STB Robert 2020 I
„Bei der Toten handelt es sich um unsere Agentin. Ich habe sie nicht gleich erkannt, weil sie nackt war.“ (Zimmer 13)
Wertung: Ich kann nichts mit Zahlen zur Bewertung anfangen. Deshalb gibt es hier ein System der euphorischen Aufnahme des Films. In Zahlen übersetzt wäre es wohl ungefähr: fantastisch 10 – 9 / großartig 9 – 7 / gut 7 – 6 / ok 6 – 4 / mir zur Sichtung nichts sagend 4 – 3 / uff 2 – 1 / ätzend 1 – 0. Diese Skala ist mit der Qual verbunden, Filme in eine lineare Skala zu quetschen. Deshalb hat die Wertung eine Y-Struktur für freieres Atmen. So kann ein Film eine Wertung der Verstörung erhalten: radioaktiv 10 – 9 / verstrahlt 9 – 7. Wertungen in Klammern verweisen auf das ein oder andere Nickerchen beim Schauen.
Legende: Ist im Grunde selbst erklärend. Wenn hinter der eckigen Klammer eine Zahl steht, dann gibt sie die Anzahl der Sichtungen wieder. Je höher die Zahl, desto mehr ist sie geschätzt. Da ich mit Fernsehen und Kino aufgewachsen bin, wo nur gekennzeichnet wird, wenn ein Film nicht in deutscher Sprache läuft, tue ich das schändlicherweise auch. (OmU=Originalfassung mit Untertiteln, OmeU=Originalfassung mit englischen Untertiteln, OF=Originalfassung, EF= englischsynchronisierte Fassung, OZmeU=Originalzwischentitel mit englischen Untertitel) Hinzu kommen die Zeichen ł, wenn der Film gekürzt war, und ≠, wenn ich mitbekommen haben sollte, dass das Format nicht hinhaute. Ein kleines K hinter einem Titel bezeichnet einen Kurzfilm (bis 20 Minuten), während ein kleines M einen mittellangen Film (21 bis 60 Minuten) kennzeichnet.
Vorangegangene Sehtagebücher:
2012/II | 2013/I | 2013/II | 2014/I | 2014/II | 2015/I | 2015/II | 2016/I | 2016/II | 2017/I | 2017/II | 2018/I | 2018/II | 2019/I | 2019/II
to be continued … und zwar hier
Juni
Sonntag 28.06.
19.06.-28.06. – Il cinema surrogato
großartig
Lotti Z. (4 Jahre) schaut FRAU HOLLE vor allem immer wieder, weil ihr die Lieder darin so gefallen. Am meisten gefällt mir jedoch ihr bereits entwickelten Rituale, wenn der Offen mit den Broten oder der Baum mit den Äpfeln aus dem Nichts erscheinen oder ins Nichts verschwinden. Dann sitzt sie da, hält ihre Handflächen fragend nach oben und tut so als ob sie den Film noch nie gesehen habe. Mit einem Lächeln auf dem Lippen sagt sie dann: Häääh, wo kommt denn der Offen plötzlich her? oder Häääh, der Baum ist ja ins Nichts verschwunden? Ein schönes Schauspiel.
großartig –
Die etwas verschwurbeltere Version von DEATH DUEL, welche von der Eitelkeit der Suche nach dem besten Schwertkämpfer nicht durch eine gerichtete Bewegung erzählt, sondern durch ein Tohuwabohu an Täuschungen und Gegentäuschungen. Eigentlich ist dabei alles da, was ich an Chor Yuens Filmen mag, HEROES SHED NO TEARS schien mir aber der bisher schwächste seiner Filme zu sein. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich Alexander Fu Sheng als lächelnden Naivling ganz gerne mag. Wenn er aber jemanden spielt, der am Ende den Überblick behalten hat, dann finde ich, dass etwas schiefgegangen ist.
fantastisch
Eigentlich sollte vom 20.06. bis zum 28.06. il cinema ritrovato in Bologna stattfinden. Der Urlaub war genehmigt und die Bahn schon im Dezember gebucht. Dank Covid 19 war da aber nichts, zu dem ich hätte fahren können. Deshalb verbrachte ich als Ersatz meine Vormittage und Abende mit Filmen, die hier so rumlagen. Zum Abschied passte, dass ich gerade die meisten Filme Tsai Ming-Liangs schaue und GOODBYE, DRAGON INN an der Reihe war. So konnte ich mich gebührlich von meinem Ersatzkino verabschieden.
gut +
Chen Shiang-Chyi kommt aus Paris wieder und die wichtigste Stelle Hongkongs, die Überführung auf der sie von Hsiao Kang (Lee Kang-Sheng) eine Uhr kaufte, ist verschwunden. Die Heimkehr als Unmöglichkeit der Wiederkehr. Hsiao Kang hingegen heuert als Pornodarsteller an. Kontinuität als ständige Veränderung. Ein netter Übergang – der erste Teil dieser 20 Minuten ist durchaus toll, der zweite eher nicht so – zwischen WHAT TIME IS IT THERE und THE WAYWARD CLOUD.
Sonnabend 27.06.
ok +
Wang Chung durfte 1973 in zwei Filmen Chang Chehs die Hauptrolle spielen. Wahrscheinlich war es der Versuch ihn nach diversen (tragenden) Nebenrollen zu Starruhm zu verhelfen. Da dies aber die einzigen Vorstöße in diese Richtung blieben, scheint es sich nicht ausgezahlt zu haben. Was schade ist, weil ich seiner Verbissenheit etwas mehr abgewinnen kann, als dem Happy-Go-Lucky-Lächeln von Alexander Fu Sheng beispielsweise. Mit THE DELINQUENT war der erste der beiden Filme auch richtig stark, POLICE FORCE hingegen ist ein Film, sich vor seinem Drama scheut.
Huang (Wang Chung) und Shen Yan (Lily Li) wollen Rache. Ihr bester Freund respektive Lebensgefährte wurde getötet. Huang wird daraufhin Polizist, um den Täter zu fassen. Jahre später, nachdem Huang als harter Hund Karriere gemacht hat, finden sie ihn doch noch. Er könnte aber der Schlüssel sein, um eine größere Organisation aus dem Verkehr zu ziehen. Huang ist deshalb zwischen seinem Racheschwur und seinem Verantwortungsbewusstsein hin und her gerissen. Noch dazu, weil Shen Yan einfach nur den Tod des Täters sehen möchte. Doch statt diesen Konflikt auch nur irgendetwas abzugewinnen, lässt POLICE FORCE Shen Yan und die Rache einfach hinter sich. Beide verschwinden ohne großes Drama aus dem Film. Stattdessen bietet der Film etwas – nicht sehr herausragender – Action bei der Jagd nach einem Drogenkartell. Eine schöne Note ist, dass dies als Kampf einer gegen alle auf einer Yacht geschieht, also auf engsten Raum, aber die restliche Melodie des Films ist durch die fallengelassene Grundspannung etwas belanglos.
gut
Ich schreibe dies fast fünf Wochen nachdem ich den Film sah. (Die Masse der gesehenen Filme hat mich etwas ins Hintertreffen gebracht.) Aus den letzten Kommentaren war vll. herauszulesen, dass ich es etwas schwer finde die einzelnen Zatoichi-Filme auseinanderzuhalten. Die Wertung wurde aber unmittelbar nach der Sichtung eingetragen, weshalb ich mir sicher bin, dass dies einer der besseren Filme war. Mit Sicherheit weiß ich aber eigentlich nur noch, dass hier ein Yakuza von einem Baby angepinkelt wird. Was es durchaus berechtigt, diesen als einen guten Eintrag in die Reihe anzusehen.
Freitag 26.06.
großartig –
Eine Amour fou, die größtenteils in Abwesenheit des Objekts der Begierde stattfindet. Michael (Walter Slezak) verlässt Maler (Benjamin Christensen) für eine Frau und kommt nur immer wieder, um den Meister auszunehmen. Und dieser versteht seine Gefühle und seine Nachgiebigkeit als große Liebe. Eine Amour fou als glücklichen Verzicht, so überspannt, wie die surreal eingerichtete Wohnung der Handlung.
großartig +
Während ich bei den anderen Co-Regisseuren, welche Chang Cheh besonders Anfang der 70er dabei unterstützen seinen gewaltigen Output zu stemmen, keinen bestimmten Einfluss auf die Filme bemerken kann – wohl auch weil ich keine Filme kenne, bei denen Wu Ma oder Pao Hsueh-Li nicht nur Co-Regisseure waren –, da ist der Einfluss von Kuei Chih-Hung in THE DELINQUENT durchaus zu spüren, meine ich. Es ist nur sehr vage, weil sich Chang Cheh und Kuei Chih-Hung nicht ganz unähnlich sind. Vor allem ist es aber so, dass die Düsternis dieser bunten Welt nicht nur aus dem Heldenfetisch und dem Todestrieb der Hauptfigur (Wang Chung als John Sum) erwächst, sondern eben auch daraus, dass diese Welt nicht so erfreulich ist. Die Niedertracht der Gangster, die trügerischen Verlockungen des Reichtums oder die zermürbende Arbeitswelt: THE DELINQUENT nimmt sich sehr viel Zeit um John in die Enge zu treiben und alles in einem fiebrigen, sachte surrealen Gewaltrausch enden zu lassen.
Von daddy issues ist der Film angetrieben. Ständig prallen John und sein Vater (Lo Dik) aneinander. Stolz möchte der Sohn seinen Altvorderen machen, aber auch nicht als ehrlicher Arbeiter langsam zugrunde gerichtet werden. Versagen folgt bei seinen Anstrengungen auf Versagen – stets in beide Richtungen. Immer mehr nähert sich John der korrupten Welt der Verbrecher an, um nur schnell an Reichtum und Anerkennung zu kommen. Doch seinen Vater verrät er dabei auf zwei Weisen. Er wird unehrlich, was ihn in den Augen seines Vaters entwertet, und seine neuen Freunde suchen nur seine Nähe, um die Lagerhalle überfallen zu können, in der sein Vater als Wachmann arbeitet. Denn John soll den Code für den Safe besorgen.
Solange der Film John bearbeitet und Richtung Eskalation drängt, solange ist er ganz unaufgeregt. Der Schmerz dringt immer wieder in eine sonnige, swingende Welt. Besonders schön sind eine kleine Kavalkade von aberwitzigen Match Cuts, die den Film uns als Spielwiese ihrer Macher präsentieren. Wenn der für John unlösbare Widerspruch an sein Ende gebracht wurde, wenn er irgendwann nicht mehr existiert, weil nur noch die Zerstörung der Welt wartet, dann sind wir zwar bei Chang Chehs Kino in Reinform angekommen, trotzdem ist auch hier Kuei Chih-Hung zu spüren – vll. bilde ich es mir nur ein –, weil der erlebbare Wahnsinn auch von ihm stammen könnte. Der Wahnsinn, wenn Leute von Schlagzeugbecken enthauptet werden und Vater und Sohn in Parallelmontage gegen den Untergang kämpfen.
gut
Eine dreieinhalbstündige Leugnung moralischer Verantwortung. Frank Sheeran (Robert De Niro, der hier seinen mir ist das alles zu hoch, deshalb bin ich lieber ruhig-Gesichtsausdruck perfektioniert) macht einfach, wie ihm geheißen wird … wie er es eben bei der Armee gelernt hat. Im ewig gleichen Handeln als Handlanger und Gefolgsmann kommt er – trotz Aufstieg innerhalb von Mafia und Gewerkschaft – nie an einen anderen Platz. Er ist immer an der Seite der Mächtigen. THE IRISHMAN hat etwas von Treibsand. Er ist ausführliche Geschichtsstunde, noch ausführlichere Beobachtung der Neurosen und Psychosen bzw. der leblosen, nur berechnenden Logik hinter den Kulissen der großen historischen Momente und Ansammlung generischer Scorsese-Mafiafilm-Momente. Frank steckt darin fest, unfähig … bzw. unwillig sich daraus herauszuziehen. Und wir stecken darin fest, weil er sich trotz seiner trägen physischen Bewegung eigentlich nicht bewegt. Fast will THE IRISHMAN wie eine Beweisführung für die eleatische Leugnung von Veränderung scheinen.
Am schönsten ist der Film, wenn er nicht enden möchte. Während das Todesdatum und –ursache fast jeder Figur eingeblendet wird, läuft der Film auf eine Handvoll alter Männer im Altenheim hinaus, die nichts mehr mit ihrem alten Leben zu schaffen haben, aber auch nicht mit ihm abschließen. Es kann nicht enden, weil sie keinen Schnitt zwischen sich und ihrer Vergangenheit machen und so zu Geistern ihres bisherigen Lebens werden. Oder eben: wie Lukas F. bei letterboxd schreibt: „This seems to be less about the breakdown of a world than about the breakdown of speech that follows it – with a certain, painful delay.”
gut –
Jetzt wo ich nicht mehr am Rande des Ruins lebe, finde ich es schade, dass es Brücken gibt und wir uns nicht mehr gegen geringes Entgelt jemanden auf die Schultern setzen kann und über eine Furt getragen wird. Eine Dienstleistung, die im damaligen Japan so lukrativ war, dass mal wieder Yakuza darum streiten. Der Fluss wird dabei als treibende Kraft, Trennlinie und Versteck genutzt wie Kerzen und ein Feuerwerk Dunkelheit, Schlaglicht und Explosionen sublimieren.
Donnerstag 25.06.
großartig
Ein Kämpfer (Ku Feng) verliert bei der Verteidigung seines Meisters sein Leben. Vorher wird sein Schwert im Gefecht in der Mitte durchtrennt. Seinem Sohn (Jimmy Wang Yu) wird von der Tochter des Meisters – in einer explosiven Mischung aus unerfülltem Begehren, Neid, Blasiertheit und Minderwertigkeitsgefühl – der rechte Arm abgeschlagen. Im weiteren Verlauf des Films werden Hände abgeschnitten, potente Peitschen zerteilt und wehrlose Leute schikaniert. In THE ONE-ARMED SWORDSMAN gibt es symbolische Kastrationen am laufenden Band … und in dieser Atmosphäre melodramatischer Kastrationsangst besteht der, welcher mit seinem halben Schwert/Penis am meisten anzufangen weiß.
vertstrahlt –
Ein Film, der weder Helden noch moralischen Anker bietet, der nicht sozial erklärt, der lediglich physisch erleben lässt. Laut Eigenaussage wohl ein Film über Roberta Findlays Kindheit. Mehr zum Film hier von André.
fantastisch +
Zwei Mütter, zwei Töchter, vier Konflikte. Lora Meredith (Lana Turner) wird erfolgreiche Theaterschauspielerin. Jeden Tag durchlebt sie Dramen und Komödien, nur zu Hause ist sie nur zu Gast, um ihre Familie kurz an ihrem Glanz teilhaben zu lassen. Annie Johnson (Juanita Moore) hält Lora seit ihren bescheidenen Anfängen den Rücken frei. Wie ein Dienstmädchen lebt sie. Ihr Drama ist das stillste, aber vll. doch härteste … denn unter Herzlichkeit und Zuvorkommen der afroamerikanischen Mammy befindet sich jemand, der seine Unterordnung im Privaten wie in der Gesellschaft internalisiert hat. Susie Meredith (Sandra Dee) liebt den verhinderten Liebhaber ihrer Mutter (John Gavin als Ruck Hudson Substitut spielt Steve Archer) und damit ihren verhinderten Stiefvater. Sarah Jane Johnson (Susan Kohner) ist so hellhäutig, dass sie für eine Weiße gehalten wird, bis die Leute erfahren, wer ihre Mutter ist. Sie erlebt wie es ist als Weiße zu leben, und wie es als Schwarze ist. Und nie und nimmer möchte sie in der gleichen (vorauseilenden) Ausgrenzung leben wie ihre Mutter. Sie möchte alle Chancen haben und wird Tänzerin, als schwacher Schatten von Lora, der anderen Mutter, mit der sie aufwächst. Alle vier verbindet, dass sie wie blind agieren. Keiner macht sich klar, welche Niedertracht das eigene Handeln für die anderen bedeutet.
Es gleicht alles pro forma der Version von 1934 (siehe STB 2018 I ganz unten) und doch ist alles irgendwie ganz anders. John M. Stahl suchte expressive Ausdrücke dieser Konflikte, dokumentierte dabei aber stoisch. Douglas Sirk hingegen macht einen fiebrigen Zirkus aus dem Geschehen. Die von lieblicher Musik unterlegte Szene, in der ein Agent Lora mitteilt, dass er sie bei Produzenten solange (buchstäblich) prostituieren werde, bis der Erfolg da ist; das Bild der lachenden Sarah Jane am Totenbett ihrer Mutter, von der sie nun endlich befreit wird; die beiden Mütter, die immer wieder behaupten, dass sie ihre Töchter gleich behandeln würden, was aber vom Gezeigten Lügen gestraft wird – oberflächlich präsentieren die Bildern im familiären Zusammensein dieser Patchworkfamilie oft Eintracht, aber die strahlende Harmonie wird umso garstiger, weil eine klare Bevorzugung in ihnen steht: Annie kümmert sich zuvorderst um die Tochter Loras, während Sarah Jane an der Seite steht –; die auf der Bühne von gierenden älteren Herren und schreienden Masken an der Wand eingekesselte Sarah Jane; der Moment, wenn Sarah Jane von einem Verehrer zusammengeschlagen wird, weil er erfuhr, dass sie eine Schwarze sei, wobei gleichzeitig die Illusion von Rassismus (an ihr sind nirgendwo Marker dieser kruden Zuschreibung Rasse zu erkennen) sowie seine Wirkmacht (er wird vor allem ärgerlich, weil andere ihn auslachen, wie er sagt) zur Schau gestellt werden; der Umstand, dass anders als 1934 die afroamerikanische Mutter nicht geschäftlich ausgebeutete wird, sondern tatsächlich nur Freundin sein kann und doch Person zweiter Klasse ist: IMITATION OF LIFE ist bei Douglas Sirk ein galliger Film, der bei einem flüchtigen Blick nach einem sachten Melodrama aussieht, aber tatsächlich ziemlich irre ist und der abgebildeten Gesellschaft –rasend durch die gezeigten Wunden – den Mittelfinger zeigt. Und das Beste daran ist, dass er trotzdem als Tearjerker funktioniert.
ok –
Zwei Superhelden treffen aufeinander und verstehen sich nicht. Es ist die Geschichte zweier Alphatiere, die aneinandergeraten, weil sie nicht die selbe Sprache sprechen, die aber doch Achtung voreinander bekommen. Während das Zusammentreffen mit Yojimbo aber tatsächlich Garstigkeit entfaltet, da eiert dieses Treffen herum, weil es den ehrenvollen Glanz der beiden Hauptfiguren nicht beschmutzen möchte.
Mittwoch 24.06.
großartig
Die Kampfchoreographien stammen von Ching Siu-tung. Tatsächlich nähert sich THE SWORD – außerhalb der Kämpfe – mehrmals der sehnsuchtsvollen Romantik von Chings A CHINESE GHOST STORY an, doch Hauptfigur Li Mak-Yin (Adam Cheng) ist aus anderem Holz geschnitzt als Ling Choi-San. Während der von Leslie Cheung gespielte Buchhalter nämlich der Spielball von übernatürlich( befähigt)en KämpferInnen ist, da ist Li darauf aus herauszufinden, ob er der beste Schwertkämpfer ist. Folglich befindet er sich auf der Suche nach einem Endgegner. Immer wieder ist er dabei von Wahnsinn, kriechenden Männern aus der Dunkelheit oder Megalomanie umgeben, aber hier ist er ebenso naiv wie der ihm Nachfolgende: Er sieht es nicht bzw. schließt nichts daraus und macht einfach weiter, als ob nichts wäre. Statt Liebe findet und bringt er deshalb Zerstörung … und darf eine Frau mit seiner Unbedarftheit fröhlich quälen … in einem Film, der kantonesische Wuxia-Traditionen mit der stilvollen Überdrehtheit ausstattet, die Hongkongs Kino bald zu dominieren beginnt.
ok +
Alles was hier steht, ist überaus korrekt, dennoch blieb mir dieses fluffige Theater des Grauens oft ein wenig verschlossen. Das große Husarenstück des Films, dass Juliette (Maria Rohm) und mit ihr der Marquis de Sade (Klaus Kinski) in den letzten Minuten in den Schoß der Kirche zurückgeholt werden, ist aber auch so eine wunderbare Endnote.
großartig –
Eine für Ang Lee typische Liebesgeschichte, bei der soziale Fesseln die Gefühle der Protagonisten schnüren. Nur wird sie hier mittels fliegender Kämpfer erzählt, die nach dem wahren Kern von Ritterlichkeit suchen. Die Doppelung der Motive von der Liebe und der Fesselung in zwei auf sich ausstrahlenden Liebesgeschichten, die zudem die Geschichte eines Meisters und einer Schülerin sind, die keinen Meister haben möchte, macht es an manchen Stellen etwas redundant. Trotzdem bleibt es ein schmerzlicher Film, der nicht mit emotionalen Ausbrüchen erzählt wird, sondern mit der Eindämmung dieser unter wunderschöne Oberflächen.
gut
Der Kampf gegen die Korruption der Mächtigen als Kampf in Wäldern und Feldern, im Nebel und in der Nacht, als Vorführen der Institutionen, als Töten ihrer Vertreter und als Kampf gegen den personifizierten Zynismus, der es ist dieser Korruption nachzugeben (Wakayama Tomisaburô). Bitterkeit und das Hoffen auf die eigene Unschuld.
Dienstag 23.06.
fantastisch –
Zwei Schwestern werden gegenübergestellt. Die eine, Elinor Dashwood (Emma Thompson), ist pragmatisch und verantwortungsbewusst. Sie ist die Managerin der Familie und bekommt eine sehr junge zweite Schwester an die Seite gestellt, damit sie umso mehr wie eine Mutter wirkt. Ihre Gefühle sperrt sie in sich weg, wie SENSE AND SENSIBILTY die Emotionen seiner Figuren in gesellschaftliche wie bildgestalterische Formen einschließt. Nur die Nuancen sprechen von ihrem Schmerz (und dem vieler anderer). Und weil diese Qualen nicht offen ausgelebt werden, sondern hinter Schildern der Tapferkeit versteckt werden, sind sie der Phantasie überlassen, was sie umso brutaler wirken lässt.
Die andere, Marianne Dashwood (Kate Winslet), ist hochromantisch. Sie spielt melancholische Klavierstücke – zumindest solange sie nur abgeschieden im Familienhaushalt von der Liebe träumt – und liest Liebesgeschichten und Sonette. Der Tod von Romeo und Julia ist für sie pure Schönheit und anstrebenswertes Glück. Dieses Glück bekommt sie auch in dem Moment, wenn ein buchstäblicher Sturm sie mit einer stürmischen Liebe beschenkt. War sie ansonsten elegant, aber ungebunden durch die sie umgebende Gesellschaft geschritten, wird sie zu einem Taifun in ihrem Umfeld. Zum langsam versiegenden Taifun aus Träumen, der von der Realität ausgebremst wird. Mal zeigt uns SENSE AND SENSIBILITY ihre romantische Welt – vor allem wenn die Männer ihres Lebens (Greg Wise als John Willoughby und Alan Rickman als Colonel Brandon) ihren ersten Auftritt haben –, mal ihr verlorenes Stürmen durch eine kalte Gesellschaft, wo vor allem auf Takt und Anstand geachtet wird.
Während die eine also nach den Regeln der Gesellschaft leidet, tut es die andere im Ignorieren dieser. Beide bekommen aber die Übermacht dieser zu spüren. Die Schwestern verstehen sich nicht und müssen erst über ihre Zermalmung durch ihre jeweiligen Liebesgeschichten lernen, die andere richtig lesen zu können. Vereint werden beide vor allem durch den Klatsch und Tratsch in ihrem Rücken oder direkt in ihrem Angesicht, der fröhlich an ihren Herzen bohrt. Die beschwingten Szenen unbedarfter Einmischung sind brutale Seelenzerstörer.
SENSE AND SENSIBILITY ist ein Katastrophenfilm der Liebe, der seine Figuren optisch wie dramaturgisch in Käfige und Gefängnisse steckt und sie dort quält. Quält mit der Hoffnung Glück zu finden und dem der Unmöglichkeit dieser, solange ihre Herzen nicht durch Zynismus geschützt sind. Bestehen heißt es für beide in diesen Folterkellern. Und SENSE AND SENSIBILITY trauert wegen Kompromissen der Vernunft und Schiffbruch der Emotionen. Nicht die Schwestern und ihre Naivität werden zurechtgerückt, die Welt und das Erwachsenwerden sind in diesem Film Übeltäter, deren Opfer beweint werden. Tatsächlich ist dies alles entspannt und beiläufig erzählt. Die Ströme der Gefühle und des Giftes darunter sind umso reißender.
großartig +
Der passende Anschlussfilm – oder halt Anschluss-DERRICK-Episode – für SENSE AND SENSIBILITY. Da, wo in dem einen das Zerfließen der Figuren durch ihre Gefühle mittels einer güldenen Habachtstellung der Form und Schönheit aufgehalten bzw. kaschiert wird, da ist hier nichts mehr aufrechtzuhalten, da schon zerflossen. Die Wohnungen sind Sümpfe oder leere Kathedralen des eigenen Selbstverlusts. Trunken- und Machtgeilheit sind Ausdruck einer raumgreifenden Selbstaufgabe, die DAS FLOSS vulgär ins Bild setzt und mit der Trauer um die zerschundenen Jugendlichen aller Orts beweint. Die eigene Tochter wird prostituiert, um die Kündigung zu verhindern, Arbeitnehmer werden für das eigene Vergnügen mit Kündigung bedroht. Mit Alkohol und Prunk wird dieses Menschsein als Pfütze erträglich gemacht. Und das rettende Floss anderer – Liebe und Verständnis – wird schon einmal niemandem gegönnt. Eine klamme Hand des Todes greift hier nach allen und jeden, nach den Tätern, den Opfern, den Beistehenden, die helfen wollen, und zieht sie mit ins Verderben. Ein dunkelschwarzes Melodrama.
ok
Wenn Sanjûrô (Mifune Toshirō) seine ninjo-lose Entsprechung aus dem Lager des Gegners im Endkampf tötet, dann vollzieht sich dieses Ableben mit der Eruption einer stilbrechenden Blutfontaine aus der Brust seines Gegners Muroto Hanbei (Nakadai Tatsuya). Wenn sich die von Sanjûrô angeführten naiven Samurai an einer Stelle über einen Sieg freuen, dann hüpfen sie wie kleine Kinder im Dreieck. SANJURO offenbart immer wieder das Potential für eine tolle Komödie. Leider gefällt sich der Film aber mehr darin, einen Haufen junger unwissender Samurai durch einen abgeklärten Zyniker mit Allwissen (Sanjûrô) im Kampf gegen eine korrupte Staatsmacht vorzuführen. Der sich aufdrängende Fluchtpunkt der Gedankenspiele des Films: Ihr seid unerfahren und blöd. Vertraut doch einfach auch die Institutionen, dann wird schon alles gut. Euer Protest macht alles nur unnötig brutal. Als politische Fabel über Japan zur Zeit der anpo-Unruhen Anfang der 60er Jahre ist es fürchterlich anmaßend und altklug. Und auch so fühlt es sich eher wie der Traum eines Mannes an, der daheim unterm Pantoffel steht und hier buchhalterisch eine Allmacht auslebt, die die Realität nicht hergibt.
großartig –
Ichi befindet sich mal wieder zwischen zwei Yakuza-Clans, die in einer Siedlung um die Vorherrschaft kämpfen. Selbstredend geht es abermals auch um die Ausbeutung dieser Situation. In der erneuten Variation des ersten ZATÔICHI-Films, der auch schon eine Variation von YOJIMBO war, spielt jetzt aber auch eine Variation des originalen Leibwächter-Ronins, des Yojimbos, mit, dargestellt vom Originalschauspieler Mifune Toshirō. Und weil dieses Zusammenspiel von Originalen und Spiegeln erst auf der Metaebene verwirrend werden kann, spielt ZATOICHI MEETS YOJIMBO mit der Undurchsichtigkeit seiner Figuren. Ist Yojimbo ein zynisches Großmaul, dass nur hinter möglichst viel Geld her ist? Oder ist er Geheimagent der Regierung, der für Ordnung sorgen soll? Oder ist er beides? Und wenn Letzteres zutrifft: Welche dieser Ausprägungen wirkt sich am Ende mehr aus? Und welches Spiel treibt eigentlich Ichi? Ist er gutmütiger Schalk oder gute Miene zum bösen Spiel machender Zyniker? Und welche Motive haben die anderen zwielichtigen Gestalten? Okamoto macht aus dieses Getümmel, in dem beständig nachgefühlt wird, ob jemand Gut oder Schlecht ist, einen schwarzhumorigen Spaß in edlen Bildern, die dem Treiben aus Niedertracht und Jämmerlichkeit diametral entgegenstehen. Eine völlig zerhackte und auch optisch überfüllte Farce, die jede Sicherheit (darüber, was sich am Grund der Leute befindet) untergräbt, die den Widerspruch aus giri und ninjo zum Widerspruch aus Gier und ninjo umformuliert und so den ganzen Legenden von ehrenvollen Samurai und Yakuza lustvoll ans Bein zu pinkelt.
Montag 22.06.
gut
Im zweiten Teil gibt es eine Szene, in der Bill (David Carradine) Beatrix (Uma Thurman) am Lagerfeuer eine Geschichte erzählt. Mittendrin macht er wiederholt affektierte Kunstpausen, um noch affektierter auf seiner (riesigen) Flöte zu spielen. Beatrix schaut ihn dabei lächelnd an und hängt an seinen Lippen. Gut vorstellbar ist, dass Quentin Tarantino sich genauso sah, in der Position von Bill vor seinem Publikum. Denn auch diese beiden Übergangsfilme zeigen ihn auf dem Höhepunkt seiner Affektiertheit. Wenn er sich und Uma Thurman “Q & U” in den Credits nennt. Wenn er für einen Gag weit im Film zuvor immer wieder den Namen der Braut weg piept. Wenn Leute zwanghaft dramatisch im Gleichschritt laufen. Wenn Uma Dinge sagen muss, die Quentin vll. schreiben, aber niemand natürlich aussprechen kann. Aber doch schafft er es, mich immer wieder in die Immersion zurückzuholen und dahin zurückzukehren, wo diese Affektion zum traumwandlerisch sichern Erzählen wird.
gut
Gerade wenn Beatrix (Uma Thurman) zum rigorosen Meister Pai Mei (Gordon Liu) in die Lehre geht, verwehrt sich KILL BILL seiner Zitierwut. Statt Trainingsmontagen und langwierige und schmerzhafte (körperliche) Lehren aus der Kung-Fu-(Film-)Schule folgenzulassen, wird dieses Kapitel ziemlich schnell beendet. Ein bisschen gegen ein Brett hauen, damit es im Sarg hilfreich aufgegriffen werden kann. Mehr nicht. Es ist wie mit den dauernd auftauchenden Italo-Western-Musiken, die noch den kleinsten dramatischen Moment etwas Majestätisches geben sollen, aber irgendwann eher nerven: hier, in der ersten Hälfte des zweiten Teils, wirft Tarantino sehr lieblos mit seinen Obsessionen um sich. Dafür folgt aber eine zweite Hälfte, die tatsächlich wieder etwas erzählen möchte. Die Geschichte einer Mutter, die auf wundersame Weise – durch Rache – ihre totgeglaubte Tochter wiederbekommt, die sich ins Muttersein hereinfinden muss, die überfordert ist … und mehr als ein Avatar ist, auf dem sich viele Filme und –genre vereinen.
Ein schöner Punkt:
– Der erste Teil startet mit einem kleinen Mädchen, dass seine Mutter verliert, während der zweite Teil mit einer Mutter endet, die ihr Mädchen wiederbekommt.
Ein … Punkt:
– Immer wieder bekommt Beatrix symbolische CumShots ins Gesicht, meist hasserfüllt. Obsessionen…
großartig +
Zumeist folgt der Film der Vision eines Vaters (Georg Thomalla), der seine Tochter (Mascha Gonska) als überzeichnetes Produkt moderner Psychologie sieht. Als gäbe es keine Gesellschaft, welche einen Einfluss auf sie hätte, ist sie in seinem Blick gänzlich durch ein Ideal geformt. Heißt: sie, von ihm Herzblatt genannt, kennt keine Scham und treibt mit ihrem nun fast volljährigen, kaum bis nicht verhüllten Körper die Männer in den Wahnsinn. Denn deren Penisse gehen hoch und plötzlich sind sie hilflos. Allen voran leidet aber ihr Vater – von ihr Männchen genannt –, mit dem sie immer noch zusammen baden möchte, was seinen emotionalen und moralischen Haushalt völlig überfordert, oder weil die Beschwerden nach Baustellenunfällen usw. bei ihm landen. Wir erleben eine völlig überspannte Farce über eine allgegenwärtige Verklemmtheit und Männer, die alles durch die Brille des Sex wahrnehmen. Es führt dahin, dass sich Männchen mit dem Vertreter einer überkompensierenden Männlichkeit (Paul Esser) verbrüdert und dessen drei Söhne, die weitere Vertreter exemplarischer Männlichkeitsentwürfe darstellen, zur rapey Entjungferung auf sie loslässt. Mit einem Penis soll quasi Normalität in sie eingeführt werden.
All die verunsicherten männlichen Identitäten und ihre übergriffigen Selbstermächtigungsstrategien, die HERZBLATT auffährt, sind ausgeprägt furchteinflößend, und trotzdem belässt es Vohrer in einem Ton heiterer Überspanntheit. Psychedelisch und als Bilderstürmer geht er den entnervenden Eiertanz an und macht es zum wunderschönen, durchgedrehten Pop-Art-Bauerntheater, dass es irgendwie doch immer schafft den richtigen Ton zu treffen. Weder werden die Männer verachtet – das hektische Zerfließen Thomallas wurde wohl nie so virtuos eingesetzt –, noch bleibt Herzblatt in ihrer Position als Projektionsfläche hängen. Denn irgendwann darf sie entnervt von der ihr entgegenschlagenden Übersexualisierung die Bremse ziehen und einfach dem Treiben entfliehen, um die Liebe mit jemand weniger verängstigten zu finden.
ok
Der fünfte Teil der Zatôichi-Reihe bringt eine Variation des ersten Films. Nur wird er nun in den Krieg zwischen den Yakuza-Clans gezwungen, statt ihn willfährig auszubeuten. Außerdem fallen Otane und der Ronin nun in einem zu beschützenden wie geliebten Mädchen zusammen. Aber nicht nur die Geschichte wirkt wie ein Aufguss, obwohl alle Bande zu den ersten Filmen gekappt sind – fast niemand lebt mehr aus diesen –, auch optisch weiß der Film nicht wirklich Neues aus den Kämpfen zu gewinnen. Ichi zerschneidet Kerzen, Flaschen und Menschen blitzschnell. Wie ein Ritual, dessen Wurzel niemand mehr zurückverfolgen kann, wirkt es bereits. Hier ein paar Schirme auf einer Wiese, da ein Portemonnaie, das zärtlich gestreichelt wird. Ansonsten formales business as usual.
Sonntag 21.06.
großartig +
Wie in Henry Kings THE GUNFIGHTER möchte sich in DEATH DUEL ein unüberwindlicher Schwertkämpfer – anstelle des unbesiegbaren Pistoleros – zurückziehen und sein Leben als Kämpfer hinter sich lassen. Aber auch ihm gönnen die Geister, die er rief, keine in Ruhe. Weder kann er sein Können verleugnen, noch wird die Suche nach ihm aufgegeben. Nur wird er nicht – in einem Saloon bzw. im Auge des Orkans seines Ruhms – eingekreist. Er flieht und flieht, nur um immer wieder eingeholt zu werden. DEATH DUEL gleicht einer Treibjagd, die einem Flüchtenden durch Hinterhalt, Mord und Folter hetzt.
Zwei Auswege werden ihm dabei angeboten: Unterwegs trifft der fliehende Dritte Meister (Derek Yee) Ti Lung und Lo Lieh, die jeweils Rollen von bedeutenden Schwerkämpfern aus vorherigen Chor Yuen Filmen – THE MAGIC BLADE respektive KILLER CLANS – wiederaufnehmen. Sie haben in einem entlegenen Zauberwald ihre Ruhe gefunden, nur unsere Hauptfigur findet selbst hier nur seinen ärgsten Rivalen. Denn er kann und will die absolute Trennung von der Welt (noch) nicht vollziehen. Am anderen Seite des Spektrums gibt es den von David Chiang gespielten Mu-yung Chien-lung. Dieser wird nicht von Skrupeln eingeholt und auch nicht von der Müdigkeit des Kämpferdaseins, wenn Mord und Totschlag einen auch einholen, wenn sich selbst alles bewiesen ist. Bei ihm kommt die von DEATH DUEL postulierte Sinnlosigkeit des Ruhms nicht an, weil er wahnsinnig geworden ist. Als Raving Madman wird er eingeführt, als Schatten auf einer Zeltwand, der ein festgekettetes Untier erahnen lässt. Fast alles menschliche Leben zerstört er, sobald er losgelassen wird.
Diese beiden Pole liegen also vor ihm und keine möchte der Dritte Meister wahrnehmen. Eine vegetabile Poetik durchzieht den Film, während er mit sich und seinem Schicksal hadert. Blüten behindern als unscharfe Farbkleckse die Sicht und werden erst nach Schärfeverschiebungen überhaupt als das erkennbar, was sie sind. Entrückte, weil komplett künstliche Ahornwälder mit leuchtend roten Blättern tauchen als Orte emotionaler Hochspannung immer wieder auf. Die Blüten schreiben den Leuten Sensibilität ein, wie die intensiven Farben intensiven Gefühle ausstrahlen. So entsteht nie der Eindruck, dass die Kämpfer mit sich identische Machos eines strammen Actionfilms sind. Vielmehr sind sie unsichere Melancholiker, die mehr mit ihren Gefühlen kämpfen, als mit den Gegnern, denen sie sich am laufenden Band stellen.
ok –
Erstaunliche Massagegriffe beim Sumo, das Krabbeln durch die Fans (zu einem Affen), die Ruine eines Hauses, welches die Ruine eines Lebenstraumes ist und in dem um den finalen Sieg gekämpft wird: Es gibt Interessantes in ZATOICHI THE FUGITIVE, dieser ansonsten gefälligen Ansammlung von bereits Satus Quo gewordenen Motiven.
Sonnabend 20.06.
ok +
In THE DAREDEVILS gibt es keine Shaolin, wie der deutsche Titel verspricht. Stattdessen handelt es sich (mal wieder) um ein Vehikel für die akrobatischen Talente von drei Fünftel der Deadly Venoms – für Philip Kwok, Lu Feng und Chiang Sheng. Sun Chien darf nebenher etwas treten, während Lo Meng (ohne dieses Mal seine große Schauspielshow abziehen zu dürfen) sterben darf und das Ventil für Chang Chehs Sadomasochismus sein. Leider vergisst THE DAREDEVILS irgendwann, dass die Geschichte nur da ist, um die Turnnummern zusammenzuschnüren, und versucht eine Rachegeschichte zu erzählen, die sich in ausführlichen, umständlichen und ermüdenden Täuschungsplots verliert.
großartig –
Nachdem er im Teil zuvor seinen Bruder töten musste, muss Ichi (Katsu Shintarō) es nun mit seinem Meister aufnehmen. Weiter arbeitet er sich an seiner Vergangenheit ab, um sie vollständig auszulöschen. Nicht dass er es wöllte, die Drehbücher zwingen es ihm auf. Denn Menschlichkeit könnte hier über Ehrencodizes siegen – ein rachedurstiger Yakuza verzeiht Ichi und alles könnte sich in Wohlgefallen auflösen –, aber Zatôichis Leben muss tragisch sein. Rache muss über Zen siegen. Gefühle, Verschwörungen, Verrat: Alles liegt dabei in der Luft und Ichi horcht. Er erkennt bzw. erahnt es, wie er die Straße auch ohne Stock und Tapsen findet. Es ist sein Weg.
Freitag 19.06.
fantastisch –
Als ich DIE SIEBEN SAMURAI das erste Mal sah, stand mir nur eine DVD mit sehr schlechter Bildqualität zur Verfügung. Einen eher drögen Film hatte ich in Erinnerung. Weshalb ich nun sehr überrascht war, einen Film mit einem ausgeprägten Arschfetischismus vorzufinden – wobei aus einem wohl eher drollig verstanden Sinn von Anstand nur die Männerärsche mehr oder weniger entblößt sind, sobald sie sich offensiv im Bild wiederfinden. Aber auch einen Film, in dem Mifune Toshiros Figur sein übergroßes, sichtlich etwas kompensierendes Schwert ständig in die Kamera hält. Und einen Film, in dem die Mädchen des Dorfes in einem Zauberwald versteckt werden, in dem tausende Blumen romantisch eine Alternative zum Krieg bieten – einen Hippiefilm also.
großartig
Kämpfe zwischen immer stärkeren Gegnern, die sich am Ende in Licht-geschwindigkeit vollziehen, und überzogene Wasserspritzer, wenn der Endgegner in einen Teich fällt, die wirken, als wäre gerade eine Felsformation hinter diesen her gestürzt: Was braucht es mehr.
radioaktiv –
GOLDEN SWALLOW ist quasi die Fortsetzung von COME DRINK WITH ME, die jedoch lediglich die Hauptfigur von King Hus Film wieder aufgreift. Direkt nacheinander fällt dabei die unterschiedliche Poesie der beiden Regisseure noch mehr ins Auge. Der divergente Eindruck lässt sich zwar ebenso auf die unterschiedliche Bildqualität zurückführen, in denen ich die beiden Filme sah, aber z.B. auch Stephen Teo meint in CHINESE MARTIAL ARTS CINEMA, wie ich nun im Juli las, dass sich King Hu und Chang Che zueinander wie Yin und Yang verhalten.
COME DRINK WITH ME ist ein Ausbund an Eleganz: Jeder Schnitt, jede Einstellung, jeder Bildinhalt sind so kunstfertig, dass die erzählte Geschichte im Grunde zweitrangig, wenn nicht gar überflüssig wird. In der Form findet sich mehr Inhalt, als im Plot. GOLDEN SWALLOW ist im Gegensatz dazu vulgär. Nur an einzelnen Punkten bringen Phantasie und Gewalt eine oft kranke und völlig desolate Grazie in einen plumpen Film. Vor allem sind es Dreiteilungen, Selbsttötungen, ausgelebte Todessehnsüchte und Märtyrergeilheit, die GOLDEN SWALLOW aus der Hässlichkeit vom steifen Agieren an profanen Waldrändern reißen.
Aber es gibt auch diesen Moment, wenn Silver Roc (Jimmy Wang Yu) – es ist typisch für Chang Cheh, dass wenn seine Hauptfiguren Vogelnamen tragen, dass die Frau eben eine Schwalbe ist und der von ihr geliebte Mann ein mythischer Riesengreifvogel – ein Gedicht an die Wand eines Bordells malt. Seine Sehnsucht nach Golden Swallow (Cheng Pei-Pei), die darin verhandelt wird, reißt ihn aus der realen Welt. So ergriffen ist er (von sich), dass wir ihn in einer irrealen Einstellung wiederfinden. Alles ist weiß und nur die Kaligraphie seines Gedichts, nun meterhoch in der Luft schwebend, und eines blattlosen Baums umgeben ihn. Es ist eine so offensive verschnörkelte Schönheit, die sich in keinem von King Hus Filmen findet.
Wo bei dem einen also Poetik die subtile Regel ist, wird sie bei dem anderen erzwungen. Wo bei dem einen alles fließt, baut sich bei dem anderen etwas auf, das sich dann grell entlädt. Ist das Erzählte in COME DRINK WITH ME passiv und offen, da entströmen diesem in GOLDEN SWALLOW augenfällig Themen und Ideologien. Chang Chehs Kino ist direkt, aggressiv und erzählt hier in seinen kunstvollsten Momenten – die Kaligraphieweite – von einem Mann, der nicht von einer Liebe ergriffen ist, sondern von dem eigenen Leid und den herben Höhen, in denen er sich alles Weiche und Rücksichtsvolle verkneifen muss/soll/darf. Die Schönheit eines verhärteten Phallus wird hier beschworen.
Golden Swallow steht in dem nach ihr benannten Film, in dem sie nunmehr nur noch Nebenfigur ist, zwischen zwei Männern. Der eine, Iron Whip (Lo Lieh), tötet nur im Ausnahmefall und möchte helfen. Golden Swallow möchte zwar keine Hilfe, aber seine (paternalistische) Liebe, lässt ihn nicht von ihrer Seite weichen. Der andere, Silver Roc, tötet grundsätzlich jeden, der einen Fehler aufzuweisen hat. Golden Swallow zieht er in seine Schneise des Todes, indem er ihre Kennzeichen an den Tatorten hinterlässt. Er hetzt ihr Rächer auf den Leib, damit sie ihn ausfindig macht – beide waren zusammen aufgewachsen, bis er fliehen musste – … und als Rache, weil sie ihn noch nicht gefunden hat, weil sie ihn mglweise vergessen hat, weil sie eine Frau ist.
