cinema ist dabei so wie fast alle frühe Filme neuer Wellen: jugendlich bekloppt, energisch und voller Potentiale.
Montag 21.10.
gut +
Eine Komödie über eine Welt, in der alles Geldtransaktion ist und Wertever-mittlung tragikomisch scheitert … erzählt mit jungen Männern, die Frauen prostituieren und bitterlich zu weinen, wenn sie selbst die Prostituierten sind. Unverkennbar ein Film Yangs, und doch ist wieder alles anders als sonst. Mehr dazu bei critic.de, denn nicht umsonst guckte ich gerade so viel Yang.
Sonntag 20.10.
gut +
Nach ca. der Hälfte des Films kam mal wieder Lotti Z. hinzu und guckte mit. Generös stellte ich auf Deutsch um und erlebte erschreckt, wie der Film in sich zusammenviel. Statt dem Kampf der Engländer, Franzosen und Deutschen mit ihren Sprachbarrieren, sprachen nun fast alle deutsch. Die meisten Witze funktionierten so aber nicht mehr … und plötzlich waren alle Leute schwerhörig – Mimik, Gestik und Handlung zeigten ja weiterhin Unverständnis. Bourvil sprach plötzlich wie ein kraftvoller Brummbär und nicht mehr mit seiner eigentlichen verschüchterten, hellen Stimme … mir deucht zunehmend, dass mein großes Problem mit ihm vor allem in den deutschen Versionen begründet liegt. Ich sehe durchaus den Sinn von Synchros, und doch bin ich so froh, dass ich nicht mehr auf sie angewiesen bin.
fantastisch +
Bei der Sichtung empfand ich Yangs Film als völlig abstraktes Puzzle, dessen Teile aus kalt dokumentierter Wirklichkeit bestanden. Ich sah einen Essayfilm. Wahrscheinlich braucht es noch ein paar Durchläufe, bis ich genau sagen kann, was hier los ist, trotzdem war der Unterschied jetzt eklatant. Nun sah ich warme Bilder voller Leben – allein zuzuschauen und zuzuhören war ein Hochgenuss. Vor allem musste ich aber viel mehr lachen und war zu Tränen gerührt von der Dysfunktionalität der Beziehungen. Dies ist eben auch das stille Melodrama eines bitteren Ironikers.
Sonnabend 19.10.
fantastisch –
Wie in THAT DAY, ON THE BEACH erzählt Yang von scheiternden Ehen/Paarbeziehungen, von aufeinander abstrahlenden Schicksalen, die einander kommentieren, und frustrierenden Jobs, die die eigenen Ideale mit Füßen treten. Anders als sein Debüt wendet er sich hier aber nicht ins Abstrakte, sondern versammelt Impression auf Impression einer karg-opulenten Welt. Die Abstraktion ist hier viel abstrakter und bleibt in der Hand der Zuschauer. Heißt: die Parallelen und die Bilder von Hinterköpfen, die uns vom Tote-winkel unserer Selbstwahrnehmung künden, sind so markant eingefangen, dass sie vll. doch keine Realität zeigen, sondern eine Collage von Lebensentwürfen und -erinnerungen einer Person. Oder so.
Freitag 18.10.
großartig
Sabrina Z. war nach dem Film in Aufruhr, weil sie sich von diesem betrogen sah. Dermaßen war sie im Schicksalen der Figuren engagiert, dass sie nicht akzeptieren konnte, wie offen der Film endet. Ist der jetzt tot oder nicht? Sie musste es wissen. Aber auch ich war wieder darauf hereingefallen und habe nicht kommen sehen, dass die Geschichte doch noch bricht und nicht nur das Dokument einer scheiternden Ehe ist – das nebenher einer Frau zeigt, dass es vll. doch nicht tragisch war, dass ihr Geliebter vor Jahren nicht zu ihr stand und sie sich vor dem Schmerz in eine international erfolgreiche Konzertpianistenkarriere rettete, statt zu Hause zu verkümmern. Aber Edward Yang wollte nicht das Melodrama, in dem die Ehe durch klare Gründe in ein klares emotionales Ende eingeht, sondern das Abstraktum, eine süße, poetische kecke Anklage aller Ehen, in denen die Männer ihre Frauen ausbremsen. Mit langen Einstellungen dokumentiert er die fragilen, begrenzt aussagekräftigen Fakten einer Ehe und zeigt eine Struktur, ohne das persönliche Schicksal aufgeben zu müssen und zum Dokumenten von kantschen Dingern an sich oder platonischen Idealen zu werden. Weil er sich auch Filmemacher versteht und seine Zuschauer emotional packen möchte. … Sylvia Chang trägt dabei zeitweise eine raumgreifende Dauerwelle, um ihre Figur in den 1980ern zu verorten … und weil Christopher Doyle Kameramann des Ganzen ist – es war sein erster Credit als solcher –, sieht es dennoch universell schön aus.
Donnerstag 17.10.
großartig
Alles, was mich am ersten Teil gestört hatte, lässt Parker Finn beim Zweiten weg. Die Klaustrophobie lässt er nicht verflüchtigen. Mehr dazu bei critic.de.
Mittwoch 16.10.
großartig
Mike Figgis versucht sich an einem Wong Kar-wai-Film, und es gelingt ihm größtenteils. Dabei erzählt er von zwei Ertrinkenden, die sich aneinander festhalten. Die sich lieben, weil sie ihren Schmerz ineinander wiederfinden. Er (Nicolas Cage) gibt auf und will mit einem großen Bang, einem langgezogenen Rausch die Bühne verlassen. Er säuft sich tot. Sie verdient ihr Geld als Prostituierte, hat ihren Zuhälter und durch ihn wohl auch den Glauben an diese Welt verloren. Und wenn wir kurz die psychische und physische Gewalt, die Selbstzerstörung, die peinlichen Momente der Selbstoffenbarung, die Wohnungsverweise und so weiter weglassen, zeigt sich gleich noch mehr, wie romantisch die Zuneigung der beiden Verletzten eigentlich ist. Der gefühlvolle Rausch der Impressionen bietet einen nostalgischen, hibbeligen und konsternierten Blick zurück auf Tod und Liebe.
*****
Nicolas Cage mal wieder mit seinen echten Haaren und seinen echten Zähnen zu sehen, war seltsam. Gerade Letztere hatte er sich ja kurz danach machen lassen. Als ich nachschaute, seit wann er sein künstliches Gebiss trug, wurde ich daran erinnert, dass er sich schon für BIRDY zwei Frontzähne hatte ziehen lassen. Selbst das, was er damals hatte, war also schon künstlich.
Dienstag 15.10.
großartig –
Eine perverse Maschine aus Twists, Plots und Gegenplots, die kein Interesse an den Figuren hat oder an den Menschen vor der Leinwand. Nur nach Lachen und Wahnsinn steht dieser Monstrosität der Sinn, die Molinaro mit einem tollen Raumkonzept und gut aufgelegten Schauspielern durchaus ansehnlich gestaltet. Ich fühle jedenfalls mit Louis de Funès mit, wenn er schließlich mehrere Nervenzusammenbrüche erleidet und statt mit Worten nur noch mit einer kaputten Mimik und Gestik kommuniziert.
Sonntag 13.10.
großartig –
Die existentielle Verzweiflung, ein Kind zu haben und keine Ahnung, was zu tun ist, als Kinderfilm mit redenden Tieren und Aquarell-Optik. Ob es final den Kampf gegen die Moderne hätte geben müssen, bei dem alle Tiere Brüder werden, sei dahingestellt, ansonsten aber ein quietschvergnügter Tearjerker.
gut +
Ich glaube, dass ich dies in nicht absehbaren Zeiten, in denen Trump nicht mehr so omnipräsent ist, mehr wertschätzen kann. Aber auch jetzt schon 1 guter Film. Mehr dazu bei critic.de.
Sonnabend 12.10.
großartig –
Die Verwestlichung, der Kampf von Halbstarken und Jugendbanden, eine toxische Liebe zu einer jungen Frau, für deren tatsächliche Persönlichkeit sich nicht interessiert wird und die bestraft wird, weil sie der Fremdzuschreibung nicht entspricht, der Trauma bringende Kampf zwischen Idealen und resigniertem Pragmatismus, die Suche nach Identität Heranwachsender, wenn es nur wankende Vorbilder gibt, die fragile Sicherheit in der Militärdiktatur – immer wieder fahren Panzer durch die Straßen, in einer der acht halben Stunden des Films bricht die Geheimpolizei mit faschistischen/stalinistischen Verhörmethoden in die Geschichte einer Jugend ein: sichtlich versucht Yang das alles zusammenfallen und symbolisch aufeinander abstrahlen zu lassen. Ein großes Panoramabild ist das Ziel, nur ist es manchmal ein wenig zu gewollte, zu aufdringlich geworden.
Yangs Inszenierung, die mittels der Distanz der Kamera und Ellipsen nahelegt, dass es zu schmerzhaft wäre, wenn näher herangetreten wird, ist aber toll. Dazu der krumme dramaturgische Aufbau – zweieinhalb Stunden dominieren die Zwistigkeiten von Jugendgangs, bei denen um eine feste Ordnung oder mehr Macht gekämpft wird, es führt zur besagten halben Stunde Schlaglicht auf die Militärdiktatur, in der die Machtkämpfe sichtlich denen der Jugendgangs entsprechen, und eine Stunde, in der sich das Liebesdrama dekonstruktiv entfaltet. Bei allem offensichtlichen Willen, die Dinge zusammenzudrängen und füreinander einstehen zu lassen, ist das Schöne, dass es nicht fein säuberlich geschieht, sondern schief und einer subjektiven Perspektive unterworfen ist, die mehr dokumentiert als aufdrängt.
großartig –
Ryan Phillippe spielt seinen Sébastian Valmont als Parodie eines affektierten Schwerenöters. Aber die Ausstattung, die das Muffige und Barocke der Boudoirs eines Kostümfilms kongenial ins moderne New York versetzt, der Maskenbildner Sarah Michelle Gellars, der mit dem braunen Lippenstift zu braunen Haaren einen omnipotenten Vamp mit getrocknetem Blut an den Lippen erschafft, überhaupt Sarah Michelle Gellar, Selma Blairs wunderbarer Naivling und der ganze Schmier machten es doch mehr als wett.
Freitag 11.10.
gut +
Die Untertitel waren Übersetzungen des Originaltons und keine Transkripte der Synchronisation. Jetzt weiß nur nicht, ob ich den Film bei dieser Sichtung genießen konnte, weil der Synchrostahl wegfiel oder die wunderbar gefilmten Verfolgungsjagden und Schießereien, den Quatsch abseits Bourvils Reise – die Duschszene! – und Louis de Funès besser einblenden konnte.
großartig –
Der Sündenfall: ein Blick durch ein Loch in der Wand während einer regnerischen Nacht, durch den Michael (Tyler Hoechlin) erkennt, wer sein Vater (Tom Hanks) ist, nämlich der Tommy-Gun-schwingende Goon eines Mafia-bosses (Paul Newman), der andere Familienväter umbringt.
Die Erlösung: Eine sechsmonatige Reise, in der der Vater dem Kind seine Welt zeigt, ihm das Autofahren und das Sehen lehrt. Denn es muss lernen, für sich zu sorgen und das erste Eindrücke täuschen können – hinter einem respektablen Fotografen und freundlichen Dinergast (Jude Law) lauert ein perverser Auftragsmörder. Das Lernen ist anstrengend, aufregend und zuweilen Ultrakunst – wenn Michael z.B. in einem Meer aus Zeitungslesern wartet und als einziger keine Information hat.
Die Verdammnis: Wenn der eigene Sohn (Daniel Craig) das Vorgelebte nicht verstehen kann, am Ideal (Hanks) scheitert und in seinem kindlichen Egoismus ein griechisches NeoNoirdrama heraufbeschwört, in der jeder gerichtet wird.
Donnerstag 10.10.
fantastisch –
Zwei Stunden schauen zwei Leute traurig in die Luft. Es müsste fürchterlich sein. Aber sie (Chin Tsai) trägt ultracoole Sonnenbrillen ultracool. Ihm versaut Baseball das Leben. Auch wenn es um Arbeitslosigkeit, Geschäfte und Büros geht, ist Arbeit nie Teil der Wirklichkeit des Films. Stattdessen, for better or worse, zur Entspannung und für den Herzensbruch: die Leere. Der Film endet mit einer Hochhausglasfront, die die vorbeigleitenden Autos verzerrt und zerbricht – die erzählerische Struktur wird so optisch offengelegt. Die mal leeren, mal vollgeramschten Wohnungen im Verhältnis zu den immer vollen Straßen eines (Neon-)Taipehs, die mit Vergangenheit und Gegenwart/westlicher Moderne vollstehen. Der Film zeigt einen Ramschladen für mögliche Identitäts-bildungen, dessen Angebote an den schweigsamen Leuten abgleiten. Freiheit und eine Sackgasse sehen sich in diesem Film verdammt ähnlich.
Mittwoch 09.10.
großartig –
Ein Mienenarbeiter zieht mit seinem Sohn auf der Suche nach Arbeit umher. Dieser offene Roadmovie zieht sich jedoch per Mord zu einem Politthriller zusammen, in dem das Geschehen und die Botschaft relativ eindeutig sind – letzteres ist die pessimistische Vision einer wirkungslosen Linken, die nichts erreichen wird, solange sie durch einfachste Mittel dazu gebracht werden kann, sich gegenseitig zu zerfleischen. Alles könnte also sehr einfach sein, wären da nicht die Geister, die Doppelgänger/Wiederholungen und das sich selbst überlassene Kind. Mittels der Geister können zwei Leute – er tot, sie nicht – sich direkt in die wenige Zentimeter voneinander entfernten Gesichter sehen und sich doch nicht wahrnehmen. Die Toten wiederholen etwas und stehen sinnlos herum, weil sie aufgegeben haben, sich und ihre Welt zu hinterfragen. Das Kind, es sieht die Morde, beobachtet sexuelle Gewalt, sieht all die menschlichen Abgründe und weiß darauf nicht anderes zu reagieren als Süßigkeiten zu essen. Niemand sieht es, niemand kümmert sich um es, nicht mal der Vater. Vll. ist es auch schon ein Geist und liegt gemordert im Schilf. Und der Doppelgänger des Vaters scheint der intelligentere Mann mit mehr Möglichkeiten und doch enden beide gleich. PITFALL ist eine Ansammlung von Bildern von Vereinsamung, Vereinzelung, Sprachlosig- und Zwangsläufigkeit. Hier scheint es, dass Teshigahara und Kobe ihren symbolischen, heruntergekochten Bildern noch nicht ganz trauen, weshalb sie einen Plot erzählen. Darin ist aber schon alles wie später, von der gleichen, nachdrücklichen Kraft eines auf sich zurückgeworfenen Menschseins … mit Spaß dabei.
Dienstag 08.10.
fantastisch –
Liebes Tagebuch,
manchmal bin ja etwas traurig, weil ich mich zunehmend abgeklärt fühle – zumindest, was Filme und Bücher angeht. Wenn doch mal wieder mehr als eine kleine Sensation zu spüren ist, ist es aber umso schöner. Lange war ich jedenfalls nicht mehr so entrückt wie heute. Eingelullt lächelte ich. Ich starrte in die Gegend, weil alles faszinierend erschien. Sabrina Z. war etwas beunruhigt.
Die Nebelschwaden, die Duvivier kultiviert hatte, zogen noch langsam durch mich. Die Tiere – eine Krähe wird geküsst, ein Hund schwimmt, weitere scharwenzeln um unsere Hauptfigur, Rehe laufen zutraulich über Schulhöfe und Waldwege (oder trampeln Leute tot) – strichen mir an den Beinen entlang. Ein polymorpher Kampf aus Erwachsenwerden und Kindbleiben, aus Natur und Zivilisation, aus Gefühl und Ration, aus Fremde und Vertrautheit, aus Mief und Mysterium machte mir die Knie weich und raubte mir die Luft. Das romantische Interieur einer Villa, deren Räume aus Schaukästen, Spiegeln und Tempelschmuck bestand, verrückte meinen Kopf und ließ ihn zerfließen. Edgar Allen Poe hatte in einer Parallelwelt das Drehbuch für einen Heimatfilm geschrieben und den kongenialen Regisseur gefunden.
Vincent (Horst Buchholz) kommt auf’s Internat und muss sich in die dortige Gemeinschaft einfinden. So einfach, so gut. Nur kommt er aus Argentinien und singt mit seiner Gitarre lateinamerikanische Weisen. Zur Zeit der Handlung qualifiziert er sich damit für einen gestrandeten Außerirdischen. Über ihm: ein schussliger, freigeistiger Direktor, dessen Unordnung, dessen Bücher und Zettel auch mal durch die weiten Hallen des Schulhauses wehen. Dafür die Kinder/Jugendlichen: abgeklärte Trüblinge mit Kampfhunden an immer gespannten, hoffentlich zurückhaltenden Leinen (Udo Vioff, ein junger Robert Stack, mit etwas James Dean und viel natürlichem Kernschmelz); tierquälende, selbsternannte Räuberbanden mit abgemildertem Hitlergruß in einer Fantasiewelt lebend; Frauen, die auf beste Melodramaweise nach Zuneigung vom Argentinier kämpfen, mit fallenden Kleidern, Obsession und Gewalt.
Das Internat ist vom Wald umgeben – dieser beginnt nicht außerhalb der Hofmauern, sondern direkt an der Eingangstür. Ein Sturm (der Gefühle) macht irrwitzig expressiv deutlich, wie brüchig die Grenze zwischen den beiden Sphären ist. Mitten im Wald liegt ein großer See – Drehort war der Alpsee bei Hohenschwangau, wo sonst! –, an dessen anderem Ufer ein Geisterhaus stehen soll … bzw. ein Haus dessen Bewohner in der mit Laudanum getränkten Wirklichkeit einer Edgar Allen Poe Geschichte leben. Zivilisation ist hier Überformung, Spiegelkabinett, neurotische/psychotische Einengung. In ihr ein bösartiger Graf/ein onkliger Beschützer und ein zu rettendes Mädchen/ eine junge Frau, deren Wahrnehmung durch ein Trauma verzerrt ist. Bewacht wird es von einem Diener, halb Chauffeur, halb Gorilla.
Wie in anderen Heimatfilmen ist die Natur das Reine, das Vertraute, das Gute, das (manchmal unbemerkt) tief in uns sitzen soll. Hier ist es aber auch ein Reich der Märchen, der Gespenster, der Träume, der Schrecken, des Unklaren. In diese ambivalenten Zuschreibungen eingelassen ist ein junger Mann, der die Trennung von seiner Mutter nur schwer verwindet und in diesem Reich der Mysterien einen jungen Ersatz, eine junge Frau findet – die freudschen Motive fehlen also auch nicht. Innen und außen, klarer Verstand und Wahnsinn, wer kann dies in diesem symbolistischen Film noch sicher zuordnen.
Derzeit lese ich HUNGER von Knut Hamsun. Gegen dessen überspannten, geckenhafte, egozentrischen Depression wehrte sich in mir etwas, als ich nach dem Film noch etwas weiterlesen wollte. Also nahm ich aus naheliegenden Gründen Poe zur Hand – und zwar die Inselausgabe von DER UNTER-GANG DES HAUSES USHER UND ANDERE GESCHICHTE VON LIEBE, SCHÖNHEIT UND WIEDERKUNFT, die, ich lasse nicht mit mir streiten, die besten seiner Geschichten versammelt. Schon der Titel… Ich ent-schied mich also für EOLONORA und hätte nicht besser liegen können, als mit dieser Geschichte eines Mannes, der zwischen zwei Frauen aufgespannt ist, zwischen mystischer Reinheit in einer verzauberten Natur und weltlichem Verderben in einer Zivilisation voll Sex und Drogen, dessen Schicksal unklar ist, da es nur symbolisch über Gefühle definiert wird, bar jeder Ratio.
Montag 07.10.
ok
Das gesittete Vorbeben der folgenden Naturgewalt OSCAR. Fast alle Zutaten sind gleich, aber die Farbe fehlt, die Figuren haben zuweilen Zeit zum Reflektieren und überhaupt ist alles ruhiger und beschaulicher.
Sonntag 06.10.
gut +
Die Probe einer Varieté-Show und wir sehen eine Abfolge mal mehr, mal weniger scheiternder Sketche, Gesangs- und Tanzeinlagen, deren Ziel darin liegt, dass Frauen aus möglichst vielen Gründen möglichst wenig Kleider tragen sollen. Dazwischen: der junge (40 Jahre) Louis de Funès als Sittenpolizist, der Undercover ermittelt, mitspielt, sabotiert und wie ein Hahn gackert. Ein Film, der sich perfekt ins Programm eines Außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos einpassen würde, weil er alles hat: Schmier, Mief, Tristesse, Quatsch und bunte Lebenslust.
großartig –
Das christliche Konstantinopel wird im Vierten Kreuzzug von den christlichen Kreuzfahrern erobert und geplündert. Ein Ritter hat eine Epiphanie: die Zwietracht zwischen den Religionen führt ins Verderben. Gewalt führt nur zu mehr Gewalt. In der Jetztzeit gilt es, sein Erbe zu verteidigen. Dafür rennt, rast und prügelt sich die Ein-Mann-Kickmaschine Jean-Claude Van Damme durch Jerusalem. Ihm ist keine Epiphanie vergönnt. Weder erkennt er, dass die Bösen nicht Böse sind, noch wird versucht zu vermitteln. Nur immer drauf. Ohne Reue fallen Wärter und Polizisten – die höchstens unbewusst Agenten in diesem Kampf von Gut gegen Böse sind – über Brüstungen in den Abgrund, weil sie sich in die Flugbahn von Van Dammes Füßen verirrten. Der Wiederspruch zwischen der Botschaft und dem Genre wird weder angesprochen, noch abgeschwächt. Es spricht für den Film.
