Kein Tag der Gewalt – Operazione Kappa: sparate a vista (1977)

In einer Welt, in der alle Zeichen falsch kodiert sind, kommt er einem bisweilen abhanden, der Sinn für das, was Recht und was Unrecht ist. Bizarre Bilder rein baulicher Erhöhung lassen in Luigi Petrinis einzigem geradlinigen Poliziesco nicht nur bereits erahnen, welch vollkommen enthemmter Experimentierfreude sich der Regisseur des berüchtigten „White Pop Jesus“ (1979) bald hingeben sollte, sondern auch, warum rastlose Jugendliche auf der Suche nach Halt hier wieder einmal jedweder Hemnisse befreit den Bembel kreisen lassen. Das Dunkel der Nacht, die ereignislos einfarbigen Rasenflächen, das eisige Weiß der Besserlebervillen, einer Blase gleich legen sie sich großflächig um den Ruckzugsort Sprungturm, einen wie ausgestellten Penner auf der Parkbank, die abgesonderte Brüstung oberhalb des Treppenaufsatzes, auf der eine Sängerin ihr Lied gegen die kapitalistische Weltordnung anklingen lässt. Deutlich lesbar macht man in diesen künstlichen Freiflächen ein Wort in größten Lettern aus – „EINSAMKEIT“ spricht man es aus. Ein wenig ähnelt der Auftakt von „Operazione Kappa: sparate a vista“ einem ausgedehnten Bummel durch eine etwas verfrüht kuratierte Austellung über die moderne Welt, wie sie einem in der neo-konservativen Folklore dieser Tage immer häufiger begegnet. Drapiert neben diesen Museumsstücken im Falschen wirken Giovanni (Marco Marati) und Paolo (Mario Cutini), zwei sozial Abgehängte klassisch italienischen Kinozuschnittes ebenso deplatziert wie das junge Hippiemädchen mit der Gitarre, barfuß auf noblem Marmor und eine derart lachhafte Flowerpowerbotschaft kündend, dass es der besseren Gesellschaft um sie herum nicht einmal mehr zum Amüsement taugt, nur mehr zum schnöden Übergehen, als Hintergrundberieselung. Weiterlesen…

Buio Omega (1979)

Gleichermaßen gefeiert wie verhöhnt ob seiner kruden Kunstblutexzesse ist Joe D’Amatos berüchtigter 131er Luzidtraum eines jeden sich gerade in Sturm wie Drang befindlichen Adoleszenten leider auch ein Film, der nur allzu selten seiner beträchtlichen humoristischen Qualitäten wegen Lob einheimsen kann. Dabei steckt sie doch schon in der Ausgangslage des sich anbahnenden Blutrausches drin, die ganze sardonische Tragik der menschlichen Existenz – denn „Buio Omega“ ist die Geschichte eines jungen Mannes, der sich aller fast schon vorabendtauglich vorangestellten, die ganz großen Gefühle evorzierenden Krankenhausserienleidenschaft zum Trotze die eine Liebe aller Lieben doch allein, beträchtlichem Talent als Tierpräperator sei gedankt, als leere, immerhin allerdings schmucke Hülle erhalten darf. Gleich nach dem Ableben im wörtlichen wie bildlichen Sinne entkernt, um das von D’Amato so geschätzte Innerste kurzerhand bereinigt, hinterlässt Cinzia Monreale ein Jammertal zwischen Wunsch und Wirklichkeit, in dem der Regisseur mit unnachahmlich bierernster Inszenierung an der inherenten, kaum zu verleugnenden Komik seiner Situationen herumoperieren darf. Weiterlesen…

Täglich Underberg und du fühlst dich wohl! – …e per tetto un cielo di stelle (1968)

Glaubt man gängigeren Narrativen, dann ist diese vorgebliche Buddyklamotte einer jener Italowestern, die stark – wichtiger in dieser Wahrnehmung scheint jedoch das Wörtchen „ernst“ – anfangen, nur um dann zunehmend in komödiantischen Ausschreitungen zu versumpfen. Jedoch: Alles nicht wahr, weht in Petronis zweitem Genrebeitrag nach dem ungleich formelhafteren „Da uomo a uomo“ (1967) doch bei genauerem Hinsehen der sardonischste Wind, der je durch die Wildweststädte Almerías pflügen durfte. Zusammengehalten durch die höchstgradig straffe Inszenierung – alle Eskapaden unseres Heldenduos auf Papier niederzuschreiben würde wohl einige Seiten in Anspruch nehmen und doch läuft der Film eine ganze Ecke kürzer als der relativ geradlinige Vorgänger oder Nachfolger „Tepepa“ (1969) – wechseln sich Heiterkeit und Trübsinn in fröhlichster Vollendung ab.

Wahrscheinlichkeitskalkulationen sogleich in ihre Schranken weisend ordnet sich dabei alles streng einem einzigen Motiv unter: Vor den Schattenseiten des Lebens gibt es kein Entkommen! Läuft gerade alles feinst, fällt der Szenenabfolge schon allzu bald wieder ein, dass es so ja nicht weitergehen kann. Weiterlesen…

Il piacere (1985) und: Joe-D’Amato-Retrospektive beim Filmarchiv Austria!