Lieben kann Silver Roc nämlich nur in der Vorstellung. Seine Seele gehört Golden Swallow, wofür sie leiden muss. Denn einerseits lässt er sie nicht an sich heran, womit ihre gegenseitige Liebe erfüllt wäre. Sonst könnte er nämlich nicht mehr so ergriffen leiden. Andererseits rächt er sich an ihr für ihre (von ihm verursachte) Abwesenheit. Sein Körper gehört hingegen einer Sexarbeiterin, welche er wiederrum dafür quält, dass sie in ihn verliebt ist. Er sucht ihre Nähe, verletzt sie dabei aber zwanghaft – zumindest nur seelisch. Einen Märtyrerkomplex hat er. Ihm geht es nur gut, wenn Frauen um ihn trauern und weinen … und Männer in Ehrfurcht vor seiner körperlichen und seelisch-moralischen Überlegenheit erstarren. Und die Männer in Form von Iron Whip werden sehr erstaunt von diesem Helden sein und die Frauen werde ausgiebig um ihn trauern und weinen.
Der Film endet mit zwei verlassenen, niedergeschlagenen Frauen in einer Einöde. Wir können mit ihnen trauern … oder um sie, weil sie sich zu Silver Roc und damit zu diesem Schmerz hingezogen fühlen, bzw. vom Drehbuch verordnet sich zu diesem hingezogen fühlen müssen. Andererseits befindet sich hinter diesem Bild das verzerrte Grinsen der sadistischen Freude Silver Rocs, der sich und sein männliches Umfeld willfährig körperlich zerstört, seinen Körper diesem sich heroisch empfindenden Leid opfert und Frauen seelisch zerstört … in einem Film, der genau darin seine Schönheit findet. Es ist Irrsinn. Totaler Irrsinn. Ohne irgendein Korrektiv, ohne Scham ist es vulgär und leidenschaftlich ins Bild gerückt. Ein hundsgemeiner und erstaunlicher Horrorfilm einer übersteuerten Männlichkeit, dermaßen überzogen, dass es gleichzeitig auch große Satire ist.
ok
Ein Schnellschussremake, das fast so bildschön wie die erste Geschichte fotografiert ist. Das mehr Actionszenen aufweist, die zwar immer noch toll sind, aber nicht an die des Vorgängers herankommen. Und das Ichi zuerst auf einen neuen Weg schickt, diesen aber zu einer Rückkehr werden lässt. Mglst viel muss scheinbar wieder aufgegriffen werden, wodurch der Film etwas von nochmals aufgekochtem Brei bekommt, der keinen inneren Kern besitzt … außer vll. den, doch möglichst zu unterstreichen, dass Ichi nun wirklich nicht schwul ist: die Frauenabenteuer haben keinen anderen Halt in der Geschichte und die schönste, meditativste Stelle des Films bekommt einen Off-Kommentar an die Seite gestellt, der erklärt, dass er für den (geliebten) Ronin des ersten Teils lediglich Hochachtung empfand und die ihn liebende Frau zurückwies, weil er gerade eine tragische Beziehung hinter sich hatte. Wie die folgenden Teile verdeutlichen werden: ein schwerfälliger Exorzismus des ursprünglichen Abenteuers setzt mit der Fortsetzung ein, der die ersten Gegner und Konflikte sowie jede Bindung Zatôichi an seine Welt nur langsam abschütteln kann und der ihn zu einem Wanderer ohne Vergangenheit machen wird.
Donnerstag 18.06.
fantastisch –
THE 8 DIAGRAM POLE FIGHTER hat einen beachtlichen Ruf. Wie nah er sich bei den Flausen von MAD MONKEY KUNG FU befindet, fand ich dadurch überraschend. Denn die Eleganz und die feierliche Ausstellung von Können sind mit einem wahnwitzigen, keine Gefangenen machenden Gleichnis verbunden, in denen zwei Brüder unterschiedliche Wege einschlagen. Der eine wird sich nicht von den martialischen Ideologien befreien können, die seine Existenz zu einer Tour de force von jämmerlich-fröhlichen Firlefanz macht, während der andere eine Erleuchtung findet, die kaum weniger willfährig abstrus ist. Vll. haben wir es hier mit einer buddhistischen Version von Fassbinders SATANSBRATEN zu tun, die in künstlichen, abstrakten Welten seine Lehre bzgl. einer übergeschnappte Welt mit Schönheit und vor allem irrsinnigen Spieltrieb darbietet.
Die beiden Krieger müssen also ihr ständig herausgeschrienes Kill! aus dem System bekommen, mit dem sie sich kopflos jedem Konflikt entgegen-schmeißen – im Glauben an ihre Unbesiegbarkeit. Alexander Fu-Shengs Figur wird dabei von einer Niederlage traumatisiert. Der Exorzismus gelingt bei ihm nicht. Die Kriegsmaschine, die er darstellt, dreht stattdessen durch, weshalb er delirant und infantil kämpft, obwohl keine Gegner da sind, obwohl er zu nichts mehr taugt. Nur noch ein Kampfreflex ist er, der im Schoß seiner Mutter keine Ruhe findet und sich gegen jedes zur Ruhekommen zur Wehr setzt. Eine Aufziehpuppe, die immer wieder ungebeten loslegt. Alexander Fu-Sheng erlitt während der Dreharbeiten tragischer Weise einen Autounfall, den er nicht überlebte. Seine Figur verschwindet in Folge dessen einfach aus dem Film. Zumindest für sie wirkt es wie eine Erlösung.
Gordon Lius Figur geht nach der Schlacht weniger existentiell erschüttert ins Kloster. Nicht unbedingt, weil er Erleuchtung finden möchte. Nur ein Versteck sucht er. Trotzdem findet er einen Mittelweg aus Krieg und Seligkeit, der den Film ruhiger macht, schöner, aber es sich auch nicht nehmen lässt, Mönche dazu zu bringen, den Bösewichten des Films die Zähne auszuschlagen. Wobei diese nicht einfach keck ausgespuckt werden, sondern an den titelgebenden Stäben stecken bleiben, weil sie nach den gezielten Schlägen dort eben verankert sind. Die naive Verspieltheit mit der diese Brutalität – welche die friedliche Weltabgewandtheit des Klosters mit der Einsicht kontaminiert, dass sich von dieser brutalen, unrettbaren Welt nicht abgewandt werden kann – in THE 8 DIAGRAM POLE FIGHTER in die Synthese von Seelenruhe und fröhlicher Albernheit eingegliedert wird, gehört zu diesen Dingen, die gesehen werden müssen, damit sie geglaubt werden können.
Dienstag 16.06.
ok
Näheres von mir gibt es bei critic.de. Ich empfehle aber ausdrücklich eher Michael K.s Besprechung im Perlentaucher.
Sonntag 14.06.
großartig
Von den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Oberflächen zu schließen, wobei ganz unbemerkt der größten Grusel als Spaß zu verkauft wird: wenn Ron Stallworth (John David Washington) oder Flip Zimmerman (Adam Driver) bei ihrer Undercovertätigkeit beim KKK scheinbar ohne Probleme in rassistische Hasstiraden umschalten, ist zu erahnen, was ihr Leben lang auf sie eingeprasselt sein muss bzw. welchen internalisierten Selbsthass sie mit sich rumschleppen.
Sonnabend 13.06.
gut
Am wenigsten hätte ich wohl erwartet, dass ein Spike Lee-Film, der von Ganggewalt in Chicago handelt, zu einer Essayversion von BIBI UND TINA 3 – MÄDCHEN GEGEN JUNGS wird.
Freitag 12.06.
großartig
Im Text bei critic.de habe ich die leitmotivisch eigesetzte Musik von Marvin Gayes Album WHAT’S GOING ON vergessen zu erwähnen. Ebenso, dass die Bloods in den Rückblenden ihres Vietnamkriegeinsatzes durch die selben Schauspieler gespielt werden wie in der Gegenwart. Ohne Versuche sie jung erscheinen zu lassen. Naja, es war auch so schon sehr lang.
Donnerstag 11.06.
großartig –
Im Grunde handelt es sich um eine Über-Ich-Komödie, die in beide Richtungen funktioniert. Ein übernatürlicher Schalk betrachtet einen Yakuza-Krieg von oben herab. Immer ist er in Kontrolle der Situation. Die Konstellation beutet er zwar monetär aus, aber anders als Yojimbo lässt er sich nie ins Geschehen hineinziehen. Wer ihn unterschätzt, weil er blind ist, den führt er vor. Abgegrenzte Orte – dunkle Ecken und majestätische Versammlungen –, in denen die Yakuza sich und ihre Pläne ihrer Deutungshoheit unterwerfen, sind nur einen Schnitt oder einen Zoom davon entfernt, sich als kläglich und feige zu offenbaren. Denn sobald Zatoichi ins Bild gebracht wird und eine beurteilende Perspektive einbringt, zerfällt die Ratio der Yakuza, die pragmatisch stets auf einen Hinterhalt und Niedertracht setzt, und hinterlässt im Licht der Moral nur Schande. THE TALE OF ZATOICHI ist die spottende und vergnügliche Bloßstellung weltlicher Schaben im Angesicht wahre Ritter. Im Angesicht von Zatoichi und seinem Gegenstück, einen tuberkulösen Ronin. (Den Krieg und die Tragik des Lebens werden beide mit wehenden Fahnen meistern, nur in der (gegenseitigen) Liebe werden sie scheitern.)
Der Film endet in einem klassisch-japanischen Kriegsgetümmel, in dem die wunderschönen Bilder mit Kämpfern angefüllt werden, die zwar ihr Umfeld terrorisieren – die Kämpfe finden in den Straßen und Häusern eines unbeteiligten Dorfes statt –, die aber nur ungelenke, zeternde Schatten der taffen, machtvollen Männer sind, die sie gerne wären. Nach den Shaw Brothers-Filmen zuletzt, in denen es vornehmlich um Geschick und Fertigkeit ging, war es eine Erlösung mal wieder dieses Geschenk des japanischen Kinos an die Welt zu erleben: die jämmerlichen Schwertkämpfer. Einer der Yakuzas wird schließlich in einem wunderschönen Drecktümpel ertrinken und die Kamera wird genüsslich verfolgen, wie das brackige Nass ihn umschließt. Zatoichi kanzelt ihn noch trocken als Niemand ab. Und unter dieser Perspektive eines eleganten Schwertkämpfers in einem eleganten Film auf unzulänglicher Leute, für die noch die Schmutzpfütze zu schön ist – auch wenn ich hoffentlich nicht so Niederträchtig wie die gezeigten Yakuzas bin –, konnte ich mich sehr gut einfühlen und fühlte gewisse Perspektiven von mir auf mich verstanden.
Montag 08.06.
ok –
In John Fords Version des Stoffes von 1937 war der titelgebende Hurrikan – der nebenbei gesagt um einiges eindrucksvoller daherkommt als hier – Ausdruck stürmischer Gefühle. Auch in diesem HURRICANE wird etwas Melodramatisches erzählt. Eine Liebesgeschichte gegen jede Chance, die Liebesgeschichte zwischen der Tochter (Mia Farrow) eines britischen Gouverneurs in Polynesien (Jason Robards) und einem polynesischen Häuptling (Dayton Ka’ne). Die sich entfaltende Liebe ebenso wie die Wiederstände werden dabei über Blicke kommuniziert. Heißt: HURRICANE erzählt mittels sich treffenden, lange anhaltenden Blicken, mittels Nachschauen, mittels Panik in den und mittels auf den Boden gerichteten Augen. Was aber nicht heißt, dass der Film sehr subtil wäre. Die Blicke sind auffällig ins Zentrum der Aufmerksamkeit inszeniert und werden dermaßen wiederholt, dass es auch die Figuren im Film irgendwann verstanden haben, dass der Gouverneur eifersüchtig gegenüber allen Männern ist, die sich seiner Tochter nähern, dass das Liebespaar Gefühle füreinander hat und was die Leute im Umfeld davon denken. Hinzukommen schöne Bilder eines Paradieses, die Ausführ- wie Gemächlichkeit der Erzählung und simple Fronten, die dem finalen Sturm wenig Aufwühlendes mitgeben. Beschauliches Starkino wird eben geboten. Da Blicke aber schwer definierbar sind und diverse Kleinigkeiten eine seltsame Stimmung mitschwingen lassen – wie sich Mia Farrow beim ersten Blickduell mit ihrem Vater, wenn sie nach langer Reise auf ihn trifft, über die Lippen leckt, wie sich beide auf den Mund küssen, wie sich ihre Hände berühren, das stickige, vergilbte Licht in den Innenräumen der beiden – besitzt HURRICANE doch einen Fünkchen Faszinosum: die Atmosphäre von Inzest.
Sonnabend 06.06.
gut
Lo Meng ist der einzige Verbliebene des Venom Mobs. Der Rest des Casts besteht aus weniger charismatischen Schauspielern, welche den nicht Anwesenden etwas ähnlich sehen. Und so fühlt sich auch FIVE ELEMENT NINJAS an, wie eine ganz interessante Kopie von etwas Bekanntem, dass nie erreicht wird. Kommen die Filme Chang Chehs mit Shaolin-Tempeln und Venom Schauspielern oft ohne großes Melodrama und Frauen aus (zumindest war es bei den Filmen so, die ich sah), da gibt es hier wieder ein Liebesdrama, um einen martialischen Künstler (Lo Meng), der eine Frau ohne Misstrauen liebt und dafür an eine brennende Tür genagelt wird, eine Frau (Chen Pei-Hsi), welche sich in den feindlichen Linien einschleicht, den sie liebenden Mann ausnutzt und sich tragisch in denjenigen verliebt, der ihr misstraut, und einen weiteren martialischen Künstler (Chiang Sheng-Substitute Cheng Tien-Chi), der nicht möchte, dass sein Zimmer aufgeräumt wird, und deshalb der Frau, die er liebt, misstraut. Während in den Chang Cheh Filmen zum Ende der 60er/Anfang der 70er aber die Gewalt und das Drama zusammenhingen, da steht hier alles disparat nebeneinander. Es ist, als ob zwei Puzzle vermischt wurden. Gerade die Liebe ist dabei kaum mehr als Verzögerungstaktik, da die fünf bunten Ninjakampfkreise – mit u.a. Ninjas als kämpfenden Bäumen und stechenden Erdböden – eben nicht genug Erzählung bereithalten. Dafür hat FIVE ELEMENT NINJAS aber eben bunte Ninjakampfkreise … und das ist nicht wenig.
???
Doddy (Loni von Friedl) hatte einen Brief geschrieben, dass sie sich die Vier Musketiere an ihre Seite wünsche, um den Strapazen der Schule und der Kindheit besser zu überstehen. Der Brief verschwand im Himmel für Romanfiguren aber hinter einer Schrankwand. 15 Jahre später taucht er auf und drei der Musketiere machen sich auf, um Doddy zu helfen, die just findet, dass ihr Freund zu langweilig ist und dass ihr mehr Abenteuer im Leben guttäte. Außerdem sollen Athos (Adrian Hoven), Porthos (Stanislav Ledinek) und Aramis (Germain Muller) noch den zufälligerweise auch vor 15 Jahren verschwundenen D’Artagnan (Gerhard Riedmann) finden. DODDY UND DIE MUSKETIERE erzählt diese Geschichte als Nummernrevue, die immer wieder für Gesangseinlagen Pause macht, die mal mehr, oft weniger zum Geschehen passen. Die Drei Musketiere singen dabei an einer Stelle von Männern von Welt. Der ganze Film ist aber Ausdruck dessen, wie niemand hier von Welt ist. Adrian Hoven ist noch der einzige der Musketiere, der nach etwas Flair aussieht. Die Tanzeinlagen sind steif und in Totalen ohne Dynamik aufgenommen. Die Witze sind matte Schenkelklopfer oder bestehen aus präamüsanten Versprechern. Passenderweise hat Heinz Erhardt eine kleine Nebenrolle. Doch wer so idiosynkratisch besetzt – wo finden sich schon Filmemacher, die in Germain Muller einen geeigneten Aramis sehen – und sich so absolut gegen Weltmanntum stellt, weil lieber klein, unförmig und ungefährlich erschienen werden soll, der scheint eine Agenda zu haben. Aber ob Absicht oder nicht, DODDY UND DIE MUSKETIERE ist eine wenig angenehme Seltsamkeit, aber eben eine, die viel Aufregendes über Verklemmungen und die Angst vor Größe zu berichten weiß.
Freitag 05.06.
fantastisch +
Die Schrift des Vorspanns ist kristallen, durchsichtig und kalt. Und die Buchstaben tragen kleine Frakturen und Narben. CRASH erzählt von Autos, die mit ihrer metallenen Klarheit durch die Straßen gleiten, deren Kurven und glatten Oberflächen aufreizend sind, die an Leitplanken entlang schaben, die ineinander stoßen, die ihre klare Form verlieren, aufreißen und Spuren des Vergangenen davontragen, die im Gezeichneten noch mehr Sexappeal bekommen. CRASH erzählt von Leuten, die dauernd Sex haben, die sich der Welt über ihre körperliche Lust nähern, die nach einem Autounfall eine neue, bedrohliche Lust in sich spüren, oder von welchen, die in dieser Lust zu Autounfällen aufgehen. Leuten, die in der Lust an Zerstörung ihre klare Heterosexualität verlieren. CRASH erzählt mittels einer schwebenden Kamera und einem ebensolchen Gitarrensoundtrack und gleicht sich damit dem Gleiten der klar geformten Wagen an. CRASH erzählt mittels Obsessionen, Fetischen und Sinnlichkeit, mittels einer flüsternden, zärtlichen Sprache, mittels einer Figur, die ständig an seinem Gegenüber riecht, die um es herumläuft, die es packen möchte, die gepackt werden möchte, und mittels einer anderen Figur, die sich erst in der Lust an der Zerstörung erst zurechtfinden muss, die sich vorsichtig nähert, die ihre neue Lust auskostet, aber auch immer bereit scheint abzuspringen, weil es doch zu viel geworden ist. CRASH bietet viele Ansätze, um als Parabel zu funktionieren, als Coming-of-Age-Film, vor allem ist er aber ein Porno, ein von Samen, Schamhaar, Stars, Tod, zerstörter Perfektion, Bewegung und deren abrupten Ende besessener Film, der Bilder schafft, die einen anmachen und beunruhigen. CRASH ist einfach nur ♥.
nichtssagend
Donnerstag 04.06.
nichtssagend
PATHFINDER wurde bei bis zu -50°C gedreht, als ob die extremen Verhältnisse in den Film übergehen sollten. Doch abgesehen von mittunter geröteten Wangen und den Eistropfen, die sämtliche Bärte im Freien bedecken, bietet die eisige Tundra Lapplands kaum Unwirtlichkeit. Es herrscht verschneite Idylle. Der Auftakt der Geschichte erinnert ein wenig an CONAN DER BARBAR. In vorzivilisatorischen Zeiten muss der junge Mann Aigin (Mikkel Gaup) mitansehen, wie seine Familie von einfallenden Kriegern massakriert wird. Doch weder der epische, noch der komische Ansatz des Schwarzenegger-Films folgen. Aigin flieht, die Tchuden verfolgen ihn und ein Dorf mit Lappen, dass Aigin hilft, muss in Folge auch flüchten. Doch das Simple der Situation kann im lebensfeindlichen Umfeld der Landschaft, die nie lebensfeindlich scheint, auch nicht existentiell werden. Beschauliche Folklore bietet PATHFINDER und eine (an die Moderne gerichtete) Parabel über die seelische Zersetzung durch Hinwendung zur Gewalt und Abwendung von der Natur. Hier ein kleiner (schmieriger) Scherz, da ein dezenter Hauch Psychedelic, hier nette Kampfszenen, da eine Liebesgeschichte am Rand: Der Film möchte samische Kultur sichtbar machen – vor allem: der Film ist in samischer Sprache gedreht –, schafft es aber nicht dies an das Erzählerische zu koppeln. So groß die Faszination für die Kultur, so trist der Film, dessen ewig gleichen (sprich: einfallslosen) frontalen Einstellungen einem dann auch jede Lust nehmen.
Dienstag 02.06.
fantastisch +
Das Indien des Films, in dem Nonnen einen Palast im Himalaya beziehen, um dort einen Konvent zu gründen, ist gänzlich in den Pinewood Studios nahe London entstanden. Die affektive Farbdramaturgie von Jack Cardiffs Technicolorfotografie, die unwirklich schönen, den Himalaya ersetzenden matte paintings von W. Percy Day, die kontrastreiche, assoziative Ausstattung von Alfred Jung sind lediglich einem Realismus verschrieben, nämlich dem eines Traums, eines sehnsuchtsvollen Wunschtraums, der zum melodramatischen Alptraum wird. Dass Engländer angemalt und kostümiert als Inder herumlaufen, geschenkt. Es steigert nur den Eindruck eine Projektion zu sehen, eine exotische Einbildung. BLACK NARCISSUS ist deshalb auch den britischen Technicolorabenteurerfilmen wie THE THIEF OD BAGDAD oder THE JUNGLE BOOK nicht unähnlich, nur gibt es statt Flaschengeistern und Konsorten eben Sexploitation.
Von einem prominent eingesetzten nackten Männeroberkörper abgesehen, ist zwar kaum Haut zu sehen und Koitus gibt es schon gar nicht, aber trotzdem trieft BLACK NARCISSUS nur so vor Sex. Der ständige Wind, der wirklich immer an Tüchern und Roben zerrt; die überbordenden Farben, die sich dem Verzicht der weißen, gleichmachenden Gewänder der Nonnen entgegenstellen; die Weite der Landschaft, die zum Phantasieren anregt; die Schwielen an den Händen von der Arbeit, mit denen sich die Nonnen gegen die sie übernehmende Weltlichkeit stemmen; das Casting von Kathleen Byron als überspannte Doppelgängerin der ihre Gefühle unterdrückenden Deborah Kerr, mit dem der Kontrolle die Eskalation entgegengestellt wird: die detailverliebte Sinnlichkeit von BLACK NARCISSUS schafft es das Offensichtliche nie auszusprechen und ganz subtil zu sein, gleichzeitig aber den nie benannten und gezeigten Sex aus vollen Rohren feuern lässt. Die Nonnen haben einen romantischen Ort bezogen, der ihre Prüderie torpediert, bis aus allen Augen nur noch (unterdrückte) Liebe, Wahnsinn und Leidenschaft sprechen. Die ganze Dramaturgie hat etwas Sexuelles, wenn sich unbeirrt den kleinen Gefühlen hingegeben wird, bis es sich alles zu einem riesigen Orgasmus der Gefühle zusammenzieht, um dann betäubt und abreagiert auszutrüben. Ein ganz großes Meisterwerk: das Wunder eines zugeknöpften Pornos, dessen Fetisch eben eine luststeigernde Verdrängung und Verdeckung ist.
Montag 01.06.
gut +
Bei der ersten Hälfte handelt es sich um einen Horrorfilm, in dem die viktorianische Gesellschaft das Monster ist. Die Natur, die Architektur, das Verhalten der Leute, ihre Gesichtsausdrücke und Frisuren, Licht und Schatten: all dies wird eingesetzt um einen Expressionismus zu schaffen, durch den diese Welt, eine heuchlerische, Seelen zermürbende Gewalttat an den Armen und Machtlosen, ihr passendes schreckliches Antlitz erhält. Eine hochschwangere Frau schleppt sich zu Beginn des Films durch ein Gewitter und erreicht geradeso ein Armenhaus – normalerweise werden Irrenanstalten oder die Villen verrückter Wissenschaftler so inszeniert, wie es OLIVER TWIST an dieser Stelle mit diesem Institut tut –, um ihr Kind zu gebären. Da sie dabei aber stirbt, muss ihr Kind Oliver in diesem mit dem Stigma der unehelichen Geburt aufwachsen. Blitze zucken, Augen gieren danach, die erlittenen Schmerzen an jemanden noch schwächeren weiter zu reichen, der Prunk von St. Paul’s Cathedral, dessen Kuppel immer wieder zwischen den Dächern thront, verhöhnt die engen, verkanteten Gassen unter ihm und Oliver erlebt das Leid, dass es ist, in dieser lieblosen Welt allein zu sein, aus diversen Perspektiven. Als Waise im Armenhaus, als Lehrling eines Bestatters, als mittelloses Kind in London, als Dieb.
Bei der zweiten Hälfte handelt es sich um ein Moralitätenstück, über den ethischen Bankrott eines Räuberclans. Als Parallelgesellschaft hat dieser das Potential eine Utopie für die Armen zu sein. Ein Ort von Gemeinschaft und Zusammenhalt. Vor dem Hintergrund, dass Oliver seinen reichen Großvater und ein paradiesisches Leben an seiner Seite findet, die ihn aufgenommen habenden Räuber ihn aber nicht gehen lassen wollen und sich (von einem Erbschleicher) bezahlen lassen, dass Olivers Leid endlos bleibt, beginnt sich alles zu zersetzen, was sie aufgebaut haben. Die Räuber werden die Gemeinheit der vorher porträtierten Gesellschaft in noch üblerer Weise reproduzieren. Nur die behütete Welt der Reichen scheint ein moralisches Leben überhaupt zu möglichen. So bildschön dies aber fotografiert ist, so sehr fällt alles in eine simple Dualität auseinander: die lichtdurchflutete Märchenwelt hier, das dunkle, nasse, enge, (stoppel-)haarige, alkoholdurchtränkte Verlies der Armenviertel da. Selbst das zuerst zermürbende Bild eines vor Angst zitternden Hundes wird dabei überstrapaziert, wodurch der atmosphärische Horror des ersten Teils schließlich ziemlich schal wird.
Mai
Sonntag 31.05.
fantastisch
Da wo sich in Chang Chehs sonstigen Filmen die heroischen Blutbäder erst entwickeln und Teil einer Eskalation sind, da wo sie einem Schmerz ihr Gesicht geben, der so schwer ist, dass er nur in der allgemeinen Auslöschung überwunden werden kann, da besteht THE DUEL von Beginn an nur aus immer neuen Blutbädern. Enden können diese scheinbar erst, wenn sich unsere Helden selbst aus dem Bild nehmen. Ansonsten würde nur immer neuer Tumult folgen. Die Welt ist hier ein nicht enden wollender Fluss an Brutalitäten und Niedertracht, an Männern mit Messern und Pistolen, die durch Türen und Fenster gesprungen kommen.
David Bordwell hat in POETICS OF CINEMA die Schnittfrequenz von King Hu und Chang Cheh verglichen. Das etwas überraschende Ergebnis ist, dass die Filme King Hus die kürzeren Einstellungen haben. Der Grund hierfür liegt in der plötzlich ansteigenden Schnitt Frequenz in den Kampfszenen, wo kürzeste Bilder aneinander montiert werden. Der Durchschnitt der Einstellungslänge fällt so rapide. Bei Chang Cheh und gerade bei einem Film wie THE DUEL, einem Film der fast nur aus Massenschlägereien besteht und eben nur ein kleines Duell bereithält, erhöht sich der Durchschnitt gerade durch die Kampfszenen, würde ich meinen. Denn auf aufwendige Choreografien wird gesetzt. Die Figuren von Ti Lung und David Chiang kämpfen sich durch Reihen unendlicher Gegner und der Film schneidet erst, wenn die Sequenzen mit einem ordentlichen Teil des auf sie einschlagenden und von ihnen abprallenden Stroms angefüllt sind. Und wenn er schneidet, dann mit einem Schlag oder Tod, der die Einstellung mit einem Ausrufezeichen beendet.
Zudem ist in diesem Getümmel viel zu sehen, da beständig mit Vorder- und Hintergrund gespielt wird und eine Kamerabewegung plötzlich die Aufmerksamkeit auf andere Plätze im ornamentalen Dickicht richtet. So sehen wir einmal Jeanette Yu Wie in einer Gasse, die Verfolger einer Zwangsprostituierten aufhalten. Mit ihren Händen winkt sie, während sie vor diese springt. Sie zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich, während hinter ihr schon Ti Lung aus einer Ecke gesprungen kommt und die Verfolger, die sie bereits passierten, stellt und in einen Kampf verwickelt. Wenn wir mitbekommen, dass dem so ist, dann ist der Kampf schon im vollen Gange. THE DUEL gehört damit zu den schönsten, elegantesten Actionfilmen, die ich kenne.
gut –
Bevor Claude Sautet mit DIE DINGE DES LEBENS zu sich fand, hatte er in den 60er Jahren zwei Krimis gedreht: DER PANTHER WIRD GEHETZT (1960) und eben diesen hier aus dem Jahre 1965. Von den späteren zärtlichen, melancholischen und widerborstigen Charakterstudien ist darin kaum etwas zu spüren. In beiden spielt Lino Ventura die Hauptrolle und die Filme passen zu ihm. Sie sind schweigsam, robust, aufs Nötigste reduziert und in sich ruhend. L’ARME À GAUCHE erzählt davon, wie Venturas Figur in den Diebstahl und die Wiederauffindung einer Yacht verwickelt wird, wie er von Waffenschmugglern gezwungen wird, das auf Grund gelaufene Schiff wieder seetüchtig zu machen und wie die Situation sich immer mehr zu einem simplen, existentiellen Zweikampf entwickelt, während um ihn die Leute sterben. Einem Zweikampf, der zwar mit Körpern ausgetragen wird, aber fast ohne körperliche Aufeinandertreffen auskommt. Sprich, zwei Männer stehen sich auf weiter Flur gegenüber, der eine auf dem Schiff, der andere auf einer Sandbank. Der eine hat Waffen und Munition ohne Ende, aber kein Fortbewegungsmittel. Der andere hat keine Möglichkeit, sein Gefährt ins tiefe Wasser zu bekommen, ohne dass ihm Kugeln um die Ohren fliegen. Und so wird sich verbarrikadiert, getaucht, in der Sonne gebraten, Benzin aus dem Schiff gepumpt, gesoffen. Die Körper befinden sich im Ausnahmezustand und im Wettkampf, wer diese extreme Situation übersteht – der vom ehemaligen Wrestler Lino Ventura Gespielte oder der vom ehemalige Kriminellen Leo Gordon Gespielte. Einzig der Weg dahin, so elegant vor allem die Exposition mit ihrem Überblenden zwischen den Szenen ist, die dem Geschehen die Atmosphäre einer Chronik geben, es braucht alles viel zu lange, um zu seinem Zweikampf zu kommen. Das Abschneiden des Fleisches von diesem wunderbaren Knochen dauert dann doch zu lange.
Sonnabend 30.05.
fantastisch –
Die sich im Niedergang befindliche Qing-Dynastie wird in KILLER CONSTABLE als Geisterbahn inszeniert. Zu Beginn herrscht kaiserlicher Prunk und wenn die Handlung aufbricht, dann wird der Palast repräsentativ verlassen – nur will die Natur schon nicht mehr ganz so majestätisch aussehen. Aber im Land herrschen dann Hunger, Elend, zerstörte oder Heruntergekommene Ortschaften, die auf das Herrschen eines Krieges schließen lassen könnten, karge Tundra, Schlamm und Regen, Nebel und Dämonen in Menschengestalt. Und der Faschismus der Hauptfigur endet in einer makabren Entzauberung, wenn die gestartete Gewaltspirale nur durch einen allumfassenden Tod gestoppt werden kann und ein Mädchen im Regen auf die Rückkehr ihres – bereits gestorbenen – Vaters wartet. Das Einzige, was so phantasievoll wie die Ausstattung des Auftakts bleibt, ist die Gewalt und eben die Darlegung einer hoffnungslosen Weltsicht.
gut –
Gegen Ende bedankt sich eine gewichtige Frau (Da’Vine Joy Randolph als Lady Reed) bei Dolomite, dass er ihr nicht nur aus einer biographischen Sackgasse half sowie eine Karriere und aufregende Zeit bescherte, sondern auch, dass er jemanden wie ihr eine Rolle in einem Film gab. Denn jemanden wie sich selbst hatte sie noch nie auf einer Leinwand gesehen. Dass die beiden ihre gegenseitigen Krücken sind, darauf beharrte der Film aber schon die ganze Zeit. DOLOMITE IS MY NAME ist vor allem in seinen stillen Momenten stets deren gegenseitige Versicherung, dass sie sich von ihren Unsicherheiten und Ängsten nicht unterkriegen lassen sollen. Was reziprok heißt, dass die beiden Figuren dieses Biopics zwar im öffentlichen Leben große Klappen hatten, diese aber in ihren Ängsten begründet lagen. DOLOMITE IS MY NAME ist so ein Film über Leute, die sich eine Stimme verschaffen.
Sein Hauptstilmittel dafür ist Eddie Murphys Blick, der an den entscheidenden Momenten etwas sieht, was andere nicht sehen. Er blickt dabei, als könne er die Matrix hinter den Dingen entschlüsseln. DOLOMITE IS MY NAME sichert so ab, dass auch wirklich nicht viel auf dem Spiel steht, dass die beiden und ihr Mitstreiter nicht wirklich verletzt werden können. All den seltsamen Gestalten des Films, die der Film entweder zu sehr liebt oder die ihn nicht wirklich interessieren, darf nichts zugemutet werden. Nichts reibt sie auf oder gibt ihnen Tiefe, weil sie nur ihre Silhouetten auf dem Weg zu Triumph über ihre Missachtung sind. DOLOMITE IS MY NAME ist eine nett fotografierte, flauschige Fahrt ins Glück. WAYNE’S WORLD 2 in einem Modus, in dem keine stilistische oder erzählerische Seltsamkeit die Geschichte eines Wunderlichen stören darf.
Freitag 29.05.
großartig –
Bei DERRICK ist es meist toll, wenn Derrick mglst. spät in der Folge seinen ersten auftritt hat und die Polizisten ohne Eigenschaften dem Melodrama der wechselnden Protagonisten der Mordfälle ihren Platz geben. In LAUTER GUTE FREUNDE zeigt sich der gegenteilige Ansatz von DER FAHNDER in wunderbarer Weise. Es ist Sonnabend abend und niemand im Aquarium hat Lust auf Dienst. Es wird gesoffen, Antragssucher angeblafft und Lottoscheine gesucht, um die Hoffnung, der elementaren Überforderung eines überfüllten, nur aus Konflikt bestehenden Reviers zu entfliehen, aufrechtzuhalten. Hinzukommt ein Fall mit einem Tohuwabohu aus zwei Ex-Ehepartnern mit mehreren Geliebten, einer Geheimhaltung unterlegten Arbeit, Spionageverdacht, einem Lottogewinn, Unbedachtheit, Improvisation und ins Nichts Führendem. Leben ist hier eine ungeordnete Flut, die durch Schweiß, Unrasiertheit und Alkohol fast zu riechen ist.
gut +
In COP CONNY deuten sich schon Polizeifilme wie DIE SIEGER oder Dominik Grafs letzten Tatorte an. Conny ist eine neue Mitarbeiterin im Aquarium – sie trat während in Fabers Urlaub ihren Dienst an; wenn die Folge mit Fabers ersten Arbeitstag nach der Reise nach Jersey beginnt, sind beide irgendwie die Neuen im Revier – und auf der Jagd nach illegalen Kunsthändlern. Statt den Krimiplot einfach zu halten, wird dieser aber durch zwielichtige Kontakte, Methoden und Vergangenheiten, durch eine mehrdeutige moderne Polizeiarbeit am Computer – mal ist sie ein Witz mit Polizisten als modernitätsgläubigen, aber technisch unwissenden Affen, die Tasten drücken, mal schaurige Vision eines obsessiv und im Geheimen genutzten Überwachungsstaats – durch Fabers Pragmatismus im Leben mit dem Verbrechen zu einer schillernden Erfahrung.
Donnerstag 28.05.
fantastisch
Die am 22. März schon erwähnte Doppelung des erträumten Märtyrertodes Yo Lis (David Chiang) und dessen tatsächliche Realität laufen ins Leere. Der Tod vollzieht sich zwar wie gewünscht, der Traum endete aber damit, dass Piao Piao (Li Ching) und Siang (Ti Lung) glücklich zusammen wegreiten … und damit lügt sich der Träumende ungehemmt in die Taschen. Die beiden sind zwar verlobt, HAVE SWORD, WILL TRAVEL hat aber kaum Zweifel daran gelassen, dass die Liebe keine Zukunft hat. Piao Piao hatte sich in Yo Li verliebt und Siangs Gefühle gegenüber seinem Konkurrenten schwankten zwischen giftiger Eifersucht und sich verleugnender Zuneigung. Der Film endet so auch nicht mit einem geretteten Liebespaar, sondern mit zwei Leuten deren gegenseitige Gefühle schal geworden sind. Das Opfer für ihre Liebe ist vor allem selbstverliebt und eine Flucht. Die heroic bloodshed legt sich als Chauvinistentraum offen.
Mittwoch 27.05.
fantastisch –
Ein paar ungeordnete Punkte:
• Antonioni ist berühmt für seine tote Zeit, wenn die Handlung die Einstellung verlassen hat und trotzdem nicht von den unbevölkerten Orten weggeschnitten wird. In VENGEANCE! gibt es etwas ähnliches. David Chiangs Figur geht in ein Haus am Ende einer Gasse. Keine handelnde Person ist mehr anwesend. Der Film verweilt aber in der verlassenen Einstellung und wir sehen so einen für den Plot irrelevanten Passanten, der sich im Vordergrund an eine Fressbude setzt und isst. Es ist ein sprechender Unterschied bzgl. der Filme zweier moderner Filmemacher.
• Setzt die Liebesgeschichte zwischen David Chiang und der Schwester der Frau seines Bruders (Alice Au Yin-Ching) ein, dann verschwinden die Spiegelungen der Handlung mit Theateraufführungen und eine von Blumen und leuchtenden Farben begleitete Ramontik setzt ein. Sehnsuchtsvoll wird eine bessere Welt nach der Rache erwartet. Am Ende, wenn VENGEANCE! in einem fast allgemeinen Tod endet, dann setzen die Spiegelungen wieder ein. Der Tod siegt über die Liebe. Es liegt nahe, dass er schon immer das Ziel war und die Ramontik nur die kaschierende, überhöhende Maske für die Todessehnsucht war. …und damit geht dann vll. auch einher, dass die Exposition von einer betrügenden Ehefrau handelt und die Rachegeschichte von einem betrügerischen Mann.
• Wenige Monate vor der ersten Hauptrolle in THE BOXER FROM SHANTUNG und dem Durchbruch wurde Chen Kuan-Tai bei den Shaw Brothers/Chang Cheh noch als so gesichtslos eingestuft, dass er hier gleich zweimal in kleinen Rollen auftreten – einmal mit, einmal ohne Dreitagebart – und sterben darf.
• VENGEANCE! hat einen dieser tollen Vorspänne, die zu dieser Zeit bei Chan Cheh-Filmen Gang und Gäbe sind und die einem spüren lassen, um welche ästhetische Kraft sich Filme zurzeit durchgängig betrügen.
fantastisch –
Die Sonne scheint. Das Blau des Himmels wird höchstens spärlich von Wolken verdeckt. Das Meer liegt direkt vor den Türen der Villa. Und um das finanzielle Auskommen braucht sich in LES NUITS BRÛLANTES DE LINDA auch nur die Pflegerin Marie-France (Alice Arno) Sorgen machen. Dies könnte die Kulisse für einen sorgenlosen Urlausfilm sein. Bei Franco ist sie es aber – wie so – eine für Krankheit und Verfall, für Inzest und Sadismus, für Enge und Ausweglosigkeit, für Leiden und Horror. Eine Familie wird von einem Geheimnis und von Verlangen zersetzt. Zuerst kommen wir aber mit Marie-France in der Villa an … und die Sonne scheint eben. Alles scheint schön … wären da nicht das Stöhnen in der Nacht – in dem Gewirr aus Verwandtschaftsverhältnissen und körperlichen oder auch geistigen Beeinträchtigungen ist jedes denkbare Paar eine Grenzüberschreitung –, nicht die Augen, die schauen, als wollten sie uns hypnotisieren, bzw. wären da nicht die Bilder, mit ihrem schlendernden Rhythmus, die uns scheinbar hypnotisieren wollen. Der traumhafte Ort ist Schauplatz eines wirren Alptraums – der nichts mit Terror zu schaffen hat, sondern mit einem Edgar Allen Poe verwandten Gefühl von lockenden Beklemmungen –, in dem Hauptdarstellerin Marie-France bald keine Rolle mehr spielt, weil sich eben alles Feste auflöst, weil nichts Greifbares verhandelt wird, sondern Unterbewusstes.
In der auf der blu-ray von Severin befindlichen Version – die BUT WHO RAPED LINDA?-Version, wobei zu beachten ist, dass keine Vergewaltigung, schon gar nicht von Linda vorkommt – gibt es zusätzlich gedrehte comic relief-Szenen mit zwei Polizisten, die das Geschehen mit Fernglas und Fotograf durch Jalousien beobachten. Sie sehen in Räume ohne Fenster und in jede Ecke der Villa und kommentieren das Geschehen. Das Schöne daran ist aber weniger, dass die Traumlogik durch diese uns spiegelnden Beobachter verstärkt wird, sondern wie schmierig der dicke Polizist mit Oberlippenbart ist. Wohl nur in einem Franco-Film kann so jemand auftauchen. In einem Film, wo Männlichkeit lediglich mit Brutalität, korrupter, niederträchtiger Macht und Dumpfheit einhergeht. Wobei es aber nicht um Verteuflung oder Überhöhung geht, sondern um einen festen Glauben an die Kläglichkeit, die es ist, am Leben zu sein und begehren zu müssen.
großartig –
In der ersten Einstellung sehen wir ein unwirkliches Licht, das Schatten von im Wind wehenden Geäst auf die Wand einer Villa wirft. Einer Villa, in der Klausjürgen Wussow gerade seinen CD-Player dirigiert, der klassische Musik betäubend laut wiedergibt. Manchmal reichen schon wenige Eindrücke, um sicher zu sein, dass wir mal wieder eine besondere Episode sehen. Ein Mädchen wird tot aufgefunden und ein Geheimnis umweht sie. Die Leute tuscheln hinter Derricks Rücken und scheinen etwas zu verheimlichen, das eigentlich alle wissen. Die Verkommenheit, die Derrick dann auch findet, spottet dabei jeder Beschreibung … und Haugk verbindet dies mit Filmseminaren, in denen (von Haugk selbst als Professor) über den Hollywoodeinfluss im Abschlussfilm von Bernd Eichinger referiert wird, mit zwei Meter großen Portraitfotos der Toten in ihrem Zimmer und sonstigen Seltsamkeiten, die mich seit langem mal wieder daran erinnern, dass ich in DERRICK oftmals das Vorbild für TWIN PEAKS vermutete.
großartig +
Wiesehr DERRICK zuletzt zur Zombieveranstaltung geworden ist, wird erst richtig spürbar, wenn Brynych die Hysteriekeule auspackt und die Figuren wie per Stromschlag wieder ins Leben reißt. Derrick hat Wutanfälle nur um direkt darauf zu schwärmen; Tatverdächtige Nummer eins – Susanne Howald (Sunnyi Melles) – hat lediglich kurze Phasen, in denen sie Herr ihrer Sinne zu sein scheint: So labil waren die Leute lange nicht mehr. Weshalb sie auch gleich in expressive Theaterkulissen ihrer Gefühlslagen gesteckt werden. Die gesellschaftliche Apokalypse, die aus Reineckers Drehbuch schwappert, wird so zur ganz großen Show verirrter Seelen und Twilight Zone-Geheimgesellschaften. Zum Abschluss darf Brynych also wieder ganz er selbst sein und macht seine letzte Episode für diese Serie zu einem seiner Meisterwerke.
Dienstag 26.05.
großartig
Die Geschichte von CRIPPLED AVENGERS: Drei Hooligans wollen Kung-Fu-Überkämpfer Dao Tian-Du (Chen Kuan-Tai) eine Lektion erteilen, treffen aber nur Frau und Kind bei ihm zu Hause an. Eine kurze Beratung ergibt, dass das Umbringen der beiden zu hart wäre, weshalb sie besonnen sind und der Frau nur die Unterschenkel und dem Sohn die Unterarme abschlagen. Umgehend trifft Dao ein, um ansehen zu müssen, wie seine Frau den Wunden erliegt, und um die drei zu töten. Seinem Sohn lässt er in Folge eiserne Unterarme schmieden und zieht ihn zu Kampfmaschine heran. Einen ersten Test unterzieht er dem nun erwachsenen Sohn (Lu Feng), indem er ihn gegen die Nachkommen der Missetäter kämpfen und diese umbringen lässt. Zu diesem Zeitpunkt sind wir vll. 10-15 Minuten im Film. Am Bemerkenswertesten sind bis dahin die Gewaltspitzen, die so abrupt und beiläufig erreicht werden, dass sie wie Pointen wirken (können). Der Ton für das Kommende ist treffend gesetzt.
