Gesammelte Jahreslisten 2010



Letztes Jahr verliefen alle Bestrebungen zu einem gemeinsamen Posting mit unseren gesammelten Jahreslisten im Sande. Diesmal haben wir uns fest vorgenommen, es nicht noch einmal so weit kommen zu lassen, sondern einige Tage nach unseren Entdeckungslisten dann auch die Jahreslisten mit unseren Favoriten des aktuellen Film- und Kinojahrgangs (weitgehend ungeachtet der häufig verzögerten regulären Starttermine, stattdessen am tatsächlichen eigenen Sichtungsjahr orientiert, ob Festival, Kinostart oder DVD-Import) folgen zu lassen – und das nicht weniger umfangreich und ausufernd. In einem nachgerade wahnwitzigen Kraftakt ist dieses Unterfangen diesmal ausnahmsweise tatsächlich geglückt, weshalb wir nun nachfolgend das neue Jahr gebührend mit der krönenden Fortsetzung des zum Abschluss des alten Jahres begonnenen Listenwahnsinns einleiten wollen…



Gleich geht's los...




Alexander P.

„You learned to dance like that sarcastically?“

Cinephobia 2010:

1. JUD SÜSS – FILM OHNE GEWISSEN (Oskar Roehler)
2. SHUTTER ISLAND (Martin Scorsese)
3. LA PRINCESSE DE MONTPENSIER (Bertrand Tavernier)
4. GET HIM TO THE GREEK (Nicholas Stoller)
5. CARLOS (Olivier Assayas)
6. JE SUIS HEUREUX QUE MA MÈRE SOIT VIVANTE (Claude Miller)
7. THE HUMAN CENTIPEDE (FIRST SEQUENCE) (Tom Six)
8. AUTOBIOGRAFIA LUI NICOLAE CEAUSESCU (Andrei Ujica)
9. GAMER (Mark Neveldine, Brian Taylor)
10. FANTASTIC MR FOX (Wes Anderson)

Michael-Curtiz-Award, für ein Kino, das erst in zwanzig Jahren die Wertschätzung bekommen kann und wird, die es verdient:

THE LAST AIRBENDER (M. Night Shyamalan)

Guilty Pleasure #1:

TOY STORY 3 (Lee Unkrich)

Die Nachrücker:

PREDATORS (Nimrod Antal)
WIR SIND DIE NACHT (Dennis Gansel)

CRIME D’AMOUR (Alain Corneau)
IM SCHATTEN (Thomas Arslan)

UNSTOPPABLE (Tony Scott)
THE GHOSTWRITER (Roman Polanski)

FILM SOCIALISME (Jean-Luc Godard)
WALL STREET – MONEY NEVER SLEEPS (Oliver Stone)

SKAZKA PRO TEMNOTU / A TALE IN THE DARKNESS (Nikolay Khomeriki)
ZEITEN ÄNDERN DICH (Uli Edel)

KABOOM (Gregg Araki)
LES HERBES FOLLES (Alain Resnais)

MAMMOTH (Lukas Moodysson)
POLITIST, ADJECTIV (Corneliu Porumboiu)

Tanzt sarkastisch ganz allein mit sich selbst:

THE OTHER GUYS (Adam McCay)

Enttäuschungen:
KOSMOS; UNTER DIR DIE STADT; UNCLE BONMEE WHO CAN RECALL HIS PAST LIVES; GREEN ZONE; SAME SAME BUT DIFFERENT; COPIE CONFORME; DATE NIGHT; DAS LETZTE SCHWEIGEN;

Mist:
A NIGHTMARE ON ELM STREET;

Lieblingsspiele 2010:

1. Deutschland – Argentinien 4:0 (1:0), 3.7.
2. Deutschland – England 4:1 (2:1), 27.6.
3. FC Barcelona – Real Madrid 5:0 (2:0), 29.11.
4. Bayer Leverkusen – Borussia Mönchengladbach 3:6 (1:3), 29.8.
5. Uruguay – Ghana 5:3 n.E. (1:1, 0:1), 2.7. (nicht live gesehen)
6. Bayern München – Manchester United 2:1 (0:1), 30.3.
7. Deutschland – Australien 4:0 (2:0), 13.6.
8. Manchester United – Bayern München 3:2 (3:1), 7.4.
9. SV Werder Bremen – FC Valencia 4:4 (1:3), 18.3.
10. Niederlande – Spanien 0:1 n.V. (0:0), 11.7.

