Buio Omega (1979)





Gleichermaßen gefeiert wie verhöhnt ob seiner kruden Kunstblutexzesse ist Joe D’Amatos berüchtigter 131er Luzidtraum eines jeden sich gerade in Sturm wie Drang befindlichen Adoleszenten leider auch ein Film, der nur allzu selten seiner beträchtlichen humoristischen Qualitäten wegen Lob einheimsen kann. Dabei steckt sie doch schon in der Ausgangslage des sich anbahnenden Blutrausches drin, die ganze sardonische Tragik der menschlichen Existenz – denn „Buio Omega“ ist die Geschichte eines jungen Mannes, der sich aller fast schon vorabendtauglich vorangestellten, die ganz großen Gefühle evorzierenden Krankenhausserienleidenschaft zum Trotze die eine Liebe aller Lieben doch allein, beträchtlichem Talent als Tierpräperator sei gedankt, als leere, immerhin allerdings schmucke Hülle erhalten darf. Gleich nach dem Ableben im wörtlichen wie bildlichen Sinne entkernt, um das von D’Amato so geschätzte Innerste kurzerhand bereinigt, hinterlässt Cinzia Monreale ein Jammertal zwischen Wunsch und Wirklichkeit, in dem der Regisseur mit unnachahmlich bierernster Inszenierung an der inherenten, kaum zu verleugnenden Komik seiner Situationen herumoperieren darf.

Bisweilen gar überführt er sie dabei ins schmerzhaft Groteske: Das Hausmädchen als schreckliche, dem verstörten Jüngling beherzt die Nuckelbrust darreichende Ersatzmutter wie aber auch barbarische, von jedweden Tischmanieren befreite Schlunze – gröbste Überzeichnung … und doch, was hängen bleibt, ist nicht das Auftreten, sondern das unbeholfen Sehnende, das D’Amato präzis aus ebendiesem herausschält. Immerfort Bilder ausspielend, die gegensätzlicher kaum ausfallen könnten – das bizarre Hochzeitsensemble österreichischer Urviecher auf der rein aus der Zweckgemeinschaft heraus geborenen Vereinigung des Diener- und Herrentums gegen die am nächsten Morgen einsam mit Schnapspulle herumvegetierende Franca Stoppi, der fast nahtlose Übergang von den brutalst entrissenen Fingernägeln eines Opfers zu den in der Blutrotlackierung begriffenen beim zärtlichen Einkleiden der verblichenen Holden. Nicht wenige Aufnahmen, ganze Handlungen sind Wiedergänger, die der angelüsterten Zwillingsschwester der Herzdame gleich artifiziell zwischen Schmier und Gedärm umherhuschen, makellos ausformulierte Vollendung findend in der dem Gorehoundgenusse so zentralen Dualität der Tötungsszenen, die jeden Verteidigungsversuch sogleich umwandeln in eine in der Verletzungsart gleiche und doch ungleich krassere abermalige Attacke.

Eine eklatante „Härte“ der Inszenierung nicht allein in den verspielten Gewalttätigkeiten, sondern auch der konsequenten Schnitttechnick durchweht „Buio Omega“ von vorn bis hinten, der zweite Stützpfeiler der Übersteigerung ins wahnhaft Abbildende. Gedankliche Verknüpfungen schaffend sind hier nicht sanft weichgezeichnete Übergänge oder Transformationen hin zum Desiderat, sondern vielmehr sich dem harschen Geschehen angleichende Abruptumbrüche wie jener von der in sexueller Dienstbarkeit begriffenen Hausmutter zum Gesicht der nekrophil Begehrten oder, die Kulinarik des Ländlichen frech verspottend, von dem gierig hereingeschaufelten Schweinefrass zur salzsäuregeformten Grütze, die achtlos in eine Grube geklatscht vom letzten Opfer überblieb. Genau darin liegt die erzählerische Kraft dieses höchst widersprüchlichen, fast rein assoziativen Films begründet, der sich neben diesem gewissen anderen, gern auf diese Weise mit Worten bekleidete Großwerk des italienischen Endsiebzigerhorrorfilms beispiellos roh, aber auch wie unter Verzicht auf Vollnarkose unmittelbar aus dem Leben gerissen ausnimmt.


Buio Omega – Italien 1979 – 94 Minuten – Regie: Joe D’Amato – Produktion: Marco Rossetti, Ermanno Donati – Drehbuch: Ottavio Fabbri, Giacomo Guerrini – Kamera: Joe D’Amato – Schnitt: Ornella Micheli – Musik: Goblin – Darsteller: Kieran Canter, Franca Stoppi, Cinzia Monreale, Sam Modesto, Anna Cardini u.v.a.

Dieser Beitrag wurde am Montag, März 11th, 2019 in den Kategorien Ältere Texte, André Malberg, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

Eine Antwort zu “Buio Omega (1979)”

  1. Filmforum Bremen » Das Bloggen der Anderen (11-03-19) on März 11th, 2019 at 17:48

    […] unterschätzten (oder für die falschen Gründe überschätzten – wie man das sehen möchte) „Buio Omega“ geschrieben. Sehr […]

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