Nach dem Erfolg seines Sohnes sehen wir Dao Tian-Du wie er alleine zu Hause sitzt und mit rauen Mengen Schnaps feiert. Er lacht dabei wie ein Wahnsinniger und stellt für sich fest, dass sein Sohn, obwohl behindert, seinen Mitmenschen weit überlegen ist. Eigentlich müssten alle anderen Behinderungen haben. Das Trauma hat ihn zum Bösewicht werden lassen, der jede Kritik an sich mit körperlicher Gewalt beantwortet, die lebenslange Spuren hinterlässt. Einem wandernden Händler (Philip Kwok) lässt er seinen Sohn mit seinen eisernen Fingern die Augen ausstechen. Dem Schmied des Dorfes (Lo Meng – in seiner zur Karikatur werdenden Verbissenheit wieder eins der Highlights des Films) lässt er die Stimmbänder wegätzen und schlägt ihn dermaßen auf die Ohren, dass dieser ertaubt. Einem Passanten (Sun Chien), dessen – nicht an ihn gerichtete – Wortwahl ihm nicht passt, lässt er die Unterschenkel abhacken. Und den Kung-Fu-Kämpfer in Ausbildung (Chiang Sheng), der diese drei rächen möchte, wird ein eiserner Ring um den Kopf gelegt und zugezogen, bis eine geistige Behinderung eintritt. Und all dieser Wahnsinn zieht zwei Dingen nach sich: Drei/vier Leute haben einen Grund bekommen, um Kung-Fu zu lernen und um sich zu rächen … womit die Akrobatik eine Chance bekommt, einen Gegenpol zu den Gewaltspitzen zu bilden.
Der Rest der Geschichte macht dann halt, was zu erwarten ist … was nicht heißt, dass Chang Cheh und seine Actionchoreografen dem nicht jede Menge Schauwerte, Spaß und Staunenswertes abgewinnen. Mal sind da Fleischberge, die sich für unbesiegbar halten und in einen moralischen, schadensfrohen wie – leider – sehr witzigen Tod geschickt werden, mal tödliche Kugeln verschießende Zwillen sowie blendende Spiegel (damit der Taube nichts mehr sieht) und Trommelarsenale (damit der Blinde nichts mehr hört) als Verteidigungsmittel gegen die körperlich Beeinträchtigten. Das Beste ist aber die Ringroutine von Philip Kwok und Chiang Sheng, die sich im Kampf noch um Lu Feng erweitert: Wie die zwei/drei durch dünne Eisenringe springen und tanzen, ist schlicht atemberaubend. Und wenn Chiang Sheng mehr noch als in MAD MONKEY KUNG FU durchdrehen darf und seine Figur, die geistig nicht mehr Herr der Lage ist und alles für ein Spiel hält, wie ein Kleinkind, dass gerade einen Süßigkeitenvorrat geplündert hat, lachen und klatschen lässt, dann steht CRIPPLED AVENGERS – trotz allem Zynismus – ein sense of wonder ins Gesicht geschrieben.
Montag 25.05.
gut –
Der Film beginnt mit dem Blick in einen Trichter. Hinunter in einen obsessiven Kaninchenbau geht es. 2046 erzählt die Geschichte von Chow Mo-Wan (Tony Leung), der nach den Geschehnissen von IN THE MOOD FOR LOVE zynischer Frauenheld geworden ist und zwei Erotik-Science-Fiction-Romane – 2046 und 2047 – schreibt. Der Inhalt der Romane – der mit bunten Perücken und C64-CGI auch Teil von 2046 ist – ist eine Spiegelung dreier seiner Liebesgeschichten, welche wiederrum nur Spiegelungen der Geschichte aus dem Vorgänger (und DAYS OF BEING WILD) sind. Echos der Vorgängerfilme finden sich in Einstellungen von Hotelrezeptionen oder Zeitlupen von Frauenhüften, in den Raumnummern, im Arrangement der Räume zueinander, in der Musik, in dem Auftauchen Japans als ferne Wirtschaftsmacht oder in diametralen Entgegensetzungen – so keusch beispielsweise IN THE MOOD FOR LOVE ist, so fröhlich wackeln hier die Wände beim Sex. Chow wird seine Vergangenheit nicht los und macht seine Gegenwart – mutwillig – zu einer Zwischenhölle der Erinnerungen, die alles Neue erstickt. Als Film einer experimentell vorgetragenen Zerrüttung ist 2046 durchaus … schön, wenn auch etwas hüftsteif, als Liebesfilm wirkt er aber wie das vergilbt Abziehbild seiner Vorgänger.
Sonntag 24.05.
uff
Oft: Katzen (oder andere Tiere) alleine in einer Einstellung vor einem wenig ausgeprägten, meist grauen Hintergrund. Wären Lieder, Bösewicht und/oder alles abseits der kleinen eingebauten Antäuschungen von Sadismus inspirierter, dann wäre das vll. ok. So sieht THE ARISTOCATS wie ein Antifilm aus. Wolfgang Reitherman hielt ich auf Grund seines ROBIN HOOD Films lange für den besten Disney-Zeichentrick-Regisseur. Nach dem ich dies hier und Teile des DSCHUNGELBUCHs wiedersah, bin ich vom Glauben abgefallen und gehe nunmehr davon aus, dass der enge Zeitplan bei ROBIN HOOD verhinderte, dass der Film zu sehr reithermanisiert wurde.
ok +
Wöllten wir das Werk von Chang Cheh in einem Koordinatensystem aufspannen, dann böten sich zwei Achsen an:
1. Konzentration – Durcheinander: Manchmal verfilmt er eben klare, fast ins Abstrakte gehende Drehbücher, mal sind die Filme ein heilloses Durcheinander.
2. Poesie – Materialismus: Sind seine frühen Filme oft von Blumen und romantischem Blutvergießen bestimmt, dann setzt Mitte der 70er Jahre ein zunehmender Zynismus ein, der den roten Körperflüssigkeiten kaum noch Lust abgewinnt, sondern Verstümmelungen und Verwundungen makaber hinnimmt. Die Körper sind nunmehr Objekt von Sadismen, die mit kaltem Blick betrachtet werden.
THE DEALDY DUO ist eine ziemlich klare Angelegenheit. Ein Meisterdieb muss aufgetrieben werden, der eine marode Brücke überqueren soll, um dort einen gefangenen Prinzen zu befreien. Doch die Geschichte ist so dünn, dass der Film nicht nur den Boden für unseren liebsten Lauffetischisten Joe D’Amato bereitet und wiederholt Leute ausdauernd zu einem Fluchtpunkt weit hinten in der Einstellung laufen lässt, sondern sie wird mit diversen Umwegen angereichert. Nicht nur der Weg der Freiheitskämpfer wird improvisiert wirken, sondern der ganze Film.
Enden tut die Geschichte in einer Heroic Bloodshed. Es liegt deshalb nahe, ziemlich viel Poesie zu erwarten. Tatsächlich finden sich in THE DEADLY DUO bereits die Anzeichen des Materialismus, der das Changs Werk ein paar Jahre nach dem Film beherrschen wird. Am besten ist das in dem Moment, wenn die ersten Kämpfer an der Brücke ankommen und einer nach dem anderen entgegen Warnungen und Anweisung versuchen sie zu passieren. Der Erste läuft vorsichtig, der Zweite rennt und der Dritte versucht es eben auch noch, einfach so. Alle drei werden hinabfallen und in felsdurchzogene Stromschnellen prallen. Die Narretei, der vor der Brücke stehenden und aus übertriebenem Pflichtbewusstsein losgehenden – todessehnsüchtig ist oberflächlich keiner der drei –, ist Komödiengold. Diese zynischen Ableben vertragen sich meist aber selten mit der Sinnlichkeit der Heldentode. Grob gesagt, wirkt letzteres dann wie Sex während eines Fips Asmussen-Programms.
Im Endeffekt ergibt das einen Film, der relativ lustlos seinen Weg entlangschlingert. Was auch heißt: Egal wo THE DEADLY DUO nun in unserem fiktiven Koordinatensystem angesiedelt wird, auf der Qualitätsskala liegt er nicht weit oben. Auch weil Dinge, wie die tatsächliche Überquerung der Brücke, dann nicht so sensationell aussehen, wie der lange Aufbau versprechen.
großartig –
Die ersten zwei Stunden ist EL CID ein bildgewaltiges, stickiges, schmieriges Melodrama voll Liebe, Hass und der Gleichzeitigkeit der beiden … mit Zickenkriegen (nicht nur von Frauen geführt); mit Leuten, die sich nur zu gerne ins tobende Meer des Schicksals werfen und ihre Nächsten darunter zerschlagen lassen; mit einer energischen Zusammenführung von Tugend und Geltungsgeilheit; mit Schauspielern, die spielen als wähnen sie sich bei Shakespeare; mit einer Vorliebe für von der Seite in die Einstellung hereintrübenden Schwertern. Sprich er ist eine Zierde für sein Genre und sein Medium. Ein Meisterwerk.
Und dann kommt das völlig orientierungslose dritte Drittel, in dem der bereits mehrmals mit Jesus gleichgesetzte Rodrigo de Vivar (Charlton Heston) umständlich zu seinem Märtyrertod geschleppt wird. Frauen werden entführt und als Geisel genommen, nur damit sie sofort wieder freigelassen werden können. Die Verbitterung wird ausgeweitet, nur um plötzlich doch alle zu Sinnen kommen zu lassen. Und Schreckgespenst Ibn Yusuf – Herbert Lom muss hier auch seine Maske abnehmen, um hinter Augen mit unendlich Kajal die Fratze eines angemalten alten weißen Mannes zu offenbaren –, das alle Vorgänge im Film auslöst und mit seiner Präsenz alles bedroht, wird nebenher abgefrühstückt. Hin und her geht es, ohne Sinn und Verstand, ohne sich für etwas Zeit zu nehmen. Alles, was den Film bis dahin auszeichnete, fehlt nun. Entweder hätte dem Film eine Straffung gutgetan oder ein inhärent weniger interessanter zweiter Teil, so erhält der Film fast einen Todesstoß. Nur die Schwerter trüben weiterhin von der Seite in die Einstellungen.
Sonnabend 23.05.
großartig
Eine Version von DIE SIEBEN SAMURAI bzw. DIE GLORREICHEN SIEBEN voller musikalischer Anspielungen und direkten Übernahmen aus einem oder den beiden RINGO-Western von Duccio Tessari – wenn mich Ohr und Erinnerung nicht zu sehr täuschen. Eine Banditenbande kommt in ein Dorf und terrorisiert, missbraucht und tötet die duckmäuserischen Bewohner. Nur fünf Kung-Fu-Kämpfer wehren sich.
Gerade zu Beginn wird dabei thematisiert, dass Morden einen Menschen verändert. Dass das vergossene Blut in seine Augen wandert und zu Raserei führt. So wird im Dorf philosophiert. Wenn die fünf Kämpfer zwischenzeitlich die Oberhand gewinnen, dann schlagen Gruppen von wildgewordenen Dorfbewohnern auf ihre nun hilflosen, am Boden liegenden Unterdrücker ein. Kurzzeitig scheint es so, als ob THE SAVAGE FIVE tatsächlich Gewalt als korrumpierender Macht verhandeln möchte. Doch mit der Ankunft von einem Pistolen schwingenden Irren, der die ursprünglichen Machtverhältnisse wiederherstellt, verschwindet das Thema … zumindest aus dem Text und läuft höchstens ganz weit hinten im Subtext als Metaebene mit, weil eben die Gewalt(-geilheit) triumphiert.
In großen Gesten wird gemordet und gestorben. THE SAVAGE FIVE ist eine weitere – wunderschöne – Gewaltoper, die von Tugend träumt und Brutalität lebt … und am unangenehmsten ist, wenn die Männer Frauen mittels Sex in ihr Treiben und ihren Wertekatalog einbeziehen. Und am spannendsten ist er wie viele seine Vertreter darin, dass sich an nackten, verwundeten männlichen Oberkörpern erfreut wird, David Chiang aber weiterhin zugeknöpft agiert. Ich erwarte, sollte er doch mal etwas Haut zeigen dürfen, einen Körperbau wie Ilja Richter.
großartig +
Hsiao-Kang (Lee Kang-sheng) steht in einem Geschäft und verstellt eine dort angebotene Uhr nach der anderen. Ein junger Mann rückt unterdessen immer näher und schaut skeptisch zu. Nach einem Schnitt sehen wir einen langen Gang und Hsiao-Kang, der eine Uhr entwendet, die dort an der Wand hängt. Nach einem weiteren Schnitt sitzt er in einem Kinosaal mit der Uhr auf dem Schoß. Der junge Mann von vorher setzt sich neben ihn, entwendet wiederum Hsiao-Kang die Uhr und flieht. Der bestohlene Zeitdieb sucht in der nächsten Einstellung auf dem Klo des Kinos nach dem Chronometer und findet sie, nachdem sich eine Kabinentür öffnet, im Schritt des auf ihn wartenden jungen Mannes, der damit sein entblößtes Gemächt bedeckt. Hsiao-Kang flieht.
Es sind vier Einstellung und drei Schnitte (wenn ich mich richtig erinnere), mit denen das getan wird, was im Spielfilm regelmäßig geschieht: Eine zusammenhängende Episode wird durch die Montage einzelner Aufnahmen erzählt. In WHAT TIME IS IT THERE? ist dies meistens die Ausnahme. Die einzelnen Einstellungen stehen autark nebeneinander und schließen nur assoziativ aneinander an. Oder sie bilden einen groben Ursache-Wirkung-Zusammenhang – wie wenn Hsiao-Kang neue Uhren für sein Straßengeschäft kauft und eine unzerstörbare vorgeführt bekommt. In der nächsten Einstellung sehen wir ihn dann mit seinem Uhrenkoffer an einem Geländer sitzend und die Uhr repetitiv gegen eine eiserne Stange schlagen.
Hsiao-Kangs Vater ist gestorben und er und seine Mutter müssen damit umgehen. Er pisst nachts in Beutel, um nicht vor die Tür zu müssen. Gebetet wird. Seine Mutter sperrt mittels Tüchern, Papier und Klebeband alles Licht aus der Wohnung. Und eine Frau (Chen Shiang-chyi), die bei Hsiao-Kang eine Uhr kaufte, die mglweise mit dem Geist des Vaters besessen ist, verbringt ihre Zeit mit unbestimmten Dingen in Paris. Alles steht nebeneinander und ist direktes Erleben und Projektion, ist ebenso synchron wie disparat. Hsiao-Kang schaut LES 400 COUPS mit dem jungen Jean-Pierre Léaud in der Rolle des Antoine Doinel, während Shiang-chyi in Paris den nun 40 Jahre älteren Schauspieler trifft.
Die Einstellungen sind angefüllt mit Markern von Verlust, Trennung, Verschiedenheit und der gemeinsamen Existenz unterschiedlicher … sagen wir … Lebenswelten. Mal wird der Tisch für Geister mitgedeckt, mal steht einfach nur ein ausladendes Aquarium mit ausladenden Fischen im Raum – die Leute schauen durchs Glas und beobachten das ihnen Unerklärliche … und manchmal scheint es, dass die Fische das seltsame Treiben außerhalb auch beobachten, wäre da nicht die Einstellung, die nahelegt, dass sich ihr Blick auf ein endloses Spiegelkabinett richtet. Und das Ergebnis ist das Gleiche wie so oft bei Tsai Ming-Liang: ein Film voll Trauer, Hoffnung und Absurdität. Nur die Zeichen und das in ihnen Erlebbare unterscheiden sich – wie immer.
Oder kompakt das fast Gleiche, wie ich gerade feststelle, bei somedirtylaundry.
Donnerstag 21.05.
ok +
Wong Kar-Wais Drehbuch gibt Hung (Eric Tsang) mehrmals die Möglichkeit mutig zu sein. Er könnte seinem Bruder (Tsui Hark), seines Zeichens Triadenboss, die Stirn bieten. Oder ein paar Gangstern. Oder einfach nur dem Drang ständig weglaufen zu wollen. Oder: Er könnte Banken ausrauben. Alles um seine Liebe zu Mimi (Loletta Lee), der Freundin seines Bruders, zu ermöglichen. Doch Hung ist nicht die Art von Hauptfigur, die etwas lernt oder sich verändert. Der finale Sieg des Titels liegt dann auch nicht darin, dass Hung tatsächlich über etwas triumphiert, sondern darin, dass er trotzdem geliebt wird. Dass die Liebe in FINAL VICTORY nicht an die Kondition gebunden ist, ein besserer Mensch zu werden.
Vor dieser großherzigen Konsequenz liegt der Spaß des Films darin, die Figuren – allesamt mehr oder weniger genauso unverbesserlich wie Hung – zu einer Schicksalsgemeinschaft zu verbinden und dabei zuzusehen, wie sie sich aus ihren Problemen rauswinden wollen. Und mit Durchsetzungskraft – etwas das im Film nur den Gangstern zugestanden wird – werden sie in ihre Käfige gezwängt und in ihrem eigenen Saft schmoren gelassen. Hung soll während eines Gefängnisaufenthalts seines Bruders auf dessen zwei Freundinnen aufpassen und dafür sorgen, dass sie nicht voneinander erfahren. Dafür muss Hung nicht nur ständig seine Komfortzone verlassen und sich mit Triaden, japanischen Pornographen und seinen Gefühlen rumärgern – weil die eine (Margaret Lee als Ping) sich als Streit suchendes Großmaul entpuppt und die andere, Mimi, eine naive Draufgängerin ist, die Hung durch das Fenster einer Peep-Show als (sein) Lustobjekt kennenlernt, dass er vor der Lust anderer schützen möchte –, sondern damit klarkommen, dass er in allen Belangen scheitern wird.
Konfrontative Einstellungen, Achsensprünge, Neonlicht: FINAL VICTORY ist dabei von einer melancholischen Coolness, die Orientierungslosigkeit und reißerischen Indie-Stilwille verbindet. In seinen besten Momenten endet das in wunderschönen Momenten, wie wenn der mal wieder geflohene Hung sich besoffen beim Karaoke ein- und mit dem Mikro in der Hand, bereit eine Schnulze zu singen, nur wenige Zentimeter vor Mimi wiederfindet, die sich volllaufen lässt, weil der Mann, den sie liebt, ein Feigling zu sein scheint. Oft ist FINAL VICTORY aber ein mondäner Sadist, der seine Situationen zu wenig in Wahnsinn eskalieren lässt oder sich zu sehr auf die Melancholie seiner Bilder verlässt, statt sich wirklich mal an seine Gefühle zu trauen.
Mittwoch 20.05.
(großartig +)
Eifersucht und verletzte Ehre führen zur Ermordung des Schauspielers Guan Yu Lou (Ti Lung). Seine Ermordung wird dabei mit seinen wiederholten Toden auf der Bühne parallelmontiert, ebenso wie der Beginn der Rache durch dessen Bruder Guan Xiao Lou (David Chiang) parallel zu einer Aufführung eines blutigen Stücks im Schauspielhaus geschieht. Doch die Spiegelungen und Beeinflussungen von Fiktion und Wirklichkeit verschwinden mit der Zeit. Statt poetischer Metareflexion verbeißt sich VENGEANCE! – der Titel ist nur mit Ausrufezeichen korrekt – in der titelgebenden Rache. Denn von einer Liebe wird erzählt, deren Wert sich in den Litern an Blut ausdrückt, die sich mit dem schließlich auch fließendem eigenen vermischen.
Dienstag 19.05.
verstrahlt –
Die ausgelassenen Gemeinheiten des Vorgängers – in DUEL OF FISTS wurden die kranke Mutter und die Freundin der Figur Ti Lungs von den Gangstern nicht behelligt, siehe Anfang Mai – holt THE ANGRY GUEST umgehend nach. Die Mutter wird in den ersten Minuten Off-Screen ermordet und Yu Lan (Ching Li) entführt. Das Gangstersyndikat will Rache für ihre erlebte Schmach … beziehungsweise die tugendhaften Elitekämpfer auf Teufel komm raus anwerben, währen die Halbbrüder Fan Ke (David Chiang) und Wen Lieh (Ti Lung) die Geisel befreien wollen.
Im Zuge dessen wird bei Fan Ke zwar dessen modisches Clark Kent/Swagsuperman-Doppelleben heruntergefahren – sprich seine Kleidung zieht weniger Aufmerksamkeit auf sich –, der Film ist aber nicht weniger bunt, denn so wirklich kann er sich nicht auf eine erzählerische Strategie einigen. THE ANGRY GUEST gleicht mehr einem Flickenteppich und erreicht darin seinen suchenden/irrlichternden Charme, der noch die trägsten Momente beseelt. Wenn Vielfilmer Chang Che, der fast 100 Filme in seiner kurzen Karriere drehte, eben mal kein Drehbuch hatte, dass irgendwohin wollte, dann hatte er eben noch mehr Platz, um mit seinem Stil zu experimentieren.
Mal ist THE ANGRY GUEST also eine Art Bond-Film mit einem Oberbösewicht (Chang Che persönlich), der sich in den obersten Stockwerken eines Hochhauses verschanzt hat und per Knopfdruck Türen öffnet, hinter denen Handlanger lauern. Mal ein Sightseeing -Trip durch Tokio (nehme ich an) – statt wie im Vorgänger durch Bangkok. Die Kamera zeigt uns wiederholt Hochhäuser, die nur durch schräge Einstellungen ins Bild passen, oder filmt durch eine Windschutzscheibe hunderte Leute, die bei einer Grünphase die Straßenseite wechseln: Tokio wird so zum Äquivalent des Bösewichts und seines Clans – übermächtig, hochtechnisiert und überbevölkert. Mal gefällt er sich in der skrupellosen Darbietung optischer Kalauer. So wird Handlangerin Akiko (Fong Yan-Ji) von der Nummer Eins des Bondbösewichts (Yasuaki Kurata als Katsu) in ein Zimmer geschleppt, um sie dort zu missbrauchen … woraufhin zu einer Baustelle geschnitten wird, wo ein Schornstein aufgerichtet wird. Und weil das nicht reicht, folgt der Schnitt zurück zu einer ziemlich bedrückenden Sexszene … auf den wieder ein Schnitt zum Schornstein folgt, damit auch wirklich jeder im Bilde ist. Mal geht es fast Richtung der DER ROSAROTE PANTHER-Reihe, wenn Chan Sings Oberbösewicht des ersten Teils als verkrüppelter Rächer nun durch den Film humpelt und wie in einem Comic Rache zu üben versucht. …
Montag 18.05.
ok
Ein verlorener Sohn (Wolf Roth) kommt sichtlich im Wohlstand aus Hongkong zurück. Sekt wird im Kreis der Familie gereicht, um zu feiern, dass nun jemand da ist, der die mit ihrer Existenz Unzufriedenen an Glanz und Reichtum teilhaben lassen kann. Nachdem aber nicht mehr die Augen davor verschlossen werden können, dass etwas nicht ganz legal sein kann – ein Journalist macht Andeutungen und der Heilsbringer, wir wissen es schon, die Familie erfährt es gleich, hat diesen kurzerhand umgebracht – stehen die Sektgläser verloren im Vordergrund. Die Hoffnung ist mit einem Mal abgestanden. Würde noch alle zu ihnen gehen und einen gezwungenen Schluck nehmen, dann würde das Bild wirklich alles enthalten, was die Geschichte ausmacht. Es ist aber auch der einzige Moment, wo die Episode etwas Zeigelust hat. Ansonsten eiert sie orientierungslos dahin, baut aus dem Nichts Brüderkonflikte auf, erzählt von aufrechten Alkoholikern und zwielichtigen Gewinnern oder macht Derrick zum zornigen Rächer. Ausgebaut wird aber nichts davon. Bezeichnend ist, dass auch eine kleine THE TELL-TALE-HEART eingebaut wird, aber eine gekaufte Zeugin berichtet nur davon. Sprache ist inzwischen oft alles bei DERRICK. Eine auf Wiederholung aufgebaute, realitätsvergessene Sprache, die hier sogar Metagags über sich selber machen darf.
Sonntag 17.05.
großartig –
Die hektische Produktion ist dem fertigen Produkt überall anzusehen. Die räumliche Positionierung der Figuren zueinander ist teilweise sehr schwammig, der Lauf des Sheriffs von Nottingham die Straße entlang ist drei oder vier Mal wiederverwendet, Tanzszenen aus anderen Filmen (DAS DSCHUNGELBUCH und ARISTOCATS vor allem) wurden recycelt, Pfeile tauchen aus dem Nichts in Händen auf, Hände verlieren ihren plötzlich vorhandenen fünften Finger, nachdem Arme eine kurze Verschränkung lösen, und Prinz John hat eine stete Neigung Ringe auf seine Finger zu stecken oder sie von diesen wieder abzunehmen, während er gerade nicht im Bild ist. Es ist so allgegenwärtig, dass es sogar einer Vierjährigen auffiel. Doch wen stören schon handwerkliche Mängel, wenn der straffe Zeitplan womöglich auch dazu geführt hat, dass ROBIN HOOD voller Lücken ist, weil die Erklärungen gar nicht produziert werden konnten. Das, was nicht da ist, siegt über das, was mangelhaft ist.
fantastisch –
Ti Lung und David Chiang, die Peter und Conny des heroischen Blutvergießens, die – wenn David Chiang Ti Lung mal nicht nur sehnsüchtig anschaut – ihr unterdrücktes körperliches Verlangen mit langen, dicken Bambusstäben aneinander ausagieren – Chiang stirbt durch einen solchen Bambusstab, der von hinten in ihn eindringt –, kämpfen hier gegen ein Meer von Handlangern des Bösewichts. Mehr Rahmen gibt es kaum, für die gleichzeitige Annäherung und Abstoßung der beiden männlichen Körper, in einem Film, der in einem Fort Körperhüllen aufschneidet und penetriert. Und dazu gibt es Strauß‘ ALSO SPRACH ZARATHUSTRA. Sinfonische Dichtung und Porno waren wohl in ihrer oberflächlichen Abwesenheit wohl nie so sehr vereint.
*****
Ich hatte ein Geschäft mit Lotti Z. (4 Jahre) geschlossen. Ich durfte nach dem Mittag einen Film schauen, wofür wir direkt im Anschluss dann auf den Spielplatz gingen. Kurz vor Ende von THE DUEL, als gerade alle anfingen sich gegenseitig mit Messern aufzuschlitzen und Director Tomato Soup seinem Ruf wieder gerecht wurde, weil er das Kunstblut nur so strömen ließ, während die Helden sich ihren brutalen, in Zeitlupe gefilmten Toden näherten, da ging die Tür unter der Leinwand auf und ein kleines Mädchen kam hineingelaufen. Sie setzte sich neben mich und kuschelte sich an mich … und ich war zu dem Entschluss gekommen, dass ich sie nicht hysterisch aus dem Zimmer werfe und ihr vermittle, dass hier schlimme Dinge geschehen. Stattdessen erklärte ich ihr, dass das ein wenig wie ihr ROBIN HOOD-Buch bzw. Film ist. Ich erklärte ihr, dass Ti Lung quasi Robin Hood sei, David Chiang Little John und deren Gegner, keine Ahnung wie der heißt, Prinz John. (Ich verschwieg ihr aber, dass ich der Meinung war, dass da eigentlich sexuelle Dinge verhandelt wurden, als Ti Lung und David Chiang einen kleinen Kampf der Ehre wegen gegeneinander einstreuten und dabei zu großen Bambusstäben griffen, mit denen sie aufeinander losgingen.) Sie schien sich auch nicht an der Brutalität zu stören – sie machen eher soziale Stresssituationen in Filmen und Serien fertig. Nur, dass Robin Hood und Little John am Ende so blutig waren, war etwas erklärungsbedürftiger. Ich erläuterte ihr nach dem Film noch, dass das alles Schauspieler waren, worauf sie meine Ausführungen mit einem: Die haben nur so getan als ob, vervollständigte. Ich war guter Hoffnung, dass ich mein Kind nicht total verhunzt hatte, aber als ich ihr in den Flur nachlief, empfing sie mich mit einem ihrer Holzmesser. Ich hoffe, ich bin bei dem Anblick nur ein klein wenig zurückgeschreckt. Jedenfalls erinnert ich mich, dass das Messer von ihrer Küchenzeile – mehr oder weniger direkt neben dem Filmzimmer – heruntergefallen war und es eben auf dem Boden lag. Sie hat es wohl nur aufgehoben, weil es im Weg war … und dann, hoffentlich ganz unschuldig, ins Schlüsselloch geramm … gesteckt.
nichtssagend
Mit Salazar (Javier Bardem) besitzt der Film wieder einen charismatischen Gegenspieler und es gibt eine schöne Insel, die wie der Sternenhimmel aussieht, aber ansonsten:
– erzählerisch eine Kopie des ersten Teils, die nicht wie der erste Teil wirken möchte, aber doch alles möglich gleich anstellt, nur viel umständlicher.
– der Beweis, dass Orlando Bloom als unnötigster Hauptdarsteller durch den Schauspieler des Sohns seiner Figur noch übertroffen werden kann.
– ein Film, der nicht so egal ist wie sein Vorgänger und nicht so enervierend Schiffbruch erleidet wie Teil drei, in seinem Mittelweg aber auch nur ein klein wenig weniger nervt.
– mit einer der hässlichsten digitalen Verjüngungskuren (Johnny Depp) besitzt, die ich kenne.
Sonnabend 16.05.
uff
Ganz nett schien es mir, dass der Disneyeinspieler zu Beginn mit seinem Flug über das Disneyneuschwanstein deutlich düsterer gestaltet war. Da wusste ich aber noch nicht, dass es die zentrale gestalterische Idee des Films war. Manchmal deutet sich an, dass dies ein Film von Lotte Reiniger hätte werden können, wenn die Hintergründe hinter den Silhouetten etwas heller gewesen wären. Aber dies tatsächlich umzusetzen hätte dann wohl nicht mehr zur allgemeinen Belanglosigkeit von so ziemlich allem in diesem Film gepasst.
Freitag 15.05.
fantastisch –
Denise Z. (20 Jahre) blieb am Tag zuvor beim ersten Teilen sitzen, obwohl der Film und die Untertitel nicht wirklich ihren Sehgewohnheiten entsprechen. Als ich sie nun fragte, ob sie auch den zweiten Teil mitschauen wolle, sagte sie erst ab. Nach wenigen Minuten kam sie aber nach. Der Zauber dieses wunderbaren Films wirkt.
Donnerstag 14.05.
großartig +
Zu diesem durchgedrehten Füllhorn gibt es auf perlentaucher.de einen Text de moi.
Dienstag 12.05.
fantastisch
Der expressionistische Ergänzungsfilm zu Tsai Ming-Liangs impressionistischen THE HOLE – ein Double Feature musikalischer Liebeschoreographien.
Sonntag 10.05.
großartig –
Unter den makabren Witzen und Dekonstruktionen macht- und gewaltgeiler Yakuza findet sich die Sehnsucht nach Takakura Ken. So oder ähnlich wird es bald bei critic.de zu lesen sein.
nichtssagend
Nach ca. einer halben Stunde erfolgt ein Schnitt zu einem gänzlich weißen Bild. Von rechts kommt eine Nase ins Bild, die dieses von oben bis unten ausfüllt. Wäre das Bild nicht Scope, würde sie es bald gänzlich einnehmen. Es ist einfach, bescheuert und wunderbar. Es ist die Ouvertüre für die Darstellung der Existenz Captain Jack Sparrows (Johnny Depp) in Davy Jones Locker. Was in der Mythologie von PIRATES OF THE CARIBBEAN heißt, dass er in einer Vorhölle hockt … in der Seelensammlung des Fliegendenholländerseemannsteufels. AT WORLD’S END wird auf die Nase folgend zur überspannten Version von GERRY. Das Schöne und Einfache der Naseneinstellung wird nie wiederkehren, dafür wird hektische Betriebsamkeit und grob übertünchte Orientierungslosigkeit Einzug halten.
Vor allem die Prioritätensetzung ist dabei sehr … eigenwillig. Dass das Schicksal eines Commodore Norrington (Jack Davenport) lieblos und nebenbei abgehakt wird, dass er lediglich ein paar Minuten bekommt, um durch ein Opfer seine Tat aus dem Vorgänger sühnen zu können, ist traurig, bei dem immer größeren Figurenaufgebot aber nicht völlig überraschend. Er ist aber nicht allein. Was der Vorgänger emotional aufbaut hat – es ist nicht wenig – verpufft einfach, wie er Nebenfiguren völlig aus dem Film verband, obwohl sie Teil einer ablaufenden Schlacht sind. AT WORLD’S END verrät seine Figuren allesamt und verrennt sich geckenhaft in Tricks und Gegentricks, in MacGuffin-Jagden und selbstbesoffenen Inszenierung der Selbstbesoffenheit, die alle befällt und zu Variationen und Wiedergängern Jack Sparrows macht. Dass er sich immer wieder mit Abbildern seiner selbst unterhält ist nur die Krone, der Jack Sparrow-Werdung des gesamten Casts.
Am tragischsten trifft es Tia Dalma (Naomie Harris) und Davy Jones (Bill Nighy). Die eine wird plötzlich zur im menschlichen Körper gefangenen Göttin Calypso sowie zur tragischen Liebe des fliegenden Holländers Jones erklärt. Dieser wiederum, das orgelnde Tentakelmonster mit den traurigen Augen, darf immer wieder zwischen Liebe und Hass gefangen seine tragischen Potentiale andeuten, wird vom Film aber als völlig lebloses Anhängsel mitgeschleppt, der nurmehr Erfüllungsgehilfe der East Indian Trading Company/des Plots ist. Ihre Liebe, alles was in ihrer Richtung immer krampfhafter aufgebaut wird, verpufft. Sie müssen Platz machen für hässliche Kämpfen von Leuten, die ebenso gut mit einem Spiegel kämpfen könnten.
*****
Wer es genauer wissen möchte, dem empfehle ich den aktuellen und diesmal geradezu tragikomischen Wollmilchcast, der sich (wirklich) zufälligerweise just dieser Filmreihe widmet. (Ich bin fast durchgängig Team Jenny.)
Sonnabend 09.05.
großartig –
Es ist eine sensationelle Entscheidung, einem Film, dem audiovisuelle Abenteuerlichkeit auf die Fahnen geschrieben wird, einen Moderator an die Seite zu stellen, der zwischen den Einzelteilen die Dinge einordnet, der er- und aufklärt, der alles Aufbrausende pädagogisch in sichere Bahnen lenkt. Und nicht irgendwie, sondern so zugeknöpft, steif, trist und lustfeindlich wie möglich. In einem Anzug steht er wie eine Schaufensterpuppe da und verkörpert absolute Seriosität. In einer der Episoden nehmen Sagengestalten Reißaus vor Zeus Blitzen, der sie – durchaus lustgesteuert – auf eine Feier mit Dionysios schmeißt. Ein wenig spiegelt sich die Angst vor dem Göttervater in dieser Entscheidung, der zu viel Rausch bestrafen würde.
Es ist die bitterste Pille, die es in diesem Vanity Project zu schlucken gilt, dass wie eine Leistungsschau wirkt, in welchem gezeigt werden soll, was (damals) moderne Zeichentricktechnik alles im Stande ist zu leisten. Einmal ist die megalomane Vorform des kleinen Disneyfilms 4 ARTISTS PAINT ONE TREE, der seinen Ansatz deutlich kleiner wählt, andererseits der deutliche Versuch das Image der kleinen, lustigen Vorfilme zu lösen, ohne sich zu verleugnen.
E und U werden deshalb ständig verbunden. Nach der Pause in der Mitte des Films spielt das Orchester kurz Jazz. Etwas Leichtigkeit nach den nach Disziplin verlangenden Stücken. Die klassischen Kompositionen, die hier per Zeichentrick bebildert werden, sind Schwergewichte, aber meist so populär wie möglich gewählt. Abstrakte Experimente aus Licht, Farben und Formen oder griechisch-römische Gestalten hier, Mickey Mouse und Ballett tanzende Nilpferde und Elefanten dort. In seinen besten Momenten schafft es FANTASIA die unsinnige Unterscheidung zwischen ernster Kunst und Unterhaltung verschwinden zu lassen – die ersten drei und die letzten beiden Stücke –, in seinen fadesten lässt sich der Versuch mehr spüren, als dass er gelingt – die archaische Gewalt einer gerupften Version von LE SACRE DU PRINTEMPS mit kämpfenden Dinosauriers zu bebildern, ist bestenfalls nette Idee und Beethovens 6. Sinfonie, die Pastorale, mit besagten Sagengestalten ist mal angedeuteter anthropomorph-zoologischer Porno mit Zentauren, mal eine rauschhafte Kindergartenweinparty, die sich mit sehr wenig begnügt.
*****
Lotti Z. (4 Jahre) fragte nach 2 Minuten, wo denn Mickey Mouse bleibt. Ein früher Abbruch lag in der Luft. Danach hat sie das Gelungene wie das Interessante völlig konzentriert goutiert und war nur in der Pause unruhig. Sowie wieder, wenn das AVE MARIA uns aus dem Film trüben lässt, wo sie dann fragte, wann denn jetzt die Geschichte losgeht. Alleine um all dies Unerwartete ihrer Reaktionen mitzuerleben, war die Sichtung wert.
fantastisch
Alles ist überlagert und miteinander verbunden. Und alles ist über Widersprüche konstituiert. THE BLOOD BROTHERS ist ein Actionfilm, in dem die Physis der Kämpfe gegen eine Autorität erst die Blutsbrüderschaft zwischen drei Unbedeutenden begründet, dann in denen gegen Banditen (also gegen ihre Vergangenheit) einen Kampf gegen sich selbst sich abzeichnen lässt und schließlich als Ausagieren der emotionalen Hilflosigkeit nur noch Destruktion zwischen den Dreien bringt. THE BLOOD BROTHERS ist aber auch ein Melodrama, in dem Blicke von Liebe sprechen … und von inneren Konflikten, die sich nicht auflösen lassen. So liebt Ma Hsin-yi (Ti Lung) Mi-Lan (Ching Li), die Frau seines Blutsbruders Huang Chung (Chen Kuan-Tai). Mi-Lan blickt sehnsuchtsvoll zu Ma oder in die Weite, wo sie ihn vermutet. Ma weicht allen Blicken aus und schaut auf den Boden vor ihm. Huang blickt nichts und der Dritte, Chang Wen-hsiang (David Chiang), blickt zwischen allen hilflos hin und her.
In der Dreiecksliebesgeschichte schwingt aber auch anderes mit. Denn Mi-Lan verliebt sich in einen apollinischen Mann und distanziert sich von ihrem dionysischen. Ma lernt, kultiviert sich und formt mit harter Hand aus einer Banditenbande Soldaten, bevor er zum kaiserlichen General aufsteigt. Huang säuft und hat Frauengeschichten, er umarmt und drückt seine Gefühle überschwänglich aus. Er hätte nichts dagegen gehabt, wenn er ein unbedeutender Bandit geblieben wäre, der im Nirgendwo mit kleinen Raubzügen überlebt. Mehr als Luft und Liebe braucht es für ihn nicht zum Leben. In der Beziehung der beiden externalisieren sich sie ihre inneren Konflikte. Huang ist der Anker Mas, der ihn in seiner unbedeutenden, unzivilisierten Vergangenheit festhält. Und Ma stellt das verschwendete Potential Huangs dar.
Und mit diesen unterschiedlichen Ambitionen sind die einfachen Verhältnisse des Beginns mit denen der Hochzivilisation, auf die es hinausläuft, verquickt. Zuerst befinden wir uns auf simplen Landstraßen und einfachen Häusern. Später in Thronsälen bzw. -zelten mit Wachen in Formationen sowie Anwesen, deren Zimmer mit verschlungenen, verschnörkelten Gängen – irgendwo zwischen Lustgarten und Tunnel – verbunden sind und deren Wände labyrinthische Muster tragen. Zuerst Direktheit, später Intrigen. Hier die leere Provinz, dort das Herz der Qing-Dynastie. Hier ein herzliches wie brutales Chaos und dort eine heimtückische Zivilisiertheit, die Ruhe und Ordnung zum makabren Preisen garantiert. Zwischen den beiden steht Chang als Joker, der sich auf beiden Seiten wohlfühlt und doch ihre Nachteile sieht, der in ironischer Distanz sich vor Verletzungen schützt und der dem Irrsinn des Lebens spottend ins Gesicht lacht.
Action und tragische Liebe, Faschismus und Zerfließen, Provinzialität und Hochkultur: Die Paare überlagern sich und spiegeln aufeinander ab, während die Gegensätze innerhalb dieser sich gegenseitig auslösen und untrenn- wie unvereinbar nebeneinanderstehen. Diese Dichte an Attraktions- und Aversionskräften führt zu einer hohen Emotionalität, die in rot stechenden Sonnen, kühnen Sprüngen und zarter Poesie ihren Ausdruck findet. Welch ein toller Film THE BLOOD BROTHERS aber vor allem ist, zeigt sich, wenn die Unbändigkeit der Liebe sich in einem Taschentuch äußert, das vom Schweiß der geliebten Person trieft und in das liebevoll eine Blume gefaltet wird.
großartig –
Der Unterschied zwischen einem netten und einem aufregenden Film kann manchmal auch das Geräusch von Tentakelnoppen sein, die über Holzkanten gezogen werden und den schleimigen Gummianblick ein sehr plastisches Erleben verpassen.
Freitag 08.05.
ok +
Der Unterschied zwischen einem aufregenden und einem netten Film kann manchmal auch Musik sein, die synchron zu Schwerthieben tuscht und den Zombiepiratenfilm so in Bierzeltschunkelstimmung versetzt.
Donnerstag 07.05.
gut +
Der eine tugendhafte Kämpfer (Ti Lung als Wen-Lieh) hat eine Verlobte (Ching Li), die in Sorge um ihn weint und alleine in Eingangshallen wartet, sowie eine kranke, wehrlose Mutter zu Hause, für deren dringend nötige Operation er Thai-Kämpfe bestreitet, die ihn möglicherweise umbringen werden. Ansatzpunkte für die organisierten Verbrecher, die ihr Geld u.a. mit Schiebung dieser Kämpfe verdienen und Wen-Lieh gewaltsam in ihre untugendhaften Geschäfte einspannen wollen, bekommen sehr viele Ansatzpunkte geboten, um das Leben von Wen-Lieh zur Hölle zu machen und die melodramatischen Einsätze von DUEL OF FISTS gehörig zu steigern. Sie tun es aber nicht … weshalb kaum gelitten wird und nach ein paar brutalen Kämpfen alles ohne großes Drama gen Ende tänzelt.
Der Plot ist simpel. Ingenieur und Kampfmaschine Fan Ke (David Chiang) geht nach Bangkok, um dort den Halbbruder zu finden, von dem er just erfahren hat. Dieser wird eben von einem Syndikat, dass auch gerne Leute im Ring tot prügeln lässt, bedrängt. Beide setzen sich zur Wehr bzw. stehen für das Gute ein. Dazu gibt es aber sehr viel Sightseeing in Bangkok, der Film will ja auch nicht ernst machen. Fan Ke schlendert mit einer Frau (Pawana Chanajit), die er kennenlernt, oder die Establishment Shots sind so gestelzt, dass sie nicht nur Figuren verorten, sondern auch die Stadt durchschreiten.
Alles in allem könnte dies fast ein Bad Spencer und Terence Hill Abenteuer sein. Ist es aber nicht. Einmal weil niemand Sprüche reißt und irgendwie den Ernst an der Sache vermissen lässt. Andererseits weil Chang Cheh einfach nicht die Entspannung für ein solches Unterfangen hat. Am deutlichsten wird es bei David Chiang. Sein Schlendern mit Dame lässt sich keine Zeit. Mit eiligem Schritt scheinen sie das Plotlose hinter sich bringen zu wollen. Und wenn sie sagt, sie zeigt ihn Bangkok, dann setzt er sich wie selbstverständlich an das Steuer ihres Autos und verdrängt sie auf den Beifahrersitz. Und auch DUEL OF FISTS gibt nie das Steuer ab. Immer wird nach Kontrolle gestrebt, auch wenn es darum geht, es fließen zu lassen. Verkrampft wirkt es so.
Was nicht heißt, dass es nicht trotzdem toll anzusehen ist. Vor allem in den Kämpfen … oder wenn David Chiangs Figur den Swag aufdrehen darf. In Hongkong, wo er immer unterstreichen muss, dass er doch Ingenieur ist und nicht Kämpfer, läuft er im Anzug rum. Sobald er aber in Bangkok das Flugzeug mit knallrotem Cowboyhut verlässt, darf er jede Szene mit optischen Unfassbarkeiten begehen. Er beschreitet mglweise einfach den blutigsten Catwalk der Filmgeschichte.