Sichtlich versuchen Lettich und Van Damme (Drehbuch) dabei Hongkong-kino zu machen. Abenteuerliche Stunts, kinetische, rasante, aber punktgenaue Bilder sind ihr Anspruch. Sie kopieren bekannte Muster – ihr Film könnte glatt als dritter Teil von Jackie Chans AMOUR OF GOD-Reihe durchgehen und ist sichtlich eine billige Raubkopie des dritten Teils der Filmreihe, bei der Jackie Chan auf seine Weise abkupferte: INDIANA JONES AND THE LAST CRUSADE. THE ORDER handelt von fanatischen Sektierern, die den Drit-ten Weltkrieg auslösen wollen, um aus dessen Aschen wie Phönix aufzustei-gen – als einzige Weltmacht –, von einem dysfunktionalen Vater-Sohn-Verhältnis, von Fabergé-Eiern, die in Discoschlägereien zerquetscht werden … womit der Auftakt von RAIDERS OF THE LOST ARK in ein neues Kos-tüm geworfen wird. Der Nahostkonflikt wird gnadenlos instrumentalisiert – spätestens, wenn Van Damme sich als orthodoxer Jude verkleidet mit Ringel-löckchen durch einen arabischen Wochenmarkt kämpft, ist klar, dass dies nicht mehr ist als ein respektloser Comicstrip. Und aus irgendeinem Grund spielt Charlton Heston mit.
Kurz: Hanebüchener Wahnwitz wird in eine gutgeölte Actionwundertüte gestopft, der sich seiner Lust voll und ganz hingibt und keine Ahnung hat, wie Hinterfragen auch nur geschrieben wird. Vll. wird dabei nicht die Klasse von Jackie Chan oder Steven Spielberg erreicht … und trotzdem: Was für ein erfreulicher Film?
Freitag 04.10.
gut –
Dass eine Villa zur Fabrik umfunktioniert wird, aber weiterhin als Lebensraum eines Ehepaars dienen soll, ist eine sensationelle Idee. Leider folgt auf sie nicht viel und der Film versucht sich mit einem seltsam herumstehenden Wahlkampf zwischen den Ehepaaren aus der Affäre zu ziehen, zieht sich mit diesem aber hauptsächlich. Oder anders: Aus dem Ertragen einer Frau, die den comichaft überzogenen ausbeuterischen Lebenswandels ihres Mannes aushält, schlägt der Film jede Menge komisches Potential. Sobald diese Frau aber aufbegehrt, scheint niemand zu wissen, wo da der Scherz liegen soll.
ok
Ein Haufen verrannter Existenzen marschiert durch den Wüstensand – von einer rücksichtslosen Ausbildung zu einer Ruine im Sand, deren Verteidigung sinnlos und amoralisch ist. Dabei klammern sie sich an ein vor unseren Augen verrottendes Ideal von Ehre und Kameradschaft, das ihnen die Möglichkeit bietet, der Zerschlagung durch den Feind von außen/den Krebs von innen Sinn abzugewinnen. Bei allen Schwächen – die eklatanteste: Van Damme kämpft per Gewehr und nicht per Kicks – hätte dies eine heruntergekochte, existentielle Studie sein können. Leider soll es aber auch als CASABLANCA-Variation aufgewertet werden. Eine tragische Liebe und ein mordlustiger Mafiaboss treiben Alain (Van Damme) zur Flucht in die französische Fremdenlegion. Die dies erzählende Exposition in Marseille soll eine emotionale Fallhöhe schaffen, aber in ihrem melancholischen Säuselton ist sie lediglich Kaspertheater. Gegen die gelben, staubigen, emotional reduzierten Bilder wirkt diese Vorgeschichte wie ein überflüssiger Fremdkörper – zumindest hier boxt Van Damme. Und wenn die Vorgeschichte wieder aufgegriffen wird und auf die Handlung einwirkt, bleibt es ein Eindringling, der sich unnütz und unschön breitmacht und alles aufbläht.
Donnerstag 03.10.
gut +
Eigentlich ist famos, wie Todd Phillips das, was er geschaffen hat und hier weiter aufbaut, in eine nasskalte, pessimistische Ecke wirft. Eigentlich ist famos, wie der Joker hier zur Marionette von Harley Quinn gemacht wird, der sich durch Gesang in eine richtige Stimmung bringen und sich zum ausführenden Agenten ihrer Wünsche machen lässt … und wie die nach Liebe begehrende, gegen Ausnutzung aufbegehrende Marionette enttäuscht und in eine tieftraurige Selbsterkenntnis gestürzt wird. Eigentlich ist famos, wie über Referenzen an Musicalklassiker und klassische Varieté-Shows eine nostalgische Lügenmaschine aufgebaut wird. Eigentlich ist famos, wie sich Lady Gaga spätestens hier als die größte Schauspielerin ihrer Generation offenbart und den Film an sich reißt, obwohl sie doch nur zentrale Nebenfigur bleibt. Eigentlich ist famos, wie darauf geachtet wird, dass die nassen/gegelten Haare des Jokers als dicke Strähnen im Wind wehen und einem Medusenhaupt gleichen. Dass mit kleinen Details viel erreicht wird. Eigentlich ist dies sehr schön, es ist aber eben auch berechnend, strebsam und eine kalkulierte Themenmaschine. Im Gegensatz zum ersten Teil glaube ich aber daran, dass mich FOLIE À DEUX bei einer Zweitsichtung positiv überraschen kann.
Mittwoch 02.10.
großartig +
Trotz des Pessimismus über unsere Esskultur, der Reagenzgläser zum Analysieren von Essen, der Gleichstellungen von sich selbst wichtig nehmender Restaurantkritik und Clownerie im Zirkus, der Folter mit Essen und Appetit verhagelnden Produktionsprozessen: mehr als alles andere ist dies ein Film des Genusses. Louis de Funès schaut nicht in ein Glas mit Rotwein und erkennt Jahrgang und Anbaugebiet, weil er ein Experte ist, sondern weil die Farbe, die Luftperlen usw. ihm vor Vorfreude das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Ein Film, der einen Lust darauf macht, so genießen zu können.
verstrahlt +
Das Zugpferd des Projekts ist, dass Coppola das Kino, die Menschheit, die Welt retten möchte. Das Kino der Gegenwart vom Fundament der Vergan-genheit in die Zukunft führen … mit nachdrücklicher Zeitgeistkritik, großen Gesten, großen Worte, großen Kulissen, großen Zitate, großer Prätention. Der Titel als Versprechen. Ganz dezidiert geht es aber auch ums Scheitern und Brüche, das Kleine und Menschliche vor großen Ansprüchen und Aufgaben.
Die Schauspieler: Jon Voight und Shia LaBeouf, Ruinen ehemaligen Erfolgs und Charismas; Aubrey Plaza als Wow Platinum, als verglühende, verbitterte Kokette tatsächlich bigger than life, aber vom Willen des Films zur Utopie aus seinem Zentrum gedrängt; Adam Driver als zweifelnder Erlöser und selbst-zerstörendes Genies und Nathalie Emmanuel als sein Apostel versprühen keinen Glamour, sondern Nahbarkeit. Die Geschichte mäandert und springt durch die zerbröckelnde Spannungskurve. Das Große ist windschief, eine millionenschwere Skizze, ein Hochhaus, das beim Bau schon den Einsturz ein-preist. Coppolas optische Ticks und Opulenz wirken wie ein Diadem, das mit zu ein wenig Glitter und Kleber gebastelt wurden. All das: mit Heidenspaß und heiligem Ernst.
Ein Film, wie ein plumpes Fallgewicht, dass aus dem Flugzeug geworfen wird und tausend bunte Luftballons trägt, um den Fall abzumildern. Es macht es einem nicht einfach, diesen Mumpitz klar zu umreißen. Es ist pompös und persönlich, hochtrabend, simpel, einfältig und doch komplex. Diese seltsame, formlose Masse ist nicht nur liebenswert, sondern auch erstaunlich … oder eben, wie es hier und hier beschrieben wird.
Dienstag 01.10.
großartig
Brenner geht für einen vom Drehbuch vorgeschobenen Grund aufs Land, wo herbe Freundlichkeit bzw. freundliche Abneigung herrschen, wo Sportwagen grundsätzlich von der vereisten Straße abkommen, Hähnchenreste im Akkord zerhäckselt und an Hähnchen verfüttert werden, wo Gulasch aus Zuhältern zubereitet und ein feuchtfröhlicher Maskenball gefeiert wird. Eine Lebenswelt so eisig und trist wie die verschneite Landschaft. Der darin stattfindende Krimi – ein Horvath ist verschwunden, plus Erpressung und Kannibalismus – dient als Entschuldigung für einen verschüchterten Liebesfilm. Die Tragik desselben liebt im steten, sichern Scheitern. Das Kauzige der Personen, der Zerfleischung, des Geschehens, der Geschichten von gegenseitiger (Ent-)Täuschung ist nur der überdimensionale vergletscherte Rahmen, in der das Wenig an Zuneigung etwas wärmt und deshalb unentbehrlich ist. Statt die Liebe also zu einer unendlich mächtigen Kraft zu stilisieren, ist sie hier ein Streichholz.
September
Montag 30.09.
großartig –
Der Versuch, mittels Maschinen das Leben zu vereinfachen, scheitert an den Konstrukten und mehr noch an der menschlichen Unzulänglichkeit. Oder: Ein Mann versucht es sich mit seiner Familie bequem zu machen und endet in einem rotierenden, sinkenden Boot. Oder: Die menschliche Komödie, wenn man ein Bild an die Wand anbringen möchte und mit dem Nagel das Wasser eindringen lässt, das nur mittels eines zähen Steaks aufgehalten werden kann.
ok +
DAS BLASSGESICHT bleibt leider ein wenig blass. Hier und da tolle Stunts, optische Gags und Albernheiten, aber die schöne Geschichte über einen arroganten weißen Schmetterlingssammler (Keaton) im Reservat, der zum Unterhäuptling aufsteigt und nun gegen den weißen Mann kämpft, ruht sich ein wenig zu sehr auf dieser Ausgangslage aus.
Sonnabend 28.09.
fantastisch
Menschen als Insekten. Leben als Kampf gegen den endlosen, in alle Ritzen dringenden Sand, der einen von den gemachten Plänen abhält. Ehe als Akzeptanz der eigenen Situation, als Finden des Faszinierenden im Nichts. Und so weiter. Vor allem aber das entspannte Nebeneinanderstellen von Details, das Verschwimmen der Strukturen – Haut, Sand und Wasser sind kaum noch zu unterscheiden und trotzdem existentiell unterschiedlich. Am deutlichsten beim Sex, wo der Sand am gesamten schweißigen Körper klebt und die Vorstellung der schabenden Reibung bei der Penetration nicht ganz angenehm erscheinen lässt. Kurz: Der Film ist so heruntergekocht, dass er für Vieles und Alles stehen kann, vor allem ist er ein launiges Festsitzen in einer sinnlichen Welt.
*****
Grund für diese japanische Woche war eine Filmreihe im Arsenal, über die ich dann bei critic.de ankündigend dies hier schrub.
Freitag 27.09.
fantastisch –
Eines vorweg: Ich bin mir etwas unsicher, was gesagt wurde. Nach knapp einem halben Jahr Französischlernen brauche ich noch Zeit, um zu verstehen. Was nicht gut zu Untertiteln passte, bei denen ich so schon Probleme bekommen hätte, hinterherzukommen. Auch wenn nicht viel gesprochen wurde, war die Übersetzung doch zu oft nach dem Auftauchen schon wieder verschwunden. Alles Folgende ist also mit Vorbehalt zu genießen.
Yoshida selbst bezeichnet seinen Film als Science-Fiction. Ein Kind wurde (vielleicht, vielleicht auch nicht) durch künstliche Befruchtung gezeugt. Eine idyllisch wirkende Familie zerbricht an diesem Fakt. Weil die biologische Bindung zwischen Eltern und Kind gekappt scheint, weil die Identität des Vaters unsicher ist, weil latente Konflikte der familiären Triade aus Vater, Mutter und Kind durch die gelockerte Bindung eskalieren. Die Ehe zerrüttet, die Mutter-Kind-Bindung bietet Stoff für Horrorfilme, die Vater-Kind-Bindung wird zum zwanghaften leap of faith.
Der dazugehörige Film besteht aus einer dramaturgischen Anordnung expressiver Impressionen, die nicht durch Zeit und Raum geordnet sind, sondern der assoziativen Logik eines (Alb-)Traums folgen. Heißt: Die Geschichte folgt nur grob einer chronologischen Ordnung. Stattdessen springt sie zwischen einer (unsicheren) Realität, Erinnerungen und Träumen hin und her. Die Bilder suchen stets nach maximaler expressiver Kraft – enorme Schwarzweißkontraste, Drehen/Wandern der Kamera um/durch die Leute, kunstvoll komponierte Einstellungen. Zu jeder beliebigen Zeit kann angehalten werden und es wäre ein screenshotwürdiges Motiv zu sehen. Es entspricht der Hysterie der Figuren, denen nichts mehr alltäglich ist. Und überhaupt ist dies ein Film, bei dem aus dem Off blitzartig ein schräger, bedeutungsvoller Ton zuckt, sobald eine Frau ihren BH öffnet. Einen Hort neurotischer Schönheit.
In dieser stilisierten Meditation über moderne Familien findet sich aber etwas viel Simpleres. Die Frau hat eine Affäre und sehnt sich vll. zudem nach einem Vergewaltiger, der ebenso als Vater infrage kommt. Das Kind will sie immer wieder dem Vater entreißen, mal, indem sie es tötet, mal, indem sie ihm einzuprägen versucht, dass der Vater egal sei und nicht der, der er behauptet zu sein. Ihre Liebe und ihr Verhalten sind grundlegend prekär. Weshalb der Film ein Pandämonium männlicher Unsicherheit ist. Sobald die traditionelle Ehe ins Wanken gerät, wird ein Monster entlassen, das Männer leiden lässt. FLAME AND WOMEN ist also nicht weniger als eine groteske, in ihrem vornehmlichen Ernst vollkommen absurde Satire, ein großer Spaß.
gut
Die Exposition und das Finale – mit seinen lächerlichen, ihre Kunst übertrieben ausstellenden Schwertkämpfern – sind schon sensationell, aber im Großen und Ganzen bin ich ein wenig überfragt, was ich an dieser zugegebenermaßen stilsicheren Ausbuchstabierung einer Agenda früher so beeindruckend fand.
Donnerstag 26.09.
großartig +
Negro Jazz: Numba One!
Fish out of Water-Komödie, die einem das Lachen im Mund verfaulen lässt. Ein verwundeter, wegen Mordes gesuchter G.I. versteckt sich beim Jazz-Fan Akira, der sich freut endlich einen Schwarzen kennenzulernen, der, na klar, für ihn Singen und Tanzen sowie Trompete spielen kann. Sie sprechen aber nicht dieselbe Sprache, sie verkennen sich – der eine von Furcht und nahendem Tod gelähmt, der andere unfähig die Situation nachvollziehbar einzuordnen – und der Film lässt sie immer wieder aufbrechen und doch wieder an dieselbe Stelle zurückkommen … zum Gravitätszentrum ihres gegenseitigen Unverständnisses. Kurahara – im Samuel Fuller-Modus – macht dieses Unverständnis zur nervenaufreibenden Tour de Force, bei der lustvoll an Nerven geschabt wird. Am Ende muss eine Nabelschnur zum falsch verstandenen Ideal getrennt werden: Freisein und sterben.
Mittwoch 25.09.
großartig –
Die erste Hälfte: eine Verschwörung am Kaiserhof. Egoistische Intriganten gegen selbstlose Leute. Die einen machen sich die Welt Untertan, die anderen ergeben sich in ihr von Natur aus feststehendes Schicksal. In den streng komponierten Bildern wird geredet, wirkungslos. Erst die Aktion bringt Änderung. Aktionen wie Diebstahl, Hinterlist, Folter und Hände, die in die Ärmel einer Frau gesteckt werden und zwischen den Brüsten eine Schriftrolle/ einen Phallus hervorziehen. Vor allem finden sich hier symmetrische Bilder, in denen stets etwas schief steht – das Haus im Hintergrund ist dann bspweise nicht genau mittig. Das Gleichgewicht ist gestört.
Die zweite Hälfte: Eine Geistergeschichte, in der die geistige Umnachtung einsetzt und sich dann mit (Selbst-)Täuschung ein schönes Leben aufgebaut wird. Bunte Kulissen, expressive Masken, stilisierte Special Effekts machen die Wirklichkeit zum Theater. Vor den Häschern gezielten Handelns wird sich verborgen. Die Welt wird hier weich, aber nicht weniger tragisch.
Als Scharnier zwischen den beiden Teil dient ein grelles Gelb, Herumirren und fallende Kulissen. Zu einer Auflösung zwischen den beiden Teilen kommt es nicht. Die Dinge sind, wie sie sind.
Dienstag 24.09.
fantastisch –
Der Handlungsort, ein dichtes, weites Schilffeld an einem Fluss, wird nicht verlassen. In diesem gibt es ein Loch, in dem Tote entsorgt werden, und zwei Frauen, Schwiegertochter (Yoshimura Jitsuko) und -mutter (Otowa Nobuko). Von außen dringen ab und zu Samurai ein – mit ihnen die ferne politische Wirklichkeit des Landes und eine Verdienstmöglichkeit – die Frauen töten die Krieger und verscherbeln ihre Waffen und Rüstungen. Das Gleichgewicht der Bedarfsgemeinschaft der Frauen gerät jedoch ins Wanken, als ein Mann (Satō Kei) in den Sumpf zieht und die Lust Teil der Gleichung wird.
Der Aufbau ist karg, fast abstrakt. Er lädt dazu ein, den Film als Parabel zu lesen. Als Meditation über die Entstehung der moralischen Verteuflung von Sex, als Essay über Lebensentwürfe innerhalb abgehängter Klassen, oder als Gleichnis, in dem lustgesteuerte Menschen immerfort durch ein endloses Schamhaarfeld rennen, frustriert oder hoffnungsvoll, auf der Suche nach Befriedigung eines endlosen Juckens. Shindōs Film selbst schweigt zu solchen an ihn herangetragenen Deutungsansätzen. Sichtlich ist sein Schilf nicht da, um etwas zu bedeuten, sondern weil es ein sensationeller Bildinhalt ist – als hypnotisch durchwehte Lavalampe, als einsperrende Sichtbehinderung, als Reibefläche für Körper.
Ansonsten herrschen Gegensätze: das stoische Sein und die rasende Hingabe an das Gefühl, Statik und Rennen, durchkomponierte Einstellungen und handgehaltene Kamerafahrten, weite Panoramaaufnahmen und Close-ups, Stille und tonales Gewühl – d.h. energischer Jazz oder ein quietschender Score. Das Ziel ist aber kein klares Spannungsfeld, sondern Aufprallmomente, die ständigen Wechsel, das Hin- und Hergerissensein/-werden. Ganz zentral ist dieser keinesfalls hektische, übersichtliche Film einer der Unruhe, dessen existentielle Tragik darin liegt, dass die Leute nicht alleine leben können, aber auch nicht gemeinsam – weshalb sie einander zu Dämonen werden. Es ist vll. simpel, die Reibung aber umso intensiver.
Sonntag 22.09.
nichtssagend
Ich habe fast alle Bücher der Reihe gelesen und finde toll, wie Unterwaldt die Vorlagen links liegen lässt, um die Geschichten dramaturgisch aufzupolieren. Weniger schön ist, dass er keinen Zugang zu Magie und Menschlichkeit findet. Aber die Songs: unabschüttelbar. Mehr dazu beim Perlentaucher.
gut –
Drückendes Orange in der Gegenwart, kühles Blau in der Vergangenheit … in einem Märchen, bei dem Fäuste und Tritte Gangmitglieder bekehren und sie zu Kämpfern für das Gute machen. Hyams entrückte, ambitionierte, harmonische Elegie darauf, einen Unterschied machen zu wollen, nutzt zudem FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR als Grundlage. Highlight sind Paul Weller als Polizist, der die Fäden der Unterwelt zusammenhält, sowie die enorme Anzahl von Blumenkohlohren.
