Filmvorschau #34
Grimms Märchen von lüsternen Pärchen
Rolf Thiele BRD 1969
Grimms Märchen von lüsternen Pärchen
Rolf Thiele BRD 1969
Mädchen mit Gewalt
Roger Fritz BRD 1969
Heimat
Heimatfilm ist ein Thema mit vielen Missverständnissen. Heimatfilm, das sind beruhigende Aufnahmen von Wald, Wiesen und Bergen, von einer Natur, wo die Welt noch im Einklang ist. Das sind Filme voller privater Melodramen, in denen mehr oder weniger unbedeutende regionale Ereignisse wie Wilderei und profitgetriebene Abholzung das Höchste der Gefühle sind. Keine große Politik, keine drückende Vergangenheit, keine komplexen Abhandlungen komplexer Inhalte. Ihre Abkanzelung als Flucht vor einer Realität, in der Deutsch zu sein nach 1945 nicht mehr ganz einfach war, ist größtenteils selbstverschuldet. Denn diese strahlenden Cocktails von irrsinniger Harmoniesucht, populistischen Verkürzungen und weichgespülter Kantenlosigkeit sind teilweise nur mit geharnischter Seele zu ertragen. Und doch sind es gerade die Heimatfilme auf deren Rücken große Teile des Kampfes um eine (positive) deutsche Nachkriegsidentität ausgetragen wurden. Sie legen zudem die komplexen Möglichkeiten offen, welche das Wort Heimat als Identitätsstifter bietet und wie mit Schuld umgegangen werden kann. Wer sich mehrere von ihnen zu Gemüte führt, sollte es schnell merken, denn in der Vielzahl wird es deutlich … so schien es mir jedenfalls nach der auf ein Wochenende konzentrierten Sichtung diverser Heimatfilme. Weiterlesen “Rudolf Lenz – Verzicht und die deutsche Seele” »
„Ich heul nicht, ich tu nur so.“
Bundesrepublik 1982. Markus und Nena stürmen die Charts. Ein Film muss her. So in etwa könnte man sich die Entstehungsgeschichte von Gib Gas – Ich will Spaß zusammenreimen. Wäre da nicht… aber lassen wir das. Es genügt, wenn wir sagen: Es war wohl ziemlich chaotisch. Alles rein und mehrmals kräftig umrühren. Sieht man sich den Film heutzutage an, möchte man aber gar nicht, dass irgendetwas anders verlaufen wäre. Er ist perfekt. So perfekt wie ein Film dieser Machart nur sein kann. Was für ein Wunder Wolfgang Büld da vollbracht hat?
Ein Film der so sehr einen bestimmten Zeitgeist ausschöpft, sich seinen Protagonisten auf Gedeih und Verderb ausliefert und sich dem Moment seiner Entstehung in dieser Form hingibt, scheint hierzulande leider nur alle paar Jubeljahre zu entstehen. Und noch seltener wird diese Leidenschaft geschätzt oder gar belohnt. Zum finanziellen Misserfolg gesellt sich oft noch eine tüchtige Portion Häme, und die Mär vom peinlichen Kommerzprodukt nimmt ihren gewohnten Lauf (man denke beispielsweise an die vielgeschmähte Wundertüte Daniel, der Zauberer (2004)). Fremdscham ist in Deutschland immer noch ein Volkssport. Weiterlesen “100 Deutsche Lieblingsfilme #50: Gib Gas – Ich will Spaß (1982)” »
Hannelore – sie traf uns frontal, ins Herz und in die Hose. Hans Billians DIE LUSTIGEN WEIBER VON TIROL war eine unserer schönsten Entdeckungen im vergangenen Jahr. Und Hannelore schwebte rosig-spritzig über die Leinwand. Es war nicht nur ihr sinnlicher Liebreiz oder ihre betörende Natürlichkeit, die uns umschmeichelten und entflammen ließen. Da war mehr. Wenn sie lächelte, lächelte die Welt. Wir trauten ihr alles zu. Solch eine blonde Venus muss Raymond Chandler im Sinn gehabt haben, als er über ein Früchtchen sinnierte, das einen Bischof dazu bringen kann, mit einem Ball ein Loch in ein Kirchenfenster zu schießen. Ihrem heutigen Gemahl Heino erging es ähnlich: “Sie sah so unwahrscheinlich schön aus, Brigitte Bardot hätte sich hinter ihr verstecken müssen. Dabei strahlte sie diese natürliche Erotik aus.“ Es war der 4. April 1977, als er bei einer Fernsehshow der damaligen österreichischen Prinzessin Hannelore von Auersperg erstmals begegnete. Auf diese Prinzessin waren alle heiß, aber Hannelore wollte nur Heino. Und nicht nur seinen blauen Enzian. So verließ Hannelore ihren Prinzen Alfi, den professionellen Großwildjäger, und ging zu Heino. Es war die große Liebe. Aber wer Großes will, muss zunächst verzichten. Weiterlesen “13. Hofbauer-Kongress, Aufriss #2” »
Macho Man
Alexander Titus Benda BRD 1985
Hotel der toten Gäste
Eberhard Itzenplitz BRD, Spanien 1965

Für Alex P.