Mittwoch 06.05.
gut –
Von Arschlöchern, die sich größtenteils nicht eingestehen wollen, dass sie es sind, und von solchen, die es als große Geste präsentieren. Beide aber in einer bürgerlichen Vorhölle gefangen, in der sie zuvorderst da sind, um für den Zuschauer Fressen zu ziehen.
gut +
Bei einem Klavierabend macht Derrick die Bekanntschaft des Geschäftsmannes Sauters (Stephan Orlac). Dieser verabschiedet sich nach einem flüchtigen Gespräch mit der Einladung, dem Kommissar doch bei Gelegenheit denjenigen vorzustellen, der ihn dereinst ermorden wird. Einen dumm aus der Wäsche guckenden Derrick lässt der noch nicht Ermordete daraufhin stehen. DARF ICH IHNEN MEINEN MÖRDER VORSTELLEN?, eine Folge, die tatsächlich die Erfahrung des Krimis über die Inszenierung von Gesichtern hinaus begreift, was ihn bei den letzten Episoden ein bisschen zur Ausnahme macht, die Erinnerungen als Momente stilisiertem Ausdrucks repetitiv zur Setzung eines Rhythmus einsetzt und die ihr Finale in sich zersetzenden Bildern und in Zeitlupe zerspringenden Glas findet, diese Folge begnügt sich lange, sehr lange diese Ungewöhnlichkeit auszukosten. Hinauszögernde Spiele werden bei der tatsächlichen Vorstellung getrieben – mit Derrick und dem Zuschauer. Enervierend ist es, wie sich die Folge an Sauters zynischer Cleverness verdingt. So offensichtlich ist alles, dass Harrys Fragen mal wieder nerven. Aber, und das ist das Herausragende an DARF ICH IHNEN MEINEN MÖRDER VORSTELLEN?, stellt sich auch dies nur als Teil eines perfiden Spiels heraus – mit Derrick und uns.
Dienstag 05.05.
nichtssagend
Eine persönliche Notiz: Ich finde Hunde, die als comic relief jeden anfallen, der vorbeikommt, nicht witzig, wie ich den Film im Ganzen erst einmal nur als senile Phantasie einer senilen Frau schätzen mag. Aber dann ist da die Szene, wo die AristoCats und Thomas O’Malley – der anders als Strolch am Ende nicht im neuen Heim aufgeht, sondern auch das Gefühl haben darf, sich in ein Schlamassel begeben zu haben – auf Eisenbahngleisen eine Brücke überqueren. Als der Zug kommt, ist nicht recht zu sehen, ob alle rechtzeitig aus dem Weg kamen und ihr Wiederauftauchen wird auch bewusst hinausgezögert. Dafür fliegen aber rote Partikel durch die Luft, wenn der Zug die Stelle befährt, an der sich gerade noch die Katzen befanden. Es liegt durchaus nahe, dass wir Blut regnen sehen. Es steht ja außer Frage, dass in einem Disneyfilm kleine Katzen von einem Zug überfahren werden, aber allein dass dies so blutig angedeutet wird, finde ich ganz vergnüglich.
fantastisch –
Zu diesem RomCom-Musical in Endzeiten gibt es etwas bei critic.de von yours truely.
Montag 04.05.
gut
Brynych auf theatralischen Höhen, was heißt, dass die Szenen der Folge dermaßen stilisiert sind, dass sie sich wie Theateraufführungen anfühlen, und Reinecker auf tendenziösen Ödnistiefen, was wiederum heißt, dass er es schafft aus seiner Personenkonstellation, die aus Zuhältern, Prostituierten, Heilarmeetrompetern, bewaffneten Sozialarbeitern und gegelten Psychologensöhnen besteht, nichts Spannendes herauszuholen. Tollster Moment ist, wenn Derrick auf den schon wartetenden Sozialarbeiter kommt und dieser an seinem Schreibtisch sitzend etwas mit der Linken auf einem Blatt Papier arretiert. Wie ein grober Kamm sieht es aus oder noch gröbere Kanülen. Ein medizinisches Instrument? Eine Waffe vll? Jedenfalls ist es durch seine Schwärze auf dem weißen Papier sehr auffällig. Was es sein mag, offenbart sich erst, wenn der es Haltende es loslässt. Und es ist eine wunderbare, detailverliebte, völlig undurchsichtige Antiklimax, wenn dann einfach Stifte wegrollen.
Sonntag 03.05.
großartig –
Höherer Quatsch um nach giftige Tieren benannte Kampfstile, die beispielsweise möglich machen Wände waagerecht hochzulaufen (Gecko-Stil) oder das Schwerter an einem abprallen, als bestehe die eigene Haut aus Gummi (Kröten-Stil – wieder sehr toll: Lo Weng), und die in den Werbevideos, in denen sie von ihren Anwendern mit ästhetisch hochwertigen Masken vorgeführt werden, am schönsten sind, weshalb diese Imagefilme auch mehrmals wiederverwendet werden, und um einen Krimiplot, der sich so wenig für seinen McGuffin interessiert, dass er, der zu findende Schatz, wohl erst nach Filmende geborgen wird, und der so beredet und verschnörkelt ist, dass sogar ein Zuschauer darin Platz hat, der wie wir alles von außen verfolgt, nämlich der sechste Schüler (Chiang Sheng) des Hauses der FIVE DEADLY VENOMS. Und selbst für Shawverhältnisse sind die Perücken und Bärte sensationell abstrus.
Sonnabend 02.05.
fantastisch –
Der Vorspann setzt auf Poesie. Er zeigt malerische Schneelandschaft und führt uns langsam zu einer Rose, die in dem endlosen Weiß wächst. (FOUR RIDERS spielt in Südkorea im Sommer.) Danach folgt eine ellenlange Exposition voller Impressionen von durch Baumkronen wehendem Wind und einer wärmenden Sonne. Zwanglos wird gereist oder überdrüssig in Clubs gehockt, Freundschaften werden geschlossen. Bud Spencer und Terence Hill könnte hier auch jeden Moment um die Ecke schauen. Doch dieser Weg in den Film hat dessen musikalisches Hauptthema einfach nur umgedreht. Immer wieder werden die Szenen mit dem harten, schwelenden Groove eines Schlagzeugs unterlegt. Manchmal schlägt es in fröhlich souligen Pop um, meist ist es aber nur Ausdruck des Brodelns, das, wenn es überkocht, sich nicht durch Musik, sondern durch die Percussion von Schlägen, Tritten und Schüssen ausdrückt.
Die Zeitlupen in den Actionszenen und der Fatalismus zeigen den Einfluss von Sam Peckinpah deutlich. Der Überbau für die Leidensgeilheit bleibt aber vager. FOUR RIDERS handelt von vier Soldaten, die direkt nach Waffenstillstand im Koreakrieg nach Seoul gehen, den Krieg aber nicht loswerden … bzw. ihn nicht aus sich herausbekommen. Aber mehr als die zeitliche Verortung wird kaum vorgenommen und sich auf die erfahrbaren Aktionen beschränkt, also auf die nackte Handlung. Ein kleiner Drogenkrieg zieht auf, der fast alle sterben lässt, und niemand hat/bleibt etwas, an das er sich halten kann. Ob die Protagonisten nun direkt mit dem Krieg zu tun haben (wollen) oder nicht. Ob sie ihre Gefühle zeigen oder hinter Schichten von Coolness und Bitterkeit verstecken. Ob sie Sex haben oder nicht. Ob sie Frauen sind oder Männer. Ob sie anderen helfen oder andere ins Elend ziehen. No one here gets out alive.
Kurz gibt es aber doch einen Ausflug aus dem bloßen Geschehen. Der im Krankenhaus sitzende Li (Chen Kuan-Tai) erzählt einer Krankenschwester von den vier Reitern der Apokalypse. Zu Bilder von tatsächlich mordenden Reitern und der passenden klassischen Musik, die er hört (leider habe ich noch nicht herausbekommen, um was es sich handelt – wenn er nicht gerade die Wilhelm Tell Ouvertüre auflegt, um eine gewaltsame Flucht zu untermalen). Die frühe Heroic Bloodshed von FOUR RIDERS braucht eben keinen sozialen und sonst wie gearteten Überbau für das Sterben. Es braucht nur das Charisma seines Casts (Ti Lung, David Chiang und Wang Chung) und einen Krieg, der vorbei ist, der aber das subjektive Gefühl einer endenden Welt tief eingepflanzt hat. Das Leiden ist deshalb zynisch, wie es auch romantisch ist. Es ist gefilmter Selbstmordersatz.
ok
Das Ende ist hochdramatischer Stoff. Zu der Zeit hat TRAIN TO BUSAN seinen emotionalen Kern aber bereits zu lange aus dem Augen verloren, sich stattdessen in ständigen Selbstopferungen und moralischen Abrechnungen mit dem asozialen Gegenstück zu unserem Hauptdarsteller verbissen. Heißt, dass die provozierten Tränen nicht kommen wollen, weil eh schon alles egal ist. Kurz davor wird ein Teppich aus Zombies hinter einem Zug hergezogen. Es wäre auch eine Möglichkeit gewesen auf Eindrückliches zu setzen. Stattdessen aber auch hier das, was wir schon kennen.
Freitag 01.05.
großartig
Wegen dem Versprechen auf critic.de, dass hier Leute von Veranden und in Mülltonnen fallen und es immer witzig sei, habe ich MEAN GIRLS geschaut. (Und weil es von Tina Fey und mit Amy Poehler ist.) Und was soll ich sagen? Es stimmt. Auch das mit den Veranden und Mülltonnen.
April
Donnerstag 30.04.
fantastisch –
In Homologie beginnt alles. Drei Paare in der Fasnet. Sex, Alkohol, Derbheit. Kostüme, Fleisch, Übergriffigkeit. Fast sind sie nicht zu unterscheiden, wenn die dünne Schicht der Zivilisation bröckelt und alles etwas ungezügelter, atavistischer, verantwortungsloser abläuft. Wie in einem Film von John Cassavetes werden sie einzeln verfolgt und in ihrem ziellosen Schwanken elliptisch nebeneinander montiert. Laufen, Sitzen und Reden, was den Film zumeist ausmacht, wirken wie vorantasten in starken Nebel. Klassische Musik und mir unbekannte Lieder, die mich an John Dowland erinnern, aber moderner scheinen, konterkarieren mit Erhabenheit ein Sein, das in seinen Spitzen voller Gewalt, Niedertracht und Eskalation ist, meist aber dumpf und ohne Grazie dahinläuft. Die Erzeugung von Weltschmerz ist effektiv.
Der Mord(-fall) wird die drei sich Entsprechenden in ein Paar Toter, ein Paar Mörder und ein Paar Ermittler aufspalten. ICH HABE IM TRAUM GEWEINT nutzt die Trennung aber nicht um die Einzelnen voneinander zu lösen, sondern um beispielsweise dem postkoitalen Problemen einer Status-Quo-Findung bei den Ermittlern eine Spiegelung in den anderen beiden anbei zustellen. Das Schicksal der einen strahlt auf das der anderen ab. ICH HABE IM TRAUM GEWEINT ist so physisches Erlebbarmachen einer Existenz ohne ihren beschönigenden Ideologien – auf die Phantasie einer Urschlacke wird das Sein heruntergebrochen – und gleichzeitig ist es Trauern um die Unfähigkeit der Menschen damit und all den sozialen Konventionen, mit Verklemmtheit und Rausch, mit Folgen und Folgenlosigkeit umzugehen. Wir sehen Leute, die sich in anderen spiegeln und sich schämen, die verzweifeln, die hoffen. Es ist nur schlecht als Krimi getarntes Melodrama, es ist Film gewordene Trauerarbeit an unserem Leben.
*****
Sabrina Z. meinte nach Lesen des Textes, dass dieser zu wenig den hässlichen Sex erwähnt. Dieser sei das Erste, woran sie bei dem Film denken müsse. Ich hingegen fand den Alkoholkonsum einprägsamer. Wie nebenbei wird er gestürzt, aber doch getrunken, als ginge es ums Überleben.
Mittwoch 29.04.
ok +
Während Hung Hsi-kuan in HEROES TWO (auch 1974) nach der Niederbrennung des Shaolintempels in den Süden flieht, fliehen die gnadenlosen Fünf nun in den Norden – SHAOLIN TEMPLE (1976) erzählte dann, wie vor ein paar Wochen schon zu lesen war, bis zu dieser Trennung. Wo in HEROES TWO die beiden titelgebenden Helden wie voneinander angezogen sind und alles von ihrer Freundschaft bestimmt ist, ist in FIVE SHAOLIN MASTERS alles gerade davon bestimmt, dass alles parallel, aber nichts zusammenläuft. Die fünf werden im Vorspann – der fast über die gesamte erste viertel Stunde verteilt und damit aufgesplittet wird – jeder für sich eingeführt. Einzeln wird der Film sie zum gemeinsamen Treffpunkt verfolgen, einzeln werden sie in unterschiedlichen Landschaften trainieren, obwohl sie an einem gemeinsamen Ort angekommen sind, einzeln werden sie gegen die fünf Antagonisten kämpfen, die ihnen zugeordnet sind.
Eine Handlung gibt es nicht. Nur die Bewegung nach Norden und zurück. Was FIVE SHAOLIN MASTERS auf das Physische zurückwirft. Der Einzelne, sein Körper und der Kampf. Es könnte der purste Film Chang Chehs sein, aber seltsamerweise hält sich nicht nur das Blutige zurück, sondern auch das Leiden. Die Vereinzelung führt eben nicht zu herben Höhen, sondern einfachen Abläufen, die ohne großes Drama ablaufen. Zumindest für die Fünf. Ein anderer Rebellenführer darf den Heldentod in Zeitlupe sterben. Was die Frage aufwirft: Was haben diese fünf Shaolinmeister falsch gemacht, dass sie unaufgeregt Hoffnung in ihre filmische Welt bringen dürfen?
Dienstag 28.04.
verstrahlt –
Der Krimi kann unter Ulk verbucht werden. Ein bisschen Selbstkopie hier, ein wenig Twists mit langem Bart dort. Lediglich das Ende, dass lieber resigniert, statt eskaliert, ist schön. Was an DAS PLÄDOYER aber trotzdem toll ist, das sind die Augen von Klaus Herm, die durch ein hässliches, wie unpassendes Kassengestell starren und die in teigige Höhlen eingelassen sind, welche der Schärfe der Blicke völlig konterkarieren, sowie das Schauspiel von Lambert Hamel, das in den ewigen Wiederholungen der Reinecker Dialoge aufgeht und aus dem von ihm gespielten Rechtsanwalt eine wunderbar surreale Absurdität macht.
Montag 27.04.
fantastisch –
Eine wunderbare Ergänzung zum Kino Chang Chehs. Die Eigenwilligkeit der Entwicklungen wird noch getoppt, wenn beispielsweise ein groß eingeführter mysteriöser Superkämpfer nach gar nicht mal so viel Spielzeit enttarnt und getötet wird. Dann sind die Konflikte ins paranoide gekippt, wo es nicht mehr um Ehre, sondern um ein Fest der Täuschungen und Gegentäuschungen geht. Vor allem geht es aber um einen Ausweg aus dieser martialischen Welt per Poesie, Wäldern aus leuchtend roten Blättern und Schmetterlingen. Der angriffslustige Schwung des Pinsels wurde durch einen zarten, indirekten ausgetauscht.
*****
Zu Auswahl hatte ich eine blu-ray, die nur die deutsche Synchronisation enthielt und durch diverse unmotivierte Kürzungen hier und da wohl (bei Beachtung des PAL und NTSC-Laufzeitunterschied) knapp sieben Minuten kürzer ist als die DVD ist, und eine DVD, die ein ziemlich hässliches Bild ausspuckt. Ich habe mich für Ganzheitlichkeit und glorreiches Mandarin entschieden. Und die Schönheit von KILLER CLAN machte sich trotzdem noch bemerkbar.
Sonntag 26.04.
gut +
Bei der zweiten Sichtung war ich etwas enttäuscht, dass der Film so wenig mit Fluttershy anzufangen weiß, und sich übermäßig auf Pinky Pies Überdrehtheit verlässt. Aber wenn Fluttershy kurz vor Schluss einen Soldaten des Sturmkönigs auf die Couch bittet und ihn mit Verständnis auseinandernimmt bis er weinend mitten in der Entscheidungsschlacht dasitzt, bin ich doch wieder versöhnt.
großartig
Was mich an Chang Chehs Filmen u.a. fasziniert, ist, dass die Filme fast gänzlich auf world building verzichten. Ein enger gesellschaftlicher Rahmen wird gesetzt – Shaolin oder Piraten werden bspweise von der Staatsmacht verfolgt – und über den wird sich seltenst hinausbewegt. Zwei, drei Parteien reiben sich aneinander. Alles darüber hinaus bleibt undefiniert. Dass in THE PRIATE ausgebeutete Fischer thematisiert werden, bildet schon eine Ausnahme … und wird auch nur für die Charakterisierung von Korruption (Ausbeutung der Armen) und Edelmut (Hilfe der Armen) instrumentalisiert. Die Handlung vollzieht sich auf eigenschaftslosen Landstraßen, in Gassen und Häusern. Der Grad der Abstraktion ist extrem hoch. In der Umgebung, wie in den porträtierten Gesellschaften. Und die Handlung ist ebenso rudimentär. Eigenwillige Bögen schlagen sie durchaus, aber vor allem sind sie sehr simpel.
Fehlende Definition und Weite geben dem Ganzen etwas Universelles, durch das Ritterlichkeit und Edelmut nicht durch Wirklichkeit kontaminiert werden. THE PIRATE ist einer der diversen Filme, die – so verwunderlich es immer wieder wirkt – auf geschichtlichen Hintergründen basieren. Diese werden aber auf Skelette heruntergekocht, die solange verformt werden, bis sie passen. Statt Größe und Episches haben die Filme von Chang Cheh, bei aller Kunstfertigkeit, etwas Hingerotztes – bei seiner Produktivität mit fast 100 Filmen in einer ca. 30-jährigen Karriere nicht weiter verwunderlich – und Direktes. Und das Wesentliche, was von diesen Filmen ausgeht, sind Leid- und Todessehnsucht. Absolute Fetischfilme sind es. Selbst dass er hier mit zwei weiteren Regisseuren zusammenarbeitet, kann es nicht verwässern.
Spezifisches zu THE PIRATE: Hier, in diesem Piratenfilm, verschwindet das Piratenschiff nach der Hälfte der Spielzeit auf Nimmerwiedersehen aus dem Film. Dafür gibt es aber wunderbare Kämpfe am Strand und eine ungezügelte Vorliebe für Reißzooms.
ok –
Diese Actionfilmsoupopera nervte mich etwas. Die Geschichte um Identitätswechsel und Betrugsängsten gab mir nichts und die Vorgänge in den Actionsequenzen waren größtenteils nicht nachvollziehbar. Aber ich habe den Verdacht, dass er mir bei nochmaliger Sichtung besser gefallen könnte. Nicht nur wegen der POV-Plansequenz zu Beginn, die völlig irre einen überdrehten Egoshooter nachstellend in den Film führt, durch den physischen Eindruck, den die Action trotz ihrer Unübersichtlichkeit hat, oder durch die Flucht durch ein Gebäude, dessen Flure verfallen waren, während jeder durchrannte Raum im rasenden Wechsel neue Bühne von Identität offenbarte, sondern durch den Verdacht, dass ich einen surrealen Film übersah … denn THE VILLAINESS endet mit dem Kampf in einem Reisebus … weil die Gangster hier nicht fette Nobelschlitten fahren, sondern zusammen in einem Reisebus sich fortbewegen. In einem grünen, ordinären Reisebus. Wie kann ein Film mit solchen Dingen nicht überzeugend sein? Ich kann es wider meiner Erfahrung einfach nicht glauben.
Sonnabend 25.04.
gut
Zweimal habe ich THE RESCUERS bereits gesehen. Einmal in der Schule – während einer Ausfallstunde sicherlich – und einmal kurz nach dem Studium mit meiner damaligen Freundin. Das erste Mal fand ich ihn ziemlich langweilig und mit wenigen Schauwerten, beim zweiten Mal wurde die Wirkung vor allem dadurch bestimmt, dass besagte Freundin von dem Film völlig fertig gemacht wurde.
Auf der einen Seite besteht THE RESCUERS aus dem Abenteuer von anthropomorphen Mäusen, die zumeist kindgerecht sind. Aber nicht nur fliegen sie mit einem von Harald Juhnke synchronisierten Bruchpilotalbatros, fahren mit einer Village People-Libelle – der einzigen wirklich charismatischen Figur auf Seite der Guten – Motorboot und retten ein Mädchen mit einem tierischen Hillbillylynchmob. Sie müssen aber darüber hinaus ihr Verhältnis zueinander ständig mit Geschlechteridentitätsmumpitz belegen, der aus einem von Feminismus verunsicherten Hirn stammt und der mit ironischen Stammtischweisheiten die neuen Moden der Frauen kommentieren muss. Die Interaktion zwischen Bernhard und Bianca hat damit einen sehr öden Nachgeschmack, der noch den größten Spaß des Films eintrübt. Nicht durch die Themen, die er anstößt, sondern durch die permanente Umleitung auf noch uninteressantere Nebengleise.
Auf der anderen Seite besteht THE RESCUERS erstaunlich großflächig aus Alptraummotiven. Ein Kind wird entführt und auf einen verfallenen Mississippidampfer in einen Sumpf verschleppt. Oft herrscht Zwielicht. Alles ist voller Schatten, aus dem nur die handelnden Figuren mit kräftigen Farben hervorgehoben sind. Die Baumkronen bestehen grundsätzlich aus Krallen und ein Totenkopf, der sich in etwas verbissen hat, spielt eine zentrale Rolle. Eine hexengleiche Frau jagt mit einem Feuerstuhl übers Wasser. Das Mädchen kann sich gegen die Erwachsenen und ihre Haustierkrokodile – letztere tragen Penny grundsätzlich mit ihrem Schlüpfer im Maul spazieren – nicht wehren. Vor allem stürzen die Figuren aber in Abgründe, drohen zu ertrinken, werden von Strudeln herabgerissen, müssen durch enge Schächte in die Dunkelheit. Es herrscht eben die grundsätzliche Atmosphäre von Auslieferung und Hilflosigkeit.
Zusammen ergibt das einen erstaunlichen Film, der sich vieles verspielt. Den alptraumhaften Film um Penny mag ich sehr, den um Bernhard und Bianca nicht so. In dieser Zerrissenheit ist er aber auch sehr spannend, weil er mich noch Tage später beschäftigt … durch den Ärger über die verspielten Potentiale.
großartig +
Das dysfunktionale Zusammenleben – bzw. das aneinander Vorbeileben in einer Wohnung – von Hsiao-Kangs (Lee Kang-sheng) Familie koinzidiert mit unerträglichen Schmerzen in seinem Nacken. THE RIVER wirft innerhalb dieser Konstellation vor allem schlaglichtartige Blicke auf die Mutter (Lu Yi-ching), deren neue Liebe auch schon wieder ziemlich abgeflaut ist, auf den Vater (Miao Tien), der cruist und sich in Saunen wenig erfolgreich Männern annähert, sowie Hsiao-Kang, der einmal das Karussell möglicher Behandlungen – Quaddeln, Chiropraktik, Akupunktur, Spiritismus, Religion – durchmacht, ohne dass es hilft. Dazu tropft zunehmend Wasser von der Decke in das Zimmer des Vaters.
Gerade die letzten beiden Punkt wäre ziemlich uninspiriertes symbolisches Einmaleins, würden sie dem Schweigen zwischen den drei Leute nicht seine physische Wucht geben. Klamm dringt die Leere aus den Bildern, und durch das ständig schmerzverzerrte Gesichts Hsiao-Kangs sowie die mitunter harte Kost seiner Arztbesuche – nicht die Spritzen und Nadeln sind das drastischste, sondern der Chiropraktikerbesuch, der in die Top Ten aller Bodyhorrorszenen gehört – wird es nicht zu bequem im ruhigen Ton des Films. Obwohl er Psychisches verhandelt ist THE RIVER deshalb vornehmlich ein physischer Film … dessen Ende in seiner griechischen Dramatik nicht nur leicht traumatisch ist, sondern sich ins absurde Amüsement des Films einreiht, und dessen Anfang, der etwas vom Rest des Films abgegrenzt steht, nahelegt – wenn denn Hsiao-Kangs Nackenschmerzen als Anzeichen der familiären Zerrüttung gesehen wird –, dass Familienleben ein bisschen dem Bad in einem dreckigen Fluss gleicht, dessen Geruch tausend Duschen nicht abbekommen.
Freitag 24.04.
großartig
Die Atmosphäre einer diktatorischen Säuberung wird mittels des Irrsinns eines Frisbees erzählt, der einen Vorhang fallen lässt, mit welchem Köpfe umschlungen und abgetrennt werden können. Ein Herrscher baut durch seinen rücksichtslosen Umgang mit seinen Untertanen eine ausgeprägte Angst vor Widerstand aus. Er lässt eine Waffe entwickeln, die aus dem Nichts töten kann, und eine kleine Gruppe in ihrem Umgang ausbilden. Doch schnell hat er genauso viel Angst vor seinem Terrorapparat, wie vor Rebellion und Staatsstreichen. Und deshalb sehen wir Leute, die wegen eines ihnen unbekannten surrenden Geräuschs in die Luft starren, bevor sie ihren Kopf verlieren. Wir sehen Leute in der Nacht, die anderen auflauern. Holzpuppen, die in einer Tour zum Training enthauptet werden. Einen Herrscher, der durch Fernrohre schaut und Spione durch Vorhänge befielt, um eine Aura der Allmacht zu erreichen. Und wir sehen wie die Geburt des Kinds des Helden (Chen Kuan-Tai), einer der Azubis, der letztendlich vor seinem Herrn fliehen muss, zu einem Kampf parallel montiert wird, in dem mal wieder zwei Köpfe abgetrennt werden. Denn THE FLYING GUILLOTINE nutzt seine Schauwerte gnadenlos aus und macht, was jeder hier sehen möchte: ein abstruses Instrument des Todes in Aktion zeigen.
Donnerstag 23.04.
großartig
Die Dramaturgie gleicht dem Spielen eines Videospiels. Ein affiger Typ (Hsiao Ho) versucht sich gegen eine Schutzgeld erpressende Mafia zur Wehr zu setzen. Sobald er besiegt (und Game Over) ist, versucht er es (nach einem Training) erneut und muss wieder bei den ersten Gegnern starten und sich hochkämpfen. Bis dann endlich der Endkampf erfolgreich bestritten ist, haben wir mehrere Anläufe hinter uns, was durchaus zu Abnutzungserscheinungen beim Zuschauer führen kann.
Dabei schafft es MAD MONKEY KUNG FU aber den Unterschied einem eigenen Rhythmus und der Kunst der Mimikry nachzufühlen. Geklammert wird der Film von zwei Niederlagen des Bösewichts Tuan (Lo Lieh). Erst ist er gegen Chen (Liu Chia-Liang selbst), dem späteren Meister des Affenjungen chancenlos, am Ende gegen diesen Schüler selbst. Dazwischen gibt es vor allem Nachahmung. Der Affenjunge ahmt die Bewegungen eines tatsächlichen Äffchens nach und dann den Affenstil seines Meisters. Die dynamischsten Sequenzen des Films sind dann auch diejenigen, in denen Monkey und Chen endlich Synchronität erreicht haben. Siegreich wird die Kopie aber erst, wenn sie eben aufhört wie Chen zu sein, sondern eine eigene Form des Angenommen findet.
Abzüge in der B-Note gibt es bei diesem vor allem in seinen Martial Arts-Sequenzen phantasiereichen und im brutalen Tod eines Äffchens emotional werdenden Films, in dem Schwestern von Hauptfiguren wie nebenher sterben, dafür, dass die immer wieder eingesetzten Tiefschläge im finalen Kampf ausbleiben. Taktisch und zum Spaß des Zuschauers werden sie über (fast) den gesamten Film eingesetzt. Der Affenjunge trainiert sogar einmal an der Beugung eines gespaltenen Baums. Es sieht aus, als ob er an einem riesigen Schritt steht und diesen malträtiert. Zum Schluss ist sich MAD MONKEY KUNG FU dann aber scheinbar zu fein für diese Vollendung des Affenstils.
Dienstag 21.04.
großartig +
Hierzu, zu diesem entspannten Fassbinder Film … oder doch diesem verbissenen Film der Lisa, etwas auf critic.de.
Montag 20.04.
großartig –
Ein wahrlich kierkegaardscher Film, der sich dem Problem aus DIE KRANKHEIT ZUM TODE annähert. Also dem Problem der Verzweiflung, nicht man selbst sein zu wollen … bzw. man selbst sein zu wollen (was nur ein semantischer Unterschied ist). Ein Playboybunny (Anna Faris) verlässt durch eine Intrige die Playboy Mansion und kommt in einer Studentenverbindung voller Außenseiter (u.a. Emma Stone & Kat Dennings) unter. Daraufhin sollen die wenig populären Frauen zu Bunnys aufgemotzt werden, während der Bunny irgendwann seinen Verstand pimpen möchte. Weil die Dialektik aus sich Treubleiben und sich Verbessern nicht festzustellen ist, wird sich einfach immer weiter verändert. Was am Ende bedeutet, dass THE HOUSE BUNNY aus unzähligen Montagen besteht. Montagen voller Hoffnung, die Enttäuschung bringen müssen. Ach ja, und witzig ist dieser von Verzweiflung handelnde Film auch.
Sonntag 19.04.
nichtssagend –
Der Kreislauf des Lebens: Unfähig, mit ihren Pflichten umzugehen, werden Männer in ihrer Jugend zu Potheads mit Slacker-Freunden. Aber durch Frauen werden sie verstehen, dass Hakuna Matata ihr Leben in ein Ödland verwandelt haben wird, das von Schuld bestimmt ist. Durch Paraden von Waffen-SS-Hyänen und den Verlust der protestantischen Ethik, d.h. der Prinzipien des Vaters, wird es sich manifestieren. Daraufhin werden sie den Platz des Vaters einnehmen und alles beginnt von Neuem.
Und das Unterwältigendste: Die Slacker, die Hyänen und der Shaolin-Mandrill (Lässigkeit, Wahnsinn und Bemühung) waren weit weniger präsent, als ich mich erinnerte.
gut +
Der Fall um eine ermordete Frau (Krista Posch), die jede Nacht um die Häuser zog, um dort in Rausch und Ekstase den Schmerz des Lebens zu bekämpfen, während ihr Mann (Karlheinz Hackl) zu Hause sitzt und auf sie wartete, wird in einem Modus der Unsicherheit erzählt. Phantasiebilder der Beziehung von außen stehen dabei fragilen Momenten eines sicheren heimischen Hafens entgegen. Die Frau, die zu einem musikalischen Thema die Nerven verliert und wieder läufig wird und die dann von einem Auto verfolgt in die heimische Sicherheit zurück möchte, aber unter die Räder kommt: Es sind reißerische Bilder, die sie durch eine enge moralische Brille betrachten, die Verkommenheit auf diese Frau projiziert. Erklärt wird sie lediglich über ihren Mann, wenn er verständnisvoll von ihr erzählt. Mal ist sie selbstbestimmtes Luder, mal, wenn sie nach einer harten Nacht fürsorglich von ihrem Mann bettfertig gemacht wird, hilfsbedürftige Verlorene. Der Mann steht wiederum des Öfteren bedröppelt da, nervt mit seiner weichlichen Fürsorge, wenn er wieder vor der Disco steht und auf ihre Heimkehr mit ihm hofft. Aber dann sind da auch die Momente, wenn er entschieden ist und plötzlich doch eine Linie zieht – immer nach außen, nicht zu seiner Frau. Und genau in dieser Unentschiedenheit findet NACHTS, ALS SIE NACH HAUSE LIEF einen ziemlich passenden Blick auf eine Ehe, die zwischen moralischer Projektion und Einstehen für sich, die zwischen Kampf und Niederlage pendelt. Gegen den Druck von außen und der von innen, der Druck der Ideologien von Männlichkeit und Weiblichkeit, von Ehe und Treue, der gegen die eigenen Begierden und Überzeugungen arbeitet, wird Unbestimmtheit gesetzt. Peinlich sind die beiden und doch Helden, die unausgegoren für sich kämpfen. Derrick ist der Einzige, der diese Liebe mit seinem wiedergewonnenen Blick auf die Seelen der Menschen erkennt und als Fakt hinnimmt. Wie ein Rettungsanker ist er für die Folge und die eigenwillig Liebenden.
Sonnabend 18.04.
verstrahlt –
Wenn das chinesische Kaiserreich nicht unter der Qing-Dynastie geendet hätte, wenn also nicht einer der wenigen Dynastien, die nicht von Han-Chinesen ausging, die Schuld für die Schmach gegeben werden könnte, dass eine Weltmacht in kürzester Zeit in der weltpolitischen Bedeutungslosigkeit versank, ob die Mandschu wohl auch so oft die Bösewichte in chinesischen Filmen hätten sein müssen, wenn es darum gehen sollte, sich gegen eine korrupte/diktatorische Staatsmacht per Kung-Fu zu wehren? Hier also wieder ein Film um die Zeit der (vll. stattgefunden habenden) Niederbrennung des Shaolintempels. Diesmal möchte die Mandschu-Staatsgewalt einen Keil zwischen Nord- und Süd-Shaolin treiben … und die buddhistischen Mönche transzendieren ihren Verstand sehr eigenwillig, in dem sie nämlich ihre Ratio wegfegen und völlig leidenschaftlich reagieren. Heißt: Die Mandschu haben leichtes Spiel, weil die Shaolin, wenn sie nachdenken, auch immer ein klein wenig verloren wirken.
INVINCIBLE SHAOLIN zieht damit hemmungslos eine Geschichte an den Haaren herbei, damit ehrenvolle Kämpfer sich über ihre Feindschaft hinweg Respekt zollen können. Frauenfiguren werden eingefügt, damit es am Ende jemanden gibt, der über das tragische wie heroische Dahinscheiden der vom Schicksal Hintergangenen weinen kann. Sinn und Verstand werden einer herben Männlichkeit umfassend untergeordnet. Die Liebe zwischen sich aneinander aufreibenden ist hier schlicht wertvoller, als eine Liebe der Harmonie.
Herz und Seele dieses Films liegt aber in den Trainingssequenzen, die ohne Tempel und damit ohne filmische Besserungsanstalt auskommen. Und Lo Meng stellt wiederum die Seele dieser Trainingssequenzen dar. Wenn seine Muskeln sich bis kurz vors Platzen aufplustern, wenn sein Gesicht unter der Anstrengung auseinandergeht und seine Augen vor Unglauben wie bei einer Comicfigur aus den Höhlen zu fallen drohen, dann stellt er der verschrobenen Körperunterwerfungsphantasie eine absurde Form anheim. Er allein schafft es, dass der implizite Hauch von LOONEY TUNES, der von all diesen Trainingsmontagen ausgeht, sehr explizit wird.
Freitag 17.04.
ok –
Nach den letzten Folgen, in denen Derrick sich langsam in die Senilität zu verabschieden drohte, wirkt DAS THEMA wie ein frischer Wind. Die Struktur ist mal wieder dergestalt, dass der Täter von Beginn an bekannt ist. Derrick ist also nicht der Agent unseres Rätselns, sondern wieder der strafende Gesetzeskörper von früher. Er erkennt den Täter mit dem ersten Blick und spielt nur ein Spiel … mit ihm und mit dem Teufel, mit dem er um die Seele eines eigentlich unbescholtenen Jungen gewettet zu haben scheint. Und hätte Weidenmann vll. mehr ausgespielt, dass Reinecker hier eine kleine Faustvariation angeht, wenn er nicht so oft den wissenden Derrick zeigen würde, der nur auf die richtige Entscheidung wartet, wenn er eben ein wenig Ambition gehabt hätte, mehr als einen eine lediglich versöhnliche moralische Geschichte zu drehen, dann hätte dies mehr als der etwas dröge Aufguss sein können.
Kleine Nebenbemerkung: Niemand kann des Reinecker-Sprech so schön wie Richy Müller. Eigentlich müsste er in jeder Folge den Dialogen diese romantische Aureole verpassen, die er den Worten mitzugeben vermag. Und dass selbst, wenn er wie hier einen oberflächlich berechnenden Bösewicht spielt.
Donnerstag 16.04.
gut
Die erste Hälfte, wenn Lilo als Problemkind mit einem knuffigen Monster gleichgesetzt wird, wenn sie morbide Dinge tut und ihr Avatar Stitch 50er Jahre Monsterfilme nachspielt, weil er nicht tatsächlich zerstören kann, obwohl er doch so gerne möchte, mag ich mehr, als die zweite, wo all das fallen gelassen wird, weil Glück mit diesen Dingen scheinbar nicht möglich ist, und LILO AND STITCH zum sonnigen Familienalbum wird. Die Effektivität des sich entwickelnden Tearjerkers ist aber trotzdem beeindruckend … zumindest bei der ersten Sichtung.
großartig +
Die Struktur einer von einem Dritten umkreiste Beziehung, die REBELS OF THE NEON GOD ausmachte, findet auch in Tsai Ming-Liangs zweitem Kinofilm Anwendung. Nur ist die Liebesgeschichte zwischen Ah-jung (Chen Chao-jung) – oder ist es doch Ah-Tze – und Immobilienmaklerin May Lin (Yang Kuei-mei) noch weniger eine Liebesgeschichte, sondern lediglich ein Two-Night-Stand. Wobei die Anonymität noch gesteigert wird, da die Handlungsorte nicht mehr Spielhallen, überfüllte Seminarräume, defekte Wohnungen und Hotels sind, sondern unbewohnte Wohnungen. Weiße, leere Wände überall … und nur die rudimentärste Einrichtung.
Hsiao-Kang (Lee Kang-sheng) – weiterhin der dritte im Bunde – und Ah-jung teilen sich ungewollte ein leerstehendes Apartment. Sie können sich keine eigene Wohnung leisten und haben sich von May-Lin die Schlüssel zu ihrem Objekt geteilt. Nah sind sie einander, aber ihre Beziehung bleibt leer wie die Wohnung. Die drei Figuren finden vor allem keinen Weg miteinander zu kommunizieren. Das Scheitern wird in den Trollanrufen An-jungs bei May Lin am deutlichsten. Sex und Geschäftstalk bleiben die einzigen Möglichkeiten des Austausches. Wir sehen auch alle drei ihren Geschäften nachgehen. May Lin wird aber keine Wohnungen loswerden, Ah-jung keine Kleider auf der Straße verkaufen, Hsiao-Kang keine Ascheurnen – jedenfalls nicht, solange wir dabei sind. Leere und keine Erfüllung überall.
Das Schönste ist aber, dass die Leere nicht als negative Kraft gezeigt wird. Der Film endet mit minutenlangem Weinen, aber doch ist dort auch immer Hoffnung. Das Bowling in der Leeren Wohnung mit einer Melone – die erste prominent eingesetzte Melone des Hsiao-Kang-Zyklus – oder das Anprobieren von Frauensachen: Die Leere ist auch immer Chance, in der sich ausprobiert werden kann, in der gespielt werden kann. Sie leben eben auch ohne sie einengende Definitionen. Und so ist die Leere eben nicht positiv, noch negativ, sondern eben der Modus des Existierens von drei Leuten, die nicht anfangen, wo die anderen beginnen, sondern die jede Menge leeren Raum um sich haben.
Mittwoch 15.04.
großartig –
Eine kleine Auswahl von alten Disneyfilmen in kurzer Zeit zu gucken, führt in den Vorspännen schön vor, wie Wolfgang Reitherman langsam aufsteigt. Hier ist er in der von mir und Lotti Z. (4 Jahre) in Angesicht von Corona und Urlaub durchgeführten kleinen Retro oben auf dem Regiestuhl angekommen … und es ist gleich der bisher beste der Prä-80er Filme. Am besten gefällt mir dabei das, was mir laut Sehtagebuch bei der letzten Sichtung am wenigsten gefiel. Wenn ROBIN HOOD ein Gefühl von Konsequenz entwickelt und nach all dem Schabernack, den Robin Hood mit Prinz John spielt, in bedrückende Farben, wahnhafte Verbitterung und Trauer umschlägt, da der frustrierte Prinz John beim Volk die Daumenschrauben anzieht. Dass bei dieser Eskalationskette – Prinz John wird geärgert, weil er niederträchtig ist, was ihn nur niederträchtiger macht – überhaupt ein Happy End möglich ist, dafür muss dann schon unvermittelt König Löwenherz aus dem Hut gezaubert werden…
Dienstag 14.04.
ok –
Am schönsten ist SLUGS, wenn er seine Versprechen einhält. They Slime. They Oooze. They Kill, lautet die Tagline des Films. Und wenn schleimige Killer einen Sex, Verwahrlosung, Armut, Alkohol und Niedertracht bestrafenden Glitschteppich bilden, dann macht dieser einen riesen Spaß. Tatsächlich überwiegt zusehends aber das zweite Interesse des Films: eine Gesellschaft zu porträtieren, deren Institutionen zersplittert und handlungsunfähig sind. Manchmal wird versucht dies mit Korruption zu verquicken, aber oft läuft es einfach darauf hinaus, dass unser Held viel planen muss. Und so plant er und recherchiert und plant. … aber der Silberstreifen am Horizont ist, dass all dieses ernste Planen final – ohne dass der Film moralische Skrupel einbauen würde – eine halbe Stadt zerstört … wenn das Planen wieder der Aktion Platz macht.
Montag 13.04.
nichtssagend –
Anna und Elsa sollen FROZEN II wieder in zwei widerstreitende Hälften teilen, doch es wird keine passende Geschichte gefunden, die das Vehikel dafür sein könnte. Die Teilung läuft beständig ins Leere. Dazu wird Christoph (love interest des ersten Teils) mitgeschleppt und darf einen romantischen Nebenplot erzählen, dessen Thema – Unbeholfen- und Unsicherheit – auch im restlichen Film kaum Resonanz findet. Und dann ist da noch Schneemann Olaf, der dem manchmal gar prächtigen Herbstlichen des diesmal durchaus etwas schöner anzusehenden Films zwanghaft das Thema des Wandels andichten muss … ohne, es war zu ahnen, dass es Fuß fassen würde. Vieles nimmt sich FROZEN II vor und erzählt an dem Thema der Schuld vorbei, dass irgendwo in ihm zu finden ist, wenn man all den Fanservice an den ersten Teil abschaben würde. Aber weder wird er dadurch unordentlich, noch vieldeutig, weder polymorph interessant, noch fahrig. Es geschieht halt hier und da etwas. Viel wird gesungen, viel mit den Elementen gekämpft, aber am Ende ist der Song Christophs am bezeichnendsten, dass ihn in Liebeskummer schwelgen lässt und als postironisch ironisches 80er Jahrepowerballadenmusikvideo im Wald steht. Scheinbar reicht es hier, sich (im Uncoolen) cool zu fühlen.
großartig +
FALLEN ANGELS handelt von Leuten, die im Neondschungel Nähe nur noch über Fiktionen und Illusionen erleben können, über Verhältnisse, in denen aneinander vorbeigelebt wird. Die gefallenen Engel befinden sich in einem Limbus totaler Emotion, die sie fast einfriert und von denen trennt, von welchen sie Nähe wollen. Diese Art von Trennung und aneinander Vorbeileben, wo der Körper wie eine unüberwindliche Grenze wirkt, in dem Gefühle eingesperrt sind und sich nur über verquere Wege Bahn brechen, wird auch von REBELS OF THE NEON GOD bedient. Zu Wong Kar-Wais Film unterscheidet er sich aber fundamental und wirkt wie sein Spiegelbild.
Vom schlingernden Verhältnis zwischen Ah-Tze (Chen Chao-jung) und Ah-Kuei (Wang Yu-Wen) wird erzählt, und davon wie sie von Hsiao-Kang (Lee Kang-sheng) umkreist werden. Es sind zwei parallele, nur leicht verwobene Geschichten, die sich im Scheitern verwirklichen. Zwei Liebesgeschichten, die von kleinen (autoaggressiven) Sadismen gekennzeichnet sind. Ah-Kuei säuft sich beim ersten Date ohnmächtig, Ah-Tze versetzt sie das nächste Mal, Ah-Kuei rächt sich, indem sie sich das nächste Mal mit jemand anderem trifft. Und Hsiao-Kang vandaliert Ah-Tzes Motorrad – und erfreut sich am Schmerz des ihn nicht nur Verschmähenden, sondern auch nicht Wahrnehmenden.
Letzteres ist einer der wenigen Gefühlsausbrüche der drei jungen Leute, die mit Diebstahl, Jobben auf der Bowlingbahn und mit dem Durchbringen der Studiengebühren der Eltern ziellos und mit minimalem Aufwand durchs Leben schlurfen. Und oft sehen wir sie auch, wie sie motorisiert oder laufen sich bewegen. Lakonisch folgt der Film den dreien, die lakonisch vor sich hin existieren. Karger ist Tsai Ming-liangs Ansatz, viel weniger verspielt, barock und vor allem sentimental als FALLEN ANGELS. Da wo Wong Kar-Wai alles mit Musik, Farben und Verfremdungen vollstellt und das Innenleben seiner Protagonisten mit ihren grellen Wahrnehmungen nach außen kehrt, da ist REBELS OF THE NEON GOD an den Oberflächen interessiert. Beide Filme sind direkt, aber beide auf eine gänzlich andere Weise. Der eine nähert sich ihren Gefühlen direkt, der andere den Oberflächen, unter denen sie weggesperrt sind.