Sonnabend 21.09.
großartig +
Anders als ich mag Carlotta Z. (8 Jahre) sowohl ARRIETTY als auch die Filme der SCHULE DER MAGISCHEN TIERE. Der entscheidende Unterschied ist aber – weshalb ich denke, dass sich unsere Meinungen in ein paar Jahren angepasst haben werden –, dass sie ARRIETTY immer wieder sehen möchte, während sie von sich aus noch nie gefragt hat, ob sie einen der Filme DER MAGISCHEN TIERE ein zweites Mal sehen könnte.
fantastisch –
Ein Film weniger des Agierens als des Reagierens. Das Leitmotif des Films sind Leute, die dastehen und beobachten … eindringlich, mit gespannten Muskeln. Von den Anderen geht etwas aus, die Beobachter reagieren nur. Die Anderen wollen einen reinlegen, man selbst muss ihnen einen Schritt voraussein oder den Preis bezahlen. Das Ergebnis ist eine kalte Machowelt, in der, wenn gerade nicht beobachtet und ein Plan geschmiedet wird, melancholisch in die Luft geschaut wird. Eine unwirtliche Welt eines endlosen Überlebenskampfs, in dem jede vergessene Vorsicht bestraft wird. Eine Welt der Panzer und weggeschlossenen Gefühle.
Von Mann wird diese metallene Lebenswelt flüchtig, impressionistisch und fragil inszeniert. Nicht um die Härte aufzuweichen, sondern um das Weiche hinter der Oberfläche spürbar zu machen. Um eine Liebesgeschichte zu erzählen, die nicht einfach irrational erscheint, sondern in dieser Umgebung purer Wahnsinn ist. Die deshalb auch tragisch enden muss, mit Verlust und einem langsam vor sich hin blutenden Herzen. Die aber umso schöner ist, weil sie überhaupt da war.
Passend dazu Colin Farrell, der mit verletzlichen, überforderten, kindlichen Augen zwischen Machobart und Machofrisur hervorschaut, als ob alles an ihm nur Maske ist, damit ihm nicht wehgetan wird. Unpassend und deshalb genial ist, dass gerade er es ist, der Hals über Kopf und doch wie ein Draufgänger in die Liebe stürzt, in der er noch überforderter ist als zuvor. Ein Held.
Freitag 20.09.
großartig –
Im Gegensatz zu Lon Chaney, der das Horrorclownsein umarmte, ist Conrad Veidts Mann mit einem permanenten, überzogenen Grinsen eine dramatische Figur, jemand der leidet, weil alle in ihm einen Freak und Monster sehen, obwohl er es nicht ist. Ewiglich hält er sich die Hände vor sein Gesicht, weil er bis zum bitteren Ende ein verletzlicher Junge bleibt. Während Victor Sjöström seinen Film immer wieder gen Wahnsinn steuert, möchte Leni einen expressiven Film machen, mit Schnörkeln und dunklen Seelen, die aber pittoreske Gesten bleiben. Während die Verfilmung von Leonid Andrejews Theaterstück geradlinig seine Schläge setzte, ist die Verfilmung von Victor Hugos Roman verschlungen, überfüllt und steht sich selbst bei jeder möglichen Eskalation im Weg. Ich mochte THE MAN WHO LAUGHS und wäre wahrscheinlich noch begeisterter gewesen, hätte, ja hätte ich nicht kurz zuvor HE WHO GETS SLAPPED gesehen.
großartig
Kamil Molls Bonmot, dass THE SUBSTANCE eher ein Prothesen- als ein Thesenfilm sei – mit dem er seinen Text beim Perlentaucher abschließt –, fasst tatsächlich das entscheidende zusammen. Denn durchgehend, wenn es scheint, als werde nun doch noch der Subtext für alle verständlich an die Oberfläche geholt – wenn Demi Moore über ihren jugendlichen, verbesserten Klon (Margaret Qualley) gebeugt, bspweise ihren Selbsthass und ihre Unsicherheit benennt, der in ihrem Jugendwahn steckt und der von besagtem Klon darstellt wird –, da schlägt der Film doch einen Haken und gibt seinen niederen Instinkten nach und lässt alle symbolische Prosaik in Blut, Gedärm und Körperteilen untergehen. Am Ende wird es gar zur grotesken Komödie körperlicher Versehrtheit – was dem Kinosaal hörbar in die Lachenden und die schwer Atmenden aufteilte.
Sehr mag ich auch, dass Elisabeth Sparkle, wenn sie ein junger Vamp geworden ist, nicht versucht die alte Hollywoodkarriere aufleben zu lassen. Ganz genügsam will sie nur weiter Aerobic im Fernsehen machen und gucken, wo es sie noch hinführt. Dass sie zwar gierig ist, aber ganz bescheiden.
Donnerstag 19.09.
gut –
Zwei Mitbewohner produzieren Videocontent. Ihren Erfolg messen sie in Like-Zahlen und damit, wie krass der Prank war, den sie sich für die Massen spielten. Die logische Folge ihres Seins ist mit ihren Verarschvideos immer höher und weiter zu kommen. Am Ende dieser Spirale stehen Snuff-Filme, klar. Dass uns die zunehmende Eskalation als Twists verkauft werden kann, liegt in der Annahme, dass es eine Grenze gibt. Aber außerhalb ihrer Videos herrscht eine Wüste: leere Wohnungen, leere Landschaften, kein Leben abseits. Nur die von ihnen produzierten Found-Footage-Videos machen den Film aus (und geben ihm die Möglichkeit mit einem minimalsten Budget auszukommen). Es gibt nichts, dem sich zugewendet werden könnte. Wieso also Grenzen? Es gibt nur die Zwangsläufigkeit und das Gesichts von Regisseur und Hauptdarsteller Curry Barker, das umstandslos von Arglosigkeit auf Psychopath kippen kann. So simpel.
fantastisch –
Die Textur besteht aus Nostalgie. Die Gegenwart verhält sich beständig zur Vergangenheit … für die Figuren, für uns. Die Ausstattungen der Wohnungen, das Straßenbild, das Singen in den Pubs kündet von einer lang vergangenen Zeit – der Film spielt ungefähr 1950. Die fahlen Bilder des Endes sind die Nüchternheit zu den schwellenden Gefühlen des Restfilms. Dessen Dunkelheit, dessen enge, überfüllte Räume, dessen warme, geradezu stickigen Farben, dessen rauchige Luft und dessen krisseligen, oft weichgezeichneten Bilder sind wiederum das viel zu komplizierte Danach eines vielleicht nicht angenehmen, aber einfacheren Davors.
Nostalgie heißt bei Davies eben nur bedingt, dass die Vergangenheit schön war, sondern dass die Figuren nicht in ihre Gegenwart passen. Es ist der Schmerz im Strom der Zeit festzusitzen und fortgerissen zu werden, unsicher ob wir jemals irgendwo ankommen. Die Vergangenheit ist das einzige Handfeste. Und wenn Tom Hiddleston zuweilen hölzern spielt, dann liegt es auch daran, dass seine Figur noch nicht ganz aus dem Zweiten Weltkrieg wiedergekehrt ist, dass sie weder in Vergangenheit, noch Gegenwart der Liebesgeschichte passt. Rachel Weisz kämpft dessen gegen das Ertrinken in ihren Emotionen und hat lediglich Bilder vergangener Abscheu und vergangenen Glücks, die sie daran erinnern, warum sie an dieser Stelle ist und nicht aufgibt. Die Vergangenheit ist eine Krücke für die Herzen, dass auf dieser langsam zerquetscht wird.
*****
Zum Tod von Terence Davies hatte ich diesen Text entdeckt. Er ist sehr, sehr gut.
Mittwoch 18.09.
großartig
Der unschuldige Buster Keaton wird vom Gesetz gejagt. Von unterschiedlichen Polizisten in unterschiedlichen Städten in unterschiedlichen Kontexten. Fallen Keatons Filme zu der Zeit manchmal noch in eine Ansammlung von mal guten, mal nicht so guten Ideen auseinander, ist diese bei allen klar trennbaren Abschnitten eine zusammenhängende Eskalation in mehreren Stufen … mit ikonischer Optik, wilden Ideen und dem faszinierenden Ineinandergreifen dieser. Das Ergebnis ist zwar nicht so einzigartig, wie der erste Teil des folgenden THE PLAY HOUSE, aber dafür ist es ein wilderer Ritt, der nicht nur eine Idee durchspielt, sondern aus allen Kanonen schießt.
gut +
Zwei klar voneinander getrennte Teile. Der eine zeigt einen Traum, der andere wie dieser zum Alptraum geworden ist. Welcher Teil was ist, liegt ganz im Auge des Betrachters. Jedenfalls: Erst der (Alp-)Traum, dass sich alles um einen dreht, dann der (Alp-)Traum, dass dies wahr wird. Es beginnt also mit einer Show von, mit und für Buster Keaton, worauf eine Show folgt, in der Keaton als Stage Hand beständig als Lückenfüller einspringt, damit die Show weitergehen kann.
Die hier gebotene elaborierte Version von Arbuckles BACK STAGE wendet sich aber vor allem von physischem Slapstick (Stunts) ab und setzt auf optische Spielereien … der Zuschauer soll nicht mehr glauben, was er sieht. Der erste Teil zeigt eine Variety Show und eine Vorform von BEING JOHN MALKOVICH, also eine Welt, die nur aus Buster Keaton besteht. Durch innovativer, perfekt ausgeführte Tricktechnik steht er bis zu neunmal auf der Bühne. Das Orchester: nur Buster. In den Logen: nur Buster. Der Theaterzettel führt nur einen Namen, diesen aber hunderte Mal. Im zweiten Teil wird es simpler. In einem Running Gag werden immer wieder Zwillinge verwechselt. Keaton mimt erschreckend überzeugend einen Affen. Ein Schlafzimmer offenbart sich als Theaterbühne. Später steht auf dieser scheinbar nur eine Person, bis sie zur Seite tritt und eine Vielzahl offenbart. Ein kleines Aquarium flutet einen kompletten Zuschauerraum.
Mit anderen Worten zeigt sich hier einmal mehr, wie sehr sich die Cartoons der kommenden Jahrzehnte bei Buster Keaton (u.a.) bedient haben, wie sehr es Keaton verstand die Realität ins Absurde kippen zu lassen und dass er hier doch nicht ganz in seinem Element steckt, weil er sich rein körperlich wegen eines zuvor gebrochenen Knöchels zurücknehmen muss.
Dienstag 17.09.
gut –
Er möchte doch nur bleibende, erstaunliche Musik machen, sagt Franz Liszt (Roger Daltrey) mehrmals. In seiner Stimme liegt dabei aber die Verzweiflung, da er ständig scheitert und sich verführen lässt. Vom Sex, dem Ruhm, der Liebe, der Macht, der Religiosität. Die beständig wechselnden Lebensmittelpunkte rütteln ihn erst durch und spucken ihn dann aus … fern seinem Ziel.
Im Gegensatz zu diesem Scheitern setzt Russell genau den Film um, der ihm vorschwebt: eine grelle Groteske. Ein filmisches Actionpainting, bei dem er mit Ideen, Quatsch mit Soße, bunten Farben und Respektlosigkeit um sich wirft, ohne groß Qualitätsmanagement zu betreiben. Brüste werden im Takt eines Metronoms geküsst, Liszt spielt vor kreischenden Fans auf einer Bühne voller Glitter und mit Kerzenleuchter auf dem Klavier, Frauen tanzen mit Bändern um seinen riesigen Penis wie um einen Maibaum, Richard Wagner (Paul Nicholas) schießt sich als Hitlerzombie durch ein Ghetto. Das Bisschen Ernsthaftigkeit und Respekt aus MAHLER ist nun abhandengekommen. Nicht mal mehr vor Liszts Musik macht Russell halt und benutzt diese größtenteils in zuckerwattesüßen Rick Wakeman-Variationen – der Keyboarder der damals gerade nicht bei Yes spielte, gibt im Film selbst eine Art Siegfried-Asterix-Golem … und Ringo Starr spielt den Papst.
Liszt flüchtet vor seiner Bestimmung, weil die Musik nicht einfach auf das Notenpapier fliegt, wie es beim Improvisieren aus seinen Fingern geflossen kommt. Er hat Angst vorm eigenen Talent und verkennt dabei, dass in seinem Schatten der Untergang Europas lauert – in Form eines vampirisch von ihm lebenden Richard Wagner, der Ursprung und der Hohepriester der Nazis ist und Hitler selbst. Hier also die Figur, die zu Ernst und Heiligkeit ihrer Musik finden muss, um die Welt zu retten, dort der Filmemacher, der Ernst und Heiligkeit mit Kacke bewirft und sich königlich amüsiert. Es ist eine seltsame Mischung, die mich bei der ersten Sichtung völlig begeisterte, eine Begeisterung, der ich nun mit einem morgendlichen Kater entgegentrete. Die Freude an der Enthemmung ist nämlich auch extrem eindimensional und der Witz, einmal erkannt, ist nach der ersten, der Metronom-Szene, schon mehr oder weniger überlebt.
Montag 16.09.
nichtssagend
Nicht mehr so schön wie LE PLANÈTE SAUVAGE, auch nicht mehr so rätselhaft, dafür ist die Parabel noch müder. Mehr dazu auf critic.de.
Sonntag 15.09.
gut +
Die Exposition macht mehr als deutlich, dass innerhalb des Dorfes kaum noch etwas zu holen ist. Sobald Don Camillo und Peppone aber in der UdSSR sind und der eine damit gequält wird, wie wenig er inwendig an die Sowjetunion als Verwirklichung seiner utopischen Wünsche glaubt, und der andere seinen Kampf um das individuelle Scheitern am eigenen Gewissen in den Kollektivstaat ausweitet, findet der Film doch noch eine frische Form für seinen alten Widerstreit.
ok +
Nach der Apokalypse: Menschen sind die Haustiere von großen, blauen Außerirdischen oder leben verwildert im Wald. Die Großen versuchen die Kleinen auszurotten, weil sie in ihnen nicht mehr als störende Nager sehen, und die Kleinen suchen erst Wege zu überleben, dann welche, um die Machtverhältnisse umzudrehen. Ein politisches Gleichnis, eine Meditation über Hegemonie, Macht und Vorherrschaftsfantasien sowie den Kampf gegen Unterdrückung, aber auch der schön bebilderte Film einer rätselhaften, fremden Welt.
ok +
Es fühlt sich wie der Bonus einer JANOSCHS TRAUMSTUNDE-DVD an, wie eine damals nicht ausgestrahlte Geschichte, für die nicht viel spricht, außer den Dingen, die im Kinderfernsehen nicht gern gesehen sind … wie riesige Schnecken, die nackte Frauen in ihr Schneckenhaus verschleppen, oder weite Felder, die ein Bauer allein mit seinen Tränen wässert, welche er seinem Körper mit steampunkigen schmerzzufügenden Maschinen entlockt.
ok
Kunst als Realitätsflucht. Als Konzept, aber nicht als Prinzip. Ein biederes Loblied auf die Rettung durch Kunst. Zumindest schön sieht es aus.
Sonnabend 14.09.
fantastisch
Es beginnt mit Gore, es folgt ein superknappes, aber nicht minder krasses Drama, bevor Sabine Kleist aus einem Waisenhaus abhaut, plötzlich wie in einem Märchen in Berlin einreitet und durch die geteilte Hauptstadt tingelt. Sie beobachtet Erwachsene, die an sich und ihren Leben scheitern, die nichts erklären können, die nicht helfen können oder wollen. Dass es ein DEFA-Film ist, ist dieser Zeitkapsel zu jedem Moment anzusehen und zu hören, und doch ist dieser zeitlich sehr klar verortete Film vor allen Dingen ein universelles Werk darüber, keinen Platz in dieser Welt zu haben, die an einem versagt und an der man selbst versagt. Ein Kinderfilm. Ein essentieller sogar, der sich hinter Ozus besten Werken nicht zu verstecken braucht.
gut +
Gegen Ende lässt sich Jürgen Tarrach von einer (noch) jungfräulichen Zwangsprostituierten ins Gesicht pinkeln und springt danach erfrischt und mit kindlicher Freude auf. Als schmieriger Widerling, der weniger Teufel, als sich an einem reibender Straßenbahnlüstling ist, ist er schon sensationell. Zu diesem Zeitpunkt wird auch klar, dass die staatlichen, kulturellen und klerikalen Granden in einem perversen, menschenverachtenden Komplott verstrickt sind. Kurz darauf wird Brenner (Josef Hader) mit seinem Anhängsel Berti (Simon Schwarz) auch noch in eine kleine Dusche gesperrt, die kochendes Wasser auf sie sprudeln lässt. Die Welt dieses Films stellt sich schlussendlich als makaber, grimmig und unrettbar heraus.
Wobei: das mit dem Herausstellen trifft es nicht richtig, da es von Beginn weg klar. Brenner wird von einer attraktiven Frau angeheuert, um den als Selbstmord deklarierten Tod ihres Mannes aufzuklären. Und wenn es so offensichtlich als Hard-Boiled-Krimi beginnt, ist es nicht verwunderlich, wenn es auch so endet. Auch sind Bilder für eine brutale, sinnlose Welt zu Beginn potenter und trister als am Ende, wo nur noch Tarrach als Fratze des Abgrunds dient und mehr wie ein Gimmick wirkt. Gleich zum Auftakt wurde Brenner als heruntergekommener und gedemütigter Kaufhausdetektiv entlassen. Daraufhin ist der drückende Kopfschmerz ob dieser Welt nur mit Alk und Schmerztabletten minimal betäuben. Geistliche bespannen junge Männer in besagter Dusche oder quälen dort Obdachlose. Brenner muss ein Kreuz schleppen, als stecke er gerade in seiner eigenen Passionsgeschichte. Uswusf. Nichts was später kommt, ist bei dieser Flut sozialer Niedertracht eine Überraschung. Was der Film Brenner so lange suchen lässt? Das Ausbuchstabieren, was vorher als Ahnung omnipotent gewesen war.
Aber es ist eben auch ein Film, in dem diese Welt außer Rand und Band kontrolliert und galgenhumorig registriert wird, in dem ein ehemaliger Neo-Nazi wunderbare Auftritte hat und in dem Autos sich eine Verfolgungsjagd durch die spiralförmige Auffahrt eines Parkhauses liefern. Es ist schon ein sehr guter Film, dessen Qualitäten nur langsam, aber zunehmend entschwinden.
Freitag 13.09.
nichtssagend
Die Hilflosigkeit der Figuren von Frederick Lau und Nora Tschirner, die so viel Platz lassenden Cinemascopebilder oder der Umstand, wie fragil der Agent der Nüchternheit von Godehard Giese gespielt wird – wie jemand, der einem den Wachturm verkaufen möchte, aber doch kurz vorm Abfall vom Glauben steht: Ein guter Film steckt hier drin, aber allein die Musik – der für den Film erstellte Bierwerbung-Indiekitsch (Volker Bertelmann) und der millionste Einsatz von WHERE IS MY MIND? – steht kurz vor Körperverletzung.
Donnerstag 12.09.
großartig –
Ein Spiegelkabinett seiner selbst mit einem Regisseur, der mal wieder in seinem Element scheint. Viel besser als erwartet also. Mehr dazu bei critic.de.
Mittwoch 11.09.
gut
Der von Pyun intendierte Cut blieb erhalten, weil dieser dem angedachten Komponisten als Video zugesandt wurde. SLINGER zeigt uns CYBORG also umgeschnitten und mit Videomaterial ergänzt. Die optische Qualität schwankt zwischen schwammigen Video und DNR-gefilterten Filmscan. Der Ton ist nicht toll. Aber mit der wieder eingefügten Gewalt ergibt die Action Sinn, mit der dem Mehr an Downtime entsteht gleich Atmosphäre und das Umkreisen zwischen einer verfolgenden Vergangenheit und einer hoffnungslosen Gegenwart, die gegen jede Chance die Hoffnung nicht fahren lässt, kann sich mehr entfalten. Bei allen Einschränkungen also doch die bessere Version.
Dienstag 10.09.
gut
Bruce Willis spielt einen obsessiven, selbstgerechten und -mitleidigen Cop, der die entstellte Fratze seiner selbst jagt, einen Serienkiller, der Willis‘ Exfreundinnen nach und nach umbringt. In einer Wolke aus Alkohol, Selbsthass, Narzissmus und Inzest agiert er – Letzteres nicht, wegen Sex mit Verwandten, sondern aufgrund einer allgegenwärtigen Familiengeschichte, in der Männer samt und sonders Polizisten sind. Der Film zeigt – natürlich – alles aus seiner Perspektive, und stellt ihm mit Sarah Jessica Parker einen Cheerleader an die Seite, die sich in unseren Aufrechten und Talentierten mit dem Seelenschmerz verliebt. Kurz: die Brüche sind vielfältig, die dubiosen Untertöne markant, nur kann sich Herringtons Inszenierung dafür nicht erwärmen. Es ist zwar alles da, aber in der straight erzählten Serienkillerjagd ist mehr im Augenwinkel los, als bei dem, für das sich der Film interessiert: den Spaß von streitenden Alpha-Dudes, die Recht behalten wollen.
Das Problem ist aber nicht die mitschwingende (maskuline) Selbstbestätigung, die keinen Sinn für etwaige Innenleben besitzt und sich völlig auf Oberflächen und Oberflächenkonflikte einschießt, sondern die Leidenschaftslosigkeit. Vll. ist es dramaturgisch auch schlicht ungünstig, den Film mit einer adrenalinpumpenden Autoverfolgungsjagd zu starten, die einen reichen, atemberaubenden Film etabliert, auf die aber wenig Adäquates folgt.