Gedärme, die aus hungrigen Bäuchen fallen, Kameraobjektive, die in zu penetrierende Rosetten hineinfahren: ob im Gewalt- oder Sexualakt – beides Dinge, die Joe D’Amato mit der derben, aber eben auch ein wenig unschuldigen Freude an Provokationen des Adoleszenten nur allzu gern zelebrierte – das Innerste verborgen im menschlichen Leibe faszinierte ihn offenkundig sehr. Nahezu 200 Filme strickte er um dessen Freilegung. Unter diesen gehört „Il piacere“ zu den allerschönsten, verwundbarsten wie aber auch im Gegenschluss verwundendsten.

Das Handlungsgerippe ist nebensächlich, die Geschichte um einen alternden Casanova gefangen zwischen Trauer um die Liebe des Lebens und den wiedererwachenden Triebgefühlen für ihre jugendliche Wiedergängerin allein Aufhänger für selbst für ihn, den größten auf den Regiestuhl umgesattelten Kameramann des italienischen Kinos, ausnehmend luxuriös arrangierte Vermessung von Leidenschaft via filmischer Inszenierung allein. Unmittelbar aufeinanderprallend färben Linse und Belinstes Wände, Räume, ganze Außenareale ein. Aus der Reibung hervortretend: Ein eigentümliches Knistern in der Luft, vielmehr schon ein dichter, stets aber durchschaubarer Nebel, ein Schimmern, das sich die Welt des Filmes überschreitende Freiräume zwischen Emulsion und Bildträger zu erkämpfen scheint. Weiterlesen…

Zeitnah gesehen: Suspiria (2018)

Toller Auftakt: In einer Art Reminiszenz an die vor etwa einem Jahr von mir schwer liebgewonnene Eröffnung aus Christopher Nolans „Dunkirk“ (2017) mit ihrer Flucht vor der geradezu unsichtbaren, auf der Tonspur aber umso mehr eskalierenden (Sound-)Kulisse des Krieges rettet sich Chloë Grace Moretz aus dem nur kriegsähnlichen Terror der Roten Armee Fraktion und ihrer Sympathisanten in den Hort ihres Psychiaters. Dort, im jedweden Lärm wohl am nachhaltigsten eliminierenden Ort der Welt, gibt sie sich in Gänze der Hysterie hin, während es Regisseur Guadagnino fort zur alles überdeckenden Ruhe des Landes und der ätherischen, viel mehr schon sakralen Totenmusik Thom Yorkes zieht. Die umgehende Installation einer konsequent durchexerzierten Ruhe, die „Suspiria“ für bemerkenswert ausgedehnte Intervalle aufrecht erhalten wird – schon zu Beginn durch die Aussparung jenes berühmten und Goblins Prog-Gewitter erst so wirklich lostretenden Auftaktmordes, der in Dario Argentos ursprünglicher Variante dieses Stoffes noch einer vergleichbaren Figur zugedacht wurde, vielmehr allerdings durch die permanente Umkodierung von im Allgemeinen nicht mit Stille assoziierten Orten. Berliner Straßen, ein Polizeirevier, der U-Bahnhof, an dem mit Dakota Johnson unsere neue Heldin ohne jeden Bruch erstmals außerhalb der ländlichen Heimat aufschlagen darf – alles wie in Watte oder gar einen das Immunsystem schonenden Kokon gehüllt, jedes ansetzende Geräusch dabei bereits im Keime erstickend. Weiterlesen…

Vorwärts, Rückwärts, Einerlei – Non ho sonno (2001)

    Diese Straße, dieses Haus
    Ist wie die gute alte Freundin
    Die dich vor langer Zeit verließ
    Jetzt hier zu sein, entlang zu gehen
    Gefilmt wie aus einem Auto, das nicht hält
    Tut weh – so weh
    Tut weh – so weh

    (Mutter – Böckhstr. 26)

Weiterlesen…

Gott wird euch alle strafen – 1000 dollari sul nero (1966)

    Kneel at the cross, give your idols up
    Look unto realms above
    Turn not away to life’s sparkling cup
    Trust only in His love

    (The Louvin Brothers – Kneel at the Cross)

Weiterlesen…

Deutschland im Film: Der zweite Frühling (1975)

Dein Mann, das unbekannte Wesen Weiterlesen…

Geschlechterkuddelmuddel mit Enzo Girolami: Ammazzali tutti e torna solo (1968)

    Flying through the air
    Side by side we dip bend and climb
    Flying through the air so free
    Feel them left behind below us

    (Oliver Onions – Flying Through the Air)

Weiterlesen…

Grau zieht der Nebel – eine Liebeserklärung an Mimmo Palmara und „Il vicino di casa“ (1973)

    I’ve built walls
    A fortress deep and mighty
    That none may penetrate
    I have no need of friendship, friendship causes pain
    It’s laughter and it’s loving I disdain
    I am a rock
    I am an island

    (Simon & Garfunkel – I Am a Rock)

Weiterlesen…