Und schon bei seinem ersten Kinofilm erzählt Mai Tsing-Liang mittels Zeichen, die sein Werk durchziehen. Hier sind es Wasser – sein Markenzeichen –, Pornos – später werden sie durch Prostitution ergänzt oder ganz ersetzte –, und ein Hyperrealismus, der der durch ihn abgebildeten Tristesse fast schon albern nähert und den ein dünnes surreales Gewebe durchzieht. So wird Ah-Tzes Gemütslage von der Überschwemmung kommentiert, die den Hausflur seiner Wohnung durch einen verstopften Abfluss versumpft. Entsprechend den Entwicklungen löst sie sich und kommt wieder. REBELS OF THE NEON GOD wird dadurch all diese Mittel nicht unbedingt bunter, aber haptisch. Es braucht eben keine Gefühlsausbrüche, um das Zucken der inneren Meere hier zu fühlen. Da wo Wong Kar-Wai unsere Sinne angreift, um in uns einzudringen, da pflanzt Tsai Ming-Liang Ahnungen wie Keime, die in der Phantasie aufgehen.
verstrahlt
Die Geschichte der 13 (Adoptiv-)Söhne eines Shatao-Warlords und Vasallen der im Abstieg befindlichen Tang-Dynastie ist tatsächlich die Geschichte von vier Söhnen. Schon im Vorspann werden einige einzeln präsentiert, während andere in Dreiergruppen abgespeist werden – grob gesagt. Im Mittelpunkt stehen die Vorzeigesöhne Li Cunxiao (David Chiang) und Shi Jingsi (Ti Lung) sowie die im Laufe des Filmes zu Verrätern Werdenden – vornehmlich aus Neid auf die Erstgenannten – Li Cunxin (James Nam) und Kang Chunli (Wang Chung).
Aus der Sicht ihres Verhältnisses bilden Exposition, Hauptteil und Schluss durchaus eine rote Linie. Zuerst das Heldentum von David Chiang und Ti Lung, dann eine Mission, die zum Bruch führt, weil die anderen Söhne nicht ins Rampenlicht dürfen … und auch gar nicht dafür taugen. Und dann eben der Verrat, der zu einem Blutbad unter den Söhnen führt. Aber THE HEROIC ONES (bzw. buchstäblich aus dem Mandarin übersetzt DIE 13 IMPOSANTEN PROTEKTOREN) interessiert sich nicht wirklich für diese Entwicklung, sondern für Suff, Blut, Heldentode und die bitteren Höhen von Schicksalsschlägen, für melancholische Männlichkeit. Der Effekt ist, dass der Film eine gewisse Einheit ergibt, aber auch völlig auseinanderfällt.
Die Exposition besteht aus einem Saufgelage, in dem Li Keyong (Ku Feng) und seine Söhne den korrupten han-chinesischen Beamten eine herbe Männlichkeit entgegensetzen. Alkohol trinken diese Barbaren des Turkvolks der Shatao nur aus riesigen Hörnern, die durch ihre Biegung erst abgestellt werden können, wenn sie wieder leer sind – gern gesehen ist auch, dass sich die Hälfte des Inhalts über den Trinkenden ergießt. Der Formalität ihrer um Hilfe bittenden Gäste begegnen sie vorlaut, grölend, körperbetont. Und unbesiegbar geltende Kämpfer werden von ihnen besoffen und wie nebenbei in die Knie gezwungen. Von diesem Exzess wird während des Rests des Films aber fast jede Spur verloren sein. Strategisch werden sie agieren. Und wenn sie ihren Strategien nicht folgen, werden Niederlagen folgen. Vll. ist dieser Auftakt nur Spiel, um ihre beängstigende Macht zu etablieren, nicht für uns, sondern für Gegner und (vermeintlich) Verbündete.
Eine tragische Liebesgeschichte wird flüchtig wie zynisch eingewoben. Sie ist nur da um Tod und Schmerz zu bringen. Die verschiedenen makropolitischen Streifzüge und Intrigen, wie die innerfamiliären Zwistigkeiten bleiben grobes Patchwork, dessen Ziel es ist, den sich an Schmerz aufgeilenden Kampf gegen eine Übermacht und zwischen den Söhnen vorzubereiten und hinauszuzögern – denn nichts ist schön, was wir sofort haben können. Anders als in THE WILD BUNCH erhebt sich der Fatalismus des finalen Blutbades aber nicht aus einem größeren Grund. Unsere Hauptfiguren werden nicht als überlebt und ohne Platz in einer sich ändernden Welt dargestellt. Kein Schleier liegt über dem Fetisch dieses Films, der darin besteht, dass Heroik sich hier eben nicht im Erfolg findet, sondern in Leid und einem brutalen Tod, im Märtyrertod, der einer verkommenen Welt abgerungen wird. Und weil er alles so offen und unverstellt aufbahrt und doch sehr unrund läuft, wird er ein sehr brüchiges Lustobjekt.
Sonntag 12.04.
ok
Vll. so etwas wie die Vorbereitung auf die True-Life Adventures-Serie, welche Disney nach dem Zweiten Weltkrieg ins Rennen schickte. Die Geschichte von BAMBI ist hauchdünn und beschränkt sich im Grunde auf das, was wir eh schon durch seinen Ruf kennen: Bambi wird geboren – Bambi lernt den Wald kennen – Bambis Mutter stirbt – Bambi muss tough werden und ein Rehbockmacho, wie sein Vater – er rettet alle vor Jägern und einem Brand, den Camper verursachen. Es bleiben aber nur Eckpfeiler, die einen Film aufrechthalten, in dem es um die Erfahrung der Natur zu verschiedenen Jahreszeiten geht. Nur ist sie hier eben noch gezeichnet und keine Dokumentation – und damit noch etwas mehr einer romantischen Naturerfahrung verbunden, als die kommende Wissens- und Staunenvermittlung.
gut –
Dass sich THE OLD MILL als Bonus auf der DVD von BAMBI befindet ist passend, da er zwar unter dem Banner der SILLY SYMPHONIES läuft, aber die Momente von rhythmisierter Albernheit halten sich zurück. Die Bewohner einer alten, auf den ersten Blick gruselig wirkenden Mühle werden untersucht und damit der Grusel entzaubert. Platz macht er der Epik der Natur und der Schönheit des Verfalls. Weshalb dieser Kurzfilm eben wie eine Vorbereitung auf die Vorbereitung der True-Life Adventures-Serie wirkt.
großartig
Zu diesem Familienfilm, der sein Ziel – Beschaulichkeit – mit allen Mitteln erreichen möchte, gibt es von mir etwas auf critic.de.
Sonnabend 11.04.
ok –
Wahrscheinlich war es nicht schön für Sabrina Z. diesen Film mit mir zu schauen, weil ich sie ständig darauf aufmerksam machte, wenn wieder Aschenputtels Füße im Bild waren und ihre Unfähigkeit, Schuhe an sich zu behalten, etabliert wird. Oder wenn wieder thematisiert wird, dass alles Gute nur ein Traum ist.
großartig –
Vor zweieinhalb Jahren habe ich die Kritik von Dietmar Dath zu MY LITTLE PONY (Film wie Serie) gelesen und war sehr neugierig. Lotti Z. (4 Jahre) habe ich nun zuletzt, als die Serie für uns zugänglich war, etwas in die Richtung gepresst und tatsächlich hat sie angebissen. Sie mag die Serie sehr … und ich kann sie mitschauen. Und was soll ich sagen, ich bin nun auch ein Brony. Der Osterhase hat uns deshalb ein sehr schönes Vorostergeschenk in den Strauch gelegt.
fantastisch –
Abzüge in der B-Note, weil die Mutter, die ihren Sohn (Shih Chun, weitestgehend unsere Hauptfigur) unter die Haube bringen und zu einer Karriere drängen möchte, aus dem Film verschwindet. Dass also die meditative, in den Momenten verweilende Ruhe, die statt die Geschichte zu rationalisieren und aufs Nötigste zu beschränken, jeden Augenblick auskostet, lieber nochmal Vögel aufschreckt und im Genuss kleinster Verschiebungen zerfließt, absolut wird, dass es nur noch um die Realität als Trip geht, und weniger um das Alberne und den Spaß.
Freitag 10.04.
ok +
Lotti Z. (4 Jahre) mag vor allem das Ende, wenn die Meerhexe besiegt und endlich alles Harmonie ist. Filmschauen: der lange Weg, dass der Stress des Erlebens endlich aufhört. Oder umgedreht – Leben: acquired taste.
gut +
Ein bisschen ist es wie bei KIKIS KLEINER LIEFERSERVICE. Der zweite Zusammenschnitt der PIPPI LANGSTRUMPF-Serie wird noch weniger erzählerischen Zusammenhalt bieten. Es geschehen Dinge, als fliegen Erinnerungen vorbei. Nur sind diese eben flüchtiger und eigentlich nur noch Anekdoten.
großartig –
Mit straffer Erzählökonomie und sehr viel Mut zu Ellipsen – schon der Beginn versetzt uns Mitten in die Zerstörung des Shaolin Tempels, als ob wir nach einer Werbepause einen schon laufenden Film weiterschauen würden – erschafft Chang Cheh die Magie der Freundschaft. Was wiederrum beim Entwurf des deutschen Titels als Unnötig empfunden wurde. Die Geschichte von Fang Shih-Yu (Chen Kuan-tai) und Hung Hsi-kuan (Alexander Fu Sheng), deren Namen den chinesischen Titel ausmachen – im Englischen zu HEROS TWO zusammengefasst wurde –, besteht vor allem aus ihrer Anziehungskraft. Wobei die Ellipsen wirken, als könne die Freundschaft es nicht erwarten sich zu verwirklichen. Wir werden zu den schicksalhaften Punkten geworfen, weil alles andere unwichtig ist. Der eine flieht, vor den Häschern der Qing-Dynastie, der andere läuft vergnügt eine Straße entlang. Wie zwei massereiche Kugeln beeinflussen sie ihre Laufbahn, umkreisen sich und werden eins. Sie treffen aufeinander, sie halten sich für Widersacher, sie werden Schicksalsgefährten. Der Verbissene und der Lockere, sie werden von einer Mauer getrennt zu sehen sein, was sie fast verzweifeln lässt, und sie werden, sobald sie sich wahrhaft ansichtig werden, ein Paar fürs Leben sein.
Mittwoch 08.04.
gut +
Auch ein Film über Sichtbarkeit. Die einzige tatsächlichen Afroamerikaner des Films sind die Hilfsarbeiter des Zirkus‘, welche das Zelt in der Nacht in strömendem Regen aufbauen. Keiner von ihnen bekommt ein Gesicht – als einzige im gesamten Film. Sie bleiben Schemen in der Nacht. Die Raben hingegen, Klischees, die nur aus Jive und Jazz bestehen – und die zudem die Einzigen sind, die über ihre Hänseleien hinwegkommen und Mitleid entwickeln –, sie sind zentrale Figuren des Films. Weil sie grell sind und überzogen und weil sie als Klischees eingeordnet werden können … womit sie nicht zu übersehen sind. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, offenbart er durch seine Sichtbarkeitspolitik diejenige seiner Zeit.
großartig
Sechs Freundinnen steigen in eine klaffende Spalte mitten im Nirgendwo der Appalachen und suchen Gemeinschaft, Abenteuer und neue Domänen, finden aber in dem engen, feuchten Höhlensystem ohne Ausweg neue Traumta, statt dass die alten verarbeitet werden. Wenn ich mich so umlese, findet besonders der langsame Aufbau Anklang, der den Überlebenskampf gegen blinde menschenartige Wesen – evolutionäre Abzweigungen Richtung Fledermaus und Raubtier – lange hinauszögert. Tatsächlich war der größte Terror für mich Klaustrophobiker aber der enge Tunnel, der für eine Strecke von ca. 100 Meter nur den nötigsten Platz zum durchkriechen bot. Danach war der Überlebenskampf – im besten Fall bar jeder darüber hinausreichenden Erzählung – alles ein Kuchenstücken zum Entspannen.
Sonntag 05.04.
gut
Der wunderschönste aller Drei Stooges-Filme.
verstrahlt –
Die Geschichte ergibt im Vergleich zur Kinofassung der Version von 1946 durchaus Sinn, aber wieder geht es nicht darum. Den Versuch, die Stilsicherheit von Hawks Vorgänger zu halten, geht THE BIG SLEEP unter Michael Winners Regie erst gar nicht nach. Der Verlust des Schwarzweiß, sprich die Verwendung von Farbe scheinen ebenso wie die Möglichkeit zu mehr Explizität in den 70er Jahre die Affektmomente in den Mittelpunkt zu schieben. Sex, Blut und der Schock im Angesicht von ihnen leuchten aus dem Kampf eines alten Mannes, um den Erhalt seiner Professionalität, und dem Wirrwarr der Handlung heraus, wie Katzenaugen aus der Nacht.
Sonnabend 04.04.
fantastisch –
Das Flattern von Kleidern im Wind oder der Angriff von Krähen sind die eigentlichen Mittelpunkte von KIKIS KLEINER LIEFERSERVICE. Fast schon mikroskopisch kleine Dinge werden in ihrer optischen wie auditiven Aufarbeitung zu dem, was einem von dem Film bleibt. Statt dem Rationalen wird sich dem Erfahren zugewandt – weshalb diese Ansammlung von Ereignissen, die kaum eine Erzählung ausmachen, einem Nachmittag gleichem, bei dem ins Nichts gestarrt wird.
Kiki bricht mit 13 auf, um nach Hexenart in einer eigenen Stadt ohne Eltern Fuß zu fassen. In der Steampunkwelt einer Heidelbergverträumtheit, die aber doch schon zu modern für Hexen ist, muss sie sich neu erfinden. Was KIKIS KLEINER LIEFERSERVICE nicht zu einer Heldengeschichte macht, sondern zu einer Suche ohne Abschluss. Gefangen zwischen neu und alt, zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Veraltung und Zeitlosigkeit werden nur Artefakte einer Geschichte gefunden, die kein gerahmtes Bild ergeben, wie Kikis Erwachsenwerden noch zu keiner festen Identität führt, sondern zu Möglichkeiten.
Lotti Z. (4 Jahre) fragte mich auch wiederholt, was Kiki denkt – was mich mit der Nase darauf stieß, dass wir Kiki sehr oft beim Nachdenken sehen. Dass eben ihr Handeln im Angesicht ihrer Liebe zu Tombo nicht uneingeschränkt nachvollziehbar – erst ist sie sauer auf ihn, weil er ihr Avancen macht, dann weil er sich mit anderen Mädchen auch nur unterhält uswusf. –, dass der (zwischenzeitliche) Verlust ihrer Hexenkräfte und ihrer Fähigkeit mit ihrem Kater Jiji zu reden nicht mit klaren Kausalitätsketten versehen wird, dass all die ungeklärten Geschehnisse mit all ihren Implikationen nicht nur uns rätseln lassen, sondern auch Kiki selbst.
großartig
Am Ende ist der Mörder derjenige Hausbewohner, der uns nicht wie seine Mitmieter ständig als Täter angeboten, sondern die zweite Hälfte der Folge völlig versteckt wird. Nichts Außergewöhnliches so gesehen. Doch so froh wie die Anderen sind, dass es einen Überführten gibt – selbst wenn es ein falscher Geständiger ist –, weist auf die eigentliche Problemlage der Folge. Vor den ersten Stufen eines Treppenhauses liegt eine vergewaltigte wie tote junge Frau (Jeannine Burch). Und EIN OBJEKT DER BEGIERDE hat einen riesigen Spaß daran, ein Haus voller Trüblinge aufzufahren, die beim Anblick der aufreizenden Karoline – BH-los hüpft sie ins Haus – völlig unzurechnungsfähig werden. Sie fangen an ihre Müllsäcke sinnlich zu streicheln, sie machen sich wie Kinder freuend Schampus auf, weil sie der Meinung sind, ein Bonbon sei in Greifweite auftaucht, sie kommen aus ihren Wohnungen gekrochen und lauschen, sie holen sich zu kursierenden Nacktbildern, auf denen selbstverständlich ihr Körper nackt, ihr Gesicht aber bedeckt ist, einen runter – tatsächlich ist es die direkteste Darstellung von Masturbation in dieser Serie, die ich bisher kenne. Der Tonschnitt lässt dabei die Klangkulissen vorherigen Szenen/Wohnungen, in die nächste hallen – weshalb Karolines Verlassen der Wohnung, wo sie Englischnachhilfe bekommt, vom dreckigen Lachen begleitet wird, dass sich nebenan auf ihren baldigen Anblick (und vll. mehr) freut, oder weshalb Joe Cockers YOU ARE SO BEAUTIFUL zur schmerzlichen Hymne der Hilflosigkeit im Angesicht der Lust aller Beteiligten wird. Männliche Sexualität wird so zur grenzenlosen Bedrohung stilisiert. Nirgendwo wäre Karoline in Sicherheit gewesen. Was EIN OBJEKT DER BEGIERDE sicherlich wieder zu einer apokalyptischen Folge in einer verkommenen Welt macht, aber dabei die Fratzen dieses Alptraums so absurd, lächerlich und kläglich zeichnet, dass die entstehende Trunst eine riesige Freude ist.
Freitag 03.04.
verstrahlt +
Mehr zu diesem virtuosen Film darüber, wenn mal wieder nichts funktionieren will, gibt es auf critic.de.
Donnerstag 02.04.
ok +
Das Yin und Yang von SHADOW sind der trübe Historienpolitthriller und die überdrehte Seifenoper, die als duale, entgegengesetzte Stile zu einem Ganzen ergänzen. Auf der einen Seite also das Grau in Grau – starke Kontraste sind ebenso die Ausnahme wie ausdrucksstarke Farben –, das die politischen Intrigen von Zhangs DER FLUCH DER GOLDENEN BLUME etwas uninspiriert um ein Yin und Yang-Thema variiert, das tatsächlich ein Trojanisches Pferd auffährt, um die allgegenwärtigen Hinterhalte auch noch so offensichtlich wie möglich symbolisch auf die Leinwand zu bringen, das dafür mit schönen Actionsequenzen um Leute, die zwischen zwei Eisenregenschirmen die Straßen einer zu erobernden Stadt hinunterrutschen, anreichert, und das SHADOW aktiv an den Nerven zehren lässt, und auf der anderen Seite die Vertrashung dieser Bedeutungsschwere durch immer wieder aufblitzenden Wahnwitz, wo beispielsweise musikalische Zitterduelle zu tatsächlichen Kämpfen parallelmontiert werden und der Ernst des Vortrags sich selber in den Schwanz beißt, wo also passiv doch wieder etwas gerettet wird.
Mittwoch 01.04.
gut
Nebenschauplatz: Im Zuge der aufkommenden Langstrumpfaffinität meiner Tochter habe ich bei wikipedia mal geschaut, was aus Inger Nilsson, der Darstellerin von Pippi, so geworden ist. Sowohl bei dem Artikel zu Pippi Langstrumpf als auch in ihrem findet sich ein Bild, wie sie 13-jährig in Verkleidung vor einem Publikum steht. Beide Male offenbaren ihre Brüste am deutlichsten, dass sie nicht mehr das kleine Mädchen von früher war, dass die Kostümierung nicht mehr ganz angebracht war. Seitdem frage ich mich, ob die kommenden Liebhaber oder Liebhaberinnen sie auch mal fragten, ob sie für Rollenspiele ihre alte Verkleidung anziehen könnte. Oder besser gesagt, weil das wohl als sicher anzunehmen ist, ob sie es dann auch gemacht hat.
fantastisch –
Ein supereleganter Heistmovie, dessen minutiös durchgeführten Raubzüge in der Gleichgültigkeit eines buddhistischen Klosters ins Alberne reichen, und ein Politikthriller, dessen Schachzüge bei der Nachfolgesuche eines Abts sich einen Spaß daraus macht, den oberflächlichen Buddhismus der Mönche mit Weltlichkeit – Machtgier in den aus den Augen sprechenden Überlegungen und Lust in abstrusen Betszenen vor der Kulisse eines Wasserfalls mit halbnackten Frauen – zu beschmutzen. Eine meditative Komödie.
März
Dienstag 31.03.
gut
Durch den Vergleich mit der vor einer Woche gesehenen Hongkongversion, die um ca. eine halbe Stunde gekürzt war, mit dieser nun kompletteren Version, die in einer lückenhaften deutschen Synchro vorlag und bei Fehlstellen auf die englische Synchro zurückgriff wird einem die Möglichkeit gegeben zu eruieren, was wem wo störte. Da wo die deutschen Verleiher die Schere bei der Handlung und bei Dialogen ansetzten, fehlten in Hongkong die explizitesten Hinweise auf Sex, (Zwangs-)Prostitution und auf alle Gangster, die damit zusammenhängen.
Ansonsten bestimmt CHINATOWN KID eine JUSTINE/JULIETTE-artige Gegenbewegung zweier junger Männer, die erst nach Hongkong und dann nach San Francisco flüchten. Beide arbeiten sie hart. Der eine hat damit in Hongkong Erfolg, während der andere sich dort umsonst anstrengt. In San Francisco wendet sich aber das Blatt, wo Ehrlichkeit einen nur an die Nadel bringt. Mit dem beständigen Stoßen ihrer Köpfe gegen die Decke ihres viel zu kleinen Zimmers und der unerfüllten Sehnsucht nach dem funktionellen Statussymbol Uhr, mit stets wechselnden Gegenspielern aus der Gangsterwelt, deren glamouröses Leben sie schnell auf der Strecke bleiben lässt, mit eingestreuten San Francisco-Ansichtsaufnahmen zwischen den nicht ganz so wertigen Studiostraßenaufnahmen erzählt CHINATOWN KID von verlockenden Oberflächen und den vergeblichen Schufterei, die einen doch nie an das ersehnte Ziel führen – selbst wenn der Drogenhandel in Chinatown von den beiden unbesiegbar und im Alleingang abwürgt wird.
Am desillusioniertesten ist der Film aber, wenn er nach einem neuen Bruce Lee sucht und sich umständlich durch die vielen angestoßenen Themen- und Handlungskomplexe müht.
Montag 30.03.
ok
Im Prequel zu DIE GNADENLOSEN FÜNF (SHAO LIN WU ZU) wird das Leben im Shaolintempel gezeigt, wie es (vor allem danach) Usus war: Würdig erweisen, auftragen und polieren, Superheldenkräfte durch Schindung des Körpers. Neben den gnadenlosen Fünf (ua. Ti Lung & David Chiang) geht es aber noch um unterschiedliche andere Figuren, die auch mit ihrer Ausbildung beginnen … wodurch ein Wust an Ausbildungspraktiken entsteht, die nicht als Montage komprimiert werden, sondern den ganzen Film ausmachen. Alles ist Vorbereitung … auf eine ebenso wustige Schlacht, wo der Antagonist die Grazie eines wütenden Shaquille O’Neal hat.
Sonntag 29.03.
ok
Auf der einen Seite ein Krimi um die Freundin (Esther Hausmann) eines Zuhälters, die ihrer Nachfolgerin in spe – eine Osteuropäerin, der noch nicht klar ist, dass sie für die Prostitution angeworben wurde und dass der Zuhälter darüber hinaus Gefallen an ihr gefunden hat – zur Flucht verhilft und die ihren Freund (Sven-Eric Bechtolf) ermordet, als dieser sie zur Rede stellt. Dessen Compagnons (Michael Zittel & Christian Berkel) jagen die nun Flüchtige, die zu viel Angst hat, sich bei der Polizei zu melden. Es ist die Geschichte von Leuten, die immer die dummmöglichste Entscheidung treffen, damit die Geschichte so ablaufen kann, wie das Drehbuch das gerne möchte. Mitunter geschehen dabei Dinge, wie die Flucht durch einen Hinterausgang, worauf der Schnitt zu den Verfolgern folgt, denen just in diesem Moment einfällt, dass es einen Hinterausgang geben kann. Fast grenzt es an episches Theater, wie sehr auf die Konstruktion des (ziemlich tristen) Ganzen gewiesen wird.
Auf der anderen Seite die Geschichte eines jungen Mannes (Philipp Brammer), der kurz nach dem Abitur immer noch in seinem Tristkindsein feststeckt und der in DIE NACHT MIT ARIANE eine Nacht mit Ariane verbringt. Er rettet sie eher unfreiwillig vor ihren Verfolgern und versteckt sie in der elterlichen Villa. Sie ist noch aufdringlicher als eine Freundin, die sich ihm auch schon ziemlich an den Hals geworfen hatte, und schafft es ihn (mutmaßlich) zu entjungfern, romantische Gefühle in ihm, der durch die Körperlichkeit gleich ihm siebten Himmel schwebt, zu wecken und gleich in der ersten Nacht seine Illusionen von der Liebe und von sich ins Leere laufen zu lassen. In ihm, in diesem Tristjünglein und seiner hundeäugigen Desillusion findet diese Folge doch etwas Gutes, Wahres und Schönes.
gut +
Ein Film, der mich in meiner Kindheit mit DELIVERANCE und Jason Voorhees vertraut machte. Bzw. der die Kleinen im Allgemeinen auf ein Leben in der Postmoderne vorbereitet. Mehr dazu bei https://www.critic.de/film/tiny-toons-abenteuer-total-verrueckte-ferien-14368/?fbclid=IwAR1nR_3WDJi9seK7syhU7jSV_1TUqFO6QCFnddAFnLtab6oo8GqClWzyOcw.
Sonnabend 28.03.
großartig –
Eine noch unbedeutendere Randnotiz, als es der Rest in diesem Sehtagebuch ist: Eines der wenigen Mega Drive-Spiele, die ich in meiner Kindheit/Jungend durchspielte, war, ALADDIN. Das Spiel zu diesem Film. Spiele zu Filmen, Comics und Serien waren zu dieser Zeit zumeist die Pest. Schlimme Geldschneidereien mit großen Namen … und ALADDIN die Ausnahme von der Regel. Die Level folgen nicht nur der Handlung, sondern zeichnen sich durch viele kleine und große Anspielungen aus. Wenn ich nun, nach Jahren der Abstinenz, diesen Film sehen, dann durchlaufe ich auch dieses Spiel wieder. Hüpfe über Flamingo und flüchte vor der Lava. Ich bin wirklich knapp davor, Teile meiner knappe Zeit durch das Starten eines Emulators zu füllen…
fantastisch –
Ein Schriftgelehrter (Shih Chun) bekommt den Auftrag eine Sutra zu kopieren und soll deshalb den Berater (Tung Lin) eines Generals aufsuchen, der ihm eine ruhige Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung stellen soll. Die ersten zwanzig Minuten sehen wir Wald und unseren Hauptdarsteller wandern. Hier und da fragt er nach dem Weg, aber sonst spricht niemand, sonst passiert nichts. Wenn er angekommen ist, folgt nach einer kurzen Übergangsphase Hektik, wildes Reden, alberne Scherze. Die Sensibilitäten zweier neuer Wellen finden sich hier. Das kommende New Taiwanese Cinema kündigt sich ebenso an, wie das bald boomende Hongkongkino. (Gerade die Nähe zu A CHINESE GHOST STORY ist unverkennbar.) King Hu, der Pate zweier parallelen Bewegungen, war nie klarer zu sehen.
In Nebelschwaden und in durch Baumkronen fallende Sonnenstrahlen kleidet King Hu seine Geister- und Liebesgeschichte, deren größte Lust darin liegt, Dinge geschehen zu lassen, sie zu zeigen und die Leinwand zur Metapher für mehr zu machen. Am schönsten: die Sexmetaphermontage. Shin Chun verbringt die erste (unbetäubte) Nacht – vll. sind es auch mehrere – mit seiner frischgeheirateten Frau Melody (Hsu Feng) – einem Dämon, der ihn in Hypnose trommelte und zur Heirat manövrierte. Von einer nackten Hüfte, deren Linie das Licht aus dem Schatten des Bildes herauslöst, wird zu einem Teich geschnitten, in dem sich weiß-rote Fische langsam zu einem spermiengleichen Strom sammeln, worauf ein Schnitt zu einem kleinen Wasserfall folgt. Wieder die Hüfte und Schnitt zu Seerosen, auf denen Libellen kopulieren, zu sich im Wind streichelnden Seerosenblättern, zu schaukelnden Liebenden, zu Spinnen, die ein Netz bauen. Blüten, Sonne, Wasser und Haut gehen eine sich genießende Melange ein, die genauso sinnlich ist, wie auch albern und quietschvergnügt.
*****
Substanziierung: Ich verwende den englischen Titel, weil die beiden 1979 veröffentlichten King Hu Filme im Deutschen laut der imdb kaum zu unterscheidende Namen tragen. Wenn wir den dortigen Daten glauben, hieß THE LEGEND OF THE MOUNTAIN: REGEN IN DEN BERGEN und RAINING IN THE MOUNTAIN: EIN HAUCH VON ZEN 2 – REGEN IN DEN BERGEN.
fantastisch –
Als der erste Teil startete, hielt ich ihn nochmal kurz an, weil ich mir nicht sicher war, ob ich nicht Teil zwei erwischt hatte. Mittendrin, ohne Netz und doppelten Boden, begann alles. Nach den drei Stunden der beiden Hälften mit verworrenster Handlung inklusive Zeitreisen, Körperwechseln, Schwestern, die sich einen Körper teilen, Wiedergeburten, Kampf und Herzbefragungen im Inneren unserer Protagonisten, Suche nach verschollenen Dingen, wiedergefundene Dinge, die so penetrant sind, dass sie einem zum Kotzen bringen, nach Liebe und Lust, nach Treue und Verrat, nach Göttern, Unsterblichen, Tiermenschen und Menschen, einem Mönchen, der ONLY YOU singt, nach noch und noch mehr Wahnsinn, der auf wundersame Weise emotional auch noch packend ist, nach Albernheiten ohne jegliche Schmerzgrenze, nach sich überschlagender Ausstattungs-, Schnitt- und Dialogphantastik, nach Tüchern im Wind, fliegenden Kämpfern, nach Quatsch und Poesie, Schicksal und Schicksalsschlägen habe ich am Ende vll. so ungefähr verstanden, was passiert ist. Aber das Verstehen ist so unwichtig. Das Erlebnis, das Ahnen, Fühlen und mental gegen velourne Wände prallen, dass macht diesen Film so wertvoll.
Freitag 27.03.
ok –
Wie gehabt. Ein Märchen, sprich eine Alptraumgeschichte voller Symbolik, wird in der Hand von Disney von seinen repetitiven Elementen befreit und dafür mit niedlichen Wesen und etwas netten Cartoonslapstick aufgefüllt. Vll. die Blaupause für die kommenden Produktionen, die auf dieses Reboot der abendfüllenden Disneyfilme folgten, sprich wo wieder Spiel- und nicht mehr Anthologyfilme entstanden.
großartig +
Dass ein hemmungslos alberner, größtenteils sinnbefreit wirkender Film, dessen Niveau vll. am besten durch seinen besten Running Gag beschrieben ist – Hauptfigur Jokers (Stephen Chow) Schritt steht wiederholt in Flammen, worauf seine Mitstreiter diese brutal, gründlich und zunehmend martialischkunstvoll austreten –, final dazu umschlägt eine tragische Liebesgeschichte zu sein und dass es auch noch funktioniert, spricht für die sagenhafte Qualität von ihm.
Donnerstag 26.03.
großartig +
Nach dem Flop von EIN HAUCH VON ZEN begab sich King Hu auf bekanntes Terrain und machte ein quasi Remake seines größten Hits DIE HERBERGE ZUM DRACHENTOR. Doch statt großen Schlachten bleibt die Handlung dieses Mal fast gänzlich in der Herberge. Und weil der Endkampf herausgezögert werden muss, wird das Paranoiakino ausgedehnt. Wenn also verschiedene Leute in einer Herberge im Nirgendwo ankommen – und fast alle sind sie Spione –, dann fallen die Masken nur langsam. Hysterischer ist es hier, absurder, anzüglicher, aber nicht weniger dynamisch und virtuos – Kampfchoreos: von Sammo Hung. Kleiner und dreckiger ist THE FATE OF LEE KAHN im Vergleich zu seinem Vorgänger, weniger klar und heroisch ist die Aufteilung der Seiten – der zu tötende mongolische Despot Lee Kahn geht gegen korrupte Beamte vor, während die Rebellen gnadenlos über Leichen (auch die eigenen) gehen. Es handelt sich also irgendwo um die vergnügte, leicht schäbige Punkrockversion eines Progrocksongs.
Mittwoch 25.03.
ok –
Langgezogene Geheimniskrämerei um Dates und Hostessen – wobei zumindest die Episoden mit Dieter Eppler so spritzig wie für MELODIE DES TODES sinnfrei ist – führt irgendwann in die Villa einer adligen Familie. Das Phantom der Oper scheint hier zu Hausen, wenn der stets abwesende Sohn der Familie mittles seines Klavierspiels durch die entweltlichten Mauern geistert. Krank ist er, wird bald offenbart und jeder mit offenen Augen und Ohren denkt an Geisteskrankheiten. Nur Derrick nicht. Der weiß sofort: AIDS. Und dann wird es eben, wie es mit so einem Thema in der Hand Reinecker werden muss … in einer Folge, die für Sex und Schuld keine Bilder findet … sondern nur für Monster, die nicht anwesend sind.
Dienstag 24.03.
fantastisch –
Fröhlich und ohne erkennbare Reflexion steigt Tagelöhner Ma (Chen Kuan-Tai) zum Mafiaboss auf. Unbesiegbar prügelt er sich durch eine kapitalistische Welt, die keine staatliche Intervention kennt und in der nur Stärke und/oder Skrupellosigkeit weiterhelfen. Nirgendwo Polizisten, nirgendwo Arbeiterbewegung oder andere Formen von Politik. Dafür überall Schläger, Ausbeutung und ein scheinbar nie bitterer/bittermachender Sozialdarwinismus … sowie immer wieder moderne Werbeplakate in dieser optisch (Kleidung und Bauten) erst nachmittelalterlichen Großstadt.
Ma kopiert dabei sein Idol (David Chiang) gnadenlos und kauft sich wie er eine Zigarettenspitze und das selbe Wagenmodell. Er möchte auch ein ewig lächelnder Gewinner werden. Dabei wird er zwar eine soziale Gewalt, da er seine Mitleidenden an seinem Aufstieg teilhaben lässt und er seine Schutzgelderpressung nur gegen Reiche richtet. Doch Skrupel (und Selbsthass) wird er nicht los. Aus ihm spricht es, wenn er seinem engsten Freund (Cheng Kang-Yeh) immer wieder nahelegt, seine Finger nicht schmutzig zu machen und nach Hause nach Shantung zu gehen. Der Film kommuniziert es indirekter, wenn die Sängerin (Ching Li), in welche er verliebt ist, sich enttäuscht von ihm abwendet – es handelt sich um eine Liebe, die abermals fast nur über Blicke kommuniziert wird.
Scheinbar gedankenlos wird dies in BOXER FROM SHANTUNG aneinandergereiht und umso zwangsläufiger zieht es sich zu einem Bild zusammen, wenn die Konsequenzen einsetzen. Der Aufstieg bringt Neider mit sich und Leute, deren Macht durch diesen bedroht wird. Weshalb diese Actionkomödie irgendwann in ein brutal und menschenverachtendes, heroisches und niederschmetterndes Schlachtbankett umschlägt, dass in Blut und zerstörten Körpern, in unnachgiebiger, nicht aufhören wollender Drastik untergeht. SCARFACE, wo nicht wie bei Hawks Spaß und Wahnsinn Hand in Hand gehen, sondern wo das eine (die verschlossenen Augen vor der sozialen Realität) das andere (harsche Konsequenzen, Untergang und Tod) bedingt. Und wo nicht wie bei De Palma sich alles in seinem Stil verliert und von innen madig wird, sondern wo das Verdrängte sehr direkt wiederkehrt.
Montag 23.03.
verstrahlt –
Auf der einen Seite eine Episode über Leute, die die Phantasien von purer Liebe, die normalen Leute unzugänglich bleibt, und von reiner Weiblichkeit, deren Schändung schlimmer als ein Mord ist, vorschieben, um ihre niederen Instinkte (hier Rache) auszuleben, die in der Schule indoktriniert werden bzw. sich indoktrinieren und deren Klasse in der entscheidenden Szene wie eine Sekte wirkt, deren Glauben an die schon eingesetzt habende soziale Apokalypse sie zu Gelegenheitskreuzrittern macht, welche nur noch mehr dazu beitragen, was sie bekämpfen.
Auf der anderen Seite die Folge eines Drehbuchautors, der gegen eine Welt anschreibt, die schon vom Inneren verfault ist. Drogenhändler vor den Schulen, niederes Actionkino, dass wirklich niemand mag, in den Lichthäusern. Eigentlich recycelt er gnadenlos andere DERRICK-Folgen, aber irgendwie schafft er es doch, nochmal eine Schippe von Weltuntergangsstimmung drauf zu legen … der Regisseur Ashley und die Schauspieler mit traurigen Blicken und Lakonie begegnen. Sie stehen in diesem Essay und können nicht anders.
Am grausamsten aber die Diskussionen zu Beginn im und über das Kino. Selbst die Platzauswahl wird zur redseligen Ansage an die Zuschauer vor den Fernsehern und Aussage über den Stand der Nation. Eine Welt in der alles nur noch Diskurs am Abgrund ist. Und neben den Drogen findet sich dieser in einer inzwischen gänzlich kulturlosen Unterhaltungsindustrie.
Sonntag 22.03.
ok –
Der mit Abstand grusligste Moment in SUSI UND STROLCH folgt postwendend auf Susis Nacht mit Strolch, die im Hundezwinger/Gefängnis endet. Dann lässt dieser Disneykinderfilm zwei in die Jahre gekommene Hunde darüber beratschlagen, wer die nun entehrte Lady schnell heiratet. Der Anstand muss schließlich gewahrt werden. Dass diese Geschichte, die davon erzählt, von einem jüngeren Geschwisterkind aus der Aufmerksamkeit der Eltern verdrängt zu werden und dass diese Aufmerksamkeit auch erst nach bestandenem Nachweis von Nützlichkeit wiederzuerlangen ist, bzw. davon, dass ein Leben außerhalb der Ehe ein verantwortungsloses Rattenleben ist, dass diese Geschichte also diesen Moment hat, ist sicherlich kaum verwunderlich. Welchen romantischen Ruf diese 50er Jahre Ideologiemaschine wegen ein paar Nudeln hat aber schon.
Der mit Abstand schönste Moment von SUSI UND STROLCH ist jedes Mal, wenn Lotti Z. (4 Jahre) im Spiel eine ihrer Figuren die andere anherrschen lässt, dass sie nicht Puppe heißt, sondern einen Namen hat.
gut
Die blu-ray beinhaltete eine Version, die um eine halbe Stunde gekürzt ist. Waghalsig sind die darin entstandenen Ellipsen. Enthalten ist aber auch eine vollständige Version, aber nur als VHS-Rip. Ich bin bis zur Sichtung dieser Version gespannt, welche Lücke gewollt ist und welcher Sinn sich hinter den Kürzungen versteckt. Gewalt kann es augenscheinlich nämlich nicht sein.
fantastisch –
1. Kaum kein Wort widmet sich dem Hauptthema von BAO BIAO. Wenn die Augen in diesem Film der Blicke geschwärzt würden, könnte übersehen werden, dass es sich um eine Liebesgeschichte handelt.
2. Die ersten zehn Minuten zeigen das implizite Verlassen eines Zauberreiches. Allgegenwärtige Blumen verschwinden ohne das darauf eingegangen würde. Die Romantik endet, Kämpfe und Mistrauen setzen ein. Die letzten zehn Minuten zelebrieren einen tragischen Tod voller Heroismus. Die Kunst des Sterbens als gesanglose Oper. Dazwischen: Warten, das Austesten von Grenzen, Blicken, Leben mit einer zersetzenden Komplexität.
3. Besagter gefeierter Tod wirft seinen Schatten voraus, weil der Sterbende sich ihn ausmalt, bevor er eine Pagode voller Feinde erklimmt. Als Zeitlupenfest sieht er vor dem inneren Auge eine Variation von dem, was tatsächlich geschehen wird. Hinter dem Heroismus offenbart sich so ein Selbstmord, eine Flucht vor der Kniffligkeit. Am Ende stirbt die Liebe.
Sonnabend 21.03.
großartig
Zwei der noch jungen Protagonisten von STRAIT-JACKET wollen eines Abends ins Kino gehen. Grusel und Gore versprechen sie sich, wie sie ihren Eltern fröhlich erzählen. Nachdem die Gimmicks in Castles vorangegangenen Filmen schon spärlicher wurden oder gar nicht da waren, scheint sich hier ein Wandel vollzogen zu haben. Das Gimmick, mit dem er nunmehr die Zuschauer anlocken möchte, ist der Gore. Blutig geht er zugange, um den jungen Menschen die Freuden schenken zu können, die er seinen Figuren in den Mund legt.
Dabei ist STRAIT-JACKET zwar weiterhin mehr Komödie, als Horrorfilm oder Thriller, aber eine ziemlich garstige. 20 Jahre nach dem Axtmord an ihrem Ehemann und dessen Liebhaberin wird Lucy Harbin (Joan Crawford) aus der Anstalt entlassen. Ihre Tochter (Diane Baker) wartet schon freudig auf sie und quält Lucy, wie auch der Rest von STRAIT-JACKET eine Freude daran hat, sie zu quälen. Kurz nach dem Wiedersehen stehen die beiden beispielsweise hinter einem riesigen Maschendrahtzaun und schauen Hühnern zu. Dabei meint Lucy, dass sie nicht so gerne eingesperrte Wesen sieht. Worauf die Tochter meint, dass in diesem Fall aber nicht so schlimm sei, weil die Eingesperrten ja morgen abgeschlachtet werden würden. Was auch eine dezente Stichelei hätte sein können oder auch nur eine unklare Situation, ob Lucy davon getroffen wird, macht STRAIT-JACKET zu offensiven, wie dreisten Sadismen gegenüber einer völlig Labilen.
Offensichtlich lehnt sich Castle abermals an PSYCHO und zudem an GASLIGHT an, was den Film trotz etwas, was ein Twist sein soll, ziemlich überraschungsarm macht. Dafür ist aber Crawford, die dagegen ankämpft, in den Wahnsinn geschickt zu werden, oder sich ihrem Schicksal hingibt, so wunderbar wie der von George Kennedy mega gespielte kernige Farmhelfer, der seine sadistischen Spielchen als perverse Flirts anzulegen scheint. Die Catfights und die aufgekratzte Optik tun dann ihren Rest, um diesen kleinen Film zu einem hundsgemeinen Vergnügen zu machen.
Freitag 20.03.
ok –
Zu Beginn wieder wunderbare Dummheit. Ein Vater (Peter Ehrlich) muss entsetzt feststellen, dass sein Sohn (Jacques Breuer) zum Dealer geworden ist. Das aufgefundene Heroin im Wert von hunderttausend Mark spült er im Klo runter und seinen Sohn schickt er alleine los, damit dieser seinen Hintermännern erklärt, dass es kein Geld geben wird. Sonst wird nämlich die Polizei eingeschaltet. Der Sohn kommt von diesem Treffen nicht wieder heim und auch der Vater ist bald tot. Das wäre alles nicht so bemerkenswert, wenn dem Vater von seinen Kindern nicht immer wieder ein außerordentlicher Verstand attestiert werden würde. Vaterkomplexe und ein Mann, der den Erwartungen an sich kein wenig entspricht, Brynychs Drang Derrick und die anderen Figuren wiederkehrend in seltsam leere, weite Einstellungen zu packen und Reineckers immer noch irrealer werdende Schreibe, sind zu Beginn durchaus spannend und fesselnd. Aber nachdem der Vater verschwunden ist und Reinecker der Folge eigentlich allem beraubt, was ausbaufähig ist, schleppt sich alles schrecklich dahin. Brynych hatte scheinbar auch keine Lust mehr.
Donnerstag 19.03.
gut
Die epischen Proportionen – zweieinhalb zunehmend anstrengend werdende Stunden beträgt die Spieldauer – von BAD BOYS II sind vor allem dahingehend unergiebig und kräftezehrend, weil zuletzt die Subversion seiner Figuren keinen Platz mehr findet und dem Machogehabe nachgegeben wird … aber vll. steckt in der enervierenden Absurdität und Übertriebenheit des Actionfilms und seiner Leute eine andere Form dieser Subversion … Aber zumindest: Die durch Polizeipsychologen verordnete Woosah-Dichte – ein Wort zum Runterkommen für Verkrampfte, die gedenken verkrampft ihre Verkrampfung zu lösen – hätte nicht so drastisch abfallen dürfen.
Größtenteils handelt es sich aber um einen erfreulich schönen Film, dessen beste Szene eigentlich alles darüber sagt, mit wem wir es zu tun haben. Marcus Burnett (Martin Lawrence) und Mike Lowrey (Will Smith) sitzen in einem Videofachgeschäft und Marcus fängt an über eine Schusswunde in einer Pobacke zu sprechen, die Mike im zufügte. Darüber, dass er seitdem keine Erektion mehr hatte. Der eine weint und redet über seine Gefühle, der andere blockt ab und versucht wieder einen Mann verbal in seinen besten Freund hineinzuprügeln. Währenddessen werden sie selbstredend von einer Kamera aufgenommen und ihre Unterhaltung wird im ganzen Laden ausgestrahlt. Ohne Kontext wirkt es auf die Zuschauer, als ob ein Paar seine Bettprobleme beredet. Und so werden Figuren im ganzen Film gezeigt, die denken, dass sie, wenn sie ihre Gefühle zeigen und zwischenmenschlich agieren, von anderen für schwul gehalten werden. Und Bad Boys II lässt nichts unversucht, um aus dem daraus folgendem Verhalten Kapital zu schlagen.