Montag 09.09.
großartig
Das Glück liegt zum Greifen nah, wäre die Nummerierung des Ikea-Selbstbaueigenheims nicht durcheinandergebracht. Eine Woche kämpft ein frisch vermähltes Paar gegen die Hand, die einem gegeben wurde und für das Lebenswerte – was heißt, dass Keaton durch ein Haus stolpert, an dem nichts fest ist. Weshalb auch nichts funktioniert, wie es soll, aber eben doch zweckentfremdet werden kann. Witzen über doppelte Böden in schneller Folge also, in der mal wieder eine umstürzende Hauswand Keaton nicht erschlägt, weil er dort steht, wo das – zugegebenermaßen etwas kleinere (als in BACK STAGE), aber noch nicht so arg kleine (wie in STEAMBOAT BILL JR.) – Fenster landet, und eine Hand die Kamera zuhält, damit eine nackte Frau die Seife aufheben kann, die aus der Badewanne gefallen ist. Das Leben als kreativer Kampf gegen kreative Nickligkeiten, die einen zerstören wollen.
gut
Beim Golfspiel knockt sich Keaton selbst aus. Während seiner Bewusstlosigkeit tauscht ein entflohener Sträfling mit ihm die Kleider, weshalb nun der unschuldige Golfer zum Gejagten wird. Und dieser versucht zu keinem Zeitpunkt die Situation zu erklären und sich so zu retten. Heißt Stummfilm doch, dass wir die gesprochenen Dialoge und die Geräusche bloß nicht hören können, obwohl sie doch eigentlich da wären, da stellen Stummfilm bei Keaton – trotz der vorhandenen Zwischentitel – Gefängnisse ohne Sprache und Ausdrucksmöglichkeiten dar. Sein Stone Face ist zwar kommunikativ, Zusammenhänge, Erklärungen, Rechtfertigungen werden aber von der Tonlosigkeit unmöglich gemacht. Auch so entwirft er kafkaeske Albträume.
Sonntag 08.09.
großartig –
Der Auftakt, in dem wir den Müden Joe (Terence Hill) kennenlernen, ist so ikonisch wie Kino nur ikonisch sein kann. Als Kind gab es bei meinen mit Playmobil erlebten Geschichten in den Westernwelten immer einen Cowboy, der sich auf einer Liege von einem Pferd ziehen ließ. Wenn ich jemals sowas wie ein Idol hatte, dann war er es. Mir war auch immer bewusst, dass das Folgende nicht mit dem Auftakt mithalten kann, da er Film von unserem Aufeinandertreffen mit seinen ranzigen, speckigen, liebenswerten Figuren lebt, nicht aber davon mit ihnen etwas zu erzählen. Und doch hätte ich früher nie eingestanden, was ich Lotti Z. (8 Jahre) nach dem Film gestand: Dies war immer neben ZWEI HIMMELHUNDE AUF DEM WEG ZUR HÖLLE mein liebster Spencer-Hill-Film, aber jetzt im gesetzteren Alter kann ich nicht mehr übersehen, dass ZWEI WIE PECH UND SCHWEFEL in seiner Gesamtheit doch besser, weil absurder ist als dieser immer noch geliebte Film.
großartig +
Das traute Heim eines kinderlosen Ehepaars (Alec Baldwin & Geena Davis) wird von drei Seiten bedroht: von Schmutz und Verderbtheit (Michael Keaton als Beetlejuice), von exzentrischen, selbstgefälligen Snobs (vor allem Catherine O’Hara) und von Bürokratie (einem Leben nach dem Tod). Sie werden mit anderen Worten von Veränderung und der Unmöglichkeit, sie aufzuhalten, eingeholt. Erstaunlicherweise finden diese einem 1950er Bilderbuch entsprungenen Spießer gegenseitiges Verständnis bei einem Goth-Teenager (Winona Ryder). Angefüllt mit liebevollen Details und arbiträren Einfällen wird das Aufeinanderprallen der Welten zelebriert. Überall findet Burton mit Vorliebe für Modelle, Details und Morbidem Schönheit und greift verspielt und selbstbewusst Möglichkeiten auf. Vll. ist es doch sein bester Film … bei dem der einzige Wehrmutstropfen ein Ejaculatio praecox ist. Die ganze Zeit geht es darum, Beetlejuice (die Verbitterung) im Zaun zu halten, und als er dann loslegen kann, wird er für ein schnelles Happy End geext.
Sonnabend 07.09.
großartig –
Zwei Tagelöhner haben ihre spärliche Hütte mit absurder Effizienz lebenswert gemacht – der Herd ist gleichzeitig das Grammophon, das Sofa die Spüle und fast alles ist fernbedienbar. Sobald sie aber ihr Heim verlassen, holt sie das Chaos ein, dass sie auszusperren versuchen. Eifersucht trennt sie, ein Hund jagt Keaton noch in die letzten Winkel des Möglichen und benötigte Pfarrer kommen wie aus dem Nichts in ihre Lebenswelt: Die hochkreativen Versuche, der Situation Herr zu werden, tragen nur fragile Früchte und zerrschellen an einer Welt, die nur Hohn für solche Versuche übrighat. Buster Keaton Filme sind kafkaeske Albträume – auf ihre Weise –, und im Grunde gibt es nur ein Qualitätsmerkmal für sie, wie wild der Kampf wird. Hier ist er es sehr.
fantastisch –
Träumen testosterongeschwängerte Androiden von elektrischen Apokalypsen? John (Scott Adkins) sucht die Mörder seiner Familie und fährt ins Herz der Finsternis übersteuerter Männlichkeit, um auf Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme) zu treffen, der inzwischen mit rasiertem und angemaltem Schädel zum Messias der um Kontrolle und Sinn ringenden freien Universal Soldiers geworden ist. Er folgt den zerrinnenden Träumen seiner Erinnerung und taucht in ein Meer aus Männern, die nur Triebe (Gewalt, Sex und sexualisierte Gewalt) sowie verzweifelte, religiöse Sinnsuche kennen, in sich und seinesgleichen. Und Hyams reißt dabei Genregrenzen ein und macht ein von Blut, Schweiß und Realitätsresten triefende Meditation über Männlichkeit und Identität.
Freitag 06.09.
ok
Gangleader Rincon (David Castañeda) hält einen Slum Washingtons in seiner Hand. Eine Parallelwelt für die die Vertreter des Regierungssitzendes kein Auge hätten. Er erklärt dem jungen Lucas (Elijah Rodriguez), dass es eines scharfen Verstandes und eines gestählten Herzens bedarf, um die Macht zu erhalten. Castañeda sieht aber selbst mit fast vollständig tätowiertem Gesicht vor allem sympathisch aus – folglich ist statt ihm auch einer seiner Handlanger auf dem Filmposter.
Dem stressigen Karmathriller WE DIE YOUNG ist es folglich ein Vergnügen, Rincons Schwachstelle offenzulegen – die Liebe zu seiner Schwester und die Nachsicht gegenüber Protegé Lucas – und dort Druck anlegt. Die Handlung vollzieht sich am Tag der Hochzeit der Schwester, einen Tag, den Rincon ohne Drama zu begehen gedenkt. Nur kochen brodelnde Machtkämpfe in seiner Gang über und zwei überlebenswichtige Packen Geld verschwinden. Wie eine Würgeschlange kreisen Gewalt, Staatsmacht und Karma Rincons Heim ein. Sein Herz soll gebrochen werden und er etwas fühlen.
In diesem Schnellkochtopf aus schnellen Schnitten und wackligen (Pseudo-)Plansequenzen durchs Chaos befindet sich Jean-Claude Van Damme. Ein Veteran aus Afghanistan, ein Junkie, der seine Kriegstraumata, die psychisch und physisch an ihm nagen, betäuben möchte. Wie der Universal Soldier aus REGENERATION findet er erst wieder Sinn im Leben, wenn er kämpft. Anders als dort ist er aber keine Maschine, sondern ein Wrack, dass sich mehr schlecht als recht durch die Gewaltspitzen schleppt. Van Dammes Rolle und Auftreten sind ein Stück Geröll, das im konzentrierten Thriller und der neo-depressionistischen Gesellschaftskritik mitgeschleppt wird. Sein rumpliger, tragischer Kampf gegen die Absolutheit seines Scheiterns, seine unnötige Anwesenheit ist noch das Faszinierendste dieses betroffenen You reap what you sow-Actioner.
gut +
Die Geschichte einer Frau (Julia Roberts), die keine eigene Identität hat, weil sie die Vorlieben von Männern spiegelt und deshalb von allen geliebt wird, und die das Treffen auf einen Kolumnenschreiber (Richard Gere) braucht, der als waschechter Contrarian genau dann nach dem Inneren einer Frau zu suchen beginnt, wenn es niemand anderes mehr tut, um die Liebe zu finden, funktioniert eher so halb … und ist vor allem eine PRETTY-WOMAN-Reunionparty. Was vollkommen reicht. Zwischen den Hauptdarstellern herrscht nämlich so viel Chemie, dass es ein noch viel schlechteres Drehbuch in noch unbegabteren Händen bräuchte, um es nicht super werden zu lassen.
Donnerstag 05.09.
fantastisch –
Nach nicht ganz einer Stunde verlässt die Handlung New Orleans und verlegt sich in die Sumpflandschaft Louisianas, ins Bayou. Selbstredend wird dort CCRs BORN ON THE BAYOU angespielt. Sichtlich nicht dort geboren – im Byaou, in den USA – ist John Woo. Gerade die Exposition sieht nach der Vision eines Touristen aus, der nach New Orleans kommt und all seine Vorstellungen bewahrheitet sieht. Die USA werden glücklich auf ihre Mythen und ihr Image heruntergebrochen. Jean-Claude Van Damme bekommt eine Frisur, als müsse er wie der gerade mit ACHY BREAKY HEART zu Starruhm aufgestiegene Billy Ray Cyrus aussehen. Selbst Obdachlosigkeit, Straßengewalt und überforderte Bürokratie sehen aus, als bestätige sich, was sich vorher freudig – durch einiges an Medienkonsum – ausgemalt wurde. Sichtlich geht für jemanden ein Traum in Erfüllung, jemanden der inszenatorisch danach und vll. sogar davor nie so auf der Höhe seiner Kunst war.
Vielleicht ist Woo aber zu sehr Stadtkind, als dass er dies ins Bayou retten könnte. Mit diesem fremdelt er. Der Sumpf sieht schlicht nicht wie etwas aus, wo er schon immer mal sein wollte. Er und wir stranden in einem verrannten Western … wären da nicht Onkel Douvee (Wilford Brimley) und die völlig absurde Klappenschlangenszene, die als Kickstarter dafür dienen, dass der Film im Finale in das ur-amerikanische Genre des Cartoons wechselt. Handlungsort ist ein aus Gründen im Bayou stehende verlassene Industriehalle, die mit verfallenen Pappmachékulissen angefüllt ist. Opernhaft schwebt Van Damme hier auf einem Papppelikan von der Decke und schießt auf seine Gegner. So würde es aussehen, wenn Richard Wagner und Chuck Jones verschmelzen und einen Westernhelden in einer Geisterstadt auf seine Verfolger warteten lassen und nun zur großen Arie ansetzen. Dass Woos Hollywood-Aufenthalt eher tragisch werden sollte, diese Zukunft spottet hier noch jeder Realität.
Mittwoch 04.09.
ok
Die Bilder sind schön und dynamisch. In ihnen tauchen Köpfe auf; sie schwenken elegisch; sie wackeln, wenn die Kamera auf einen Transporter geschnallt ist, der eine rumplige Straße entlangfährt: Spannung bestimmen sie, immer ist was los. … Nur kann dies von Drehbuch, Schauspiel und Schnitt nicht ebenso behauptet werden.
Ein Yakuza (Tsuruta Koji) rächt sich und will seinem ehemaligen Clan den Drogenhandel versauen – mit der Hilfe von netten Mitmenschen, die die Welt zu einer besseren machen wollen. Also werden Bars, Spielhallen und Bordells abgeklappert und das dort gelagerte Rauchgift entwendet. Im finalen Coup soll gleich die ganze Produktion gekapert werden. Das so in einem Heist gipfelnde Procedural ist aber steif. Von einem nichtssagenden Ort mit nichtssagenden Menschen wird sich zum nächsten bewegt. Selbst das Finale – Verfolgungsjagd mit minimalen LOHN DER ANGST-Vibes, Explosionen und einem höchst tragischen Tod – sieht zwar exzellent aus, bleibt aber hohl. Unbestimmt geht es von einem Punkt zum nächsten, wobei die Helden alles im Griff haben.
Mein größtes Problem ist Tsuruta. Er schafft es einfach nicht Dominanz zu porträtieren, so sehr er es versucht. Vll. habe ich den Film aber auch falsch gesehen. Vll. war ich nicht rezeptiv genug, für die Tragik von Figuren, die sich hinter klapprigen Fassaden von Checkertum verbarrikadierten. Vll. sollte ich das Leid dahinter, was durchaus zu erahnen war, mehr beachten. Vll.
Dienstag 03.09.
verstrahlt –
Blauer Himmel, Sonne, Strand, barocke und/oder exotische Handlungsorte, nackte Frauen, Blut, Tod, schwammige Realitäten, Zooms (auf Gesichter und Venushügel), Schwenks (über nackte Haut), Mäandern und erzählerisches Schlendern: Der Regisseur klar und deutlich zu erkennen … und doch ist es etwas entschieden anders. Verzweiflung durchzieht den Film.
Howard Vernon spielt einen geriatrischen Vampirfürsten, der in seinem Sarg festsitzt. Den Oberkörper kann er noch erheben, aber das war es auch schon. Die Opfer müssen ihm in den Sarg gelegt werden, weil er sonst nicht an sie herankommt. Seine Nachfahrin (Carmen Yazalde) wiederrum wird auch zum Vampir und rekelt sich vornehmlich lebensfroh mit ihrer Geliebten (Anne Libert) durchs Bett. Am Ende aber, als längst etabliert ist, dass sie aufs Blutsaugen verzichtet, beißt sie doch zu … aus fiebriger Eifersucht. Und auch im Dorf wird eine Eifersuchtsgeschichte erzählt, die darauf hinausläuft, dass Leute ihr Leben miteinander verbringen werden, deren Liebe zueinander nur noch ein feuchtes, betrogenes Glimmen ist. Zusammen ergeben diese drei Stränge keine erzählerische Einheit, sie laufen nur nebenher. Der letzte Part ist der Einzige, der etwas wie einen Plot ergibt und nicht nur aus Atmosphäre besteht. Alles steht also sinnlos nebeneinander und kommuniziert nur eine Kluft, ein Fehlen … Leere.
Vielleicht ist dies auf seine Weise ein guter, zum Entspannen in sonniger Kälte einladender Film, in welchem nur der Polizist und der Reporter stören, die die Todesfälle untersuchen. Die Hässlichkeit des Bildes von der blu-ray versagten mir aber die Entspannung. Der Scan würde dermaßen mit DNR nachbearbeitet, dass er breiige Glätte wiedergab. Die Haut hatte gerade zu Beginn die Farbe von gebrühtem Hummer. Uswusf. Es ist sehr schade.
Montag 02.09.
gut
Bevor Keaton mit Chaplin in Wettstreit trat, wer mehr auf Zwischentitel verzichten könne, bevor Keaton sich von Arbuckle löste, seine Talente entfaltete und sein Handwerk verfeinerte und schliff, spielte er in diesem formlosen Chaos, das assoziativ wie ein Traum Einfälle aneinanderreiht. Gegenseitig wird sich in Benzin geduscht, um sauber zu werden. Auf riesigen Turntables wird sich gedreht. Während Feuerwehrmänner ein Feuer suchen, brennt die Feuerwache ab. Und Leute werden von Sprungtüchern auf Stromleitungen geflippt. Ein glühendes Nickelodeon während ihres Verschwindens.
großartig –
Sein erster Film als Regisseur und Star war Keaton zu sehr an die Werke Arbuckles angelehnt. Er wollte ihn nicht veröffentlicht lassen – nach einem Jahr kam er doch in die Kinos, weil der Verleih nicht warten wollte, bis Keatons Knöchel nach einem Bruch geheilt war. Tatsächlich beginnt es aber mit einem Absprung in zweierlei Hinsicht: Eine Texttafel erklärt, dass unser Held irgendwo landet. Es folgt die Einstellung eines breiten Straßenzugs. An dessen Ende in der Ferne liegt das Meer. Nicht ganz so weit weg, aber zentral im Bild kommt jemand wohl vom Hafen auf uns zugelaufen. Wir instinktiv ahnen wir, dass das Keaton sein muss. Unmittelbar fährt aber ein Zug vor der Kamera entlang, von dem Keaton direkt vor die Kamera stürzt. Symbolisch springt er von der rasenden Karriere Arbuckles ab. Der kurze, bewusst choreographierte Moment der Irritation ist aber schlicht auch etwas, was es bei Arbuckle so nie gab. Der Rest ist dann zwar nicht so weit dem entfernt, was er verlassen hatte, und sichtlich Teil einer Findung und Emanzipation. Und doch ist auffälliger wie stark der Bruch ist und nicht wie sehr es sich gleicht.
Sonntag 01.09.
ok
Indische Filme im Kino mit einem vorwiegend indischen Publikum sind oft ein Erlebnis. Die Stimmung ist eine andere. Beim Auftritt der Stars wird gejubelt, oder es wird euphorischer Szenenapplaus gespendet uswusf. Manchmal richtet sich aber genau das, was etwas ausmacht, gegen es. An diesem Abend wurde wieder gejubelt, und es herrscht eine nachdrückliche Stimmung. Auch saß auch eine junge (wohl) deutsche Frau in der ersten Reihe, die sich nicht traute ihre Stimme zu erheben, aber verschlossen euphorisch mitklatschte. Nur fand ich Athreyas Film und die Darsteller nicht sehr aufregend. Meistens war es ganz nett. Und jedes Mal, wenn der Jubel losbrandete, fragte ich mich verstockt: Warum? (Zumindest S. J. Suryah und Murali Sharma als ungleiches, ungleich psychopathisches Brüderpaar fand ich auch toll.)
August
Sonnabend 31.08.
großartig –
Eine Stunde Palermo, ein besseres Mittelalter, in dem es immer wieder überrascht, wenn Flipper und Autos herumstehen, wo Nicola (Nicola Zarbo) nicht viel ist, aber wenigstens integriert. Eine Stunde Wolfsburg, in der alle an den Rändern der Gesellschaft ihr Leben fristen – der beste Witz des Films ist die Frage Nicolas, ob das VW-Werk, vor deren gigantischer Trostlosigkeit er steht, die innerdeutsche Grenze sei. Eine Stunde Gerichtsverhandlung, in der Nicola nach einem Mord landet, ein absurdes Theater der Grausigkeiten, ein Fiebertraum, in dem alle beteuern, dass sie die Wahrheit suchen würden, aber die einen fälschen Beweise, die andere unterschlagen sie – nicht weil sie um deren Falschheit wissen –, die einen verfangen sich in pedantischer Rechts-und-Ordnung-Hysterie, die anderen in Sonne-und-Meer-Gemüter-passen-nichts-in-nützlichkeitsorientierte-Deutschland-Hysterie. Auf dem Pult schläft eine Richterin – außen in der Einstellung –, dass die Zigarette auszumachen sei, wird mehrmals gekreischt, während die Zeugin sie ungestört ansteckt. Schroeter geht es sichtlich nicht darum, zu klären, wieso Nicola zum Mörder werden konnte, ob Deutschland an seinen Gastarbeitern scheitert oder vice versa, wie mit schuldig Gewordenen verfahren werden sollte uswusf., sondern um die spaßige Darstellung einer vergifteten Debatte und um deren Unmöglichkeit, deren Wahnsinn.
großartig–
Manlia als Irrgarten, der ausschließlich in Sackgassen führt. Julio (Bembol Roco) sucht darin ein Auskommen und seine Jugendliebe, die in die Prostitution verkauft/-schleppt wurde. Er findet diktatorische Chefs auf Baustellen, die einen um den Lohn prellen. Er findet den lukrativen Verkauf seines Körpers, kann sich aber nur zweimal überwinden. Die Leute um ihn sterben wie die Fliegen, und ihr Ableben hat kaum einen größeren Eindruck als der Tod eines Insekts. Er und der Film sind ständig in Bewegung, es geht durch Baustellen, Slums, Rotlichtmilieus, Märkte, Erinnerungen an die landschaftliche Schönheit und Einfachheit von zu Hause, aber Julio zieht es wie die Motte zum Licht immer wieder zum selben Ort zurück, wie der Film zwangsläufig bei Dreck und Elend angelangt.