Wenn ein Film einen in die eigene Kindheit zurückversetzt und unschuldige Erinnerungen an unbeschwerte Freuden weckt, die sich damals wie selbstverständlich von einem Tag in den anderen ergossen, dann muss er schon etwas ganz Besonderes besitzen, dieses „gewisse Etwas“, welches frei von der Filmhandlung und ihren spezifischen Gegebenheiten eine Assoziationskette der Vertrautheit auszulösen vermag, während der man sich in jeder Situation des Films zu Hause fühlt, ohne sie je (mit)erlebt haben zu müssen. Ein bezaubernder Film ist das, ein Film voll reinem Wohlgefallen, in dem jeder Konflikt ein fröhliches Ende findet, sodass auch die Schurken, liebevoll gezeichnet und voller Verständnis betrachtet, als intergrierte Außenseiter eines harmonischen Ganzen, in ihrer Funktion als Katalysatoren selbst zum kleinen Glück der kleinen Leute beitragen können. Magische Filme sind das, Filme für einen Sonntagnachmittag, zu Hause oder im Dorfkino um die Ecke, mit Kakao und Keksen, Filme wie Pippi Langstrumpf (1969), oder „Der Zauberer von Oz“ (1939), Filme wie Laß jucken, Kumpel 5. Weiterlesen “100 Deutsche Lieblingsfilme #48: Laß jucken, Kumpel 5 (1975)” »

Wo kommen sie nur her, fragen einige von uns bei Eskalierende Träume sich immer noch und immer wieder, diese vielen unbekannten deutschen Filme, diese bizarren Meisterwerke, die uns jedes Mal von Neuem erstaunt auf die Leinwand blicken lassen, und denen es so einfach gelingt uns zu überrollen und in ekstatische Schwärmerei zu versetzen (und ab und an auch dazu zu bewegen, einen Text für diese Reihe zu verfassen)? Wie die meisten ihrer Filme über die Jahrzehnte verloren und verschütt gegangen, erscheint uns die deutsche Filmgeschichte (vor allem in ihrer eigenen Geschichte, den zahlreichen Erzählungen von sich selbst), als ein nicht versiegen wollendes Füllhorn, dessen Faszination für uns bevorzugt von den unzähligen, teilweise unerforschten Neben- und Seitensträngen augeht, und deren enorme Vielfalt bis heute bevorzugt unterdrückt, missachtet oder verkannt worden ist. Wer hat sie schon gesehen und wer interessiert sich überhaupt für die hunderte von Filmen, die in Deutschland jedes Jahr entstanden sind und immer noch entstehen? Die FFA benennt allein für 2012 die Zahl der in den deutschen Kinos gestarteten Spielfilme(!) mit 149 (man sollte sich diese Zahl einmal auf der Zunge zergehen lassen…) und rein quantitativ gehörte Deutschland, auch über die politischen Veränderungen hinweg, zu allen Zeiten zu den produktivsten Filmländern der Welt. Deutschland, eine filmverrückte Nation? Es bleibt wohl weiterhin eines der großen ungelösten Rätsel, warum bis auf die beliebten Schlagwörter Expressionismus und Neuer Deutscher Film generell immer noch gerne ein qualitatives Dahinvegetieren des heimischen Filmschaffens perpetuiert wird. Weiterlesen “100 Deutsche Lieblingsfilme #47: Verspieltes Leben (1949)” »
Ich spüre deine Haut
Günter Schlesinger BRD 1969