Mittwoch 18.03.
großartig +
Wir sehen Jackie Chan zu Beginn angeln. Nur er mit der Rute in der Hand. Die nächste Einstellung ist ein bisschen weiter und offenbart, dass er sich auf einem Auto befindet, welches wiederum in einem Gewässer schwimmt. Wieder eine Einstellung aus größerer Entfernung später scheint das Auto in einem Meer zu sein, in größere Entfernung zu einer kleinen Insel. Wieder einen Schnitt später ist das scheinbare Meer, dann doch nur See ist. Und wieder kurzdarauf wird uns offenbart, dass dieser riesige See fast das gesamte Innere einer Insel ausmacht. Jede neue Einstellung stellt unsere vorherigen Annahmen auf den Kopf … oder ändert sie zumindest entscheidend.
Dieser kurze Moment während des Auftakts gibt die erzählerische wie optische Mikrostrategie von MISSION ADLER vor. (Im Gegensatz zu Twists auf der Plotebene.) Heißt, Witz und Spannung einzelner Momente finden sich immer wieder in der sprunghaften Umdrehung unseres Wissens. Mal zeigt eine neue Einstellung uns, dass der sich in einem Badezimmer versteckende Jackie gar nicht versteckt ist, sondern durch einen Spiegel völlig offen neben der Dame zu stehen scheint, die ihn nicht sehen soll. Mal sind es Stämme, die kein Problem damit haben, wenn ihnen Edelsteine entwendet werden, aber wütend werden, wenn das aus einem Götzen laufende Wasser getrunken wird. Mal sehen wir Entführer, die sich über das komische, sexuell scheinende Verhalten ihrer Geiseln in der Wüste wundern, während wir doch wissen, dass Jackie während der gierigen Umarmungen nur Wasser aus seinem Tank in der Jacke an seine (natürlich) weiblichen Begleiter verteilt. Und so weiter. Und so weiter.
Dienstag 17.03.
großartig –
Das Beste ist, dass der Sunnyboy, der nominell die Hauptfigur ist, vom Film fast schon wie eine Nebenfigur behandelt wird.
ok +
Am spannendsten ist sicherlich Ursula. Die Seehexe, die einen nie vertieften, aber tiefsitzenden Hass aus König Triton hegt. Einst lebte sie mit den anderen in Tritons Reich zusammen. Nun ist sie allein, verstoßen und voller Verbitterung. In ihrer Vergangenheit lauern womöglich die wirklich spannenden Geschichten – wenn wir nicht davon ausgehen wollen, dass sie einfach eine grundböse Person ist.
Am faszinierendsten ist, dass ohne größere Not eine pandorische Büchse aufgemacht wird, die dann unbeachtet stehengelassen wird. Als Sebastian der menschgewordenen Arielle ins Schloss folgt, landet er u.a. in einer Küche, wo Fische und Meeresfrüchte en masse gekocht und gebraten werden. Diese Hölle, die auf seine Abschlachtung und kulinarische Aufbereitung ausgelegt ist, wird dann schnell in einen Tom und Jerry-Cartoon überführt, mit einem ihn jagenden Koch und jede Menge brutalem Zeichentrickslapstick. Enden tut Sebastian noch lebend, auf einem von drei mit Krabben bestückten Tellern. Arielle rettet ihn davor, dass ein Höfling ihn isst oder entdeckt. Nun steht aber weiterhin ein Teller mit einer gekochten Krabbe als Mittagessen vor Arielle. Ihr Liebe zu den Menschen, die nie mehr ist als Faszination für das Fremde (und eben das symbolische Erwachen der Jugendlichkeit) ist, wird durch diese für sie kannibalischen Praktiken aber nie herausgefordert. Es wird einfach zur nächsten Szene weitergeschnitten. Die düsteren Ausprägungen sind so in Spaß (Slapstick) und Ellipsen überführt.
Wahrscheinlich ist am bezeichnendsten, dass sich in einem Disney-Film das Beste eben in seinen Auslassungen findet. In dem, vor dem die Augen verschlossen werden … das aber trotzdem mitschwingen darf und muss. Das Unschöne, es ist dramaturgisch nötig, aber für den Zucker, mit dem diese Horrorfilme genießbar gemacht werden sollen, müssen es eben auch weggepackt werden.
uff
Größtenteils finde ich es schwer erträglich, wie der Film seinen Spaß darin findet, drei Leute (Will Smith, Martin Lawrence, Téa Leoni) ihre Unsicherheit hinter endlosen Schimpftiraden und Besserwissereien verstecken zu lassen und daraus folgend wie er sich davon abhält Actionfilm zu sein und stattdessen verkrampft seine Hahnenkämpfe in Großaufnahme zelebriert.
Montag 16.03.
ok
Mit glasigen Augen wird immer mal wieder von einer ganz besonderen Liebe erzählt … womit Täter sich über die Naivität deren, die sich ausnutzen, erheben. Es sind die spannendsten Momente in einer müde dahinplätschernden Folge, die es bspweise auch nicht schafft Kapital aus einem tollen Wolf Roth zu schlagen, der sich als Alkoholiker und suspendierter Polizist immer wieder in den Fall mischt, weil die Schuld der Beteiligten sich in schamlosen Rechtfertigungen und romantischen Beschönigungen Bahn bricht … und da sich Reineckers Schwadronieren über Reinheit – hier schnell klar als die Unschuld der Frau, die allen Vergnügen bereitet – als miefige Altherrenphantasie offenbart.
Sonntag 15.03.
gut
Aus einer ikonischen Liebesgeschichte mit tragischem Ende eine Erzählung über die Probleme eines Vaters mit seiner Tochter zu machen, wobei die Liebe stets vor diesem Hintergrund abläuft, ist selbst für Disney-Verhältnisse harter Tobak.
gut
Die negative Wahrnehmung, mit der sich diese Castle-/Hammer-Coproduktion bis heute herumschlagen muss, liegt wohl vor allem darin, dass es sich formell um das Remake eines zwar eigentlich gefloppten, aber legendären Gothic Horror-Films handelt. Doch THE OLD DARK HOUSE hat nicht umsonst Tom Poston als Hauptdarsteller und ist vielmehr Vorläufer von Mel Brooks, ZAZ und mglweise sogar etwas wie Splatstick, als dass er auch nur versuchen würde, Horror zu entwickeln.
Sonnabend 14.03.
großartig –
Zwei Personen, die von ihren Kontrollzwängen erdrückt werden, aber höchst unterschiedlich damit umgehen – die Ärztin Dr. Tong (Zhao Wie) und der Polizist Chief Inspector Ken (Louis Koo) –, treffen auf einen Kriminellen (Wallace Chung), dem sprechenderweise eine Kugel im Kopf steckt und dessen Irrationalität mit einer sadomasochistische Lust einhergeht. THREE ist größtenteils eine Meditation über Verantwortung, Humanität und Freiheit, die mit einem peniblen, kontrollierten Aufbau – im Grunde handelt es sich um eine einzige hitchcockige Spannungszene – zu einem lösenden, in seiner Spannung entspannten Showdown führt.
fantastisch
Zu Beginn ist MAD DETECTIVE vor allem ein spaßiger Film, der uns mit einem Polizisten (Lau Ching-Wan) begrüßt, der auf eine im Revier aufgehängte Schweinehälfte einsticht und sich in Koffer eine Treppe runterschmeißen lässt, um Fälle zu lösen. Der durch Nachahmung der Morde, des Essens, der Umstände an die Wahrheit gelangen möchte. Der Leuten wortwörtlich ans Bein pinkelt. Und der erzählt, dass er die inneren Persönlichkeiten der Leute sehen kann – was MAD DETECTIVE auch als wiederkehrende Quelle des Vergnügens nutzt. Mal sehen wir starke Männer, hinter denen sich kleine Jungen verstecken. Psychopathen, die aus sieben Persönlichkeiten bestehen – dargestellt von unterschiedlichen Darstellern. So ist Lam Suet als schwitziger Angsthase im Film, obwohl er keine real existierende Figur spielt.
Polizist Wong (Lee Kwok-Lun) ist verschwunden und der Ermittler (Andy On) zieht diesen seltsamen Detective namens Bun zu Rate. Die Spielereien mit einem übernatürlich begabten MONK führen aber nicht zu einer Lösung des Falls. Dieser gerät immer mehr in den Hintergrund wie der alberne Hongkonghumor. Eine romantische, schicksalsschwere Liebe kommt hinzu. Deren luftige Melancholie wird aber auch etwas anderes. Zwischendrin ist es schwer einzuschätzen, wohin wir uns überhaupt bewegen. Fröhlich bedient MAD DETECTIVE das Hoffen auf Instanzen, die Sicherheit und Gerechtigkeit in die Welt bringen … so seltsam sie auch sind. Bzw. die so irreal sind, dass wir an sie glauben können.
Doch die optischen Verzerrungen, die den Film zuweilen bestimmen, oder die Bilder eines stummen Waldes, der keine Orientierung bietet, haben mehr Gravität, als uns lange glauben gemacht wird. MAD DETECTIVE ist nämlich eine Falle. Alles was er zuerst ist, überführt er in nagende Zweifel. Statt von Helden und Romantik wird vom Scheitern in Drucksituationen erzählt. Von Leuten, die zerbrechen und zersplittern. Der Spur des Quatsches folgend, landen wir in einem Melodrama, wo zerbrochene Spiegel nicht die altbekannten an der Wand sind, sondern den weitreichenden Boden dieser Welt bilden, der nur zersprungene Perspektiven bereithält. Die Sisyphusaufgabe der Leute, die der Wahrheit nicht ins Auge sehen können, besteht in MAD DETECTIVE deshalb darin, die Splitter neuanzuordnen, dass es glaubhaft ist und sie sich wieder ertragen können. Und die emotionale Kraft dieses Films liegt in der erst dezent, dann brutal offenbarten Hilflosigkeit der Figuren im Angesicht einer starren, unnachgiebigen Realität.
großartig
Zwei Männer, eine Frau. Aus einem romantischen Märchen wird schnell ein Film über Verhandlungen, gegenseitiges Austesten, Vorgeplänkel und Austarieren … bis sich Liebe und Eifersucht, Hoffnung und Angst blutig entladen. Wo sich Bruce Lee später das Motiv des Turms auslieh, den es Level für Level zu erklimmen gilt, machten andere aus den Motiven von HAVE SWORD, WILL TRAVEL den heroic bloodsheds. Aber auch ein Film, der seine Charaktere durch ihre Blicke erzählt. Lo (David Chiang) sagt etwas, worauf Piau Piau (Lee Ching) mit ihren Blicken offenbart. Dann wiederholt sich dies, nur umgedreht. Und schließlich sehen wir Siang (Ti Lung), der beide vielsagend dabei anschaut, wie sie sich anschauen. Die Augen reden in BAO BIAO mehr als die Münder.
Freitag 13.03.
ok –
Nach einem schönen Run gingen Castle scheinbar die Ideen aus. Ein Gewinnspiel als Gimmick, wo es ein schlichtes Los zum Ticket gab, und abermals ein Film, der wie der Zusammenschnitt einer netten, angestaubten Sitcom wirkt – eine Diplomatentochter nutzt ihre Internatskontakt zu den Diplomatentöchtern anderer Länder, um von allen unbemerkt Spitzenspionin zu werden. Und wie Hauptdarstellerin Kathy Dunn ins Nichts grinst, wenn sie glückselig durch den hanebüchenen Plot läuft, so scheint auch 13 FRIGHTENED GIRLS zu grinsen, wenn er hanebüchen und glückselig den Kalten Krieg zur Kinderphantasie macht und nie auch nur ansatzweise dem wunderbaren und reißerischen Werbematerial gerecht wird.
Donnerstag 12.03.
ok +
In der Zeit gibt es eine sehr schöne Kritik zu diesem Sexfilm für Katholiken, der die Wonnen des Masochismus behandelt. Was darin vll. nicht ganz rüberkommt, ist, wie sehr sich NARZISS UND GOLDMUND wie ein Märchen aus der Hand der Degeto anfühlt. Goldmund zieht aus, wie jemand der die Furcht finden möchte … bzw. der in diesem Fall so viel Leben (heißt: Schmerzen und Glück) in sich aufsaugen möchte, dass er tiefe Kunst schaffen kann. (Imaginiert ist dies von Narziss, der sich im Kloster vorm Leben verbarrikadiert hat und sich das Leben seines Freundes vorstellt. Romantisch und Kitschig malt er sich aus, dass nur Massen von dem, was er sich verwehrt, Erlösung bringen.) Und so stehen wir quasi am Fließband und bekommen Glück und Schmerz in schneller Abfolge, die von bekannten Gesichtern begleitet werden. Stars, welche zweckmäßig als Schauwerte eingefügt werden. Hier kurz Jessica Schwarz als Überlebende eines Pogroms. Dort Uwe Ochsenknecht als Verschwender seines Talents. Und dann Georg Friedrich mit lustiger Perücke, der kurz Goldmund züchtigen darf. Eigentlich fehlte nur Thomas Gottschalk als König.
Mittwoch 11.03.
gut +
Ausgestellte Dummheit ist nicht ganz einfach. Leicht wird sie übertrieben, was meist nur in der Komödie vernünftig ist. Hier ist sie perfekt abgeschmeckt. Die Erben des Opfers scheinen nicht mitzubekommen, wie sie allen Verdacht auf sich lenken – gerade Christoph Bantzer, der seinen Egon Scholz wie einen Hahn spielt, der kopfzuckend über sein Revier stolziert, während er sich doch tatsächlich auf dem Weg zur Schlachtbank befindet, ist fantastisch; ihre Vertrauten und Verbündeten, die sich für schlau und schlauer als ihr Umfeld halten, aber einfach nur arrogant sind; die zerhackten Lelouch-Liebesszene, die die sich Verliebenden als Verlorene zeigt, die lieber an Kitsch glauben, als ihrem Leben ins Gesicht zu blicken; und natürlich Harry, der nach unzähligen Implikationen noch das Offensichtlichste überrascht aussprechen darf: die Macht wunderschön porträtierte Dummheiten ist mit DIE LIEBESGEFÄHRTIN.
Dienstag 10.03.
nichtssagend
Wenn es bei DERRICK um die Mafia und Schutzgelderpressung in italienischen Restaurants geht, wird es scheinbar zwangsläufig leicht schauerlich. Und die herausgestellten Akzente sind nichts dagegen, dass die Mafia hier aus drei hemdsärmlichen Amateuren zu bestehen scheint, die Derrick einfach mal so hopsnehmen kann. Schade ist auch, dass Martha Scarletti (Cornelia Froboess) aus der Folge einfach verschwindet, nachdem ihr Ehemann wegen ihrer Kackbratzigkeit sterben musste. Ihre Geschichte wird einfach verschluckt. Dafür darf genossen werden, wie kackbratzige, jugendliche Kinder in ihr Verderben laufen, weil sie sich freuen, dass ihr Vater aus Rom wiederkehrt, der sie für die Mafiakarriere sitzen ließ. Immer wieder darf er sagen, wie egal sie ihm sind und dass er sie nur als Alibi braucht, während sie seinem Charme und seinem Geld erliegen. Immer wieder kann der Verdacht aufkommen, dass er vll. doch ein Herz hat, aber alles ist nur da, um jede Hoffnung brutal zu enttäuschen.
Montag 09.03.
verstrahlt –
Nach einem Selbstmordversuch, Alkohol- und Kokainentzug sowie psychiatrischer Behandlung kehrt ein Model (Constanze Engelbrecht) – immer wieder wird erwähnt, wie verbraucht sie nun aussieht – aus der Klinik zurück. Ganz offensichtlich möchte Reinecker die Oberflächlichkeit der Schickeria brandmarken: das Wegwerfen von Frauen, wenn sie nicht mehr frisch sind; die falschen Gesichter, die hinterrücks über alles und jeden herziehen; die Klatschpresse, die für eine höhere Auflage mit dem Leben anderer spielt. Tatsächlich wird GESCHLOSSENE WÄNDE aber etwas Anderes. Während das Model oft in leblose, fast surreale Räume und tableauartige Einstellungen sperrt wird, erklären die Männer – Doktoren, Journalisten, Liebhaber, Inspektoren – ihr(, einer stumm bleibenden Gundis Zambo) und dem Zuschauer von oben herab die Welt, wer sie ist und wie sie zu leben hat … und sperren sie so auch verbal ein. So irreal die abstrakte Welt von GESCHLOSSENE WÄNDE auch ist, hier ist sie emotionalstes Melodrama.
Sonntag 08.03.
gut –
ZOTZ! wirkt mitunter, wie der Pilot einer Sitcom, die der Vorläufer zu WUNDERBARE JEANNIE oder VERLIEBT IN EINE HEXE hätte gewesen sein können. Ein Sprachwissenschaftler (Tom Poston), dessen Fachgebiet alte Sprachen sind, entschlüsselt ein altes Medaillon und kann nun, solange er es an sich trägt, per Fingerzeig Übelkeit hervorrufen oder durch das Aussprechen des Wortes Zotz sein Sichtfeld in Zeitlupe versetzen. Verbindet er beides, ist es das Ende desjenigen, auf das gezeigt wird. Wenn er sein Umfeld, einen bald scheidenden Dekan, seinen Konkurrenten um den Posten des Dekans, eine neue Kollegin (die durch das Medaillon auch mal nackt in seinem Garten landet) oder das Pentagon von seinen neuen Kräften überzeugen möchte, geht selbstredend etwas schief … nur der KGB glaubt ihm sofort. Klassischer Stoff, der in den absurden Szenen, auf die alles immer wieder hinausläuft und die ohne Linie aneinander geordnet werden, wunderbar ist. Nur die Übergänge, die Tom Postons Nerdmaster in die Bredouille bringen, grenzen in ihrer dummdreisten Motivationslosigkeit – wenn Proston einfach nicht macht, was nötig wäre, um die Situation zu verhindern, und stattdessen wie fremdgesteuert nichts gegen die Peinlichkeit tun kann, die sein irrationales Handeln nach sich zieht – an Körperverletzung.
fantastisch
Vll. dann doch das schönste, umfassendste und bedeutenste Zeugnis des Lebens in der westlichen Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Sonnabend 07.03.
großartig –
Kurz vor Schluss tritt William Castle in den Film und macht mit den Zuschauern desselben den Punishment Poll. Bei der Erstauswertung von MR. SARDONICUS wurden vor der Vorstellung Karten mit der Abbildung einer Hand mit ausgestrecktem Daumen ausgeteilt. Nun durfte abgestimmt werden. Daumen nach oben oder Daumen nach unten: Soll der Bösewicht des Films nach seiner Niederlage Gnade erfahren oder bestraft/gequält werden. Da Castle aber Teil des Films ist und nicht real anwesend, kann es nur die Nachstellung von Interaktion geben. Was wiederrum heißt, das tatsächliche Ergebnis der Umfrage im Kino hatte nie einen Einfluss auf den weiteren Handlungsverlauf.
Kurz nachdem Roger Corman seinen Poe-Zyklus mit HOUSE OF USHER begann, folgte ihm Castle auf das Gefilde des Gothic-Horror und bediente sich bei besagtem Kollegen und den Universal-Horror-Filmen der frühen Tonfilmzeit (vor allem und am deutlichsten bei DRACULA und THE MAN WHO LAUGHS). Mit Masken, ausgiebigen Nebel und mumifizierten Leichengesichtern schafft er Stimmung für seine barocke und unaufgeregte wie unaufregende Geschichte. Mit einem sardonischen Lachen präsentiert MR. SARDONICUS aber zuvorderst die Lust am Sadismus. Frauen werden gefesselt, mit Blutegeln überzogen, von der Decke gehängt und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in einen unausgesprochenen Terror gelockt. Leute werden erpresst und vom Schicksal verlacht. Und Oscar Homolka ist als Lakai und prototypischer Igor, unter dessen Gehorsam immer dreist die Freude an seinem Job durchscheint, der größte Genuss des Films. Weshalb es eben keine Gnade am Ende geben kann. Weil MR. SARDONICUS nicht nur seinen Figuren, sondern auch den Zuschauern die Freude am Sadismus unterstellt. Warum wären sie sonst in einem solchen Film, wenn nicht um Daumen nach unten zu halten?
gut –
Zwei Dinge treiben IL PRIMO RE um. Archaik und Schicksal. Und diverse andere Paare gehen damit einher. Sumpf und Aufbruch in die Zivilisation. Individuum und Gemeinschaft. Egoismus und Glaube. Gewalt und Verständnis.
Die Archaik wird durch den Dreck unter den zerfurchten Fingernägeln, welche den Film eröffnen, eingefangen. Durch den auf allen Figuren liegende Schmutz, den Flutwellen nicht abbekommen, sondern verstärken. Durch Körperlichkeit und eine weitreichende Brutalität von IL PRIMO RE, wo Dinge wie der Bruch eines Beines möglichst dramatisch und anschaulich präsentiert wird. Durch Remus (Alessandro Borghi), der sich zum König ausruft, nachdem er als Übermensch ein paar Sklaven durch einen Sumpf führt und allen Strapazen widersteht. Der aber auch durch diese und sein spirituelles Alleinsein wahnsinnig wird.
Das Schicksal liegt in den Gebeten und dem Glauben, dass mehr hinter den Dingen steckt, als ihre Oberfläche. Im Licht hinter den Baumkronen. In den Umständen, die keine Zufälle sind. In den Superheldenkräften, die unsere gottgegebenen Brüder geschenkt bekommen haben. Im Wissen um den unwirklichen Umstand, dass aus einem mückenzerfressenen Dorf eine Weltmacht entstehen wird. In Romulus (Alessio Lapice), dem schmächtigeren der beiden, der jesusgleich vermittelt und in die Herzen sieht. Der ein Führer mit dem Kopf und der Seele und nicht mit dem Körper ist.
Und IL PRIMO RE macht aus diesem Dualismus einen sinnlichen Film und einen voller Implikationen. Romulus wird den halben Film halbtot getragen, während Remus der Macher ist. Um aus der Archaik aufzusteigen, brauchte es den ersten König, wie der Film seinen sinnlichen Dreck braucht, um nicht durch den nationalen Gründermythos in Tristesse zu erstarren.
Freitag 06.03.
gut
Godzilla hat in diesem Reboot keinen Gegner. Tabula rasa wird gemacht. Und der Urzustand ist ein Katastrophenfilm, bei dem Godzilla nur hier und da auftaucht, aber nicht das Zentrum des Films ist. Er ist der zugefügte Stoff, der die nötigen Reaktionen auslöst. Sicherlich, dass er vor unseren Augen eine Evolution durchläuft, als auch wie er zerstört und als Laserdiscokugel agiert, sein Auftreten ist künstlerisch wertvoll erdacht und umgesetzt. Aber es ist sprechend, dass er irgendwann nur noch rumsteht und final relativ unkritisch unschädlich gemacht wird.
Stattdessen sehen wir Verhandlungen, politische wie zwischenmenschliche. SHIN GODZILLA ist darin Abgesang und Lob der Demokratie zugleich. Immer wieder Räume voller Leute. Nicht wild durcheinander, sondern in einer dreidimensionalen Struktur angeordnet, die den Aufbau von Zellen oder Atomverbindung nachempfunden scheinen. Und bei denen Entfernungen und Positionierungen harmonisch abgestimmt sind und gesellschaftliche Stellungen im Raum verorten. Es wird auch nicht durcheinandergeredet, sondern nach einer Form gesucht, die allen Platz lässt.
Die Kamera findet mal Ketten (Resonanzen und Verstärkungen), mal Sichtbehinderungen (Dissonanzen und Abschwächungen) bei diesen Diskussionen, was zu tun sei. Diskussionen, die vor allem Ratlosigkeit im Angesicht einer lange schwer einschätzbaren Katastrophe transportieren und aus denen sich nur langsam und voller Irrungen und Wirrungen eine Lösung herausschält – auch wenn der Held schnell gefunden ist, der den richtigen Weg vorgeben wird, weil er vor allen anderen – und von diesen verlacht – die Erschütterungen im Hafen Tokios auf ein Lebewesen zurückführt. Manchmal scheint die Kamera auch Antworten zu fordern. Lange ist dabei alles schmerzhaft ineffektiv und eben soziale Findung und Verhandlung (mit einem guten Schuss von Egoismus). Panik bricht zuweilen aus, aber vor allem wird ein allgemeiner Kampf gezeigt, der auf Zusammenhalt fußt. Immer wieder Räume mit Leuten, statt Bilder von Einzelnen.
Und auch die Dynamik SHIN GODZILLAs ist von der selben Harmonie, wie diese Räume. Wie Perlen fädelt er Eindrücke der Krise(nbewältigung) auf seine Kette. Dabei wird wieder über Verantwortung von Wissenschaft diskutiert und Godzilla zum Symbol von Rache an der Verantwortungslosigkeit der Menschheit gemacht; nationale Traumata werden gefühlig thematisiert, wenn ein us-amerikanischer Atombombenabwurf das letzte Mittel gegen den noch in Tokio wütenden, sich aber mglweise ausbreitenden Godzilla scheint. In der Themenschwere verliert der Film leider ein wenig seine schöne Dynamik einer engagierten Chronik, aber auch dort findet sich das Thema des ursprünglichen Films an allen Ecken: Es gibt keine Isolation und damit auch keine Auslöschung von Problemen, ohne Auswirkungen auf das System. So nervig es ist, es muss sich arrangiert werden. Es ist ein Allgemeinplatz, der in SHIN GODZILLA mal großspurige Erkenntnis, mal mittels Form nebenbei vermittelt ist.
Donnerstag 05.03.
gut +
Der Spaß am Grusel. Bei Hitchcock bedeutet dies, es zu genießen sich tatsächlich zu fürchten. Bei William Castle liegt die Betonung auf dem Spaß. Sein Remix von PSYCHO, der Figuren, Motive und Kameraeinstellungen des Vorbilds neu anordnet und mit etwas WHATEVER HAPPENED TO BABY JANE? anreichert, ist tatsächlich ziemlich stimmungsvoll inszeniert, nimmt das durchaus Absurde der Geschichte ernst und ist überhaupt weniger abstrus als beispielweise THE TINGLER. Aber Castle lässt es sich trotzdem nicht nehmen, den Karneval einziehen zu lassen. Am offensichtlichsten ist hierfür die fright break, bei der jemand auf eine Tür zugeht, auf das Ungewisse, auf einen Raum, in dem möglicherweise eine mordende Irre wartet. Über der Einstellung ist eine Uhr eingeblendet und William Castle erzählt uns aus dem Off, dass wir nun gehen können, wenn es uns zu gruselig ist. Und genau dies ist in sich nun alles andere als gruselig. Stattdessen gemeinschaftlicher Genuss diesen Spaß mitzumachen (oder zu subvertieren, da viele Zuschauer tatsächlich gingen, und ihr Geld wiederbekamen, bis Castle das Gehen erschwerte und die, die gehen wollten, öffentlich als Feiglinge beschämen ließ). Aber auch schon die überdrehten Morde des Films sind ein Gaudi, wie das Ende, wenn das Schicksal vom Täter und Opfer des Films erklärt wird und die Überlebenden sich ohne im Grauen zu verweilen glücklich abdrehen, weil sie jetzt reich sind. Tortenschlacht statt Immersion.
Montag 02.03.
ok
Bin dem Ruf von critic.de wieder gefolgt, um über diese Verfilmung einer Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft und gleichzeitig dem Remake einer anderen losen Verfilmung des Stoffes, THE CURSE (1987).
Sonntag 01.03.
gut –
U-Boote bohren sich durch die Erde und kämpfen gegen Godzilla und Co; eine Mischung aus Super Mario, Stalin und Mr. Bison führt ein solches an; die Credits sagen, eine Tafel nachdem Keith Emerson als Komponist der Musik offenbart wurde, dass auch Sum 41 zum OST beigetragen haben…: So viel passiert so schnell – Dinge die durchaus Zeit zum Verarbeiten bräuchten (Keith Emerson!?) –, dass die moralische, ästhetische und erkenntnistheoretische Orientierung in diesem Irrsinn schnell zum Kraftakt wird. Im Zweifelsfall gibt das Gehirn wohlig auf. Wer es aber für denk- und umsetzbar, gar notwendig hielt, dass dieser Film mit seiner bizarren Farbdramaturgie, die von ausgebleichtem Blau mit Sprenklern von realen Kolorierungen dominiert wird, mit seiner völlig ernst vorgetragenen alles-auf-einmal-Handlung inkl. fast aller Kaiju, außerirdischen Invasoren (ua. Körperfresser), Mutantenkämpfern und genetisch und moralisch bedingten Erlöserfiguren, einer Reise um die Welt, bizarren Impressionen eines zukünftigen New York und und und, dass all dieser sensationelle Mumpitz zwei Stunden tragen soll, ohne dass der 90er Jahre Videospielschangel in Beliebigkeit, Erschöpfung und Tristesse endet, ist der verschrobenste Phantast in diesem Wahnwitz.
Februar
Sonnabend 29.02.
nichtssagend –
Hier um die Ecke gibt es einen Antiquitätenladen. Seinen Bestand muss er, wenn er geöffnet ist, teilweise auf die Straße stellen, damit Leute den Laden überhaupt betreten können. Ein loses Sammelsurium findet sich in ihm, das nur durch den Fakt zusammengehalten wird, dass die Dinge alt sind. SALON KITTY gleicht diesem Laden. Das Portrait einer zwanziger Jahre Dekadenz, dass in die Zeit des Beginns des Zweiten Weltkriegs verlegt wurde, um noch mit Hackenkreuzen etwas Kontroversität aufbieten zu können, ist an Genitalien interessiert, an einer Freakshow, an einem politischen Statement, an einer Groteske, wo nationalsozialistischer Sex Geräteturnen ist, an einem Seelendrama, wo Liebe eine fragile Indoktrination aufschmilzt, und es ist immer wieder daran interessiert zu betonen, dass Italien nicht so schlimm wie Nazideutschland war. Hier sieht SALON KITTY nach A CLOCKWORK ORANGE aus, da nach einem Ken Russell-Film, wenn die Nazis bspweise plötzlich Superheldenanzüge tragen. Doch Interesse ist vll. übertrieben. Er wirft alles in seinen Laden, damit es was zu sehen gibt … egal was. Und so ist alles vor allem erschreckend öder, selbstgefälliger Vorwand für nicht enthaltene Affekte und Fülle … wobei nichts auf der Straßen steht, sondern wir mit dem Sammelsurium eingequetscht werden.
ok –
Nach den letzten beiden Teilen eine Rückkehr zu den Wurzeln: Die Politik der Stärke und das Militär sind das Problem, weil sie Godzilla erst auf den Plan rufen, während Mothra wunderschöne Psychedelic in den Film trägt. Aber leider werden – abseits von Mothra – das Schrullige, das Melodramatische und das Tristkindische heruntergekocht. Stattdessen wieder mehr Kampf der Gummianzüge.
Freitag 28.02.
nichtssagend
3% schrullige Inszenierungsentscheidungen – 7% wohliges Tristkindmelodrama mit Hang zum Quatsch über die Moral, die DNA des 1954er Godzillas in eine Maschine zu sperren, sowie Ersatzmuttersuche – 10% Wissenschaftler erzählen von Wissenschaft, wo allgemeine Stichwörter fallen (Computerprogrammierung basiert auf Nullen und Einsen oder DNA besteht aus vier Säuren), dass auch der Ottonomalbürger versteht, dass dies komplizierte Wissenschaft ist – 15% die normale Godzillazerstörungswut und Kampf gegen Mechagodzilla – 65% Militär macht militärische Dinge wie salutieren, im Kampf gegen eine Übermacht aufgehen oder ihre Uniform in die Kamera halten – faszinierend einzig durch einen kleineren Fetisch für Füße, die Sachen niedertreten –, während nebenher eine nationale Politik nationalistisch Stärke zeigt.
Ps.: Die Godzilladesigns der letzten beiden Filme sind fürchterlich.
Donnerstag 27.02.
nichtssagend
Gerd Baltus steckt in einer dysfunktionalen Ehe fest und er löst sich unter der Knute seiner verbitterten Frau (Hannelore „Bella Block“ Hoger) so auf, wie nur er es kann. Doch zu sehr wird er als Mörder eines Frauenlustmords im Park angeboten, dass seine Unschuld naheliegt und LANGSAMER WALZER, sich dessen irgendwie bewusst, gar nicht allzu sehr auf ihn einlässt. Die Folge scharwenzelt mal von der Ehe, dann zu jungen Männern mit zwanghaften Trieben, von einem beruhigenden Keyboardwalzer zu Spaß mit Hunden: Nur irgendwie die Stunde vollbekommen … mit Dingen, die alle in dieser doch oft sensationellen Serie schon viel besser vorkamen.
Mittwoch 26.02.
großartig +
Catrinel Marlon spielt Gilda – sicherlich nicht zufällig ein ikonischer Film noir-Name, dessen Figur die dazugehörige Schauspielerin verfolgte: They go to bed with Gilda, they wake up with me.) Diese sagt sehr früh im Film zu Cristi (Vlad Ivanov), dass der gemeinsame Sex nur für die Kameras war. In einer der vielen Rückblenden des Films ist dieser Sex dann auch wie für eine Kamera (und einen männlichen Blick) inszeniert. Ihr Körper wird lechzend ins Bild gesetzt und Dinge werden entsprechend drapiert, damit Schambereiche nicht gezeigt werden. Der Sex und seine Inszenierung ist Spiel mit den Blicken, die repräsentiert werden und die auf den Film gerichtet sind. Und der Frauenkörper (besonders eine Einstellung ihres Rückens, der den unteren Teil der Einstellung ausfüllen wird) ist der Garant dafür, dass LA GOMERA sich zuletzt auf ein melancholisches, romantisches Ende zurückziehen kann. Dass vll. doch mehr war, als die Kamera sah bzw. zeigt. Aber was hier nur für den Beobachter ist und was nicht, dass können wohl selbst die Beteiligten schwer sagen.
Cristi ist ein korrupter Polizist, der mit der Mafia zusammenarbeitet, der der Sohn eines unbestechlichen kommunistischen (bereits verstorbenen) Politikers ist. Er ist ein Whistleblower, der passend dazu ein Pfeifsprache lernt. Seine Geschichte handelt von ständiger Überwachung, geheimen Kameras, Mikros und Wachen um die nächsten Ecke, von Taktiken die Beschattung zu umgehen, von Masken und die Möglichkeit von Vertrautheit in diesem Versteckspiel. Der Krimi- und Heistplot verlangt nach Täuschung und Gegentäuschung. So ungerade verlaufen die Dinge aber, dass schwer zu sagen bleibt, was von all dem Hin und Her überhaupt Plan und was Improvisation war. Verlassene Filmkulissen sind zeitweise der Handlungsort, Filmausschnitte kommentieren das Geschehen und Opern determinieren Orte bzw. überdeterminieren sie ins Epische, wo doch sonst alles poetische Banalität ist.
Von Lug und Trug erzählt LA GOMERA. Von Oberflächen, die Oberflächen über weiteren Oberflächen sind. Von Intimität in einer Welt, wo das Intime unzugänglich ist. Ein Spiel ist es größtenteils – so gut gelaunt, dass Ekkehard Knörer in der Cargo den Film (übertrieben, wie ich finde, aber auf nicht-so-wie-es-sich-anhört-Weise nicht ganz unwahr) in einem Nebensatz zum fast-Guy-Ritchie-Film erklärt – unter dessen Oberfläche aber Trauer und eine melancholische Hoffnung warten … die aber schon wieder im Modus von Lug und Trug in einem hochartifiziellen Urlaubermekka in Südostasien verortet werden. Es ist die Suche nach der eigenen wahren Identität: eine Spiegelfechterei.
großartig
Gelesen als hanebüchener Versuch, den Zuschauer von der Realität der hanebüchenen Biologie des Films zu überzeugen, oder als tongue in cheek-Komödie, THE TINGLER ist sensationeller Quatsch. Vincent Price spielt einen manischen Wissenschaftler, dessen Angstforschung ihn auf die Spur eines parasitären Organismus kommen lässt, der in unser aller verlängertem Rücken lebt und der sich von Angst ernährt. Nur Schrei können ihn schwächen und das rapide, furchtbedingte Wachstum dieses nicht Ohren-, sondern Rückgratkniepers umkehren. William Castle erzählt uns vor Filmstart, dass wir, das Publikum, zu schreien haben, wenn wir etwas unseren Rücken hochkrabbeln spüren und er baut auch ein unsinniges Gimmick ein, damit wir der nicht enden wollenden Pseudowissenschaft im Film Glauben schenken – so wird die Leinwand teilweise schwarz, wenn Vincent Prices Arzt in ein Kino rennt, in das der von ihm aus einem Körper extrahierte Tingler floh, weshalb Prices Rufe wohl auch an das tatsächliche Publikum des Films gerichtet sein sollen, wonach doch bitte schnell zu schreien ist, damit er geschwächt wird. Aber vor allem wird Kino als Gemeinschaftserfahrung zelebriert, wo entweder der stimmungsvolle Sadismus der Figuren bzw. die knallrote, blutgefüllte Wanne in einem Schwarzweißfilm genossen oder eben der Gimmick zelebriert werden kann, indem für die anderen und für den Spaß mitgeschrien wird, respektive die eigene Abgeklärtheit beweihräuchert, weil man diesen billigen Trick ja nun wirklich nicht ernst nimmt. Leider habe ich THE TINGLER alleine gesehen.
Dienstag 25.02.
verstrahlt –
Bisher hat wohl keine Folge dieser Serie Reineckers gestelzte Dialoge so effektiv eingesetzt, wie diese hier. Ein Mann, dessen Schwester ermordet wurde, steht apathisch im Regen. Die Frau, die ihn aufliest, und Derrick führen mit ihm, jemanden der in Tagträumen verloren scheint und Probleme hat die Realität und die Welt in seinem Kopf auseinanderzuhalten, völlig entrückte Gespräche. Doch statt dranzubleiben, nachzufragen oder einmal mit einem Arzt über seinen Zustand zu reden, brechen alle Unterhaltungen zügig ab und lassen den Verrückten eben sein. Etwas Mittelalterliches hat es, wenn dieser Dorfdepp einfach belächelt wird. Indem die Episode aber selber alles so stehen lässt, wie sie es selber braucht, wirkt sie ebenso sehr verloren in der eigenen Melancholie und der Debatte um Sex, SM und männliche Geschlechtermoral. Sie möchte dabei wohl darauf hinaus, dass in seiner keuschen Weltsicht Sex und Frauen nicht zusammengehen, jedenfalls nicht außerhalb geordneter Bannen und dass toxischer Sexismus nicht nur bei Sadisten (sehr gut: Hans Georg Panczak) zu finden ist. Falls es überhaupt noch offenstand, denn ist DERRICK nun schlussendlich zu einer Essaysammlung über Moral und Anstand seiner Zeit geworden … aus einer sehr eigenen Perspektive heraus, wie diese Selbstanalyse bestens zeigt. Am tollsten ist übrigens Hans Korte als Alkoholiker, der seine reichen, sadistischen Söhne verabscheut. Eine Schau an seelischer Verlotterung.
Montag 24.02.
gut +
Dass SNOW WHITE im Grunde dem Märchen als Ort des Horrors treu bleibt, auch wenn zuweilen niedliche Tiere und Slapstickzwerge dominieren, zeigt sich beispielsweise, wenn Schneewittchen vom Apfel abbeißt. Der einzige Grusel liegt im Wissen um das Gift in ihm, nicht aber im Bild eines apfelessenden Mädchens. Der Biss wird uns deshalb einfach vorenthalten und so der Spannungsmoment noch erhöht. Wir haben lediglich die Vorfreude im Gesicht der Schneewittchen gegenüberstehenden Hexenkönigin als Information. Statt Fakten nur Unsicherheit, die durch einen zu bodenfallenden Arm und einen wegrollenden Apfel wie durch ein Fallbeil beendet wird.
Sonntag 23.02.
fantastisch –
Wie letzte Woche wollte Carlotta Z. (4 Jahre) beim Filmschauen nicht von meiner Seite weichen. Nach 40 Minuten verließ sie aber das Zimmer, nachdem sie mehrmals eingeworfen hatte, dass das ja alles nicht wahr (im Sinne von echt) sei. SINGIN‘ IN THE RAIN, nicht nur ein schöner, sondern auch ein pädagogisch wertvoller Film. Denn auch wenn es sie schmerzt, die erste und wichtigste Lektion über Film könnte sie nun ein wenig in sich aufgenommen haben.
großartig –
Ein bisschen ist es Behaviorismus, wenn Leute hier ohne erkennbares Innenleben gezeigt werden, fast als wären sie nur affektgesteuert. Siehe die beiden Männer am Ende, die ohne rationales Handeln zu vermitteln über Vitrinen stehen … wie Schweine über Trögen. Ein bisschen ist es Systemtheorie, wenn vor allem ein System gezeigt wird, in dem Worte – trotz ihres inflationären Gebrauchs – keine Bedeutung mehr haben und nur Teil von Durchhaltestrategien sind, die eine elaborierte Form von Starrwettbewerb zum ökonomischen Handeln gemacht haben. Jedes Leihgeschäft, jeder Deal ist eine Wette, die nicht nur auf einen objektiven Ausgang ausgelegt ist, sondern auch auf die eigene Durchhaltefähigkeit. Kevin Garnett (Kevin Garnett) wird sich von Howard Ratner (Adam Sandler) einen unverschnittenen Opal leihen und trotz aller Beteuerungen lange nicht zurückgeben. Begleitet ist dieser Vorgang, eingewoben in diverse andere Deals und Wetten, die von den gleichen Umständen geleitet werden, von Drohen, Reden, Schweigen, Verfolgen, Ausflüchten, Wutausbrüchen und Zurechtweisungen, dass er, Garnett, den Stein hätte gar nicht zurückgeben müssen, weil was hätte Ratner schon machen können. Alles ist Machtspiel und völlig irrationales Durcheinander von Motiven, die alle von Egoismus bestimmt sind und dem jeweiigen Maß an Kraft aller Parteien diesen durchzusetzen. Wenn dann aber von all dem Diamanten- und Gelddeals immer wieder kurzzeitig ins Familiäre Ratners gewechselt wird, dann werden diese eh schon schmerzhaften Macht- und Verschleierungsdialoge noch qualvoller, weil es hier tatsächlich noch um Inhalte gehen sollte. Siehe dazu die (Nicht-)Unterhaltung Ratners mit seiner Tochter. Irgendwo geht es dann wohl noch um Selbsthypnose und das Große im Kleinen oder so.
Vor allem ist UNCUT GEMS aber Überladung, Überforderung und Druckkochtopf. Sobald der Vorspann startet und einen mit Informationen überflutet, wollte ich eigentlich fliehen. Wenn Howard Ratner dann sein Netz aus Deals aufbaut, die alle seine Vernichtung – wirtschaftlich, männlich wie existentiell – bedingen können und die die Linie zwischen riskant und völlig verantwortungslos schon weit überschritten haben, dann geht dieser Film nur noch an die Nieren. Wenige Pausen gönnt er einem, wenige Änderungen im Ablauf bietet er. Ein Vorschlaghammer bildend, der aus einer Flutwelle von Eindrücken und Entwicklungsmöglichkeiten besteht. Denn da wo das Filmische nur aus Gegenwart besteht bzw. aus einem Zuviel an Gegenwart, beschreibt dies eine Welt in der es keine Gegenwart gibt, sondern nur Zukunft und Hypothesen. Und UNCUT GEMS sucht nur den Schwitzkasten ohne Finesse, der einen in diesen erbarmungslosen Widerspruch gefangen hält.
Sonnabend 22.02.
großartig –
GODZILLA, MOTHRA AND KING GIDORAH ist eingeschnappt. Hollywood und die USA haben ihnen Godzilla weggenommen. Ein Affront. Was erlauben Emmerich. Baragon, Mothra und King Gidorah werden deshalb nun in wunderbar esoterischem Pseudowissenschaftsgeplapper zu nationalen Schutzgeistern umgedeutet, die ein nun von us-amerikanischen Geistern befallen Godzilla aufhalten sollen. Ebenso muss sich das Militär beweisen, weil Godzilla im ersten Teil von Wissenschaftlern zur Strecke gebracht wurde. Dies gilt es richtigzustellen. Der mitschwingende Nationalismus und Militarismus … wer interessiert sich für diese, wenn der Regisseur ein phantasiebegabter Sadist ist. Ein Bohrer dringt in Großaufnahme aus Godzillas Brustkorb; dessen Schluckbewegung beim Verschlingen eines U-Boots, in dem einer der Helden sitzt, wird genüsslich und amüsant ausgedehnt; Baragon wird mitleidserregend winselnd gezeigt, als er von Godzillas Fuß in den Dreck gedrückt wird; Godzilla erhebt sich aus Wellen, welche die ganze Leinwand einnehmen, woraufhin aus der starken Unteransicht ein Boot auf die Kamera zustürzt – ein Gesicht im Bullauge auf uns zu kommend: GODZILLA, MOTHRA AND KING GIDORAH ist ein wilder, durchaus asozialer Ritt, der nicht einfach nur schreiende, flüchtende Mengen zeigt, sondern stets ein noch wahnwitzigeres Einzelschicksale findet, das im ständigen Sterben den Massen ein Gesicht gibt. Mein Favorit: ein Mann steht am Pissbecken und wankt durch Godzillas Stampfen hin und her, weshalb er alles um sich und sich selbst ausgiebig bepisst. Erlöst wird er erst von dem erlösenden Tritt, mit dem Godzilla das Haus, in welchem er sich befindet, einebnet. Von den Anfangs erwähnten Dissonanzen abgesehen, endlich ein Film, der Monsterfilme ganz verstanden hat.