Freitag 30.08.
gut –
Julie Andrews, Anne Hathaway und Hector Elizondo zuzuschauen, wie sie von Beginn weg eine sich ergänzende Familie ergeben, ohne es wahrzunehmen, ist schon sehr schön. Da ist auch zu verschmerzen, dass die sonstigen Beziehungen (Liebe, beste Freundin, Mutter und Antagonisten) und der Witz der Fish-Out-of-Water-Komödie etwas stiefmütterlich mitgeschleppt werden. Am faszinierendsten sind die immer wieder gezeigten, sich ausrichtenden Überwachungskameras (und ähnliches), die die Überwachungssituation durch Mitschüler und der Öffentlichkeit irgendwie fast knuffig aussehen lassen.
großartig +
Vollzugsbeamte (Debra Winger – vom Sprachduktus und Persönlichkeit eine frühere Kristen Stewart), die obsessiv ihren Job ausfüllt, die nicht ins Bild passt, deren Leben Chaos und Anstrengung ist, die in einem Großraumbüro arbeitet, deren Fensterfront völlig giftgrün gestrichen ist, verfolgt eine Serienkillerin (Theresa Russell), die entspannt von Mann zu Mann, von Mord zu Mord cruist, die ungebunden – schwerelos schwebt der Film dahin und hält sich nicht lange auf, die Gestorbenen verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind – im Luxus lebt, die sich perfekt in ihre Umgebung einpasst … die aber schnell die Contenance verliert, wenn sich ihr zu sehr genähert wird. Und doch ähneln sie sich ungemein: Ihr jeweiliges Sein ist vollkommen auf Ziele und das Sammeln von Informationen konzentriert.
Gegen Ende nimmt die Krimistruktur etwas überhand, der Machtkampf der beiden wird entschieden. Davor aber, im Doppelportrait zweier Frauen mit einem One Track Mind, die nicht zwei Münzen einer Medaille sind, sondern Liebhaber und gegenseitige Idole besteht BLACK WIDOW nur aus Motiven und kurzen Momenten eines Mosaiks aus Lust, Wille und Begierde, aus tristen (Ehe-)Männern und einer Mischung aus stilvoller Impertinenz und Schönheit. Es gibt weniger einen Fluss der Erzählung als einen elliptischen Steinbruch einzelner Eindrücke, die umeinander kullern. Und die Sauna der beiden glühenden Persönlichkeiten umgibt dies mit einem geilen Dunst.
Oder anders: Mit den beiden faszinierendsten Schauspielerinnen dieser Zeit schafft Rafelson eine Melange aus New Hollywood und den 1980er Jahre. Hier das scheiternde, verzweifelte Selbst, dort das Selbst hedonistischer Selbstdarstellung. Der Hang zur kryptischen Ambivalenz wird mit wunderschönen, edlen Oberflächen versehen. So sehr gelingt es, dass es scheint, dass Rafelson nur auf die 1980er Jahre gewartet hat.
Donnerstag 29.08.
großartig +
Die Pasalan Liberation Front besetzt die Ruine des Kraftwerks von Tschernobyl und drohen dessen Sprengung an, wenn ihr Land keine Unabhängigkeit bekomme. Effizient stecken die zentralen Motive in dieser Grundlage.
Macht und Hilflosigkeit: Einzelne Impulse befinden sich im Widerstreit mit dem ganzen Individuum, das Individuum mit dem Kollektiv, Gruppen mit der Staatsmacht und Bundesländer mit dem ganzen Land. Es geht um Deutungshoheit und Vormacht. Um die Erfahrung, nicht mehr Herr der Lage und ausgeliefert zu sein. … Oder es geht darum, wer die dicksten Eier hat: Die (verbalen) Einschüchterungskämpfe zwischen Rebellenführer Topov (Zahari Baharov) und dem abtrünnigen Wissenschaftler Dr. Colin (Kerry Shale) bzgl. der Vorrangstellung in der Rebellion sind ein Highlight des Films … auch weil wir wissen, dass die beiden Schöpfer – der eine der Situation, der andere einer neuen Generation von Universal Soldiers – ihre Schöpfung selbstredend nicht unter Kontrolle halten werden können und völlig hilflos von dem gefressen werden, was sie schufen.
Programm vs. Selbstbestimmung: Pasalan möchte nicht mehr Teil der Ukraine sein, eine Psychologin soll etwas Menschlichkeit aus Luc Deveraux (Jean-Claude Van Damme) herauskitzeln, der anscheinend aber nur noch eine Maschine zum Töten ist … womöglich will auch er nicht mehr Teil seiner selbst sein. In den Kulissen eines schäbigen Beat em up, in leeren, verfallen Gebäuden, in Lagerhallen voll Schutt, in Stahl und Dreck kämpft er gegen willenlose Befehlsempfänger und steuerungslose Psychopathen, die sich gar nicht mehr klarmachen können, was überhaupt los ist. Es ist der Kampf in einem Unterbewusstsein, in dem es kalt, düster und einsam ist. Das traurigste Bild zeigt Van Damme in einem klinischen Umfeld an einen Experimentier-stuhl gefesselt, wobei er eine Schnute zieht, als werde ihm die Mutterbrust abgewöhnt.
Wer es länger und besser möchte, lese Oliver N. bei critic.de.
Mittwoch 28.08.
großartig –
Roscoe Arbuckle steht auf einer Theaterbühne. Die Vorderfront der Kulisse eines zweistöckigen Hauses kippt und zerquetscht ihn nur nicht, weil, da wo er steht, das Fenster landet. Diese Wand ist sichtlich leichter, das Fenster deutlich größer und unten steht ein anderer, aber klar ist dies die erste Version des notorischen Stunts aus STEAMBOAT BILL JR., den Keaton hier erstmals einbringt. Drumherum herrscht Cartoon-Mayhem mit Gewichten, und Tanz.
gut –
Auf BACK STAGE folgt etwas Gesetzteres, das sich zieht … zumindest bis Keaton zaubert und Arbuckle Zwiebeln isst.
Dienstag 27.08.
nichtssagend
Diese Videospielverfilmung ist schon sympathisch und hat seine Momente – wie das Überblenden von General Bisons Wappen auf einen irrsinnig lachenden Raul Julia. Julia und Van Damme sind auch ungemein spielfreudig und sich keiner peinlichen Pose zu schade. Aber zwischen den vereinzelten Schönheiten ist es doch ziemlich trockenes und gerade in der Action unansehnliches Knäckebrot. … und überhaupt, was soll das, dass es gar keine Straßenkämpfe gibt und dass Dhalsim, mein liebster Charakter damals, ein Wissenschaftler und kein Kämpfer ist?
Montag 26.08.
gut +
Es könnte sein, dass ich bei einer zweiten Sichtung die Selbstvertrashung in der zweiten Hälfte mehr genießen kann. Zumindest liest sich mein Text auf critic.deversöhnlicher, als ich es zuerst empfand. Jedenfalls ließ er besagten den Verdacht keimen.
Sonntag 25.08.
ok +
Im Kommentar des Sehtagebuchs 2016 zum Film beschwere ich mich u.a., dass diese eine einzige riesige Exposition (mit Krimiappendix) ist. Und auch wenn ich nicht der größte Fan des Films bin, ist dieses Konzept seine eigentliche Stärke. Expositionen sind nämlich sowieso immer das Beste.
fantastisch
Sabrina Z. hat sich lange gegen den Film verwehrt. Auch wegen einer kleinen, unverständlichen Abneigung gegenüber Kevin Costner. Nun habe ich sie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, den Film eingelegt und verfolgt, wie sie von Drama, Witz und Sex des Films immer mehr mitgenommen wurde. ♥
Sonnabend 24.08.
fantastisch +
Wieder wusste ich nicht, wer der Mörder ist, wo es wie endet und ob dies der Film war, wo in riesigen Büchern einer Bibliothek nach etwas gesucht wird, oder ob das ein anderer Film Rivettes war. Und trotzdem fühle ich mich zunehmend heimisch, weil ich weiß, dass mich der stete Fluss aus Dingen jedes Mal wieder mitnehmen und das Ergebnis weiter unbekannt sein wird.
großartig +
Fremdenlegionsdeserteur Lyon Gaultier (Jean-Claude Van Damme) kommt in New York an – hochsymbolisch springt er unweit der Freiheitsstatue von Bord eines Schiffes und schwimmt ins Land der Mutigen und Freien. Sein erster Eindruck ist ein Straßenzug voller Obdachloser … umgeben von luxuriösen Hochhäusern. Der Gegensatz aus weitgreifender Armut und kaum fassbaren Reichtum heißt ihn willkommen.
Wir befinden uns eben in Sheldon Lettichs HOME IS WHERE THE HATRED IS. Denn immer und immer wieder stellt er diesen Widerspruch ins Bild. Als Lyon seine Nichte auf ihrem Weg zur Schule über eine Straße hinweg beobachtet, werden zwischen ihnen gerade Gangmitglieder verhaftet – breit im Bild. Repetitiv sind Gangs, Schuldeneintreiber und Obdachlosigkeit zu sehen. Aber auch die Reichen, die nicht wissen, wie sie mit all ihrem Geld noch Genuss und Aufregung finden sollen. Reiche, international agierende Perverse, die illegale Kampfzirkel besuchen und das Blut von Fremden brauchen, das ihnen als Cumshot ins Gesicht spritzt.
In diesen Fight Clubs – ohne Regeln wird aufeinander eingeschlagen, bis der gewinnt, der am wenigsten krankenhausreif ist – findet sich die US-amerikanische Gesellschaft im Kleinen. Es ist eine Vision, in der sozialer Aufstieg Ausbeutung und Selbstverrat bedeutet und eine Unmöglichkeit ist, die nur ein Lyon Gaultier zu meistern weiß – diese eierlegende Wollmilchsau, dieses Lustobjekt, dieser unbesiegbare Kämpfer, dieser inspirierende Verletzliche. Und das Einzige, das Glück bringt, ist die Familie. Nicht zwangsläufig die biologische, sondern die, die sich selbst aufgebaut wird. Schmerz gibt es zwar auch in ihr, aber mit ihr ist man wenigstens nicht allein.
Außergewöhnlich wird LIONHEART aber dadurch, wie Lettich diesen in den Ring verlegten sozialen Konflikt sexuell auflädt. Beim letzten Kampf vor seinem letzten Schlag, über einen blutigen Gegner gebeugt, hält Lyon mit schlagbereiter Faust inne. Neben ihm steht The Lady (Deborah Rennard), die Zuhälterin ihres Kampfsportstalls, die über die Körper ihrer Kämpfer herrschen möchte und die von Lyon auf ein rein geschäftliches Verhältnis zurückdrängt wurde. Ihr Dekolleté hebt und senkt sich. Ihr ganzer Oberkörper ist reine Intensität, der verschwitzte, animalische Körper Lyons vor ihr. Aus der Faust macht dieses Bild mehr als eine einfache Faust, aus diesem Kampf mehr als einen einfachen Kampf und aus diesem Film mehr als einen schönen Actionfilm.
Freitag 23.08.
gut
Es fängt wenig vielversprechend an. Ein Erzähler erklärt aus dem Off, was seit dem letzten Film geschehen ist. Don Camillo und Peppone haben bei Ausschreitungen zum 1. Mai soweit über die Stränge geschlagen, dass sie nach oben weggelobt wurden. Der eine sitzt jetzt im Vatikan, der andere im Senat. Statt nun dieses Erdbeben zu zeigen, starten wir drei Jahre später, wo beide jeden Vorwand nutzen, um wieder mal in ihrem Dorf zu bleiben – wo sie sich wohlfühlen, in ihrem Konflikt, der ihnen Struktur und Glück bringt.
Beide sind innerlich zerrissen zwischen gegenseitiger Hochachtung – Liebe gar – und ihren Rollen als Vorkämpfer von Tradition/Katholizismus respektive Kommunismus. Sich ihre Gefühle einzugestehen, ist ihnen ein Ding der Unmöglichkeit, auch weil sie unterschiedliche Worte haben, um das Gleiche zu benennen. Durch ihre Rauflust und durch ihre Freude an der Qual des anderen werden sie zu Kindern – wobei der Film die Perspektive eines milden Erwachsenen einnimmt, der darüber lächelt und neidisch den Kopf schüttelt.
In mehreren Kapiteln stoßen sie also aufeinander, triezen sich und evozieren ruppige Zuneigung. Inzwischen ist es vorhersehbar und routiniert, und doch ist dies der beste Film nach dem Original, weil er dessen Vielgliedrigkeit fahren lässt und dadurch – anders als die Vorgänger – nicht mehr schlingert.
großartig
Lust ist die Antriebsfeder dieses hochgradig notgeilen Films: Frauen strippen allenthalben, nackte Männer(-rückseiten) gibt es dazu, Sam Elliott zieht sein Hemd hoch und den Hosenbund runter, um seinem Gegenüber eine Narbe und dem Zuschauer sein Schamhaar zu zeigen, und überhaupt ist da Patrick Swayzes zärtliche Raspelstimme. Noch dazu ist er rauflustig: die Schlägereien, der Hühnerkäfig zum Schutz der Band vor fliegenden Flaschen und der Siff der Bar wird sichtlich mehr genossen, als die rasend schnelle Gentrifizierung des Handlungsorts und dessen Publikums. Für einen prolligen Partyfilm ist er aber auch extrem brüchig. Nicht weil Swayzes Grundstellungen vor den Kämpfen die Suspension of Disbelief erschwert, da diese hemdsärmlich unterstreicht, dass er fernöstliche Kampfkunst könne, sondern weil Sex und Action immer wieder ins Dubiose und Uneindeutige vorstoßen. Wie in der einen lange zelebrierte Sexszene des Films, die bei Licht und sperrangelweit geöffneter Glasfront beginnt und bestens beleuchtet auf dem Vordach weitergeht, wirkt nicht nur leidenschaftlich, sondern auch wie die mutwillige Provokation des Nachbarn, seines Zeichen Ex-Mann der Frau und psychopathischer Bösewicht des Films (toll: Ben Gazzara). Überhaupt ist Sex immer wieder auch Provokation. Das Ende wiederum wirkt nicht wie eine Erlösung vom Bösen, sondern wie ein Lynchmord der kommenden traditionsversessenen WASP-Oligarchie an einem perversen Hugh-Heffner-Warlord der Moderne. Am schönsten aber sind die Blicke von Daltons (Swayze) Vermieter, einem lang-bärtigen, alleinlebenden Farmer, die nahelegen, dass er seinen neuen Untermieter gern in seinem Bett unterbringen würde, dass er gleichzeitig aber leider internalisiert hat, dass das keine Option sei.
Donnerstag 22.08.
nichtssagend
Deutlich ist eingeflossen, dass den Machern zwei Dinge bewusst waren. Einmal, dass die Zuschauer über einen riesigen Fundus popkulturellen Wissens verfügen, den Film einordnen können und deshalb wissen, in welcher Tradition er steht, wo sich bedient wurde, wo die Schauspieler in der Medienlandschaft verortet sind uswusf. Des Weiteren, dass Filme nur einen Bruchteil der Möglichkeiten darstellen, wie der Zuschauer inzwischen seine Zeit verbringen kann. Zusammen führt beides dazu, dass der Film in einem Fort Memes und Referenzen im vorauseilenden Gehorsam bietet, um sich zu entschuldigen, dass er einem zwei Stunden Zeit raubt. Teilweise war es schon ein sehr schöner Actionfilm, es war aber auch ein wenig traurig, wie sehr er sich seiner selbst bewusst ist, ohne selbstbewusst zu sein. Oder anders: Wahrscheinlich bin ich zu alt für diesen Film.
Mittwoch 21.08.
gut
Cette fois-ci, j’ai essayé de regarder le film avec des sous-titres français. Pour voir si je comprenais déjà suffisamment. La réponse est: non.
Dienstag 20.08.
gut
Die Kamera (Emmanuel Kadosh) findet tausend Wege das Gesicht Jean-Claude Van Dammes zur Maske von Trauer und Schmerz zu machen. Immer wieder wird es gezeigt, es wird studiert und durchwandert. Fast außschließlich finde sich stilles, nagendes Leid in ihm. Manchmal, wenn der Schnitt (Christopher Robin Bell & Dedan Ouziel) sich Zeit lässt und beispielsweise eine Brücke per Überblende durch Van Dammes Kopf läuft, dann wird es noch unterstrichen. Meist zerlegt er das Geschehen aber in ein Blitzen und Blinken von Eindrücken. Das Ganze erhält also keinen soliden Zusammenhalt, sondern wird ein fahriges, fragiles Etwas. Der Actionfilm ist so nicht wirklich schön, das Portrait eines Cheftürstehers mit Anger-Management-Problemen, der seine Frau verliert, weil ein Psychomafiaboss (Simon Yam) Frauen gerne die Kehle aufschlitzt, und den es dagegen schon.
Montag 19.08.
ok
Größtenteils spielt es in einer Anstalt, in der Ärzte mit blutverschmierten Kitteln herumlaufen und Leute für dubiose Operationen betäuben. Und doch ist der beste Teil der Auftakt: Arbuckle steht im Regen und haut ein paar fluffige Gags raus. Was im Umkehrschluss heißt, dass leider nicht so viel los war.
großartig –
Bisher der beste Film Arbuckles. Mit Essen und Geschirr wird jongliert. Spaghetti werden mit Gabel und Schere gegessen. Arbuckle tanzt als Salome mit Kehrschaufel als weiblichen Intimbereich. Ein Hund läuft eine Leiter hoch. Ziegenkutschen. Ohne Ende Rennen und Fallen. Viele Einfälle, viel Blödsinn. Das Highlight ist aber, dass wir Buster Keaton lächeln sehen. Plötzlich scheint die Wahl des steinernen Gesichts als Karrieremerkmal höchst zweifelhaft. Oder: vll. wirkt es hier auch nur so, weil er es uns ansonsten vorenthielt.
Sonntag 18.08.
großartig
Rapid Eye Movies bringt Ishiis Film nochmal in die Kinos. Das wäre noch besser, wenn er auch irgendwo hier in einem Kino laufen würde. So habe ich meine alte DVD ausgepackt, um einen Text für critic.de zu schreiben.
Sonnabend 17.08.
großartig
Jean-Claude Van Damme produziert in Hongkong Plagiate von Markenjeans; in Pumma-Schuhen nimmt er an einem Rikscharennen teil, bei dem sein Bruder betrügt, in dem er zwischenzeitlich ein Body Double einsetzt; Rob Schneider spielt ein doppeltes Knock Off: als bester Freund Van Dammes stellt er sich als Undercoveragent heraus, als Darsteller ist er lediglich die Raubkopie eines CIA-Agenten; Puppen und Kleider sind in Wirklichkeit Bomben; niemand ist, wer er vorgibt zu sein oder gerne wäre: KNOCK OFF spielt während der Tage der Übergabe der britischen Kolonie an die Volksrepublik China, weshalb die Angst über die Zukunft – ist das Sonderverwaltungsgebiet bald nur noch ein Abklatsch seiner selbst – zur wilden Action kanalisiert wird, zum Sturm der nichts aufeinander stehen lässt.
Freitag 16.08.
uff
Es ist ja erstaunlich wie stilsicher und kohärent der Film ist. Nur ist der Stil schrecklich. Das Flair eines frühpubertären Kinds herrscht, das ironisch auf die Hüpfburg gegangen ist und sich nicht traut Lust zu zeigen. Am schlimmsten ist, wie sehr bis auf Naomi Scott alle fehlbesetzt sind. Wobei zumindest Kristen Stewart ihre eigene Awkwardness zur Tugend macht.
gut –
Vll. muss ich mehr DTV-Action schauen. Die Fortsetzung Emmerichs Film ist zwar in die Kinos gekommen, aus heutiger Sicht wirkt es aber unwirklich. Der Industrial Metals, der fast bis zum Ende über den Actionszenen liegt, ist nämlich so prollig und relativ ungewöhnlich, dass ich neugierig wurde.
Donnerstag 15.08.
nichtssagend
Auf critic.de findet sich die Langfassung für Pavao V.s: Yes, a greatest hits of the Alien movies, if the greatest hits were all shit.
Mittwoch 14.08.
gut
Dave Franco spielt einen Womenbeater. Sein erster Auftritt im Film zeigt ihn, wie er eine Frau, die gerade in der Stadt angekommen ist, in seinem Auto ohne Rücksicht auf ihr Vergnügen vögelt. Als Arschloch ist er so überzeugend, dass ihm kaum ein Zuschauer eine Träne nachtrauern dürfte, als ihm der Kopf recht graphisch eingeschlagen wird. Gleichzeitig bleibt er aber zu jeder Zeit Dave Franco, der seine Rolle cool findet. Dieses doppelte Sein trifft auch auf den Film zu, in dem er mitspielt. In diesem werden Leute in verschiedenen Formen von ihrer Liebe aufgefressen, sie erliegen den Anziehungskraft von Körpern und Drogen. Er ist einfallsreich, ausdrucksstark und nachdrücklich. Gleichzeitig ist jeder Zeit spürbar, wie sich daran erfreut wird, so cool zu sein. Die lesbische Liebe, die Hulkwerdung der Bobybuilderin uswusf. werden kaum mehr als Gimmicks der eigenen Selbstgefälligkeit.