Freitag 21.02.
gut
Die kleinen Kinder, die ich kenne, finden vor allem Elsa toll. Anna ist für sie offensichtlich nur eine Nebenrolle, die in dieser Doppelerzählung zweier Schwestern aber eigentlich die Hauptrolle spielt. In Gesang und Montage wird zuweilen die Doppelentwicklung zweier Schwestern angestrebt. Elsas Schicksal wird aber, wie es sich für Disney-Heldenpolitik gehört, an den Rand gedrängt. Alleingelassen hat sie eben keine tollen Sidekicks und love interests – eigentlich ist das fies, aber es passt zu ihrem Leiden, dass vor allem darin besteht, einsam und verlassen zu sein. Elsa ist nämlich jemand, der unter Verantwortung und ihrem Verantwortungsgefühl zusammenbricht, die von ihren Eltern und ihrem Umfeld alleingelassen wird, während Anna verantwortungslos vor sich hinlebt und Elsas Leben erschwert. Annas Erfrierung und Abenteuer auf der Suche nach Elsa wird aber nun mal prominenter präsentiert. Im Hause Disney ist das die Erzählung, der die Aufmerksamkeit gebührt. Das besagte Kinder sich nun – und sei es nur wegen der Eiskräfte – mehr für den wahrlich melodramatischen Helden des Doppels interessieren, finde ich eine schöne Revanche dafür, dass die Disney-Luftikusse sonst immer die erste Geige spielen. An Anna finde ich eigentlich auch nur spannend, dass sie sich in jemanden verliebt, der im Grunde eine weniger malträtierte Version ihrer Schwester ist. (Christoph ist blond, verantwortungsvoll, verdient sein Lebensunterhalt mit Eis und ist auf sich gestellt – weniger als Elsa aber trotzdem.)
nichtssagend –
Die Grundidee dieser Folge ist so offensichtlich, wie umständlich umgesetzt. Ein Mann soll gezeigt werden, um den niemand trauert, der Derrick sogar dazu verleitet den vermutlich wahren Mörder laufen zu lassen und ein Bauernopfer zu akzeptieren, damit er einen Schuldigen für seinen Mord präsentieren kann. Und weil in feinsäuberlich, jede Silbe betonenden Monologen und in bildlichen Formulierung, die Derrick noch und nöcher wiederholt (Beispielsweise in etwa: Wenn er den Raum betrat, blieb mein Herz für kurze Zeit stehen.), alles offensichtlich ist und nichts die reinliche Simplizität stört, ist diese Folge vor allem öde. Karg gefüllte Spielzeit.
ok
Eine Lehrerin (Christiane Hörbiger) liebt ihren Schüler (Holger Handtke). Vor allem wegen der Unverdorbenheit, die sie in ihm zu erkennen glaubt. Wenn EIN SEHR TRAURIGER VORGANG von ihren Gefühlen handelt, Gefühlen, die ihr nicht einmal bewusst zu sein scheinen, dann schafft es die Folge das Unausgesprochene aus den Worten und Gesten quellen zu lassen oder das Unaussprechliche dieser Liebe in simple, atmosphärische Traumbilder zu übersetzen. Leider geht es aber vor allem darum, ohne Höhepunkte zu zeigen, wie der duckmäuserische Schüler die keuschen Ansprüche an ihn enttäuscht, wie er sich verklemmt dem peer presure unterordnet … und wie Derrick und Harry laut denken.
Mittwoch 19.02.
verstrahlt –
Eines der vielen, vielen denkwürdigen und bedenklichen Dinge, die DIE HOCHZEIT in sich trägt, geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Eines lässt mich mehr rätseln, als:
• der Umstand, dass nach dem Film hinter mir eine Frau ihren beiden Freundinnen deutlich hörbar mitteilte, wie witzig sie diesen Film fand. Im Reflex fragte ich mich, ob sie noch nie eine funktionierende Komödie gesehen habe. Denn DIE HOCHZEIT schafft es zumeist nur seine Intention von Komik zu vermitteln und verlässt sich darauf, Leute ihre Würde verlieren zu lassen und dann Reaktionshots – immer und immer wieder Reaktionshots – von Leuten (vornehmlich einen skeptisch guckenden Til Schweiger) zu zeigen, die nochmal kommunizieren wie peinlich das Gesagte oder Geschehene war.
• die eben erwähnte Lobpreisung der Zuschauerin, wenn sie im Kontext des Films gesehen wird. Denn DIE HOCHZEIT ist ein Film, der von selbstmitleidigen Männern erzählt, die alle samt und sondern unfähig sind, selbstkritisch zu sein. Schuld haben immer die anderen. Gerade durch die DERRICK-Folge EIN MERKWÜRDIGER PRIVATDETEKTIV im Nacken, wo Frauen darüber meditieren, wieviel besser eine Welt ohne (schlechte) Männer sein würde, ist dies harter Tobak. Die Hauptfiguren zu ertragen ist nicht ganz einfach. Und vll. entgeht mir da etwas und diese Frauen hinter mir, hatten einfach ihren Spaß daran, diese männliche Weinerlichkeit, mit der sie sich womöglich mehr rumschlagen müssen als ich, in den Schmutz gezogen zu sehen.
• die sensationelle Unklarheit des Films. Es gibt diese Stelle, wo Andreas (Milan Peschel) ein Tils, also Til Schweigers Biermarke, trinkt. Das Label ist immer gut lesbar im Bild und nach dem Absetzen fällt umgehend in etwas der Satz: Oh, das schmeckt aber gut. Knapp wird das Lächeln in die Kamera, der Abschluss dieses dreisten Werbebilds, umgangen. Das Timing für das Unklare ist dabei perfekt, was diesen Moment zwischen kläglicher Selbstvermarktung und tatsächlicher Selbstironie feststecken lässt. Wäre der Blick ausgekostet worden, wäre der Witz klar gewesen. So, durch die Vermeidung der Selbstentblößung, kann es tatsächlich ernst gemeint sein.
• die aus dieser Unklar erwachsende Psychotherapiesitzung. Denn das Jämmerliche der Figuren scheint immer auch das der Macher zu sein. Schon allein wie Til seine Kritikerneurose hier thematisiert und zu etwas Lachhaften macht. Wie Kritiker zu 100% entscheiden, ob eine Platte (ein Film…) zum Hit wird oder nicht. Wie Til sich an eine Kritikerin ranmachen möchte, aber es am Ende doch besser weiß und authentisch bleibt. Es wirkt alles wie eine Echokammer des Kopfes/der Köpfe, dem/denen er entstammt. Dermaßen ist es an der Oberfläche, dass es gut und gern auch wie eine Selbstanklage, -entlarvung und – verhohnepipelung verstanden werden kann. Aber da es einem Grade ungelenk gemacht, dass unklar bleibt, ob hier überhaupt jemand beim Machen etwas davon bemerkte. Mal ist tatsächlich etwas witzig und/oder romantisch, meist lässt sich aber nur verstehen, wie es gemeint ist, weil wir schon wissen, wie es gemeint sein soll. Die Bausteine, derer sich bedient wird, werden nicht unkenntlich gemacht, sondern verdeutlicht. DIE HOCHZEIT ist stets indirekt und steht ohne Fluss neben sich … was dann eben dazu einlädt, den Film nicht an sich, sondern in seinem Kontext zu denken. Oder anders: Eine Sichtung von DIE HOCHZEIT ist, wie Psychologe zu sein und einen Traum erzählt zu bekommen, der sich aus Romcomversatzstücken ergibt.
• die Besetzung seiner Tochter Lilli, deren Physiognomie eben gängige Schönheitsmuster dezent umschifft. Sie ist schön, keine Frage, aber ihr Unterkiefer ist eben auch etwas massiver als ihn schöne Frauen im Kino und Fernsehen sonst haben. Auch dieser Casting Griff steckt fest zwischen Betriebsblindheit und dem Spaß an der Sache, zwischen: ich besetze meine Tochter, weil sie das Zeug zum Star hat, und: ich besetzte meine Tochter, weil es Spaß macht und ihr mich eh am Arsch lecken könnt. Ich jedenfalls fand Szenen mit ihr schon rein optisch am faszinierendsten.
• den Grad von Versöhnlichkeit, der in diesem Portrait schrecklicher Männer steckt. Eine Versöhnlichkeit, die tatsächlich einen Tick darüber hinausgeht, dass die Frauen ihre Männer akzeptieren und damit die Spannung aus den Konflikten nehmen. DIE HOCHZEIT hat u.a. tatsächlich ein kleines, halb geöffnetes Auge für seine Frauenfiguren.
Aber all das ist nur am Rande interessant, wenn ich miterleben muss, wie ein Filmemacher, der die Emotionen seiner Filme ewiglich mit sanfter Indie-(Electro-)Mucke festzurren möchte, hier, wenn die drei Hauptfiguren sich zum Sprungbrett begeben, von dem sie in die Untiefen der Würdelosigkeit springen und alle Sicherheit in ihren Beziehungen zerstören, wenn dort – an und um einen Bowlingabend, wo ein vierter Freund für den Plot stirbt – in einer Reihe die folgenden Lieder prominent die Handlung untermalen: JENSEITS VON EDEN von Nino de Angelo – TI AMO von Howard Carpendale – SANTA MARIA von Roland Kaiser – (das Leid ist mir leider entfallen) von der Münchner Freiheit. In der ARD Audiothek findet sich das Essay ICH KÖNNTE HEULEN, VOM DEUTSCHEN SCHLAGER, auf das Thomas G. vor kurzem hinwies. Drückt sich so ganz zart die Sensibilität für das Scheitern der Liebe und am Leben aus, die nach dem Essay im Schlager verhandelt werden? Ist es eine Diffamierung der Figuren durch die Musik (und damit der Musik)? Oder handelt es sich doch um etwas viel Komplexeres, von dem die Macher noch am wenigsten eine Ahnung haben, was es sein könnte.
Dienstag 18.02.
verstrahlt
In der Mitte der Folge erzählt die Mutter des titelgebenden Detektivs (Eva Maria Meineke), dass sie lange nicht sicher war, was für jemand ihr Sohn (Richy Müller) ist. Wie ein Münze sei er gewesen, die, nachdem sie in die Luft geworfen wurde, am Boden kreist. Unklar, auf welche Seite sie fallen wird. Nun, da er zwei Liebende (Heike Faber und Tobias Hoesl) gegen den niederträchtigen, aggressiven Ehemann der Frau (Peter Fricke) unterstützt, sei sie sicher, dass er auf die richtige Seite gefallen sei. Zu einem anderen Zeitpunkt wird der Detektiv selig lächelnd zuhören, wie seine Mutter und seine Sekretärin (Renate Grosser) von den Unterschieden erzählen, die es machen würde, wenn Gott männlich oder weiblich wäre. Dabei geht es explizit darum, dass Frauen und die Welt unter den Männern leiden, die auf die falsche Seite gefallen seien. Diametral steht der romantischen Wonne des Detektivs dann auch ein Ehemann entgegen, der die Leute um sich ausschließlich anherrscht. Anständige junge Männer stehen alten Widerlingen entgegen.
Es ist aber nicht diese Konstellation bzw. die verzweifelte Diagnose – der Mord an bösen Menschen macht auch hier die Welt nicht zu einer gesunden – die in EIN MERKWÜRDIGER PRIVATDETEKTIV einen Drehbuchautor zeigt, der völlig ins Delirium abgedriftet ist. Entrückte Monologe von Leuten, die von ihren Gedanken verzückt ins Nichts starren und über Gott, die Welt und die Liebe sinnieren, als ob sie am Lebensabend im Schaukelstuhl sitzen, bestimmen das Bild. Nur die Herren, die falsch fielen, sinnen nicht – ebenso wie Derrick, der im Grunde aber weniger Mann ist, als Gesetz … dessen Schritt wohl auch nur aus Gesetzbuch und einem Paar Handschellen besteht.*
Und in diesem Parallelwelthaften stecken noch Details, die diese selbstanklägerische Altherrenphantasie durch dezente Inszenierungsgriffe noch mehr aufladen. Vor allem ist da Frau Sorge (Anaid Iplicjian) – schon dieser sprechende Name –, die ständig am Rande der dysfunktionalen Ehe gezeigt wird, ohne klare Position zu beziehen. Die aber auffällig sorgsam, liebevoll und in Großaufnahme die Hand des Ehemanns verarztet, nachdem dieser sich beim Zusammenschlagen seiner Frau verletzte.
*****
* Was selbstredend auch Kategorien – Mann und nicht Gesetz bzw. doch Mann und gerade dadurch Gesetz – sind, die das ganze Geschlechtergeflecht dieser Folge so verwirren.
Montag 17.02.
gut +
Enden tut DIE BLAUE HAND Hals über Kopf und als Hinweis auf den kommenden Wallace-Film – DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE. Einerseits ist das sehr toll, weil die Auflösung meist das Uninteressanteste eines Krimis ist, andererseits stellt es den Höhepunkt dessen dar, wie das Engagement in DIE BLAUE HAND nachlässt und am Ende eigentlich verpufft ist. Steht er zu Beginn mit Spiegel und zerbrochenen Perspektiven voll, sperrt die Figuren in Räume, die ihnen im Angesicht des Schreckens keinen Halt bieten, verzerrt die Perspektiven, weil Wahnsinn, Traum, Dopplung und Uneinheitlichkeit sein Modus operandi sind und begreift die (moderne) Psychiatrie in seinem Medium als Peepshow, da weiß er am Ende scheinbar gar nicht, wie er all das loswerden kann, was zu nichts mehr führt. Die Selbstvertrashung ist dabei aber etwas zu lässig, zu sehr abgeklärte Pointe.
Sonntag 16.02.
großartig +
Eigentlich wollte ich ASSAULT ON PRECINCT 13 auf der Leinwand schauen. Lotti Z. (4 Jahre) lief aber einfach mit in den Raum und wollte mitschauen, nur um in meiner Nähe zu sein. Da ergriff ich die Gunst der Stunde und schaute einen Film, den ich eh gern mal wiedergesehen hätte, den ich gern mal mit ihr sehen wollte und den sie nie geschaut hätte, hätte ich ihn ihr vorgeschlagen. Die ersten zehn Minuten saß sie im Grunde nur staunend da und hat wiederholt erwähnt, wie schön dieser Film aussieht. Und das reicht vll. auch schon, um zu erklären, was so toll an PONYO ist, einem Film, der einen seiner positiven Charaktere als unsympathischen Nölarsch zeichnet (also wirklich auch dementsprechende wenig knuddelig aussehen lässt), der Wasser als Quelle des Lebens und des Todes, als Schönheit und als Angreifer darstellt, der voller kleiner krabbelnder Lebewesen ist, die sich wie ein lebendiger Teppich bewegen, der also auch nicht einfach schön, sondern reichhaltig, ambivalent und unsicher ist.
fantastisch
Ein Afroamerikaner, eine Frau und ein Krimineller retten ein traumatisiertes, am Boden liegendes Amerika. Um es mal aufs Nötigste herunter zu brechen.
Sonnabend 15.02.
großartig –
Ich verweise gern auf Lukas F.s Text beim Filmbulletin. Final steht dort dies hier: Mehr noch als in den vom Franchiseüberbau stets ein wenig ausgebremsten TRANSFORMERS-Filmen, mehr auch als in den filmtechnisch sorgfältiger verarbeiteten PAIN AND GAIN und 13 HOURS regiert hier das amoralische Lustprinzip und sonst gar nichts. Nachdem der Film aber mit seinem Höhepunkt an Lustgewinn anfängt, fällt er danach etwas in ein Loch. Die Höhen des Auftakts erreicht er nur mehr sporadisch und am ehesten wenn Magneten die Schwerkraft auf einem Schiff manipulieren und alles durch den Raum schnellen lassen. Für das Erzählen seines Plots muss er aber dann doch etwas auf die Bremse treten und etwas genügsamer sein, was den Affekt angeht. Darin zeigt sich aber auch nur, wie absolutistisch er ist. Nicht einfach nur (asoziales) Spaßhaben. Ernst muss es auch sein. Gefühlig und nach Relevanz gierend. Dieser Film will alles in sich aufnehmen … auf das er beständig platzt.
Freitag 14.02.
nichtssagend
Und wieder schaffen die Autoritäten, die Godzilla zerstören und Japan retten wollen, eine Gefahr, die gefährlicher als Godzilla ist. GODZILLA VS. MEGAGUIRUS zeigt uns mit seiner Konzentration auf den Blick einer hasszerfressenen Soldatin etwas Seltsames – und das ist die spannendste Perspektive auf diesen doch etwas arg tristen Film. Die Menschen ignorieren die Gefahr, die von Megaguirus ausgeht ausgiebig. Eine Stadt steht unter Wasser; Leute werden gezielt umgebracht: Nichts lenkt den Blick der (korrupten, selbstverliebten und/oder affektgesteuerten) Entscheidungsträger von Godzilla ab. Es ist eine Gefahr, die der Film mit diversen Horrorelementen darstellt, wo Godzilla eben nur Kathastrophenfilmvehikel bleibt. In seiner zerfahrenen Erzählung, die sich für keinen Schwerpunkt entscheiden kann, stellt sich so eine Perspektive dar, die die Äquivalente von Nazideutschland und der Sowjetunion vor sich hat und seinen Widerstand völlig auf den realexistierenden Kommunismus richtet. Quasi.
Donnerstag 13.02.
großartig –
Der Legende nach hat LES DIABOLIQUES William Castle zu seinem ganz speziellen Gimmickkino verholfen, welches im ab 1958 seinen Ruf einbrachte. Während sich dort aber Paranormales durch die Inszenierung in den sonstigen Realismus drängt, ist 13 GHOSTS nie an Realismus interessiert. Nach einer ziemlich amüsanten Zwangsvollstreckung sämtlichen Hab und Guts ist Familie Zorba ziemlich glücklich, als sie stante pede ein Haus erbt. Dass es kein weiteres Erbe gibt, ist für sie ok. Hauptsache das neue Heim ist möbliert. Nur war der Vorbesitzer und Onkel Geisterjäger und noch 13 Geister suchen in dem Haus nach ihrer Ruhe. Die drollige Geschichte, in der nie jemand agiert, als sei er existenziell in Not, das Haus eines verrückten Genies mit seinen verschrobenen Geisterfängerutensilien und die Protagonisten, die teilweise wie eingefroren dastehen und das seltsame Treiben – mit verzerrten Gesichtern – beobachten, als seien sie Stand-ins des Filmpublikums: Es gibt keinen Hinweis, die Marker des Spaßes übertreffen, die des Grusels bei weitem. Was das Ganze dann auch nicht als Thriller oder Horrorfilm plausibel erscheinen lässt, sondern als eine Parallele dessen, was Hanna-Barbera im Fernsehen der Zeit gerade erfolgreich macht. Sprich: 13 GHOSTS wirkt – abgesehen von der Verwendung realer Schauspieler – wie eine Folge von THE FLINTSTONES oder THE JETSONS.
Auf der blu-ray von Indicator ist Illusion-O integriert. Also die Form, in welcher der Film damals in den Kinos lief. Einzelne Szenen, in denen Geister auftauchen, sind mit einem blauen Filter aufgenommen. Die Geister, welche mit einem roten Filter aufgenommen wurde, sind nachträglich auf diese blauen Bilder aufgetragen. Das Ergebnis ist ein hochartifizielles Bild, dass an viragierte Stummfilme erinnert. Und gerade in dieser Optik offenbart sich, worum es sich bei 13 GHOSTS (und vll. Castles Kino der Zeit, dass ich mir noch erschließen muss) handelt. William Castle selbst, der zu Beginn des Films die Anwendung von Illusion-O erklärt, lässt sich per simpelster Tricktechnik – die Kamera wird angehalten, er verlässt die Einstellung, die Kamera nimmt wieder auf, es sieht aus als ob er sich in Nichts auflöst – aus dem Bild verschwinden; auf optische Spielereien (die einen tendenziell nostalgische Touch haben) wird mehr Wert gelegt, als auf die bzw. überhaupt eine Geschichte: Der Geist eines Georges Méliès‘ hält hier Einzug.
Aber Cartoons hin, phantastische Stummfilme her, das Genie dieses Films liegt darin, dort weniger zu erblicken, wo andere mehr sehen. Oder einfach Unfug mit einer bestehenden Technik zu treiben. Denn der Zuschauer bekam damals eine Art umfunktionierte 3D-Brille. Statt eines auf die Nase zu setzenden Gestells gab es eine Karte mit zwei Sehschlitzen. Einem mit roten, einem mit blauen Filter. Wer die Geister sehen wolle, müsse durch die Scharte mit dem roten Filter schauen. Wer sich nicht traue, die Geister zu erblicken, solle durch den blauen Filter schauen. Statt also aus zwei Bildern einen Raum zu erschaffen, drehte Castle die Technik um und gab einem die Möglichkeit zwischen drei Optionen, wie jeder das Bild sehen wollte – implizit gab es ja immer die Möglichkeit, gar nicht durch einen Filter zu schauen.
Der blu-ray liegt keine solche Karte bei. Stattdessen kann im Menü ausgewählt werden, ob wir die entsprechenden Szenen natürlich sehen oder so, als schauten wir durch einen roten oder einen blauen Filter. Das Schönste, nämlich zwischen all den Möglichkeiten hin und her zu springen und die Optik der verschiedenen Ansichten zu erkunden und zu vergleichen, wird durch diese umständliche Lösung – die viel besser als das Fehlen von Illusion-O ist – ziemlich erschwert. Und gerade in der Behinderung offenbart sich ex negativo, welcher Spieltrieb diesen Film auszeichnet und welchen Spaß er am Sehen hat und vermitteln möchte.
Mittwoch 12.02.
großartig
Nach einem kurzen Stimmungsbild mit Tanzenden in einer Disco und einer mitten unter ihnen gesetzten Heroinspritze ist der Mord schon geschehen. Die Tat wird so wenig in der Episode zu sehen sein, wie die Ergreifung der Täter. Die Folge beginnt so abrupt wie sie endet. Derrick und Harry sind, so mag es zuweilen erscheinen, auch nur aus Trägheit da. Denn vom Police Procedural möchte BILLIES SCHÖNE, NEUE WELT gar nicht so viel wissen. Stattdessen gibt es einen kurzen, hochromantischen Blick auf eine Seele. Eine Seele, die schon zu Beginn einen heftigen Knacks hat und wahrscheinlich bereits mit dem Auftakt der Episode einen Sturz in ein tiefes Loch antritt.
Zu merken ist davon nur am Rande etwas. Während Billie (Muriel Baumeister) mit ihrem Freund (Nikolaus Gröbe) eine nicht ganz freiwillige Drogentote für ihre Väter, ihres Zeichens Discobesitzer und Drogendealer (Bernd Herzsprung und Will Danin), im Wald entsorgt, träumt sie vom gemeinsamen Haus im Wald. Von der Flucht vor einer Existenz, der sie sich nicht mehr stellen kann. Oberflächlich nimmt sie alles hin. Völlig apathisch redet sie, als wäre sie schon nicht mehr von dieser Welt. Nur langsam offenbaren ihre Aussagen ihr Seelenleben. Nur langsam zeigt sich, wie die salzweißen Augen der Leiche – sie scheinen direkt aus dem Totenreich eines Fulci-Films zu stammen – sie verfolgen und wie sehr die väterliche Welt voll Mord, Empathielosigkeit und Kälte sich durch eine 4-to-the-Floor-Version von ‚O SOLE MIO in seinem Grauen offenbart. Leitmotivisch vertont Tschaikowskis Violinenkonzert hingegen ihre Sehnsucht nach Ruhe, nach einem Ende. Tschaikowski, die Laute des Waldes und ihre entrückte Sprache: Sie berichten von den Wallungen und dem Entsetzen, das Billie in sich weggesperrt hat.
Dienstag 11.02.
ok –
Nur vier Jahre nach Abschluss der Heisei-Ära geht es erneut los. Das Ableben Godzillas im Vorgänger wird auch gleich ignoriert, als sei nichts gewesen. Und doch ist erst einmal alles anders. Das Bunte und zuweilen Wirre, das kindlich Verspielte der Reihe wird kategorisch ausgeschlossen. Die erste halbe Stunde wirkt als solle international Verpasstes aufgeholt werden. Die Bilder sind dunkel und voller hochwertiger Schattensetzungen, die Erzählung, die eines Blockbusters der Zeit, die Gesichter starren mit offenem Mund: GOZILLA 2000 sieht zuerst aus, als solle ein Film von Steven Spielberg nachgestellt werden.
Das Sympathischste dabei ist, dass der Film dies aber nicht lange schafft aufrecht zu erhalten. Die spinnerte Wissenschaft, die sehr ernst verhandelte Symbolik um Godzilla als Rache an übermütiger Wissenschaft und als Essenz des Lebens, die sich rächen wird; das absurde Monster, gegen das Godzilla antreten muss, um die zu retten, die mit ihrem militärisch-industriellen Komplex ihn loswerden wollen. Okawara, schon in der Heisei-Ära eingesetzter Regisseur, war vll. die falsche Wahl, aber das Tolle an GODZILLA 2000 ist einfach, dass der Film nicht lange die neue Seriosität aufrechterhalten kann und in die alten Muster zurückfällt … nur leider nicht so bunt und wirr, wie es schön wäre.
Montag 10.02.
gut
In BIRDS OF PREY wird jemanden eine Handgranate in den Mund gesteckt und wie der Körper folglich in Fetzen gerissen wird, wird etwas aus der Ferne, aber doch gezeigt. Es ist wie in einem Cartoon. Und auch sonst ist der Film frech von der Leber weg und setzt ein wenig Punkattitüde gegen die Form seines Genres. Nur ist es dann auch traurig zu sehen, wie wenig sich BIRDS OF PREY diesem Credo hingibt (oder womöglich hingeben darf). Harley Quinn (Margot Robbie) folgt einer klassischen Charakter-Arche und muss lernen etwas Verantwortungsvoller zu sein. Was zu den eher öden Momenten des Films führt (wenn er nicht gerade das Punkige als KILL BILL-Variation missversteht). Am tollsten ist er aber, wenn er es wie HUDSON HAWK macht und einfach eigensinnig, seltsam und quietschvergnügt Erwartungen unterläuft oder einfach erfrischend sadistisch in seiner Gewaltdarstellung ist.
Sonntag 09.02.
verstrahlt +
MURDER BY DEATH, der mit augenscheinlichen Pointen arbeitet und der versucht seinen begrenzten Handlungsraum erblühen zu lassen, während DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE tongue in cheek vorgeht und seine spärliche Kargheit in einer beständigen Verwelkung belässt, würde ein wunderschönes Double Feature abgeben. Krimi als Absurditätenkabinett. Während MURDER BY DEATH aber zumindest die Regeln einer filmischen Realität anerkennt und bei aller Irrealität nach Kohärenz und Zuschauerbefriedigung strebt, kommt DER HUND VON BLACKWOOD CASTLE aus den dunklen Kellern einer spastisch verfangenen Phantasie, wo das Erlebte wie eine Aufprallort von Bruchstücken wirkt, die mglweise an anderen Orten einmal Sinn ergeben haben. Oder um es mit André M. zu sagen: Einer der größten Vohrers, Wallace-Filme, you name it. Und natürlich 00 Schneider mehr als 25 Jahre before it was cool.
Sonnabend 08.02.
gut +
Wenn dieser psychedelische Horrorfilm sich nicht teilweise verlieren würde, um zu erzählen, wie eine Frau ihre Erfüllung darin findet, den Haushalt von Junggesellen auf Vordermann zu bringen und diese Junggesellen gleich mit zu zivilisieren, wenn SNOW WHITE also nicht zwischenzeitlich in unfassbare Trübnis verfallen würde, wäre dies ein wunderbarer Film … den ich überraschenderweise noch gar nicht sah. Ich hatte ein Bilderbuch dazu in meiner Kindheit, weshalb diverse Einstellung mir wie in mein Hirn eingebrannt vorkamen. Aber wie wild dieser Film zu seinen besten Zeiten ist, das hatte ich nicht erwartet.
großartig +
Bei critic.de findet sich abermals eine Schilderung meiner Eindrücke. Formuliert wurden Sie, während Carlotta Z. (4 Jahre) neben mir Kuscheltiere ins Filmregal räumte, an mir herumkletterte, wiederholt von meinem Stuhl aufs Bett sprang und zurück sowie auf meinem Schoß saß und diverse Wörter eintippte. Während sie also vor allem anstrebte in meiner Nähe zu sein, fiel mir das Schreiben ziemlich leicht, weil ich, mit TOMMASO vor Augen, ihre Anwesenheit noch mehr wertschätzen konnte, und vice versa TOMMASO mit ihr vor Augen mir nochmal besser gefiel.
Freitag 07.02.
uff
Es folgt der Wortlaut eines Briefes, mit dem dieser Film dem STUC – Der stählerne Filmclub nahegelegt wurde:
Liebe Stucateure,
ich möchte Sie auf die Existenz des Zeichentrickfilmes SCHANDE DES DSCHUNGELS (Tarzoon, la honte de la jungle) aufmerksam machen. Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass ein Lied des Films wirklich Groove hat und dass es in diesem Film genuin faszinierende Peniswesen gibt, welche ihre Hoden als Füße und ggfs. Arme benutzen. Vor allem lassen sie sich nicht davon blenden, dass dieser Film der belgische Vorschlag für den Oscar für den besten ausländischen Film war. Bzw. lassen Sie sich nicht davon auf den Holzweg bringen, dass dieses Epos für diese Stahlveranstaltung dann doch nicht nominiert wurde. Und lassen Sie sich zuletzt auch nicht davon narren, dass er mit 4 Rollen erträglich kurz scheint. Er bedarf genau ihrer Zuwendung.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Eine vierzehnbrüstige Frau lässt die sexuell frustrierte Lebensgefährtin von Schande, einer Tarzan – mir stockt der Atem bei dieser dreisten Übertreibung – Parodie, entführen. Schande verfolgt sie, stellt die Missetäter in ihrer Höhle und befreit June. Und da SCHANDE DES DSCHUNGELS auch nicht mehr als diese Bierdeckelgeschichte von 5 Minuten zu erzählen hat, stellt er alles mit Redundanz und endlosen Füllszenen voll. Mit Rassismus und verklemmten Zoten, und immer wieder Rassismus und verklemmten Zoten. So rutscht Schandes Lendenschurz beständig – und damit meine ich beständig – herunter und offenbart den Blick auf seinen – hihihihi – Schaft.
Sollte Sie nun vorsichtig denken, dass Ihre Zuschauer von einer gekonnten Animation bei der Stange gehalten werden – um mal beim Niveau des Films zu bleiben -, dann gehen Sie ihrem gesunden Menschenverstand und ihrer Hoffnung an ein Mindestmaß an Anstand nicht auf dem Leim. SCHANDE DES DSCHUNGELS sieht fürchterlich aus. Zeichnungen wie Karikaturen aus lokalen Zeitungen mühen sich steif vor einem großteils trüben, nichts darstellenden Hintergrund ab. Der Handlungsort soll Afrika, könnte aber genauso gut die Tasche eine Basthose sein. Nur vereinzelt werden Establishing Shots eingestreut, um wieder penultimate Witze einzustreuen. (Siehe verklemmte Zoten, wo nackte Körper schon Pointen sind.)
Abgerundet wird die Sache durch eine exquisite deutsche Synchronisation, die dem Elend von Rassismus, Zoten und handwerklichem Offenbarungseid die Goldkante verleiht. Entweder es wird alles schmerzbefreit mit guter Laune (siehe Humor aus deutschen Bierzelten) zugekleistert oder es wird die Figuren Unklares gebrabbelt gelassen, als ob sie Hummeln seien, deren Brummen den Kinosaal erfüllen soll. Und wo zumeist nicht klar ist, aus welchem der sich bewegenden Münder der sinnentleerte Beitrag nun stammt.
Die beste Nachricht ist, dass das Filmarchiv Bögelein, über den Film e.V. Jena sicherlich leicht zu erreichen, im Besitz einer Filmkopie ist. Leider ist der Rotstich nur minimal und nur in den Schwarzblenden wirklich auffällig. Und die Kopie ist leider nur im zweiten Akt etwas mitgenommen und mit größeren Lücken versehen. Aber trotzdem verspreche ich Ihnen, es soll ihr Nachteil nicht sein, sich nach diesem Film zu erkundigen. Ihrer Veranstaltung wird er nicht mit Esprit beschmutzen.
Es grüßt Sie herzlichst
Ihr zweifelndes Fördermitglied
Donnerstag 06.02.
verstrahlt +
DOWN BY LAW ist ein Schwarzweißfilm. Gedreht wurde er aber auf Farbmaterial. Eine besondere Form von Schwarzweiß versprach sich Jim Jarmusch davon – laut des Bonusmaterials der DVD von Studiocanal. Ebenso Teil der Boni sind Teile des Films in Farbe. Der Sumpf sieht darin gleich mehr nach Karneval aus. Viel schriller und weniger lakonisch. DER BUCKLIGE VON SOHO war der erste Farbefilm der Edgar-Wallace-Filme. All das Gesetzte, das Atmosphärische war wie verpufft. Und Vohrer sprang mit voller Freude in diese neue bunte Welt. Er ließ dem Film keine natürlichen Farben, sondern bereitet uns sein persönliches Bällebad. Von Mikrokosmos des Films – bspweise ein alleinstehender Ermittler (Günther Stoll), der nicht nur seine Wäsche macht, sondern auch Damenunterwäsche darunter hat – bis zum Makrokosmos – wenn der Film zeitweise sich auf einen WIP in einem Mädcheninternat konzentriert, den er mit dem traurigen Ton einer Charles Dickens-Erzählung vorbringt –, nichts hat mehr Adel, alles ist Zirkus. Und damit vertritt er im Grunde eine zutiefst demokratische Agenda, bei der sich vor allem die Großen und Bedeutenden als düster Lachnummern entpuppen.
Mittwoch 05.02.
ok +
Am liebsten mag ich die Szene, wo ein Schneeschlitten in einen Abgrund fällt und dieser nach dem Aufprall explodiert, als sei er ein Wagen in einem 80er Jahre Actionfilm. Vll. liegt diese Szene aber auch am Grund meiner Probleme mit FROZEN. Weil er sich alldem, was er macht, so schrecklich bewusst zu sein scheint … und damit eben nur bietet, was von ihm verlangt wird. Da Carlotta Z. ihn gerade sehr mag, werde ich wohl noch einige Möglichkeiten für Genaueres bekommen.
großartig
Gerd Baltus gibt eine Jahrhundertvorstellung als Dahinsiechender, der vor seinem Tod nochmal mehr ins Delirium abgleitet. Dazu gibt es Momente, wie die energische, ins Brutale reichende Abführung eines Verdächtigen aus den Büroräumen des Morddezernats – rechts im Hintergrund –, während links im Vordergrund eine alte, tendenztatterige Dame ins Verhör genommen wird. Oder gleich der Beginn, der sich an dem Stacheldraht eines Gefängnisses ergötzt. Aber so sehr die einzelnen Teile der Episode alles daran setzen erstaunliche Impulse zu setzten, so kann keine mit der Wunderlichkeit der Idee des Drehbuchs zu Lösung des Falls mithalten. Ein Todkranker gesteht einen Mord, damit seine Familie finanzielle Absicherung erhält und der wahre Täter (Christian Berkel) freikommt. Eiskalt spielt die Ehefrau des Sterbenden (Thekla Carola Wied) und dessen Sohn (Andy Voß) mit … bis, ja bis Derrick mantraartig wiederholt, dass sie dann die Frau und der Sohn eines Mörders sind. Ein Beispiel von Ausgrenzung folgt auch gleich auf den Fuß und die beiden brechen weinend zusammen, statt weiter kackbratzig, wie bisher, ihren neuen Luxus zu genießen. Und ich weiß nicht, was mich mehr irritiert. Die Idee, dass sozialer Druck die Leute auf Linie bringen soll, oder die Widerstandslosigkeit, mit der sich die Durchsetzung des leicht zu durchschauenden Plans imaginiert wird. Vll. hat Brynych seine Finger im Spiel, der nichts tut um die überzogene, dement erträumte Entwicklung zu legitimieren, vll. ist aber auch einfach die schönste Lesart, dass die Störrischkeit und die folgende totale Aufgabe das Balzverhalten der Frau des (Nicht-)Mörders ist.
Sonnabend 01.02.
ok
Ein elterlicher Traum: Ein verantwortungsloses Kind strandet auf einem Wüsten- und Dschungelplaneten und lernt für sich selber zu sorgen. Wie dieser Wandel sich vollzieht, erklärt TERRY WILLY dezent zum Wunder. Erst sehen wir Willy im elterlichen Raumschiff, wo er nicht die Aufgabe erledigt, die ihm aufgetragen wird. Nach einer Katastrophe sehen wir ihn, wie er von einem Roboter auf einem unbekannten Planeten bei einer Robinsonade versorgt wird. Sobald dessen Akku leer ist, folgt die Einblendung: 6 Monate später und es hat einfach funktioniert, was schließlich funktionieren muss. Willy überlebt auf eigenen Füßen. Es macht einem als Elternteil Hoffnung, weil es scheinbar passieren muss. Und weil TERRA WILLY dies so absolut setzt, zeigt er sich auch an ganz anderen Dingen interessiert. Vor allen an seinen Reichtum an Flora und Fauna, mit der er sich ausstaffiert. Die liebevolle Animation kommt hier voll zu sich. In Montagen laufen Willy und sein Roboter durch verschiedensten Vegetationszonen und alle sind sie voller staunenswerter Idee. Von Tieren aus Felsen bis hin zu Klebstoffbeeren. Nur findet der Film keine richtige Form für das Erkunden und Erdenken unbekannter Welten. Forscherarbeit ist im Verständnis von Willy, der gern wie seine Wissenschaftlereltern sein möchte, das Bilder von Dingen gemacht werden, die niemand kennt. Und zu mehr kommt TERRY WILLY auch nicht. Die reichhaltige Welt bleibt nur am Rand eines Plots, der mit bekannten Mitteln erzählt, was unumgänglich kommen muss.
großartig –
Zum Abspann werden Blooper gereicht. So als solle nochmal unterstrichen werden, dass dies eine Komödie ist, dass dieses Kammerspiel nicht den Seelenstriptease meint, der Leuten ihre vermeintlich wahren Gesichter unter einer sauber aufgebauten Oberfläche vorführt. Dreieinhalb Paare treffen sich zum gemeinsamen Abendessen und kommen auf die Idee ein Wahrheit oder Pflicht-Spiel zu spielen, bei der die Wahrheit die Pflicht ist. Alle legen ihre Handys auf den Tisch. Anrufe werden auf Lautsprecher gestellt und Textnachrichten vorgelesen. Dass alle hoch pokern, ist gut vorbereitet, mit kleinen, dem Publikum zugänglich gemachten Geheimnissen (mehr Andeutungen) vor dem Spiel. Langsam baut sich daraus ein Orkan auf einem so schon tosenden Meer der Selbstinszenierung auf. Der Film besteht vor allem aus Großaufnahmen der Figuren und Nahen der Paare. Jeder für sich und Teil einer Dyade. Geredet wird fast ohne Unterlass. Sich wird dabei erklärt, Verhältnisse aufgebaut und moralische Einschätzungen verankert. Immer wieder ist der Mond zu sehen, als amüsiertes Korrektiv von Ruhe. Und zwischen drin die Pausen. Die Momente der Selbstreflexion und der Auseinandersetzung mit sich selbst. Doch nicht diese Oasen des Selbst sind die wahren Momente. Diese Augenblicke liegen eher in der Absurdität der Entscheidungen der Beteiligten in diesem Spiel. In ihnen offenbart sich eine zutiefst menschliche Komödie über die himmelschreiende Unterlegenheit der Leute im Kampf darum, ihrer Meinung nach annehmbare Identitäten darzustellen. Wir sehen ihre Karten und können deshalb genießen wie ihre Bluffs eines unangreifbaren Selbst offenbar werden.
Januar
Freitag 31.01.
gut
Zum Abschluss der Heisei-Ära der Godzillareihe wird es traurig. Der allererste Film wird wieder aufgegriffen, damit nochmal alles Revue passieren kann. Durch den Oxygendestroya wurden Urzeittiere mutiert und greifen als schnell wachsende Alienköniginnenwiedergänger die Welt an. Das ist alles viel wenig wirr und spaßig, als der Vorgänger, aber dafür eben ergreifender. Godzilla glüht rot und trägt seine Emotionalität zur Schau, weil sie den vermeintlichen und dann tatsächlichen Tod ihres Kindes verkraften muss. Außerdem stirbt sie selber und bekommt einen tränenreichen Abschied. In Japan platzte die ökonomische Blase und die Welt konnte nie mehr dieselbe sein.
Donnerstag 30.01.
ok –
Von Anfang an ist DER HEXER von einem ungemeinen Spieltrieb bestimmt. Vohrer ist sichtlich nicht daran interessiert einen ernsthaften Film zu inszenieren. Kurz vor Schluss fragt uns eine Texteinblendung – es bildet den Höhepunkt des Unernstes –, ob wir schon wüssten, wer der Missetäter ist. Doch es ist kaum engagiert. Verspielt dümpelt die Geschichte dahin. Verspielt passieren halt Dinge, die einfach vorbeigezogen werden lassen.
Dienstag 28.01.
gut +
Schon der erste Film der Edgar-Wallace-Reihe der Rialto enthält seine eigene/eigenwillige Form von Sexismusaufarbeitung, denn hier ist der Bösewicht eine Wiederbelebung von Fritz Langs Dr. Mabuse, die eben daran zugrunde geht, dass dieser Superschurke seine Lust auf ein junges Mädchen nicht unter Kontrolle hat und seine perfekt funktionierende Maschine für die Befriedigung seiner Geilheit aufs Spiel setzt. Oder eben auf der Ebene eines jungen Mannes, der sich in einem Bordell durch seine scheiternde Gockelhaftigkeit dem Spott des Films preisgibt. Darüber hinaus wird genauso unmittelbar in die Reihe eingeführt, dass hier niemand seine eigene Identität zur Schau trägt. Alle verstecken sie sich hinter mal tatsächlichen, mal psychischen Masken, weil die Wahrheit stets verschwiegen werden muss. Aber vor allem ergibt sich zunehmend das Bild, dass Reinl – wie auch Ridley Scott – erst wirklich zu sich findet, wenn er sadistische Gewalt inszenieren darf.
Montag 27.01.
nichtssagend –
Ein Soldat (George MacKay) steht mittels der filmischen Idee, den ganzen Film aussehen zu lassen, als würde er aus lediglich zwei fluiden Einstellungen bestehen, auf einem Fahrsteig und wird durch eine Landschaft gefahren, die eben alle geläufigen Eckpunkte eines Films über den ersten Weltkrieg enthält. Manchmal sieht es sogar sagenhaft schön aus. Wenn beispielsweise die Kirschblüten regnen oder die Leuchtgranaten entzückende Schattenspiele durch die Ruinen einer zerstörten Stadt werfen. Vor allem ist es aber Malen nach Zahlen, das sich dem Gimmick unterordnet.
Sonntag 26.01.
nichtssagend –
Ein nervöser Marvel-Film steht verloren in einem dunklen DC-Film herum und weiß nicht, wie er es sich in dieser Ansammlung von verschenktem Personal, verschenkter Geschichte und uninspiriertem Geschehen heimisch machen soll.
Sonnabend 25.01.
ok
Jack Black als weiblicher Teenager, der durch den Anblick diverser muskulöser und (halb-)nackter Männer nass im Schritt wird und sich an seinen ersten Erfahrungen mit einem Penis erfreut, sind das Beste des Films. Knapp dahinter kommen Kevin Harts bitching über seine Situation und die Inszenierung von The Rock als Felsen, der unbeweglich allen physischen Einwirkungen trotzt. Am schönsten ist der Film eben, wenn Leute nicht so sind, wie sie sind, wenn sie ihre Komfortzone verlassen müssen. JUMANJI: WELCOME TO THE JUNGLE ist aber vor allem daran interessiert, sie ihnen wiederzugeben, wofür er aber keine interessante Strategie entwickelt.