Dienstag 13.08.
gut +
Einerseits ist Perkins‘ Film arg selbstverliebt, so riesig ist jedenfalls der Terz, der um die hauchdünne Geschichte gemacht wird. Vor allem das gegen Ende nochmal alles ausführlich gezeigt wird, was zu diesem Zeitpunkt schon klargeworden ist, und dem Erklärbären ohne Einschränkung nachgegeben wird, ist trist. Schön ist andererseits, dass wirklich nur das Offensichtliche erklärt wird, die seltsame, düstere Welt aber nicht ausbuchstabiert bleibt. Dass er vor allem doch das Produkt des Spaßes daran ist, eine krude, morbide Atmosphäre zu schaffen. Im Grunde ist es quasi Twin Peaks-Fanfiktion, in der es nicht mehr um einen Kuchen liebenden FBI-Agenten geht und eine Idylle, hinter der Abgründe herrschen, sondern eine FBI-Agentin, deren Idylle schon lange zerstört ist … weshalb der Film sehr schön von dem Gefühl lebt, dass einen die einstürzende Realität des Films mit Haut und Haaren verspeisen möchte.
Montag 12.08.
großartig –
Eine lose Ansammlung von Situationen aus einer Parallelwelt, in der Polizisten die krassesten, schmierigsten Versionen korrupter Gesetzeshüter sind. Sie verkaufen Gras in toten Raten, bezahlen für nichts, missbrauchen ihre Macht durchgehend und erpressen sich gegenseitig. Einer produziert – mit Hilfe eines angeschossenen Passanten – Mr. Oizo-Musik. Grob ergibt es eine rote Linie, die nahelegt, dass sie in einer Hölle festsitzen, in der sie nie mit Konsequenzen (von außen) leben müssen. Vor allem ist es erstaunlich luftig. Das Konzept ist lediglich der Aufhänger für die längere Folge einer absurden Sitcom.
Sonntag 11.08.
großartig –
Jean-Claude Van Damme spielt einen Machtmenschen, der Menschen ohne Skrupel tötet, der Leute mit absurden Geschichten einschüchtert, und sich doch zum Kämpfer für den Naturschutz erklärt, … der in völlig exzentrischen Bewegungen gefällt. Sichtlich channelt Van Damme Heath Ledgers Joker, macht daraus aber doch seine ganz eigene Figur aus Brüchigkeit und Macht. Der Rest vom Film ist schön. Aber JCVD hebt es ins Bemerkenswerte.
Sonnabend 10.08.
großartig
Sandra Bullock träumt – abgegrenzt vom Leben in einem Ticketschalter neben Bahngleisen, d.i. dem vorbeifahrenden Leben – vom Unerreichbaren: dem Leben in einem Loft mit Yuppie. Wie sich herausstellt: ein Albtraum. Stattdessen verliebt sie sich in einen Zimmermann und seine Familie, d.i. die besten weirden Normalos der Welt. Ein verträumter Film davon, dass die Liebe doch alles richten kann. Sandra Bullocks Lächeln ist das beste Beweismittel dafür.
Freitag 09.08.
gut –
Solange ein fröhliches Lächeln hier Horror bedeutet, weil es in einem nicht nach einem solchen aussieht, solange die nach außen, für andere gezeigte angenehme Erscheinung zur Fratze geworden ist, ist es ziemlich super. Vor allem die Erste der psychotisch Grinsenden ist super. Wenn es aber zur Quest wird, bei der – wie in RINGU – nach der Ursache geforscht und durch die Gegend gefahren wird, herrscht eher generische Trägheit.
ok –
Ein interstellarer Imperator möchte die Welten mit seinem Impotenzstrahlen unterwerfen. Flesh Gordon ist der Einzige, der ihnen widerstehen kann. Mit Dr. Jerkoff tritt er den Kampf um die Potenz an und trifft auf notgeile Frauen, Kackwurstmenschen und King Kong mit Flatulenzen. Er muss durch Darmstollen unter Tittenhügeln kreuchen und Raumschiffe durch Sex mit Hühner antreiben. Jede Zote wird mitgenommen, kein Auge bleibt trocken … nur zieht es sich zunehmend in seiner Eintönigkeit und weil die guten Ideen schnell verbraten sind. Als Portrait des debil gewordenen Patriarchats, das in die Hose macht und dabei kichert, ist es aber doch ganz schön.
*****
Für mich ist der Film eine intensive Kindheitserinnerung. Mit vll. 12 Jahren hatte ich FLESH GORDON 2 aus der Videothek ausgeliehen, da mir der Unterschied zwischen Flesh und Flash noch nicht klar war. Ich erwartete also die Fortsetzung des Films mit der Musik von Queen. Schnell wurde mir aber klar, dass das irgendwas Anderes war. Und ich fand es super. Bis, ja bis ich einige soziale und ästhetische Lektion für Leben lernte. Die Wichtigste davon lautete: Kenne das Publikum um dich, weil es grundlegend den Eindruck des Films mitbestimmt. Jedenfalls erzählte ich meinen Vater, dass ich diese tolle Parodie gefunden hatte und er sie doch sehen müsste. In den fünf bis zehn Minuten, bis er mich erlöste und ausmachte, hatte sich dieser Hit in ein Inferno verwandelt, währenddessen ich vor Scham fast gestorben wäre.
Donnerstag 08.08.
großartig +
Zu Beginn: Eine Handvoll Söldner (u.a. Christopher Walken als Jamie Shannon) rettet sich unter starken Beschuss in ein Flugzeug, das sie und andere Flüchtige aus Mittelamerika bringt. Sie könnten möglicherweise nach einer erfolgreichen Mission fliehen, die Bilder erinnern aber eher an die Fluchtszenen in Folge des Rückzugs der USA aus Vietnam. Gegen Ende: dieselben Söldner führen einen Staatsstreich in einem fiktiven afrikanischen Land durch (tendenziell erinnert es an Uganda), in dem sie unter jeder Menge Krawumm die Kaserne stürmen, in der sich der Staatschef verschanzt hat. Dazwischen liegt der große Teil der Spielzeit. Dort wird vielleicht hier mal jemand überfahren und dort mal jemand gefoltert, nichtsdestotrotz fehlt die Action großflächig. Das afrikanische Land wird Undercover von Shannon aufgeklärt, das Team zusammengestellt, Waffen organisiert und ihr Transport durchgeführt. Die Spannung vor dem Sturm bestimmt den Film, die Durchführung nötiger vorbereitender Handgriffe, die ruhige, bedachte Reibung vor dem Orgasmus.
John Irvin sei ein zu buchstabengetreuer Regisseur für diese Romanverfilmung, habe ich irgendwo gelesen. Dabei ist er perfekt, weil er alles herunterkocht, die unterschwellige Spannung spürbar macht. Er tendiert gerade nicht zu den Ausbrüchen, sondern zu Szenen wie der Absage Ed O’Neals, der nicht mitkann, weil er sich um seine Schwester kümmern muss. Warten und Vorbereiten in Erwartung, dass endlich etwas geschieht. Die Kamera von Jack Cardiff sorgt dann schon dafür, dass alles nach expressiven Spannungskino aussieht. Und mittendrin die Augen von Christopher Walken, das zentrale Stilmittel des Films. Diese durchziehen die Handlung mit einer tiefsitzenden Traurigkeit. In ihnen zeichnet sich der andauernde Schmerz ab ob der Dinge, die Shannon gesehen haben muss. In ihnen manifestiert sich das Bewusstsein, dass diese Hunde des Krieges nur noch in der Action leben können, ansonsten nur noch in einem Limbus vor sich hin existiert.
Mittwoch 07.08.
gut
Zu Cyborgkillermaschinen umgebaute Soldaten erinnern sich durch Echos erlebter Traumata ihrer Vergangenheit und begehren auf. Wenn Dolph Lundgren den Kopf von Jean-Claude Van Damme packt, hocherotisch zu sich zieht und ihn auf einen der riesigen Bolzen aufspießen möchte, die seinen Körper durchdrungen haben, wenn immer wieder nackte Muskelmänner im Film stehen und auch mal von Oma erfreut betrachtet werden, überhaupt wenn der Film in dem einen Motel voll Ranz und feuchtfröhlicher Begebenheiten Station macht, wenn Dolph Lundgren immer wieder Ketten aus den Ohren seiner Opfer macht, dazu Ohr-Kalauer (I’m all ears.) macht und der Film eine interessante Mischung aus APOCALYPSE NOW! und sowas wie DUDE, WHERE’S MY CAR bietet, wenn der Americana-Roadmovie für die Leute immer wieder in mit Eiswürfeln gefüllten Kofferräumen endet, dann fühlt es sich ebenso an, als ob Roland Emmerich aus dem mechanisch nachgegangenen TERMINATOR 2-Ableger hervorbricht und den Film, auf den er scheinbar gar nicht so Lust hatte, doch noch mit seiner Persönlichkeit und lustvollem Kino füllt.
Dienstag 06.08.
gut +
Kurz nach Beginn fiel mir auf, dass die Kulisse mit wenigen Veränderungen sowohl in THE ROUGH HOUSE (1917), als auch in THE HAUNTED HOUSE (1921) Verwendung fand. Ich halte das mal im Blick. Ansonsten werden Frauen auf Elchköpfe geflippt, Schauspieler wie US-amerikanische Präsidenten und deutsche Kaiser frisiert und Köpfe wie zum Wunder von Fahrstühlen nicht abgetrennt. Es ist also mächtig was los.
ok
Look, this is only a two-reeler. We don’t have time to build up love scenes. MOONSHINE ist wohl ein relativ frühes Beispiel von direktem Metahumor. In einem Genre, das zuvorderst mit physischer Komödie reüssiert, und speziell in diesem Fall, einem Film, der in ziemlich vielen Bereichen nicht allzu sehr von der Muse geküsst wurde, wirkt es vor allem faul.
Montag 05.08.
nichtssagend
Es ist schon faszinierend, dass der Gag, bei dem die Hauptfiguren auf Leute treffen, die sichtlich nur leicht veränderte Versionen ihrer selbst sind, nach dem Trailer schon überlebt ist, und wie es der Film schafft, obwohl dieser Gag schnell wieder aus dem Film gekehrt wird, ihn zur kaum erträglich Nervenprobe zu machen.
Sonntag 04.08.
ok +
In den Rückblenden trägt Van Damme eine sehr fragwürdige Perücke. Noch fragwürdiger ist der Schnitt der Action, der es lediglich schafft, dass die Dinge ungefähr chronologisch korrekt ablaufen, aber von Rhythmus, Punch oder Ausstellen von Bewegungen keine Ahnung hat. Da hilft noch die schönste postapokalyptische Szenerie nichts, in der sich das Trauma eines Mannes ausdrückt, der seine Familie verloren hat, und die von kruder christlicher Symbolik durchzogen ist.
nichtssagend
Manchmal lasse ich mir von meinen Browsern mein Sehtagebuch vorlesen. Einerseits fallen mir dann etwaige Fehler in Rechtschreibung und Grammatik doch noch auf, andererseits ist es ganz witzig, wie die mighty A.I. an langen Wörtern und plötzlichen Übergängen ins Englische kläglich scheitert. Oft kann ich das aber nicht machen, weil die kalte, emotionslose Stimme einem wahrscheinlich das grausamste Bild der eigenen blasierten Doofheit wiederspiegelt. Es muss ja aber weitergehen mit den Texten, hier zum Beispiel für den Perlentaucher.
Freitag 02.08.
uff
Die Geschichte wurde so oder so ähnlich schon millionenfach erzählt – Mann und Frau verlieben sich, durch ihre Persönlichkeit, Umstände, Missverständnisse dauert es aber bis es ein Happy End geben kann. Es ist ein Umstand, den die Macher ignorieren. Sie kopieren Mechaniken der Vorbilder und kümmern sich nicht um Flair, Kreativität und Gefühl. Stattdessen fallen zwei Menschen wiederholt ins Wasser … und das ist der größte Gag.
gut –
Die Geschichte wurde so oder so ähnlich schon millionenfach erzählt – Mann kommt in eine kleine Gemeinde und verteidigt sie gegen die brutal vorgehenden Agenten der Moderne. Mehr noch handelt es sich um das Remake eines Films, der nicht das Standing eines uneingeschränkten Klassikers hat, sondern eines eher fragwürdig beleumundeten Nischenprodukts mit einem Hauptdarsteller, dessen größter Ruhm aus einem melodramatischen Tanzfilm stammt. Diesen Umständen begegnen die Macher dahingehend, dass sie dies nicht selbstbewusst ignorieren. Stattdessen unterstreichen sie, dass ihnen dies alles selbst bewusst ist. Selbstreflexive und metatextuelle Gags durchziehen das Geschehen (dezent) und machen das Publikum unablässig darauf aufmerksam, dass kein Witz über den Film gemacht werden könne, den er nicht selbst schon selbst in sich trägt.
Tatsächlich steckt in ROAD HOUSE ein schöner Film. Jake Gyllenhaals Westerner/Actionheld fährt seine Gegner nach dem Kämpfen ins Krankenhaus, chillt auch mal auf einem Strandstuhl auf einer Sandbank mitten im Meer, kämpft pro forma mit inneren Dämonen, weil ihm kein Kämpfer das Wasser reichen kann, und zur Furie wird er, als ein Bücherladen angezündet wird. Ein netter Junge halt, mit dem Talent Knochen zu brechen.
Liman steckt ihn in sentimentale Skizzen einer schützenswerten Harmonie und in brachiales Haudruff, dass keinen Stil im engeren Sinne hat, sondern nur den Drang besitzt, mit dem Kamera am liebsten nur in Fäusten und getroffenen Gesichtern zu stecken, weil es nur um die Energie des Aufpralls geht. Das ist nicht sonderlich schön oder faszinierend, aber zumindest sowas wie eine Vision, wie eindimensional und plump sie auch sei.
Gyllenhaals Elwood Dalton stehen Karikaturen reicher Skrupellosigkeit und moderner nach unten tretender Untertanen entgegen. Ihr konzentrierter Ausdruck ist der Fixer Knox (Conor McGregor), der, nachdem alle anderen Mittel scheiterten, für den Bauunternehmer/Gangsterboss Ordnung schaffen soll. Nackt springt er in den Film und eine Fußgängerzone. Autos parkt er per Crash. Wie ein Duracell-Hase pumpt er unaufhaltsam und unabschüttelbar durch den Film. Keine Skrupel, kein Schamgefühl, kein (reflexiver) Gedanke hält ihn auf. Er ist eine Naturgewalt, die immer weitermacht. Er ist Hegels Dampflok der Geschichte, die voranschreitenden Moderne, die gentrifizierenden Ausbeutung, die über den Planten rollte. Nur funktioniert er nicht als Terminator, sondern bleibt ein Knuffel und ein Scherzchen.
So schön es zuweilen ist, so sehr wird es von seiner postmodernen Selbstbewusstheit ausgebremst und nervt hier und da eklatant.
Juli
Mittwoch 31.07.
ok
Irgendwie war das doch ganz anders als die Mr. Vampire-Filme. Ganz anders. Mehr dazu bei critic.de.
Dienstag 30.07.
großartig
Die 1990er sind nur allzu klar zu spüren. Der Post-Tarantino-Gangsterfilm, der die Geschehnisse einer Nacht einfängt, mit diversen Twists endet, ist unverkennbar. Und überhaupt spielt Lau Ching-wan den wortkargen Keyser Söze unter den Mafia-Fixern. Es hat mich etwas aus dem Film rausgeholt, muss ich gestehen – vor allem auch weil dies, zumindest wenn den Abstimmungen bei Damn You, Kozo! hier und hier Glauben geschenkt werden darf, der beste der Patrick Yau-Trilogie ist, die er für Milkyway machen sollte, bei denen dann aber jeweils ein unzufriedener Johnnie To den Job übernahm – gerüchteweise hat Yau hier nur fünf Szenen gedreht. Aber der Auftakt, bei dem Tony Leung als Polizist misshandelnd durch Macau zieht – oder sich misshandelte Körper anschaut –, während Law Lau Ching-wan stoisch in den Film schlendert, schafft mit diesem Kontrast einen erbarmungslosen Sog; der leuchtende Staub in der Verhörzelle, in der Law und Leung ihre Muskeln des Fallenstellens spielen lassen; die allgegenwärtigen Telefone, die klingeln, klingeln, klingeln oder die gewählt werden; das endlose Spiegelzerstören, die Enthauptung; die Wagenrennen: es ist alles so wunderbar anzuschauen, dass es nach EXPECT THE UNEXPECTED nur eine sehr milde Enttäuschung war.
Montag 29.07.
fantastisch –
Ein Medium (Lina Romay) wird – von ihrem Liebhaber hypnotisiert – zum Morden gebracht. Die Realität der Taten erscheinen ihr wie Albträume. Sie droht verrückt zu werden, weil sie das Gefühl nicht abschütteln kann, dass ihre Träume Wirklichkeit sind. Die Grundidee erinnert an LES CAUCHEMARS NAISSENT LA NUIT. Das Schwammige des 15 Jahre früher entstandenen Films hat Franco aber entschieden trockengelegt. In den anderthalb Stunden Laufzeit erleben wir eine Touristenattraktionsséance – Lina Romay errät mit verbundenen Augen hochgehaltene Gegenstände, wobei sie anzüglich stöhnt und ächzt –, die Ausführung von drei Morden und das Finale. Die Handlung ist auf ein Minimum entschlackt und für Francoverhältnisse ist es strukturalistisches Slow Cinema. Aus starrenden, weit aufgerissene Augen, blinkenden Klingen, andalusisch-muslimische Dekors, dem Wechsel zwischen alltäglichen und stilisierten Räumen sowie aus nackten Körpern, die schlafwandlerisch-triebgesteuert dem zwangsläufigen Sex zustreben entsteht ein Film ohne Hast, ohne Verständnis für die Not, einen Plot haben zu müssen. Bild und Ton schießen sich stattdessen auf das Gefühl ein, nicht mehr ganz Herr über sich, hypnotisiert zu sein. Statt mit klebrigem Wabern einzufangen, rollt uns MIL SEXOS TIENE LA NOCHE in einen Teppich aus Ruhe, wohligem Wahn und einer eigenwilligen Freiheit in dieser Gefangenschaft.
Sonntag 28.07.
nichtssagend
Die Simpsons Episode CAPE FEARE mit wenig Lust, aus seinen Ideen etwas zu formen. Stattdessen werden diverse Einfälle – unfähige Superhelden-minions, Anpassungsschwierigkeiten im Zeugenschutzprogramm, erpresserische Nachbarsgören, Nicht die Mama, willenlose Kakerlakenmenschen – hingeworfen und schnell wieder aufgegeben.
großartig –
Kaneshiro Takeshi spielt seine Rolle des schweigsamen Kauzes aus FALLEN ANGELS nochmal, nur wird sie mit der anderen der beiden männlichen Hauptrollen des Films, der des schweigsamen Auftragskillers, vermischt. Überhaupt wirkt es zuweilen wie die eigenwillige Variation von Wong Kar-wais Film. Kaneshiro braucht fürs Glückspiel Geld, also nimmt er einen Auftragsmord an, nur gewinnt er mit der Vorauszahlung soviel Geld, dass er lieber jemanden anderen anheuert, der den Mord für ihn ausführen soll. Er tut sich also mit der von Carman Lee gespielten noch kauzigeren Trümmerlotta zusammen, die gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und die nicht nur Geld will, sondern ein Zimmer in einem schicken Hotel. Leute in verlotterten Sachen, die in Luxushotels unterkommen wollen, unverschämte Leute, die sich in Unverschämtheiten überbieten, abgeschnittene Finger als Running Gag, rumpelige Jagden durch die heruntergekommene Gegenwart einer idealisierten Vergangenheit und die unwahrscheinliche Hoffnung, dass die Leute am Ende doch nett zueinander sein können – alles mit Schweigen als komödiantischem Werkzeug. Ein Märchen aus den Gassen Hongkongs, dass zwar nicht die Wong KarWai-sche Sentimentalität beherrscht, dafür aber kompromisslos merkwürdig ist … selbst auf Kosten eines Scores von Raymond Wong, den er an einem billigen Keyboard programmiert und eingespielt hat.
Sonnabend 27.07.
ok +
Al Pacino war eigentlich als Antagonist El Macho gecastet, nur trennten sich, während er seine Rolle einsprach, die Wege wegen den bekannten kreativen Unstimmigkeiten. Ich weiß nicht, welche Vorstellung ich mehr mag. Dass Pacino etwas zu derb war für einen Film, der all seine Einzelteile versucht in die zuckersüßesten Versionen ihrer selbst zu verwandeln, … oder ob ein zuckersüßer Pacino dermaßen zu viel ist, dass es psychopathisch erscheint.
fantastisch –
Grimmige Schießereien, zart skizzierte Liebesgeschichten voll Schüchternheit und kurze Blicke in Abgründe; dreckige, niederwalzende Action und zärtliche Impressionen; nihilistisches, grimmiges Zeigen und vorsichtiges, scheues Annähern: Es ist eine virtuose Mischung, deren Übergänge kaum auszumachen sind. Der Titel ist eine passende Warnung, die aber doch nicht auf (die Intensität) des Kommenden vorbereitet.
Drei Chinesen aus der Volksrepublik (u.a. Lam Suet) versuchen amateurhaft einen Juwelier auszurauben. Eine Verzweiflungstat. Vier psychopathische Verbrecher*, die zwischen ihren Raubzügen systematisch Frauen vergewaltigen, werden zufällig in die Verfolgung hineingezogen. Genau wie sich darin eine Dreiecksliebesgeschichte (mit zarten Ausprägungen weiterer Ecken) zwischen zwei Polizisten (Lau Ching-wan und Simon Yam) und Kaffeebetreiberin Mandy (Yoyo Mung) verstrickt. Kleine Spielchen zwischen Liebenden, die sich gegenseitig ihre Gefühle nicht offen zu gestehen getrauen, wechseln sich mit martialischen Feuerwechseln ohne Rücksicht auf Verluste ab.
Nur eins haben beide Ausprägungen gemeinsam: Die Liebe scheitert in einem Fort, die Menschen sterben brutal und schutzlos, werden vergewaltigt und zerstört. Hoffnung ist eine Blume, die zertreten wird. Die Rückgabe Hongkongs an China ist im Kino der scheidenden britischen Kolonie in den 1990er Jahren omnipräsent, klar. Oft äußert es sich in Horrorfilmen und Visionen voll Angst. EXPECT THE UNEXPECTED ist ein Höhepunkt diesen Kinos … auch, weil mit den verliebten, schüchternen Blicken von Lau Ching-wan (er spielt mal wieder einen knautschigen Monchichi, einen fidelen Draufgänger, der gerne auch mal Fünfe gerade sein lässt) und Simon Yam (seine Figur ist sein korrekter Vorgesetzter und Freund) die Messlatte darin sehr hoch hängt, welches Grad von liebenswerter Menschlichkeit auf dem Spiel steht. Hinzukommt, dass Hongkong nur aus zwei, drei Straßenzügen zu bestehen scheint, was Heimeligkeit und Klaustrophobie nur noch mehr verstärkt.
*****
* Die Untertitel waren dermaßen knapp eingestellt, dass sie oft schon wieder nach dem Auftauchen verschwunden waren. Ich glaube, dass beide Gruppen Mainlanders waren, meine Hand würde ich dafür aber nicht ins Feuer legen.
Freitag 26.07.
nichtssagend
Die Actioninszenierung kaschiert erfolgreich das Können der Darsteller und wirft uns einen Klump aus Bild und Ton vor die Füße. Eingelassen ist es in eine überkomplizierte Geschichte, die in erklärbärigen Rückblenden von einem – eine Wende so überraschend wie der tägliche Sonnenuntergang – unzuverlässigen Erzähler wiedergegeben wird. Peter Stormare pöbelt sich zudem lustlos durch seine Rolle und JCVDs Oberkörper wird gedoubelt.
verstrahlt
Eine herrschaftliche Gartenparty, bei der eine Band – irgendwo zwischen den New York Dolls und Turbonegro angesiedelt – spielt. Die Gastgeber reden in die Kamera, jeder sucht und findet Sex und die infernalische deutsche Synchro schafft es, alles noch schmieriger, keimiger und finster-kalauriger zu machen, als es eh schon ist. Ohne Hardcoresex lassen nur minimale Kurzausflüge zu fleischlichen Vergnügen kurz aufatmen. Aber: Jack (Jack Wrangler) und Jill (Samantha Fox) fehlen. Sobald sie auftauchen und der Film ihrem geregelten Leben folgt, geht es um Rollenspiele, Swingertreffen und die awkwarden Versuche den Sex zum Laufen zu bekommen, wenn die Beziehung jetzt doch schon ein Jahr dauert. Nur die infernalische Synchro bleibt und hält die Fahne des Hemmungslosen hoch.
Donnerstag 25.07.
gut
Wir bekommen nicht mehr, aber auch nicht weniger als wir erwarten … in diesem Film, in dem ein christlicher Missionar zum Vampir wurde und Jahrzehnten nach seiner Niederlage mit seinem Heer aus Fledermäusen wieder aufersteht, weil ein korrupter Offizier den Rubin aus dem Schwert, dass ihn bannte, stehlen möchte, er nun Nonnen und eine Gemeinde bedroht, ihre Wasser vergiftet und gegen einen taoistischen Priester mit einer Monobraue (Lam Ching-Ying) kämpft, der so schon mit ungehörigen Schülern, seinem quasi Adoptivkind (einem Kleinkindvampir) oder einem weiblichen Geist zu kämpfen hat, der erst zur Ruhe kommt, wenn ihr Leichnam in einem Puff gefunden wird. Alles ganz normal hier.
Mittwoch 24.07.
verstrahlt
Es beginnt mit einem sich überschlagenden Gefangenentransporter, dem Tod des Fluchthelfers per POV-der Kugel, die in seinem Kopf landet und dem Kampf der Insassen um Freiheit, Leben und das kleine Fluchtfahrzeug. Es endet mit einer Verfolgungsjagd mit der Polizei, Kämpfenden, die durch ein Fenster krachen und einem blutüberströmten, scheinbar toten Widersacher, der doch wieder aufersteht. Dazwischen kämpft Sam (Jean-Claude Van Damme), der Ausbrecher mit dem Herz aus Gold, mit über Leichen gehenden Landentwicklern, die eine Gemeinde von ihren Farmen vertreiben und die Natur für einen Golfplatz platt machen wollen. Auch in dieser Mitte werden Martial Arts, Schüsse und Explosionen geboten.
Ganz offensichtlich haben wir es mit einem Actionfilm zu tun. Nur wirken die Ausbrüche von Schlägereien oder eine brennende Farm als müsste doch noch daran erinnert werden. Das Normale des Van Damme-Vehikels bildet im Grunde oft nur noch den Schlafrock, in dem ein gnadenlos sentimentaler Familienfilm steckt. Sam, für das Landleben völlig overdressed, wirkt in der US-amerikanischen Heimatidylle jedenfalls so außerirdisch wie E.T., für den ihn Halbwaise Mookie (Kieran Culkin) beim nächtlichen Erstkontakt auch hält. Van Damme trifft auf ein Alleinerziehende (Rosanna Arquette) mit zwei Kleinkindern. Er wird Ersatzvater, Liebhaber und Retter, die Inszenierung teilt das große familiäre Glück mit. Inklusive Heilung für den urbanen Gejagten und die Zurückgebliebenen eines verstorbenen Pater familias. Inklusive Schwelgen aneinander, an spielenden Kindern in der Distanz, an Zusammenhalt und an malerischer Natur.
Die Verbindung zwischen diesen beiden disparaten Ausrichtungen ist, dass Harmon das eine zur Bedrohung des anderen macht, dass die Action zuweilen wie in einem Horror- in den Heimatfilm einbricht. Nie fällt es aber funktionell ineinander. Das Unpassende bleibt lustvoll stehen. Die Idylle ist eben auch nicht aseptisch, sondern mit Sex, Voyeurismus und kindlichem Fachsimplen über Van Dammes Schwanzlänge angefüllt. Van Damme fühlt sich im gemütlichen Familienfilm sichtlich nicht heimisch. Und überhaupt gibt es den Moment, in dem ein korrupter Polizist (und Arquettes bisheriger Liebhaber, der Agent des Gesetzten, Langweiligen, Zufriedengegebenhabenden) Van Damme (den Agenten des Aufregenden, Neuen, Unbekannten) an ein Scheunentor fesselt und foltert … womit auch noch einen verdrehten SM-Porno ästhetisch Einzug hält.
Dienstag 23.07.
gut
Der Offkommentar ist nicht mehr neutral, sondern drückt eine gewisse Abneigung gegenüber beiden Seiten aus – vor allem aber gegen die Kommunisten Peppones. Es ist der deutlichste Ausdruck, dass die Bromance zweier Raufbolde, die ihre Liebe nur im Kleid von Hohn und Faust auszudrücken vermögen, nicht mehr ganz so herzlich ist wie im Ausgangsfilm (selbst wenn der Film deutlich liebenswerter ist als die zweite Hälfte des zweiten Teils).
Montag 22.07.
ok –
Kurz nachdem Louis de Funès einen schönen Nervenzusammenbruch/Wutanfall hatte, endet der Film überstürzt: Zuvor wurde alles umständlich und prosaisch Schritt für Schritt aufgebaut und gerade wenn es erstmals wirklich Früchte zu tragen beginnt, ist es auch schon wieder vorbei. Ohne de Funès wäre es, trotz der abermals schönen Dekors, kaum zu ertragen.
Sonntag 21.07.
fantastisch –
Wer seinen Rivette kennt, muss sich auf sicherem Terrain wähnen. Wie in CÉLINE ET JULIE VONT EN BATEAU und mehr noch OUT 1 besteht die entschleunigte Exposition aus arbiträren Szenen, die sich langsam zusam-menziehen und im Laufe der immensen Laufzeit beginnen Sinn zu ergeben. Nur: gerade wenn sich abzuzeichnen beginnt, dass die Theaterproben zu Racines ANDROMAQUE ein Eifersuchtsdrama auslösen und Claire (Bulle Ogier) daran verrückt wird, bricht hier plötzlich alles auseinander. L’AMOUR FOU betont das fou des Titels nachdrücklich und bietet höchstens assoziative Annäherungen an mögliche Sinnzusammenhänge, da jeder Schnitt, jedes Bild, jede Handlung das fragile, zersplittert daliegende Gebilde des Films noch mehr zertrümmern können und es oft genug tun.
Die Proben der Theatergruppe werden von einer 16mm-Kameracrew begleitet, von einer 35mm-Kamera wird es aus Distanz gefilmt. Bild- und Tonmaterial beider Aufnahmen werden durcheinander montiert – die Feinheit von Bild und Ton springen folglich beständig. Das Ehedrama wird auch größten-teils in 35mm nach den schnell bekannten Regeln inszeniert – die Bilder bleiben auf Distanz. Nur gibt es Verletzungen der Anordnung: Großaufnahmen mit 35mm oder 16mm-Bilder von Treffen, bei denen die entsprechende Kameracrew nicht anwesend sein dürfte. Im Theater: Menschen, die sich ausprobieren, die nach den Ausprägungen der eigenen Rolle suchen, Erwachsene. Das Paar zeigt hingegen zunehmend regressive Züge und Kindlichkeit, sie stürzen in Wahn und Destruktion ab.
Überall finden sich Spiegel, aber kaum wird hineingeschaut. Riskiert doch jemand einen Blick, dann befinden wir uns gleich auf dem Gebiet bedrohlich überformter Normalität – auf einem Territorium, das David Lynch bald besetzen wird. Überhaupt hat das Verspielte Rivettes mehr als zuvor oder danach etwas Aggressives, Selbstzerstörerisches. Schlimmer als wenn Bulle Ogier das Blut die Stirn herunterläuft, während sie eine Rasiermesserklinge in der Hand hält, ist der Moment, in dem ihr Mann Sebastian (Jean-Pierre Kalfon) mit einer solchen seine Kleidung zerschneidet. Immer wieder reißt er die Klinge über Hemd und Hose, zerlegt den Stoff mit jedem Zug … und ich weiß nicht, wie er es schafft, sich nicht die Haut an unzähligen Stellen aufzuritzen.
Rivettes folgende Arbeit OUT 1 ist nicht nur in Farbe, sondern mitunter kunterbunt. L’AMOUR FOU ist Schwarzweiß mit starken Kontrasten. Sebastians Hemden sind sichtlich psychedelisch und dürften grelle Farben besitzen. Es bleibt aber nur eine Ahnung, weil die Bilder selbst – wie die Schnitte – zu Rivettes Schneidwerkzeugen werden, mit denen er Sinn und seelisches Heil auseinandernimmt. Dies dürfte mit Abstand sein schmerzhaftester Film sein … selbst wenn es weiterhin von Verspieltheit und Zwanglosigkeit ausgeht.
ok
Die Welt als Schachspiel: Rivette setzt schon ziemlich früh eine seiner Obsessionen um, nur findet er noch keinen Weg dies anders als über einen Erzähler schwerfällig einzubauen. Sein Halbstünder versprüht zwar hier und da die Energie und Unmittelbarkeit der frühen Nouvelle Vague, erreicht aber bei Leibe noch nicht deren Level. Öfter als nicht tuckert die Geschichte behäbig dahin. Auch weil das von Claude Chabrol mitverfasste Drehbuch eines seiner schrecklichsten Trademarks besitzt: ein herausgezögerter wie absehbarer Twist, der uns vorführt, dass Menschen nicht nur so sind, wie sie scheinen.
Sonnabend 20.07.
gut +
Lotti Z. (8 Jahre) fragte mich, warum ich denn gerade lache. Ich spulte kurz zurück und zeigte ihr den blinden Kellner, der gerade leger eine Pyramide Schampusgläser zwischen Bud Spencer und einen ihn anspringenden Kung-Fu-Kämpfer hindurch getragen hatte. Ich fragte, ob sie ihn nicht wahrgenommen hatte … um den Effekt wissend, dass unser Gehirn scheinbar unbrauchbare Informationen gerne mal wegfiltert, und ich mich beim besten Willen nicht an ihn erinnern konnte. Sie antwortete mir aber, dass sie ihn gesehen habe. Dass sie ihn jedoch nicht sonderbar fand, weil dies alles ausgedacht ist. Und dem, was wir uns Ausdenken, sind schlicht keine Grenzen gesetzt. Wie soll da etwas wie ein blinder Kellner in einem Kampf verwunderlich sein. Ich war baff … und vergaß zu fragen, wieso sie dann trotzdem bei Filmen – und auch bei diesem – lache.
fantastisch –
Es steht Joan Crawford ins Gesicht geschrieben: Sie verabscheut sich dafür, dass sie so sentimental wird, wie es Chopin durch die Liebe zu George Sand wurde. Ihr Gesicht ist – mit oder ohne Maske einer riesigen Brandnarbe – eine fürs Kino geschaffene Zerrbild des Scheiterns an den eigenen Emotionen. Cukor jagt sie hin und her. Gnadenlos setzt er sie einem Tristkind mit weichen Augen und dessen ultraliebenswürdigen Opa aus. In schwindeligen Einstellungen führt er sie aber auch in Versuchung, das Kind umzubringen. Hinter ihr liegt die Erpressung an einer Frau, die ihre Emotionen als Schmierentheater aufführt, und duckmäuserische Erpresser, deren Chefin sie war. Vor ihr wartet ein Arzt, der sich zu ihren Abgründen hingezogen fühlt, er will an ihr herumdoktern. Erwürgt wird sie vom Geier der Liebe der sich Selbsthassenden (Conrad Veidt), der auf einem Dachboden des Grauens gleich noch für die Nazis einstehen darf, sowie einer Haushälterin aus purer puritanischer Eifersucht. Immer bei ihr ist ein Revolver, den sie plötzlich offenbaren kann. Liebe und Hass, Schwulst und gotische Verachtung, gute Intentionen und die Lust am Dreck, alles auf kleinen Platz nebeneinander gepresst und doch in ihren einzelnen Ausprägungen absolut gesetzt. Ein Fest.
Freitag 19.07.
großartig –
Es hat über 40 Jahre gebraucht, dass mir ein Licht aufging, dass ich das Offenbare erkannte: Dies ist ein durch und durch surrealer Film, der direkt neben UN CHIEN ANDALOU zu den Klassikern der Strömung gehören müsste. Vollgestopft ist er mit Dingen, die Sinnzusammenhänge und Realitätserfahrung zu sein scheinen. Wird diesen aber etwas zu Leibe gerückt, zerschmelzen sie zu einem traumartigen Wabern. (Aber sicherlich müssten dergestalt ziemlich viele italienische Komödien der Zeit neu zugeordnet werden, während sich in den USA ZAZ alsbald aufmachen, um Dada neu aufleben zu lassen.)
Donnerstag 18.07.
gut
Zweimal habe ich an einem Experiment teilgenommen. In diesen durften die Zuschauer kostenlos ins Kino und einen ihnen vorher unbekannten Film sehen. Die eine Hälfte bekam vorher positive, die andere negative Kritiken. Ich war einmal in der einen, einmal in der anderen Gruppe. Bei den negativen Kritiken hat mir der Film dann gefallen … auch weil ich die Kritikpunkte im Kopf hatte und sie verfehlt fand. Als ich die positiven vorher las, hat mir der Film nicht gefallen … auch weil ich die positiven Punkte im Kopf hatte und diese mir nicht ausschlaggebend schienen. Zu TWISTERS bin ich durchaus vorfreudig ins Kino, je länger ich ihn sacken lasse, desto mehr fremdle ich mit ihm. Vll. habe ich vorher zu viele positive Stimmen vernommen? Den Text über mein Hadern findet sich bei critic.de. Bzw.: Gebt doch mal jemanden wie Isaac Florentine oder Jesse V. Johnson das Budget und die Chance, statt zu versuchen, Krach-Bumm-Blockbuster mit der künstlerischen Aura eines netten Arthouse-Regisseurs ausstatten zu wollen.
Mittwoch 17.07.
großartig –
Manche Leute treffen immer wieder aufeinander, andere treffen sich nie. Die Informationen sind folglich ungleich verteilt. Bei der Figur von Louis de Funès läuft alles zusammen, der jede klare Kommunikation mit seiner nach unten tretenden Dampfhammerpersönlichkeit süffisant torpediert. Folglich kommt es zu Verwechslungen, Verwechslungen, Verwechslungen. Die Entwicklung des Geschehens, die ganze Struktur ist minutiös abgesteckt. Jede Änderung im Raum bringt neue Erkenntnisse und neue Desinformationen – eines der Highlights sind die wechselhaften Dekors der Räume im Haus der Handlung. Von offiziösen Besprechungsraum bis zur knalligen Pop-Art-Einrichtungscollage reichen sie. Wir jagen um die spitzen Kurven (Twists) der Handlung. Wir erhalten keine Zeit zu verarbeiten. Immer rast es weiter … und zuweilen gibt es bestimmt auch Loopings. OSCAR ist eindeutig eine Achterbahn und stellt die Freude dar, durch eine gut geölte Maschine gezerrt zu werden. Oder: BRINGING UP BABY in noch luftdichter. Inzwischen verstehe ich zusehends die Lust an dieser filmischen Strangulation.
Dienstag 16.07.
großartig –
Ein singender und tanzender Arbeitsroboter soll, weil unbrauchbar, auf den Müllplaneten geschossenen werden, landet aber auf der Erde. Genauer gesagt in einem Deutschland, das mit seinem Verhältnis zu Moderne, Technik und Menschlichkeit ringt. Es fallen Sätze wie: Ich bin nur eine einfache Postoberinspektorwitwe. Die Geschichte – Außerirdischer freundet sich mit Jungen ohne Eltern an und beide werden am Ende herzzerreißend getrennt – erinnert an E.T., während die sich aufstellenden Frisuren der Bewohner von Balda 7/3 – wenn sie sich empören – an die kleinen, Gift spuckenden Dinosaurier von JURASSIC PARK erinnern. Nur ist SCHLUPP in seiner Insistenz auf Eigenwille und Seele kein Stück durchkomponiert oder auf Wirkung aus, sondern auf intuitives Mäandern. Also Spielberg ohne Spielberg.
großartig
Anti-ERASERHEAD. Ist bei David Lynch das Treffen auf die Schwiegereltern und die sich anbahnende Vaterschaft noch eine beklemmende Humorbombe, ist das Treffen auf die Familie des Verlobten hier eine süffig-rasante Sause mit Tornados, in der der Verlobte schlussendlich erkennen muss und sich glücklich schätzen kann, zu den Verrückten zu gehören, die anderen Angst einjagen.
Montag 15.07.
gut +
August Diehl als Geist, für den das stille romantische Selbstfindungsdrama mit Isabelle Huppert nur ein Greenscreen ist, vor dem er ohne körperliche Präsenz Dinge macht. Was ist daran nicht zu mögen?
großartig
Zum Auftakt hält Philosophiedozent Gary (Glen Powell) einen Vortrag über Nietzsche. Doch es wird nicht nur ein berühmter Name fallengelassen, vielmehr folgt ALSO SPRACH ZARATHUSTRA in lässig. Die Komödie über das Erschaffen einer eigenen Übermenschenidentität ist so lüstern und amoralisch, wie es zurzeit in Hollywood nur möglich ist. Beim Happy End bspweise führt ein Mord direkt zu Cunnilingus neben einer Leiche. Trailer und Poster versprechen ein Kostümfest für Glen Powell, es hält sich aber zum Glück in Grenzen. Stattdessen geht es um jemanden, der die sicheren, kontrollierten Plätze verlässt und die stürmische Leidenschaft für sich erobert. Ein Film – auch stilistisch und künstlerisch –, für den Selbstoptimierung ein absurder Witz und eine verlockende Horrorvision ist.