Freitag 24.01.
gut +
Ein mutierter Weltraumgodzilla, der wie ein Kreuzung aus Super Sonic, einer nach außen gedrehten Druse und eben Godzilla aussieht, fliegt unaufhaltsam zur Erde, um diese zu beherrschen. Eine psychedelische Mothra schickt psychedelische Nachrichten aus den Tiefen des Alls an eine übersinnlich Begabte. Das Militär baut wieder Roboter in Godzillas Größe. Andere Wissenschaftler bauen ein Instrument zur Bewusstseinskontrolle von Godzilla und ziehen sich zur Forschung auf eine pazifische Insel zurück, wo sie auf einen verbitterten Soldaten treffen, der Godzilla per Blutgerinnungsmittel töten möchte, aber ein Freund vom inzwischen Kleinkindgodzilla ist. Und die Yakuza treiben sich in diesem wirren Plot auch noch rum und versuchen das Gerät zu stehlen. Als dann die Materialschlachten zwischen den unterschiedlichen Monstern richtig einsetzt, als also das kaijū eiga zu sich kommt und es vornehmlich nur noch um den Kampf riesiger Gummianzüge geht, da ist mir aufgefallen, warum ich vll. noch nicht richtig enthusiastisch bzgl. eines Films dieses Genres geworden bin. An diesem Punkt, wenn der ganze Irrsinn drum herum in den Hintergrund rückt, verlor ich einiges an Interesse, weil dieser bunte Quatsch mich mehr angeht.
Donnerstag 23.01.
gut –
Mehr dazu wieder bei critc.de, wo ein Text veröffentlicht wurde, wo es um Religionskritik und Leidensfetisch des Film geht.
Mittwoch 22.01.
gut –
Der Aufbau ist klar. Mit wenigen Strichen wird zu Beginn eine Welt etabliert, in welche die drei Brüder zufällig wie gewalttätig eindringen und wie Heuschrecken mit ihrem Chaos darüber herfallen. In A NIGHT IN CASABLANCA gibt es einen versteckten Schatz, der irgendwo in Casablanca während des Krieges versteckt wurde, einen Nazi, der inkognito nach diesem sucht, und ein Hotel, dessen Geschäftsführer unter mysteriösen Umständen ein ums andere Mal ums Leben kommen. Mit Archie Mayo hat dieses Abenteuer der Marx Brothers dabei einen Regisseur abbekommen, der es schafft diesen Hintergrund nicht allzu farblos werden zu lassen. Groucho wird nun also neuer Geschäftsführer und darf mit seiner scharfzüngigen Absurdität den noblen Betrieb verspotten. Harpo ist der Diener des Nazis und sabotiert alles und jeden mit seinem böswilligen Spieltrieb. Und Chico denkt eben nur an seinen Vorteil. Es ist alles wie gehabt. Nur ist das Chaos nicht mehr ganz so überschäumend, wie zu Zeiten von DUCK SOUP – aber eben auch nicht ganz so gezähmt wie in anderen Filmen nach dem Weggang von Paramount. A NIGHT IN CASABLANCA ist dabei einfach das schmerzlichste Beispiel für den fehlenden Wandel innerhalb der Filme der Brüder. Wir haben einen spaßigen Film bekommen, einen mit diesen phantasiereichen Piano- und Harfennummer von Chico und Harpo, mit verbalen, physischen und choreografischen Blüten. aber eben auch einem, wo alles da ist, wo es hinsoll. Und das ist eben etwas enttäuschend in einem Film, der chaotisch sein möchte.
Montag 20.01.
gut
Ein paar Wissenschaftler klauen ein Ei, aus dem später Babygodzilla schlüpft. Das japanische Militär setzt unterdessen alles daran, ein Mittel gegen Godzilla zu finden. Wenn dieser (oder nun wohl eher: diese?) auftaucht und die Megalomanie des militärisch-industriellen Komplex in Form eines Robotergodzillas scheitert, dann schauen die Offiziere und Ingenieure doof aus der Wäsche. So oft und so erschüttert, dass es in einem Genre, in dem es um die Hilflosigkeit der Menschheit im Angesicht einer übermenschlichen Kraft geht und in dem eben oft doof aus der Wäsche geguckt wird, nochmal mehr zum stilistischen Mittel wird. Ein buntes Abenteuer bietet GODZILLA VS. MECHAGODZILLA II über die Anmaßung und Ignoranz von Leuten, die selbst wenn sie sich aufopferungsvoll um das ultrasüße Godzillababy kümmern, nie auf die Idee kommen, Godzillas Kind zurückzugeben. Immer nur Zerstörung, Raub und Egoismus. Ein trauriger Film.
Sonntag 19.01.
ok
DER SCHWARZE ABT ist alles, was hier im Sehtagebuch etwas früher im Januar steht. Er ist aber auch ein Film, in dem nur geredet wird, um den Plot voranzutreiben und auszustaffieren. Jede Unterhaltung wirkt wie das mühsame Anbauen eines noch neuen Flügels in der Handlung. Es ist lustlos, avantgardistisch, nervig und verliert sich erst, wenn DER SCHWARZE ABT dann gegen Ende seinen Aufbau abwickeln muss. Und die Bilder wirken zuweilen – und hier ist der Film am schönsten – wie eine Verhöhnung dieses Umstands.
Sonnabend 18.01.
großartig
Bei critic.de gibt es mal wieder mehr über diesen Sex- und Gewaltreißer zu lesen, der auch ein metatextueller Film über den Kampf der Geschlechter ist.
Freitag 17.01.
nichtssagend –
Godzilla kehrt zurück und diesmal hat er eine Achillesferse: Eis. Denn die Leute sollen sich lieben und sich nicht isolieren. Oder so. Ich weiß nicht mehr und habe auch nicht genug Interesse für mehr entwickelt. Leider.
Donnerstag 16.01.
ok +
Die Wiederkehr des Leading Man Will Smith in den größer budgetierten Gefilden Hollywoods lässt erstmal keinen Zweifel: der einzige Gegner, den Will Smith hat, ist er selber. Wie schon in GEMINI MAN – wobei dieser durchaus auch gleich als, sagen wir, nachdenkliche Variante des prolligen BAD BOYS FOR LIFE gesehen werden kann (und vice versa) – ist sein Gegner seinem Genpool entsprungen. In Ang Lees Film kämpft Smith gegen seinen Clon, während hier sein Sohn sein Widersacher ist. Während Martin Lawrence aber mit seinem stoisch beibehaltenen Jammern unbeschadet durch die Trümmer dieses Films kommt und sich auch für ein Comeback bewirbt, wirkt die Verbissenheit von Smiths Mike vor allem verbissen. Dem Prinzen vom Bel Air, der alle und alles naiv aufmischt, ist die Leichtigkeit abhandengekommen. Wenn Will Smith mit Emotionen oder Coolness die Szenen tragen muss, ist BAD BOYS FOR LIFE dann auch am unbeholfensten.
Ansonsten, wie gesagt, ein Film wie ein Trümmerhaufen. Mal ist er eine Komödie über die Leere des Ruhestands, dann wieder Soup Opera mit Enthüllungen und geheimen familiären Verbindungen, dann eine Buddy Komödie, die um ein Team erweitert wurde, zwischendrin immer wieder ein sehr grimmiger Film über Rache, Treue und Selbsterfüllung, und dann eben harter Actionfilm und Materialschlacht. Manchmal sehen die Actionsequenzen wie (avantgardistische) Collagen aus generischen Actioneinstellungen aus, die zusammen einen Katalog möglicher Einstellungen für Actionfilme ergeben, aber keine Geschichte oder einen Raum der Handlung. Und mal werden sie von raumgreifenden, aber trotzdem seltsam flach bleibenden Kamerafahrten eingefangen. Statt einer Linie gibt es eben eine Form von binge-Filmemachen. Alles wird mal ausprobiert, was irgendwie in einen FAST & FURIOUS-Film passen könnte. Das Leben ist kurz. Und für manches kann sich BAD BOYS FR LIFE eben mehr erwärmen (die offensiv campy seiende Soup Opera), für anderes weniger (das Team, das mild komische Randnotiz bleibt). Was vll. dann am meisten stört, ist das Wissen darum, dass wenn mal etwas toll ist, bald schon der nächste Haken einsetzten wird.
Dienstag 14.01.
großartig
Wirklich, ohne den Krimi zu verfolgen, tut sich ein wunderschöner Film über eine sexistische Gesellschaft und ihre Fetische auf. Ein bunter Strauß männlicher Übergriffigkeit und ihrer Rationalisierungen.
09.01. – 12.01.
19. außerordentlicher Filmkongress des Hofbauer-Kommandos
Sonntag 12.01.
fantastisch –
Ein Paar findet sich am Ballermann. In diversen Fragmenten eines Feier- und Absturz-Seins findet sich diese Erzählung … zumindest am Rande. Sobald das Paar vereint ist, zieht die Kamera alleine (gelassen) weiter. Zwischen alkoholgeschwängertem Urlaubsvideo und nüchternen Staunen, zwischen Plantschen und Katerbewältigung, zwischen Grölen und Streicheln, zwischen Verletzlichem und Stahl, zwischen Enthemmung und Verkrampfung, zwischen Befreiung und Klaustrophobie, zwischen Spritzigkeit und Trunst, zwischen Zuneigung und Entsetzen liegt in MALLE meist nur eine hauchdünne Trennwand. Manisch reißt die Kamera (eines Handys) unruhige, grobe, knackende Einstellungen aus den Discos, Stränden und Straßenzügen des Ballermanns und montiert ohne klare Linie, mit grober Struktur aneinander und findet Leute, die ihr eigenes Leben hinter sich lassen und in homophoberhomophiler Körperlichkeit Nähe zulassen, die sie sich sonst verwehren … und dafür ihre Zerstörung und Entwürdigung in Kauf nehmen.
gut
Zu Beginn ist kurz das Plakat von DER LETZTE TANGO IN PARIS zu sehen. Und Nomen est omen, oder eben Plakat est omen: Die Liebenden treffen sich auch hier in einer leeren Wohnung in Paris und nutzen Butter als Gleitmittel. Doch statt Verfall gibt es in dieser Variation einen goldenen Herbst … und Leute, die vll. nicht nur in Harmonie aufgehen, die aber doch genießen, diesen Reigen der Lust und der Körper, denen sich der Film zuwendet, als wären diese Statuen auf einem Rondell, die es zu preisen gilt. Zudem wird die reale Greta Garbo bespannt und ein Blaxploitationkino bekommt seine eigene Blaxploitationorgie auf dem Herrenklo. Ein melancholischer Film.
fantastisch –
In meinem Notizbuch stehen nur vier Wörter zu FUEGO und seinem repetitiven Musikeinsatz wie seinen dramaturgisch höchst wirkungsvoll eingesetzten elliptischen Schnitte, die ich mitten in der Nacht schnell und kraftlos dorthin schrieb. Ich möchte es bei diesen belassen:
Musik -> Treiben
Schnitt -> Werfen
großartig
Ein Film, der niederträchtige Leute beim Träumen zeigt. Beim Träumen von Sex und Erfüllung. Mit Phantasien, die die, die sie haben, ins Unglück treiben. Unterlegt wird das Ganze von Musik, die die Träumer verhöhnt, die das Gezeigte in dröhnende Käfige verwandelt und die sie der Apokalypse anheimgibt. Ein Leitmotivisch angelegter Pop-Opern-Porno mit der besten Tennisszene der Filmgeschichte.
*****
Der Witz des letzten Abends des 19. außerordentlichen Kongress des Hofbauerkommandos war aber, dass ich für ihn eine sehr kurze Nacht auf mich nahm und einen komplett übermüdeten Arbeitstag. Zu viele Abende und Nachmittage habe ich schon verpasst. Das Heer der ungesehenen Seltenheiten, die durch die Berichte zu mystischen Heiligen Gralen in meinem Kopf wurde, ist einfach schon zu groß. Und dann kamen tatsächlich nur Filme, die ich schon kannte.
Sonnabend 11.01.
verstrahlt
Auch ein Dokument davon, wie wenig sich verändert hat. Frauen sind zarte Körper, die ganz natürlich nur die zweite Geige spielen, bedrohen die Männer aber dadruch, dass sie die Macht fast vollständig an sich gerissen haben. Eine wilde Selbstparodie, die Weiber, Weiber, Weiber schreit.
großartig
Ein Film über Selbstdarsteller, über Mädchen in der Pubertät, die das Gefühl haben, dass nur gelungene Selbstdarstellung sie vor Ausgrenzung und Verletzungen schützt, und die deshalb in die Kamera schauen und sprechen, um sich auch vor uns, dem Publikum, selbst darzustellen. Und all das als großer Spaß mit niedergemähten Liebesbeweisen und einem Ruhrpott, der außerhalb der Innenstädte wie aus einem Science-Fiction-Film zu stammen scheint.
fantastisch –
Die von Brigitte Nielsen gespielte Hauptfigur setzt sich zu den traurigen, zuweilen suizidalen Liedern von Lady Day ins Verhältnis setzt. Laut der JAZZ-Doku von Ken Burns hat Billie Holiday auch mal zwei Seeleute auf einmal zusammengeschlagen, wenn es sein musste. Das Doppel Nielsen/Holiday geht deshalb nicht nur durch die traurigen Augen, welche die Nielsen fast den ganzen Film trägt, in Resonanz, sondern auch durch ihre Körper, die eben nicht so verletzlich sind, wie Musik und Augen nahelegen.
In einer artifiziellen, wie an einem Amiga entworfenen Traumwelt gefangen, meditiert Domino (Nielsen) also über Billie Holiday, über das Verhältnis von Liebe und Sex, über die Unterschiede zwischen Mann und Frau, über Voyeure und Liebhaber, über Orgasmen und deren ausbleiben. In immer neuen Kleidern und Perücken läuft sie als Abbild von Femme fatales der Schwarzen Serie oder von Marilyn Monroe durch das Simulacrum eines Film noir und sucht detektivisch nach einem Grund in sich, nach Sicherheit, nach einer felsenfesten Haltung gegenüber sich und ihren Männern. Sie scheitert in der ständigen Selbstbefragung wie ihren Beziehungen, die durchaus auch nur in ihrem Kopf stattgefunden haben können. Denn DOMINO sieht aus, als versuche sich jemand sein Gehirn als Festplatte vorzustellen und deren Inhalt per 1988 topaktueller digitaler Software sichtbar zu machen. Und was zu sehen ist, sind eben Tropen von Regenmäntel, Sex in Schwimmbädern, dem Spanner am Fenster zum Hof uswusf., die alle nebeneinanderstehen, aber kein Ganzes ergeben.
Das Ergebnis ist fatalistisch, gnadenlos selbstbezogen und vor allem traurig und zuweilen suizidal. Der an der Oberfläche immer wieder beschworene Erotikthriller ist lediglich Ausdruck des Gefühls, dass dieses Selbst von Domino, dieses fragile Wesen mit dem majestätischen Körper droht zu zerspringen. Das Bild eines Nervenzusammenbruchs wird geboten, der entstand, weil sich den Ansprüchen der Liebe nicht ebenbürtig gezeigt wurde. Mit Männern und sich klarkommen, eine irreale, unerreichbare Utopie, dessen Scheitern aber von bittersüßer Schönheit ist.
fantastisch
Zu vier Liedern aus SWEET DREAMS von den Eurythmics – es waren LOVE IS A STRANGER, THE WALK, SWEET DREAMS selber und, ich glaube, I’VE GOT AN ANGEL – sind Aufnahmen von Fenstern zu sehen. Das schnell und rhythmisiert geschnittene Bildmaterial ist das Produkt eines realen oder gestellten Spannvorgangs – dass es nicht klar ist gehört zum Spiel des Films. Die immer gleichen Einstellungen zeigen eine kleine Auswahl von Fenstern, in denen sich gewaschen, umgezogen, sonnengebadet oder die Kamera entdeckt wird. Dass die Lieder ohne Finesse einfach hintereinander weg abgespielt werden, mit merklichen Pausen dazwischen, unterstreicht die Wirkung des Amateurhaften, wie es das Treibende der Musik auch für das Obsessive macht. Zunehmend werden die Aufnahmen dabei expliziter, zunehmend in die Kamera geschaut. Mit unschuldigen Aufnahmen wird herangelockt, dann die Lust gesteigert, nur um das Fragwürdige des Ganzen doch wieder zu thematisieren. Spaßige Sünde, sündiger Spaß: Die Lust am Spannen und die Aufregung des Verbotenen wird tänzerisch in körnigen Bildern gepackt, voller Fetische und abstrakter Fragmentierung der Körper durch Fenster. Schnell sind die Körper wieder weg und durch die nächsten Bilder ersetzt. Nie sind sie völlig entdeckt, wie die Kontexte dieser Menschen fast völlig mysteriös bleiben. Entspannend ist der Fluss der Bilder, zwanghaft, verspielt, aber auch unbefriedigend, als grenzüberschreitende Suche nach intimer Teilhabe. Eine Collage des immer Gleichen, des immer Neuen, dessen, was immer mehr hervorruft, als zu sehen ist. Jede Einstellung zu kurz und gleichzeitig zu lang. Jede Einstellung schreit nach mehr und zeigt doch schon viel zu viel.
großartig
Ein sehr dünner Pulp-Agenten-Plot um einen Spion, der eine Dragqueen davon abhalten möchte, die den USA den sex drive stehlen möchte – stilecht möchte sie dazu die Brunnen Nordamerikas vergiften – funktioniert Korsett einer Auflistung (homosexuellen) Sexes. Blasen, ficken, fisten, Orgien: sie bieten das assoziative, Körper und Freude überlagernde Kaleidoskop eine Selbstfindung und -erforschung
großartig –
Eine Art Infomercial für konservative Väter* mit pubertierenden Mädchen wird geboten. Es gleicht einer Abfolge von Ängsten: die Montagen der Karikaturen junger Männer, die ohne Unterlass an der Haustür klingeln; die Zeitlupen des Körpers der jungen Frau, die den Geist des Vaters in Schockstarre zeigen, der das, was in ihm ausgelöst wird, auf andere Männer projizieren muss, um nicht verrückt zu werden, heißt: der sich von Lüstlingen umgeben sieht; das verzweifelte Klammern an die dümmsten Impulse, die hier aus dem Mund eines Karikaturpsychologen kommen. Und in der Mitte all dieses Orkans der Maßlosigkeit der eigenen Ängste steht Tony Danza als Vater, der im Grunde nur noch eingefroren starrt, dessen Geist aufgegeben hat und der Opfer seiner eigenen Phantasie ist. Es ist das beste dieses Films, wie Danza dieses Starren perfektioniert hat.
*****
Einer der tollsten Gags des Films ist, dass am Ende einer Kette von Männern, die vor der Tür stehen, um die Tochter zu einem Date abzuholen, ein Afroamerikaner klingelt. Sofort erzählt der Vater, dass er aufgeschlossen ist und in seiner Jugend für die Gleichberechtigung gekämpft hat, aber dass das jetzt zu weit gehe. Erlöst wird er dadurch, dass es sich nur um einen Lieferjungen handelt. Aber in diesem einen kurzen Moment liegt die ganze verkrampfte Borniertheit offen, die diesen Mann antreibt.
Freitag 10.01.
verstrahlt +
Ah, sehr gut, da kann ich noch den Abwasch machen. So oder so ähnlich spricht es eine Frau in WER WEINT DENN SCHON IM FEUDENHAUS? aus. Sie ist eine ehemalige Prostituierte (Karin Heske), die in ihrer neuen Identität als Hausfrau vollkommen aufgeht. Ihr Mann (Hannes Andersen) hatte sie dazu überredet bzw. gedrängt, mal wieder mit ihm zu schlafen, ist aber während ihrer Verzögerungstaktiken eingeschlafen. Nach: Kehre in mich zurück, ein Satz, den eine Mutter ausspricht, die ihrem Sohn zur Entjungferung verhilft, handelt es sich wohl um einen der bestialischsten Aussprüche aus einem Film, der bei einem außerordentlichen Kongress des Hofbauerkommandos lief. Dass sie keinen Sex mit ihrem – wegen seiner Manneskraft Orang-Utan genannten – Mann haben möchte: ok. Dass sie aber nachts im Negligé voller Freude aus dem Bett steigt, um den Haushalt zu schmeißen… the horror, the horror.
Aber tatsächlich handelt es sich um einen sehr hellsichtigen Film. Der Geschlechterkampf, den er porträtiert, stellt sich durch Frauen dar, die sich in Anbetracht des Aufbrechens weiblicher Geschlechterrollen ausprobieren und durch Männer, die durch die neuen Ansprüche an sie zusammenbrechen, die gar impotent werden. Studien werden noch heute zu dem Thema veröffentlicht, wie irritiert junge Männer noch heute sind, weil die positiven Rollenbilder wegbrechen, während die Frauen immer neue finden und erdenken scheinen.
Zwei Ehen wird der Beamte Brandelhuber also führen. Die erste wird an dem Wunsch nach (mehr) freier Liebe seiner Frau zerbrechen – er wird ihn nicht mehr hochbekommen, weil er von den Sexspielzeugen, der Autonomität und der fordernden Sexualität, von all dem neuen Drumherum eingeschüchtert und irritiert ist. Auf dem Amt wird er aber vorschieben, dass seine Frau ihm nicht den Haushalt warf, um die Scheidung zu erwirken bzw. um die Schuld von sich abzulenken. Aber höchstens auf einem deutschen Amt wird er noch die Einteilung von Frauen in Heilige (Hausfrauen) und Huren finden, die ihm genügt.
Die zweite Ehe wird diametral entgegengesetzt verlaufen. Betrübt wurde er gegen Ende der ersten wieder Stammgast im Freudenhaus, wo er seine Manneskraft wiederentdeckt und wo er die Frauen so leidenschaftlich rannimmt, dass sie ohnmächtig werden. Er wird eine dieser Frauen heiraten, die sexuell nichts von ihn einfordern, erhält aber nun eine ungestüme Hausfrau, die ihn zwischenzeitlich auf dem Balkon verbannt, um besser putzen zu können. Er sucht nach der perfekten Frau, nach einer, die Köchin in der Küche, Dame auf der Straße, Dirne im Bett ist. Doch seinen Ansprüchen unterwerfen sich die Frauen im Grunde nur noch aus Mitleid, wenn sie diesen armen Tropf trösten wollen.
Hysterisch ist WER WEINT DENN SCHON IM FEUDENHAUS? wie seine Hauptfigur. Aufklärungs- und Sexfilme, die APO, Mao und Hippies bilden den Nagelbretthintergrund seiner Existenz, die ihn schritt auf Tritt und bis ins Bett verfolgen. Kondensiert dringt der Zeitgeist als episches Theater immer wieder in seine Suche nach Ruhe ein. Silvia S. meinte in der Einführung zum Film, dass dessen anfängliche Spritzigkeit, seine Überdrehtheit langsam verwelken werde. Das stimmt zu einem gewissen Grad. Den Wahnwitz des Beginns wird er nicht über die ganze Spielzeit halten können. Aber gänzlich eingehen werden Tempo und fröhlicher Irrsinn auch nicht.
Das Verwelken finde ich aber trotzdem passend. Denn WER WEINT DENN SCHON IM FEUDENHAUS? hat eine gewissen enzianische Qualität. Doch wo Jürgen Enz filmisches Werk von einer spastischen Steifheit ist, da ist Lubowskis Film porös, durchhängend und bräunlich abgestanden. Er strebt zur Steife, ihm fehlen dazu aber sichtlich die Mittel.
großartig –
Und ein schöner Anschlussfilm folgte auf den Fuß. Denn das, was bei WER WEINT DENN SCHON IM FEUDENHAUS? aufgelöst ist, wird hier in seiner Lebendigkeit gezeigt. Nämlich Männer, die durch weibliche Körper noch in einen sexuell-aktiven Wahn verfallen. Einem nebligen Moor entsteigt eine nackte Frau, als erhebe sich ein Monster aus einem 30er Jahre-Universalmonsterfilm. (Heißt: überall Nebel.) Selbstredend handelt es sich bei ihr um eine Hexe. Zumindest spukt dieser Gedanke der bildungsbürgerlichen Herrscherklasse (auf Urlaub in einem Schloss) und den Bauern durch den Kopf. Er erlaubt den Männern der ersten Gruppe eben, ihren Trieben zu erliegen, während die Bauern ihrer Phantasie freien Lauf lassen können. Niemand muss also mehr seine gesellschaftlichen Fesseln zurückhalten. Lust ist hier die gierig herbeigesehnte Befreiung vom sozialen Sein. Verlobte werden links liegen gelassen, Freunde hintergangen, Leute mit Mistgabeln gejagt: Endlich gibt es eine Ausrede sein eigentliches Selbst walten zu lassen, denn die Hexe hat einem ja im Bann. Schräge Einstellungen, dezenter Gore und Sex bebildern in einer längeren Traumsequenz das wunderbare Märchenland dieses atavistischen – auf verquere Weise aber äußerst zivilisierten – Lustgewinns, der vorher dezent aus den Bildern und den Dialogen drang, weil hier noch etwas rationelle Zurückhaltung verblieben war. Weil die Fesseln – der Film genießt das langsame Zersetzen – nicht sofort abgeworfen werden konnten.
gut
Das langsame Fußfassen nach einer totalen Entwurzlung wird durch das Einsetzen von rudimentären Spielszenen in die Leere von dokumentar-ähnliche Aufnahmen von Straßenzügen und Zügen in der Nacht erzählt. Und von der Tonspur erzählt Szlingerbaums Mutter auf Jiddisch von der Fahrt von Nachkriegspolen nach Belgien und welche Jobs und Schikanen dort auf sie warteten. Ein bisschen wirkt es, als ob ein früher, zurückgeschraubter Jim Jarmusch Film in die Ohnmacht nach dem Holocaust eindringt, eine Ohnmacht, die womöglich keine Worte für das Erlebte hat und deshalb nur noch auf die Welt um sich starrt.
großartig
Hierbei handelt es sich um die gekürzte und zum Kulturkurzfilm umgebaute Version von Nishios ERABO NO-UMI, der eigentlich etwas mehr als eine Stunde Laufzeit besaß. Und ohne Frage waren die Farben dieser Kopie die schönsten des Festivals, wenn in diesem Film Buchten, das Meer von oben, das Meer mittendrin mit Korallen, Fischen und nackten Frauen begafft wurden, wenn nackte Frauen wie die Natur begafft wurden, wenn die Natur wie eine nackte Frau begafft wurde.
ok –
In Japan kamen Anfang der 60er die pinku eiga langsam zu Prominenz. An einem Film wie IHR KÖRPER ist es abzulesen. Denn vor der letzten Drastik schreckt er oft zurück. Doch das Exploitative ist deutlicher zu spüren, als in ähnlich gelagerten, sagen wir, Brigitte Bardot-Filmen der Zeit. Und so sehen wir alte Haudegen des japanischen Kinos wie Chiako Minoru (u.a. RASHÔMON), Shindô Eitarô (u.a. die halbe Filmographie von Mizoguchi Kenji) oder Naniwa Chieko (u.a. DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD; hier ist sogar einer ihrer Nippel kurz im Bild) in einem Film, der den Untergang der Filmindustrie andeutet, in welcher sie groß geworden waren. Von einer sich aushalten lassenden Frau wird erzählt und wie sie sozial absteigt und langsam geächtet wird, davon wie die sexistischen Regeln der Gesellschaft gegen sie arbeiten und von frivolem Spaß in Badehäusern. Da Letzteres aber eher die Ausnahme ist, bleibt IHR KÖRPER neben dem Rest an Prüderie auch sonst trocken. Er entscheidet sich zu selten für Zeigefinger oder für Genuss der Lust und zeichnet Sakikos (Saga Michiko) Weg einfach Schritt für Schritt nach.
ok
Ein Film, während dem zu spüren war, wie sich bleierne Schwere über den Kinosaal legte. Die Warnungen vor den Geiseln unserer Zeit (Koffein, Schlafmangel und Stress) erfreute das Publikum erst durch seine abstrusen Spielszenen und zermarterte die Leute dann bis zu Entsetzen und Empörung mit seinen wissenschaftlichen Erklärungen über die Verfehlungen eines jeden im Saal – auch wenn der Schlafmangel nicht wie in früheren Tagen auf dem Kongress grassierte, wo sich abends vor dem ersten Film getroffen wurde, um sich mit schwarzen Augenrädern darüber auszutauschen, wie wenig ein jeder geschlafen hatte. Der Alkohol wurde übrigens nicht negativ bedacht, weshalb die Spalter des STUCs den Boonekamp im Anschluss freudig fließen ließen.
radioaktiv –
Ein medizinischer Zauberkünstler (Carl Wery), der nur Augen und Haut seiner Patienten ansehen muss, um korrekte Diagnosen zu stellen, wird von zwei Seiten angegangen. Aus einer vorzivilisatorischen Vergangenheit wirkt der Kräutersepp (Carl Baierl – zuvorderst wohl auf Grund seines knautschigen Gesichts gecastet), ein kauziger, berechnender und doch fern einer Rationalität arbeitender Hexendoktor, der die Leichtgläubigkeit seiner Mitmenschen ausnutzt. Aus der Zukunft wirkt der eigene Sohn des Bauerndoktors (Jan Hendriks – zuvorderst für sein makelloses Gesicht gecastet, das aber doch eine Prise Rohheit besitzt, weshalb er nur selten zum Helden taugte), dessen Fortschrittsglauben seine Fähigkeiten als Arzt beeinflusst. Der eben nicht den medizinischen Zauber seines Vaters wirken lassen kann, so wie er sich auf Maschinen verlässt. Hysterie, moderne wie traditionelle Einfältigkeit und unnützer Klimbim ziehen los, um die Trostlosigkeit von Holzköpfen auszunützen und nur der Bauerndoktor steht zumeist ruhig in diesem Sturm aus Absurdität.
DER BAUERNDOKTOR VON BAYRISCHZELL ist dabei ein Film voller Wut auf die Dummheit der Leute. Traditionalismus als auch den Modernismus werden als Klamaukmaschinen eingesetzt, die der Bauerndoktor Mal um Mal kopfschüttelnd mit einem Lächeln quittieren darf. Und er lacht, bis es zu viel wird und in Wut und Schimpfentiraden umschlägt. Ein bisschen erinnert es an Fords DOCTOR BULL, nur ist DER BAUERNDOKTOR VON BAYRISCHZELL weit weniger lakonisch. Die Niedergeschlagenheit wird viel nachhaltiger mit Gaudi und guter Laune unterdrückt. Wahnsinnig geworden an der ganzen Verdrängung von Schmerz wirkt die Fröhlichkeit zuweilen.
Selbstredend funktioniert dies mit gezinkten Karten. Ganz nach dem Motto, dass in einer verrückten Welt der Verrückte gesund ist, wird hier eingeladen, sich ganz gesund zu fühlen. Nur Verrückte stürmen von überall auf uns/den Bauerndoktor ein. Ob es exzentrische Schlagersängerinnen aus Berlin sind, Bauern, deren Geschlechterwahn die Frauen um sich in widernatürliche Situationen drängt, oder duckmäusige Beamte, alles ist nur da, um diese Leute als Last für ihre Umwelt zu brandmarken. Und so herrscht eine gewisse Blindheit gegenüber den eigenen zweifelhaften Ideologien. In dieser Kasperheimatwelt helfen eben auch Nietzschezitate über Frauen und Peitschen, um armen Tröpfen gegen ihre herrschsüchtigen Frauen zu helfen. Doch irgendwie schafft es DER BAUERNDOKTOR VON BAYRISCHZELL sympathisch zu bleiben. Vor allem sehen wir eben einen Zurückgelehnten, der flexibel darauf reagiert, was kommt. Und das ist nicht wenig. Entspannung im Angesicht von allzumenschlichem Quatsch.
(ok +)
André M. hat in seiner Einführung zu ‚SWEET PUNKIN‘ I LOVE YOU erzählt, dass Roberta Findlays Kamera stets mit einer gewissen Zärtlichkeit fotografiert. In Meyers Einstellungen steckt hingegen immer eine gewisse Bedrohlichkeit. Leute und Dinge habe in ihnen mehr Reißzähne, als sie eigentlich haben würden.
Sich einstellende Müdigkeit und eine grausame deutsche Synchro trugen zur Wahrnehmung des Films bei. Die Wertung also bitte mit mehr Vorsicht betrachten, als eh schon.
Donnerstag 09.01.
verstrahlt
Punpkin (C.J. Laing) erfährt Wertschätzung und findet Selbstvertrauen, als sie John Holmes Penis völlig deepthroated, nachdem bei einem Pornodreh Regisseur, Kameramann und Schauspieler ihre Probleme auf ihr abluden und im Zuge dessen ihre Blasfertgikeit niedermachten. Während sich diese ausgiebige Geschichte abspielt, wird die 180°-Regel oftmals verletzt. Gerade im Finale, in dem sich eine Orgasmusfontaine abspielt. Cumshots schießen Punpkin gegen Gesicht, Schamhaar und Arsch von den drei Penissen, mit welchen sie gerade Sex hat und welche sich gleichzeitig ergießen. Der Reigen, der sich abwechselnden Einstellungen ihrer gerade bespritzt werdenden Körperteile, ergibt kombiniert aber kein realitäres Gesamtbild. Ist ihre Vagina zu sehen, ist ihr Körper beispielsweise nach hinten gebeugt. Ist ihr Arsch im Bild beugt sie sich nach vorne. Durch den Schnitt entsteht so eben keine Wirklichkeit, sondern ein ekstatischer Raum-Zeit-Kubismus aus Wunschbildern. Und nichts Anderes ist dieser Film, der auch sonst gerne Penisse und Bananen, Essen und Felatio/Sex, Ejakulationen und zermatschten Kuchen per Montage assoziiert. Porno als Mosaik der Lüste.
(???)
Ich bin mit einem ziemlichen Schlafdefizit zum 19. Außerordentlichen Filmkongress des Hofbauer-Kommandos angereist und müsste diesem Umstand am ersten Abend Tribut zollen. Heißt, ich habe fast den gesamten Film verschlafen und war, wenn ich wach war, nicht bei klarem Verstand. Was ich sah, war erratisch, quatschig, völlig unzurechnungsfähig und in seiner VHS-Kopie-einer-VHS-Kopie-einer-VHS-Kopie-Optik schön anzusehen. Aber das, was von dem Spuk in meinem Kopf ankam, könnte aber genauso gut ein Traum gewesen sein.
Mittwoch 08.01.
verstrahlt +
Aus der edlen Gotik des schwarz-weißen Peitschenmönchfilms ist eine bunte, heruntergekommene, völlig irreale Kaschemme geworden, wie aus dem Schlossinternat eine miefige, enge wie siffige Absteige geworden ist, die – es muss nur durch eine Tür geschritten werden – ein üppiges, modernes Hallenbad beinhaltet. Und zusammengehalten wird alles, wirklich alles von hochgejazzten, preisgünstig aussehenden James Bond-Motiven, als sei dies der Bewerbungsfilm Vohrers für Saltzman und Broccoli. (DER SPION, DER MICH LIEBTE sieht aus dieser Warte durch dessen Farbdramaturgie, durch die großzügige Verwendung von Klappen im Boden und durch die großräumige Irrealität wie die Verwirklichung des Traums Vohrers eines eignen Bondfilms in dessen Abwesenheit aus.)
Auch hier (zwei Jahre nach DER UNHEIMLICHE MÖNCH) wird der Mönch in der Interaktion mit den Leuten wie eine frühere Version des bemaskteten Mörders aus SCREAM inszeniert, also als durch Realität profanierte Spukgestalt. Noch dazu wird er zum Handlanger eines Blofeld/Mabuse-Substituts gemacht, das wiederum seine Chefposition nur illusionär ausfüllt.
Siegfried Schürenberg (Sir John) und Joachim Fuchsberger (Inspektor Higgins) werden zu einem launigen Komikerduo gemacht. Der eine ist infantiler Lustgreis, der andere aufdringlich kaugummikauender Bondersatz, der auch gleich dessen Parodie ist. Und beide sind sie der straight man für die Absurdität des Anderen.
DER MÖNCH MIT DER PEITSCHE ist voller Selbstreferentialität, der sich nicht als Edgar Wallace-Film zu verstehen scheint, sondern als aberwitzige, wunderschöne, giftige Entstellung dieses Genre.
Und natürlich ist alles von einer lustvollen, irren, toxischen Schmierigkeit. Unzählige Augen starren aus schwitzigen Gesichtern – sie scheinen unter der Anstrengung, die eigene gierige Geilheit zügeln zu müssen, zu zerfließen – auf (die Körper) junge(r) Frauen. Andere sehen ihre Übergriffigkeit gegenüber Angestellten als unbedenkliches Vorrecht, als Freude des Mannes von Welt am Leben. (Was der Moneypennyersatz alles mitmachen muss!) Selbst mit den Helden der Geschichte werden die anzüglichen Abgründe einer geilen wie brutalen Gesellschaft sichtbar.
All dies ergibt in seiner Selbstparodierung und überdrehten Absurdität einen Endpunkt des (west-)deutschen Kinos. Das Hirn gibt in einer Tour auf, damit wir weiterhin normal empfinden und weiterleben können.
Sonntag 05.01.
großartig
Wenn die Waschmaschine nicht mehr abpumpt und der Kühlschrank nicht mehr kühlt, wenn für neue Geräte die Küche umgeräumt und dann auch mal wieder der Herd geschrubbt werden muss, weil das Wochenende eh schon verloren ist, dann ist dieser irreale Propagandafilm über die Erfüllung durch Arbeit, dessen Pappkulissen ihn zu einem bunten DOGVILLE machen, das richtige Mittel für eine Pause, damit jemand wie ich sich dann mal für zwei, drei Tage wie die Goldmarie fühlen kann.
gut +
Kurz nach dem Beginn wird der titelgebende unheimliche Mönch beim Autofahren gezeigt. Es ist ein einfacher Umstand, der dem mutmaßlichen Schreckgespenst jeden Anflug von Omnipräsenz beraubt und aus ihm einen Menschen in einem Laken macht. Der Anschein, es handele sich hier um einen Film von übernatürlichen, mystischen Monstern, wird nie geweckt. Statt von einem Mysterium handelt DER UNHEIMLICHE MÖNCH von profanen Menschen, die sich gegenseitig terrorisieren.
Dass ich bisher keinen Zugang zu Edgar Wallace fand, lag wohl auch daran, dass ich überlebensgroße Bösewichte erwartete und nur diese Wichte bekam. Die Qualität dieser Filme scheint aber in der offensiven Verweigerung von Monumentalität zu liegen. Mit großer Sensibilität für Alpträume und mit einem Gespür für Fetische werden Schreckgestalten erdacht. Und alles wird darangesetzt, die Macht, welche von den Postern, Namen und Trailern der Filme ausgehen, zu brechen und uns nur Papiertiger zu geben. Die bisher Gesehenen und DER UNHEIMLICHE MÖNCH vor allem funktionieren deshalb weniger als Krimis, denn als Essays über die Lächerlichkeit von Dämonen.
Zwei Handlungsstränge hat der Film. Einmal ist da ein Erbfolgestreit. Raffgierige Männer (Siegfried Lowitz, Dieter Eppler & Hartmut Reck) intrigieren in diesem und scheinen zu allem bereit, um das Vermögen ihres verstorbenen Vaters nicht der jungen Gwendolin (Karin Dor) zu überlassen. Auf der anderen Seite gibt es ein Mädchenpensionat, das von einem Mönch heimgesucht wird und wo Mädchen verschwinden. Lediglich die Anwesenheit Gwendolins in diesem Pensionat ihrer Tante (Ilse Steppat) verbindet die beiden Ausprägungen der Geschichte. Wie zwei sich treffende Wellen überlagern sie sich und machen unklar, ob die Taten (und Leute) nur einem, beiden oder keinem dieser Stränge zugeordnet werden müssen.
Aber der Krimiplot ist kaum von Belang, auch wenn er geschäftig ins Zentrum des Films gestellt wird. Er bildet lediglich die Sprungfeder, welche die Figuren in Bewegung setzt. Final wird der Mönch zum pathologisch misogynen Kopf eines Mädchenhändlerrings erklärt, der im Angesicht einer holden Jungfrau für das Gute zu morden begann. Unmotiviert werden die Handlungsstränge von Erbfolgestreit und entführten Internatsmädchen in ihm zusammengefügt und er auf das Zentrum eines laweden Spinnennetzes aufgepfropft.
Nur die hier offen diagnostizierte Misogynie durchzieht den gesamtem Film motivisch und bildet die tatsächliche rote Linie. Gwendoline wird zwischenzeitlich von der Kamera in kathedralen Heiligenbilder gezwängt, während sie von der Geschichte wie ein zu schändender Körper benutzt wird. Die sich in der Ehefrauenzucht befindenden Schülerinnen müssen an einer Stelle hilflos aus den weiten Fenstern des als Internat dienenden Schlosses einen seelenruhigen Mord an einer Mitschülerin beobachten. In Schockstarre unternehmen sie nichts. Es wirkt, als ob es niemanden gäbe, an den sie sich wenden könnten, als ob es keine Legitimationseinschränkungen für den Mörder gäbe.
In einer simplen wie effektiven Kamerabewegung werden einem die Füße unter den Boden weggezogen, als einer der Machos, Triebtäter und Altherrenlüstlinge (Siegfried Schürenberg als Sir John), die DER UNHEIMLICHE MÖNCH als Männer beinhaltet, mal wieder Gwendoline angeht. Die Kamera deutet das Fallen von einer Balustrade an und so ist die Existenz für die Frauen ein Ausgeliefertsein in einem weiten, ausgeschmückten, Abgründe statt Schutz bietenden Schlosses. Höhepunkt dieser Männlichkeit bildet Internatsfaktotum Alfons Short (unübertrefflich: Rudolf Schündler), der in unangenehm unterwürfiger Schmierigkeit liebend gern Totenmasken von lebenden Frauen macht. Und dann sind da in Gwendolines Zimmer die ausgestopften Eulen, deren Postition nichts anders nachlegen, als dass sie von Raubvögeln umringt ist.
Der muffige, grenzabsurde Krimi beherbergt dergestalt eine sensationelle Gothichorrorabrechnung mit einer sexistischen Gesellschaft. Geilheit trieft unschön aus den schönen Bildern von heiligen Frauen und potentiellen Missbrauchsopfern. Ohne Zutun der jungen Frauen werden diese in Huren und Heilige eingeteilt, während die Männer ihre allgemeine Übergriffigkeit als Privileg ihrer Macht begreifen* und diese hinter den Machenschaften eines Schreckgespenstes und der Repräsentativität der Gemäuer verstecken. Und so ist es eben treffend, dass all dies kein Mysterium ist, sondern das Produkt ganz profaner Leute.
*****
* Wenn sie machtlos sind, versuchen sie sich dieses Privileg zu erschleichen.
Sonnabend 04.01.
ok
Wunderschön ist dieser Film anzusehen. Alleine die kleinen, klitzekleinen Schärfeverschiebungen bei den bescheidenen, fast schon ins Mizoguchi-eske reichenden Kamerabewegungen. Drängelnd drängt aus den wunderschönen Bildern aber eine lose, überstrapazierte Ansammlung von Spannungs- und Paranoiamomenten. Jeder ist und verhält sich verdächtig, jeder läuft nachts durch den Park und beobachtet die anderen. Jeder hat eine dunkle Vergangenheit und gar nicht mal so dunkle Geheimnisse. Jeder ist der schwarze Abt – eine dieser Edgar-Wallace-Titelfiguren, die nur am Rand und hier schon kaum existent durch den Film scharwenzeln und außer ihren kurzen Augenblicken puren Fetischs nichts für den Film tun. Vll. muss ich mir DER SCHWARZE ABT nochmal ansehen und eher als Essayfilm begreifen, der Identität und kriminalistische Plotkonstrukte zur Auflösung bringt…
Freitag 03.01.
gut –
Eine kleine Kulturschau durch Japan. Von vormodernen Beschwörungskulten bis hin zu Atombomben und dem Oxygendestroya wird alles gegen Godzilla versucht. Selbst mit Katanas stellen sie sich ihm entgegen. Und am Ende stirbt er durch die Hand eines jemanden, der den Tod des Monsters als Schnitt ins eigene Fleisch begreift, und nicht durch einen der Schreihälse, die nach blinder Ausrottung verlangen. Ein Film für die Herzen.
Donnerstag 02.01.
großartig –
Wir schreiben das Jahr 1964. Vor 20 Jahren fand ein Verbrechen statt, das nun ein paar typische Deutsche – Sadisten, Duckmäuser, Pedanten und Helden, die erst schießen und dann fragen bzw. die sich hinter einem clownesken Lächeln verstecken – heimsucht, die sich als Engländer imaginieren. Einerseits führt dies zu einer geschäftigen Räuberpistole. Hastig erklärte Pläne, ewig wird irgendwohin gegangen, ständige Matchcuts und der Drang jede Szene zu einer Pointe zu führen hetzen ZIMMER 13. Es bleibt keine Zeit zurückzutreten und zu kontemplieren. Andererseits führt der (noch mehr) verdrängte Kollateralschaden besagten Verbrechens zu Traumata – die Baumkronen scheinen ihre Krallen in die alten Gemäuer hinter ihnen schlagen zu wollen, hypnotisierende Gemälde, Rasierklingen, welche töten, um die Venen erregender Frauen ausbluten zu lassen. Auf der einen Seite der Drang nicht man selbst zu sein, im Tunnelblick sich vor den eigenen Gedanken in Schutz bringen, und auf der anderen Seite die Alpdrücke, die doch wieder zum Vorschein kommen. Beides fein säuberlich nebeneinanderstehend, als ob es nichts miteinander zu tun hat. Die Fähigkeit des deutschen Nachkriegskinos zu Schlafwandeln auf einem wunderbaren Hoch.
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