Sonntag 14.07.
ok
Kalif Haroun-Al-Rashid (Jon Hall) taucht nach einem Putsch seines Bruder unter und nimmt einen falschen Namen an. Dabei trifft er auf Sindbad, der nicht der Seefahrer ist. Auf einen Aladdin, der an jeder daherkommenden Lampe reibt, aber nie die richtige findet. Auf Sherazade (Maria Montez), die eine Köpfe verdrehende Egoistin sein soll, eine schlimme Droge, die aber nur ein nettes Mädchen ist. Eine Geschichte aus Tausend und einer Nacht soll erzählt werden, aber weder gibt es fliegende Teppiche, den Vogel Roc und anderes Übernatürliches, noch andere Anleihen an die Vorlagen … außer den Namen. Statt nackten Brüsten gibt es enge Oberteile, die Blumenknospen an der Stelle der Nippel tragen. In einem Harem schauen junge Frauen über eine Düne, während ihre Unterleibe für den Zuschauer ungesehen in einem länglichen Pool bleiben, und doch sind sie keine Meerjungfrauen. Mit Kreuzigungen, Sklavenaufständen und Tanz werden immer wieder die Zutaten eines Abenteuerfilms aufgefahren, aber nie will Universals erster Technicolorfilm wirklich bunt werden. Von Sabus Popularität will der Film profitieren, macht ihn aber zum gesichtslosen Handlanger am Rand. Ein Film der Täuschungen.
großartig –
Das Problem des Films ist, dass er sich die Hände nicht schmutzig machen möchte, aber doch vom Dreck lebt. Mittelalter. Ein Tal unterhalb des heutigen Watzmanns. Die Kaiser glänzen in Deutschland mit Abwesenheit. In diesem Machtvakuum herrscht die Familie Waze lokal mit eiserner Faust. Sie vergewaltigen, rauben, misshandeln, nutzen ihre Macht mit perverser Willkür. Nun wurde das Tal aber den Augustinermönchen versprochen, die einziehen, um Gottesfurcht und Ordnung zurück an diesen archaischen Ort zu bringen. Bzw. kommen die Alliierten nach Deutschland, um dort mit einer Schreckensherrschaft aufzuräumen.
Anders als die Alliierten kommen die Mönche aber ohne Kriegsmaschine und nur mit dem Wort Gottes. Ihr Vertrauen auf Frömmigkeit und Gerechtigkeit bietet nichts, was Herrn Waze (Willy Roesner) bedrohen könnte. Weder zünden sie einen Funken in der Bevölkerung, noch haben sie Rückhalt durch die weit entfernte Staatsmacht. Vor allem bleibt ihr Gottvertrauen für den Film impotent, der – ob er nun will oder nicht – nur Augen für die Mächtigen und Perversen hat. Für die, die auf Pferden reiten – was nur der Adel darf. Im Laufe ihrer Läuterung verglüht so Wazes Tochter Recka (Gisela Fackeldey), die fiebrig in den Film reitet, die jede Szene mit ihrem Hochmut entfacht und die am Ende nur noch eine weitere Figur im Ensemble der Guten ist.
Die Bösen müssen aber vergehen, können aber nur an sich oder Gott scheitern. Statt in einem Feuer unterzugehen, werden die Abzuservierenden durch Gott/einen Steinschlag entfernt … plötzlich und ohne Nachhall. Nur Wazes Präsenz, sein überschäumendes Leiden an der eigenen Macht und der eigenen Verkommenheit, sein Wahn, seine Angst um die eigene Vernichtung, die diese erst heraufbeschwört, glühen bis zum Ende.
Sonnabend 13.07.
gut
Leider bleibt die Muskatnuss, Herr Müller-Szene das solitäre Highlight. Das Restaurantsetting hat sich so schnell überlebt, dass dann alsbald eine Verwechslungsagententhrillerparodie einsetzt, zwar mit hohem Tempo, aber ohne die Absurdität besagter Szene und das moralische Zerfließen eines großkotzigen Drückebergers, eines despotischen Restaurantbesitzers, zu fassen zu bekommen wie seine Pedanterie zuvor. Die Autoverfolgungsjagd ist toll.
Freitag 12.07.
ok +
Im Vorfeld hatte ich auf letterboxd einen Kommentar gelesen, wonach sich Cuarón zu seinen Kindheitserinnerungen nicht in Verhältnis setzen würde, sondern sie unreflektiert abbilde, und dass er nicht auf den Klassenunterschied zwischen den beiden Frauen seines Films – Mutter und Kinderfrau – eingehen würde. Das ist nun totaler Humbug. Die langen, distanzierten, sich langsam bewegenden Einstellungen sind nie und nimmer simple Erinnerungsbilder, und nicht nur wenn das Dienstmädchen das Telefon immer abwischt, bevor sie es ihrer Arbeitsgeberin übergibt, steht der Statusunterschied zwischen den beiden schmerzhaft im Bild. Was mich nicht reinfinden ließ – zugegebenermaßen war es der falsche Film zur falschen Zeit –, war, dass sich dies wie der scheiternde Versuch anfühlte, Lav Diaz in etwas populärer zu machen.
großartig
Bisher hatte ich einen Bogen um diese erwartete Läuterungsgeschichte eines von de Funès gespielten kleinbürgerlichen Großmotz gemacht, der von seinen vor sich hergetragenen Vorurteilen geheilt werden wird. Nicht erwartet hatte ich, wie sehr dies von der Leine gelassener Quatsch ist – alles, was in der Kaugummifabrik passiert, verneigt sich mit noch mehr bekloppter Effizienz vor Buster Keatons THE HAUNTED HOUSE –, der sich der Läuterung lediglich nebenher und oft höchst unernst widmet.
großartig
Die Philippinen unter Kriegsrecht. Anders als Marcos gern darstellen ließ, bestimmen klapprige Hüten das Bild, in denen nicht mal das Klo von dem einen Wohnraum abgetrennt ist. Alle hocken aufeinander, niemand ist für sich, nirgends gibt es Solidarität. Der Tritt nach unten, überkochende Nerven, Nölen, Meckern und Schlagen herrschen vor. Falls es noch sowas wie einen sozialen Vertrag gibt, zerbröselt er vor unseren Augen.
Das Setting gleicht also dem von BONA, nur schafft Brocka hier den Gegenpart seines späteren Films. Startet dieser mit einem Meer aus zerrenden Köpfen, beginnt INSIANG in einem Schlachthaus. Schweine werden getötet, enthaart und weiterverarbeitet. Die Schreie der Tiere verklingen nie, selbst wenn nur noch tote zu sehen sind. Marcos, Herr eines sozialen Schlachthauses, bekommt hier das Denkmal seiner Gesellschaft.
Stehen in BONA die unzähligen melodramatischen Potentiale herum, die sich nicht verwirklichen – was auch schon wieder Melodrama ist und zu diesem führt –, ist INSIANG wie DALLAS in einem philippinischen Slum. Insiang (Hilda Koronel) lebt mit ihrer Mutter zusammen, einer einzige Vorwurfsmaschine, die einem jungen halbkriminellen Gangchef für sexuelle Gefälligkeiten alles nachsieht. Dieser wiederum ist lediglich ihr Liebhaber, weil er hinter dem Geld der Mutter und dem Körper der Tochter her ist. Insiang möchte geliebt werden, sie lebt aber mit emotionalen Gletschern und heuchlerische bzw. brutalen Mitmenschen zusammen … in einem beiläufig dokumentierten Abgrund. Solange erträgt sie den Alltag, bis sie nach einer Vergewaltigung und einer argen Demütigung zerbricht. Hinter ihrem verschämten Lächeln wird sie zur Furie und INSIANG zum Dokument ihres rachdürstigen Wahns.
Donnerstag 11.07.
gut –
Die Liebeskomödie zweier Workaholics, für die miteinander allein zu sein ein Fluch ist, weil sie dann nur noch betroffen schweigen, weil zwischen ihnen nur körperliche Anziehung herrscht, der im nie verlassenen Arbeitsumfeld des Films aber nicht sein kann. Ein Abgrund trennt sie. Hier der Idealist (Channing Tatum), der alles aus Überzeugung und mit Pragmatismus tut – und erstaunlich oft Pullover trägt, die nach Kapitän Kirk aussehen –, da die professionelle Lügnerin (Scarlett Johansson), die für den Erfolg und den Anschein mit Pathos und Mythen virtuos durch alle Augen wischen kann. Es gipfelt in einer wirklichen und einer nachgestellten Mondlandung, die kaum noch zu unterscheiden sind. Beide sind zwei Seiten einer Medaille, oder so. Womit sich FLY E TO THE MOON wenig zufrieden gibt. Statt das Schweigen, den Abstand zwischen den beiden zu durchforsten, ihn auszureizen, irgendwas damit zu machen, gibt es vor allem schwerfälliges Drama, dass hier und da mit einem Witz auffrischt, der gerne campy wäre. Das Terrain des Idealisten verlässt der Film nur bedingt.
Wer mehr über die Potentiale und ihre Verschwendung lese möchte, lese mehr hier von Kamil M. beim Perlentaucher.
Mittwoch 10.07.
fantastisch –
Die erste Hälfte baut verschiedene Konstellationen sich Liebender auf, die nicht zueinander finden. Die zweite Hälfte versucht gegen jede Chance die Liebenden weiterhin so lange wie möglich auseinander zu halten. Es wird dabei gesungen und getanzt – u.a. bestreitet Gene Kelly mit kümmerlichem Toupet eine Nebenrolle. Wir bekommen so eine große Choreografie von Menschen, die in ihren kleinen Welten leben und kaum mitbekommen, was sich – lokal – außerhalb dieser abspielt. Dass der Film ihnen doch noch eine Zusammen-kunft gestattet, kommt einem Wunder gleich. Es ist die Utopie, dieses Films aus Bewegung, Ton und Farben, dieses absoluten Films.
gut –
Ein überraschend guter vierter Teil, gerade was die Action und das Verhältnis zwischen Foley und seiner Tochter/seiner Umwelt/der Zeit angeht. Leider wird aber jede Nebenfigur wieder ausgegraben und ständig werden wir daran erinnert, dass wir doch noch den vierten Teil dieser Filmreihe schauen. Wobei Joseph Gordon-Levitt nur da ist, um den Altersschnitt zu senken.
Dienstag 09.07.
großartig +
Der Tortenesswettbewerb und die Blutegelszene sind für die Ewigkeit. Und ihre Wirkung verfehlen sie auch bei heutigen 8-Jährigen nicht. Diese absolute 1950er Jahre-Nostalgie, die von sentimentalen Trauermomente machtloser Jugendlicher durchzogen ist, die sich in einer feindlichen, traumatischen Welt mit ständigem Fluchen zu ermächtigen und deren Bruchstellen mit krummer, traumatisierter Fantasie ausfüllen versuchen, ist aber am besten, wenn vier Freunden durch eine sonnige, weite Natur wandern, wenn die vier in ihrer Gefangenschaft auch ungebunden und frei sind.
großartig –
Erst geht es um die Schwierigkeiten mit Toten in Reih und Glied durch den Wald hüpfen zu müssen, dann streiten sich ein buddhistischer und ein taoistischer Priester – zwei Nachbarn – wie kleine Kinder mit Superkräften, und schließlich muss ein Vampir mit adligem Blut, der deshalb kaum besiegbar ist, aufgehalten werden, weil er kataklystisch über die kleine Welt des Film herfällt. Es gibt keine rote Linie, sondern drei knappe Szenarios, die aneinander gepappt wurden, die aber mit hemmungslosem Spieltrieb, albernen Scherzen, akrobatischen Fingern in Pos, wehmütigen Intermezzos und über die Leinwand wirbelnde Schauspieler umgesetzt wurden. Nichts in irgendeiner Form Überraschendes ist es doch sensationell beschwingt ausgeführt.
Montag 08.07.
fantastisch –
Zwischenkriegsitalien. Faschismus herrscht. Nur auf kaum besiedelten Inseln der Adria kann frei gelebt werden – beim Kampf mit Piraten, Gentlemanverbrechern (Prä-Hollywoodruhm) und dem Motor des eigenen Flugzeugs. Als Schwein unter Menschen, das trotz Liebe und jungen, naiven Sidekicks jeder Bindung entfliehen möchte, das den Wind im Haar genießt, das Blaue des Meeres und ewig fliegt und nur am Strand und in Bars haltmacht. Miyazaki meets Hawks. Oder KÄPT’N BALU UND SEINE TOLLKÜHNE CREW meets poetische, männliche (PTSD-bedingte?) Bindungsangst.
ok +
Ich verstehe es nicht ganz. Der Auftakt gleicht einer Sitcom. Hier Don Camillo (Fernandel), der in ein Dorf versetzt wurde, wo es immer schneit und wo die Gemeinde Angst vor ihm hat, weil ihm ein Ruf vorausgeht. Dort Peppone (Gino Cervi), der weiter als Bürgermeister in der Poebene den Kommunismus voranbringen möchte. Beide vermissen sich, beide bringen sich in Kalamitäten und brauchen ihre gegenseitige Hilfe, ohne eingestehen zu können, dass ohne den anderen etwas fehlt. Beide schlagen beieinander auf, als lägen nicht mehrere Kilometer zwischen ihnen. Es fehlen nur die Lacher aus der Dose. An dieser Stelle ist es eine Komödie darüber, wie albern es ist, nicht über seinen Schatten springen zu können, darüber, wie schwer es ist, zu seinen Gefühlen zu stehen. Der erste Teil wird fortgesetzt, kopiert und etwas Neues daraus gemacht.
Dann kommt Don Camillo zurück in sein Dorf und der erste Teil wird geklont … nur dass dabei die Nebenschauplätze lediglich bemüht reingeschoben werden, während die Hassliebe zwischen Don Camillo und Peppone kein neues Feuer erhält. Leider scheint dieser größere Teil der Fortsetzung nicht verstanden zu haben, was die Dynamik bisher ausmachte. Es wird aufgewärmt und nur die Schauspieler spielen gegen die menschliche Leere um sie an.
Sonntag 07.07.
gut +
Ich bin befangen. Ich habe diese Filme früher hoch und runter geschaut. Aber nicht nur die Nostalgie bereitet mir Vergnügen, sonst könnte ich ja den dritten immer noch ertragen. OOZE kommt zwar nie an den Vorgänger heran und ist mehr hingerotzte Skizze, aber doch quietschvergnügt mit Vanilla Ice-Konzert, den Pizzas des Vorspanns und der Wissenschaft mit ihren blinkenden Rohren, die atomaren Abfall unschädlich machen. Es ist doch ziemlich cremig.
ok
Wieder eine gescheite Verkürzung einer allgemeinen Pubertät auf einen kurzen, ausdrucksstarken Konflikt … der so kalkuliert und gestreamlined ist, dass ich höchstens interessiert, aber nicht emotional zuschaute. Was in einem Film über Emotionen nicht sein kann. (Zumindest die Bauchtasche, sichtlich DORAs-Rucksack, ist super.)
gut
Eine Reporterin (Patricia Clarkson) wird durch die Härte des Lebens an der Seite von Callahan (Clint Eastwood) von ihrer Sensationsgier geheilt. Alle Figuren haben mit ihrer Erscheinung und der ihrer Taten zu kämpfen. Callahan nutzt bspweise das Aussehen eines bulligen Gefängnisinsassen, um einem anderen Angst zu machen. Zudem geht es um Filme, Horror und Oberflächen, um Liam Neesons Zopf-Vokuhila, Rockstardom – Guns n‘ Roses haben Cameos – und Coolness – der junge Jim Carrey spielt einen Rockstar/Junkie. Es geht um Leute, die per Beruf gerne so intensiv cool wären wie Callahan. Nur will es Buddy Van Horns Film nicht gelingen dafür etwas Äquivalentes auf die Leinwand zu bringen. All dies sieht zumeist nach buisness as usual aus.
Sonnabend 06.07.
fantastisch –
Die naiv-fröhliche Musik grenzt ans Infernalische. In jedem anderen Film wäre sie es wohl auch, nur bei Johnnie To ist sie doch entzückend. Fast durchgängig herrscht ein Ton, als würden die vier Gauner (u.a. Simon Yam), die gerade ein und dieselbe Frau (Kelly Lin) kennengelernt und sich in sie verliebt haben, ständig breit grinsend auf einem einzigen Fahrrad durch die Sonne fahren – es ist das seligste Bild des Films. Weder gibt es einen großen Bogen, noch einen ausgearbeiteten Plot, nur eine Konstellation, die zu kleinen sinnlich-filmischen und/oder spielerische Aufeinandertreffen führt – manchmal nicht mal eine Sekunde lang, wie die Berührung zweier Regenschirmen, immer weltbewegend ohne Schwere.
radioaktiv –
Über die Opening Credits legt Lalo Schifrin ein Thema, das ihm am Puls der Zeit zeigt. Das, was später auf den NEW YORK NOISE-Samplern landete, also tanzbarer No Wave, ist ebenso zu hören wie die britischen Äquivalente A Certain Ratio oder 23 Skidoo. Schifrin nimmt diesen (u.a. mit Streichern) die Ecken und Kanten etwas, aber sein offenes Ohr zeigt sich trotzdem.
Dieser Auftakt könnte zu einem gritty Straßencrimethriller passen, ihm folgt aber eine sehr persönliche Getriebenheit und (Selbst-)Zerstörung. Bzw.: eine narzisstische Liebe, die Rache und das Schaffen von Tatsachen begehrt.
Harry Callahan (Clint Eastwood) wird von allen Seiten verfolgt und gejagt. Immer und immer wieder muss er die Mordversuche von Halbstarken, der Mafia und anderen Psychopathen abwehren – wobei doch die naheliegende Taktik wäre, den Soziopathen Callahan, der lediglich seine Sicht der Dinge akzeptieren kann, einfach in Ruhe sein eigenes Grab schaufeln zu lassen und ihn nicht immer wieder zu bestätigen.
Jennifer Spencer (Sondra Locke) mordet nach und nach ihre Vergewaltiger, sie jagt und straft. Sie ist Dirty Harry als Frau … und ohne Marke. Sie reinigt jenseits des Gesetzes die Welt vom Abschaum. Dass sich beide umgehend ineinander verlieben, ist nur zwangsläufig. Die beiden spiegeln und bestätigen sich so sehr, dass sie in ihrer Gegenwart auftauen können.
Was nicht heißt, dass SUDDEN IMPACT ein kuschliger Film wäre. Bösewichte werden auf dem Horn eines Einhorns aufgespießt. Wie so oft bei Eastwood, wenn er Rächer unter seiner Regie spielt, ist am Ende nicht mehr ganz klar, ob sie Racheengel aus dem Jenseits sind. Und ob Jennifers Schwester und ebenso Opfer der Gruppenvergewaltigung eine tatsächliche Entität ist – oder nur eine Auslagerung des Schmerzes Jennifers – lässt sich anhand dessen, was wir von ihr sehen, kaum entscheiden.
Dass diese von einer blutrünstigen, aggressiven, sie verbal und körperlich bedrohenden Welt belagertem Liebenden tatsächlich von einem Studio durchgewunken wurden, wirkt überraschend – wahrscheinlich war es dann doch zu subtil. Vor allem sind sie aber so nachvollziehbar und stringent, dass einem der Angstschweiß ausbrechen kann. Ihr Film ist überzogen, mit ruhiger Hand inszeniert, völlig auf sich konzentriert und dabei durch endlos gebrochen … und deshalb der No Wave-Film unter den DIRTY HARRY-Sequels.
Freitag 05.07.
großartig –
Impressionistische Short Cuts aus dem White-Trash-Herzen der USA. Den Stil dafür nimmt Harmony Korine mehr oder weniger von der Stange, nur korrumpiert er diesen mit seinem Inhalt. Bei aller Sentimentalität werden doch (scheinbar?) Katzen ertränkt. Die heimeligen Wohnungen sind Messiebunker mit ranzigen Badzimmern, immer kurz vor Serienkillerchic. Er porträtiert Leute in einer Umgebung, die von Produktivität und Bürgerlichkeit völlig abgetrennt existiert. Herzlich versetzt er sich (auch als Schauspieler) in dieses abgehängte Milieu, romantisiert es aber nicht … zumindest kokettiert er damit, dass dies auch einem Albtraum gleicht. Er zeigt eine Parallelwelt, die ein sehr spezielles Produkt des amerikanischen Traums ist. Schön wäre, wenn dies den Gründungsvätern der USA gezeigt werden könnte. Nicht um sie von ihrem Vorhaben und Idealen abzubringen, sondern weil es sicherlich interessant wäre zu sehen, wie sie das eine mit dem anderen nicht verbinden könnten. Ein Film der Liebe (zu seinem Milieu) und des Entsetzens (über dieses).
Donnerstag 04.07.
großartig +
Ich habe die BODY DOUBLE-Hommage mit Frankie Goes to Hollywood-Soundtrack vergessen zu erwähnen. Ich weiß auch nicht, wie es passiert ist. Welcome to the Terrordome jedenfalls, sage ich bei critic.de.
Mittwoch 03.07.
gut
Es stimmt schon, dass Suzukis Film sehr, sehr schön ist – die Farben, der irritierende, poetische Schnitt. Es ist aber auch mehr als spürbar, dass er so gar keine Lust auf das Drehbuch hatte.
Montag 01.07.
gut +
Eine Westernparodie mit hoher Schlagzahl und einer kurzen eindringlich gefilmten Märtyrergeschichte mit weinender Jungfrau. Am besten ist aber Wild Bill Hickup (Al Fuzzy St. John), ein Westernantagonist wie aus griechischen und deutschen Mythen. Weder eine über den Schädel gezogene Flasche noch die Schüsse in den Rücken können ihm etwas anhaben. Eine Achillesverse besitzt er zwar auch, nur ist diese deutlich profaner als die seiner großen Vorgänger der fast unbesiegbaren Helden.
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