(1., 2., 4., 7., und irgendwie auch 6. und 8. natürlich durch die Fanbrille gesehen)

Zu den Lieblingsfilmen 2008 und 2009 gehts hier.

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Frauke

Über mich:
Ich studiere mittlerweile im 2. Semester Telekommunikationswissenschaften an der Universität Bonn-Poppelsdorf. Am Kino liebe ich vor allem die Filme und wenn Regisseure es schaffen einen Film so zu schneiden, dass daraus eine Sequenz wird, die richtig mitreist und einen auch noch Tage nach dem Kinobesuch beschäftigt. Mit dieser Liste möchte ich mich gerne um ein Praktikum bewerben, am liebsten irgendwas mit Medien. Angebote bitte an kleenes.küsschen91@eskalierende-traeume.de. Meine Hobbys sind Wandern und Tennis spielen. Auf dem Bild könnt ihr mich auf der ET-Faschingsfeier sehen, auf der niemand so originell verkleidet war wie ich.

2010 war ein schlimmes Jahr, früher war alles besser, aber sechs gute neue Filme habe ich doch gesehen:

1. A Nightmare on Elm Street

Eine interessante Variation des Horrorfilmklassikers mit großartigen Schauspielern, intelligent gemacht und zum Glück viel sauberer als das Original. Außerdem geht es um Kindesmißbrauch, das ist sehr bedrückend und ein wichtiges Thema, das konnte man dieses Jahr ja auch im Fernsehen sehen.

2. Unter dir die Stadt

Also als am Ende die Leute auf die Straße gehen und sie zu ihm sagt: „Es geht los“, da hatte ich schon ein bißchen Gänsehaut. Dieser Christoph Hochhäusler ist wirklich unglaublich radikal, fast so wie dieser Pasolini oder so. Der Film hat auch viele durchdachte Kameraoperationen und regt sehr zum Nachdenken an.

3. Copie Conforme

Als Beispiel für neuerdings häufiger auftauchende Filme mit Männern und Frauen, die einfach nur miteinander reden. Der iranische Meisterregisseur Abbas Kiarostami entführt auf eine magische Reise durch die europäische Kultur, die Liebe und das Verhältnis von Männern und Frauen, die einfach nicht zusammen passen wollen. Zauberhaft!

4. Uncle Boonmee who can recall his past lives

Meditativ, leise, melancholisch, spritzig, poetisch, anrührend, exotisch und traurig. Eine wunderbare Hommage an das Leben, den Tod und das Kino. Die Asiaten verstehen eben einfach viel mehr von Spiritualität im Kino.

5. Das letzte Schweigen

Es geht in diesem spannenden Thriller um Kindesmißbrauch und das ist ja ein sehr wichtiges Thema. Außerdem geht es darum, wie die Menschen damit zurechtkommen, also mit dem Leben und überhaupt. Der Film hat sehr beeindruckende Hauptdarsteller und überzeugt auch optisch. Ich hätte echt nicht gedacht, dass ein deutscher Film so gut mit Hollywood mithalten könnte.

6. Date Night

Eine abgefahrene und saukomische Komödie mit Tina Fey und Steve Carell, zwei in den USA echt angesagten Comedians. Die beiden brennen hier ein tolles Dialogfeuerwerk nach dem anderen ab und die Gags zünden wie Chinaböller im Gehirn. Ab und zu werden auch leise Töne angeschlagen, aber das ist schon in Ordnung, denn im echten Leben gehts ja auch nicht immer rund. Endlich mal eine richtig intelligente Komödie über die Schwierigkeiten des Ehelebens und nicht so ein Haudrauf- und Bumbum-Film, wie man sie sonst aus Hollywood kennt. Was sagt ihr denn dazu? Hat euch der Film gefallen oder war die DATE NIGHT trotz Superstars wie Mark Wahlberg für euch ein totaler Fehlschlag? Schreibt es mir in den Kommentaren, per Twitter oder Facebook und mit ein bißchen Glück könnt ihr ein Stirnband mit „Date Night“-Aufdruck gewinnen!



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Alexander S.

Wieder einmal habe ich ein Jahr hauptsächlich mit der Sichtung älterer Filme verbracht, bin leider auch auf keinem Festival gewesen (außer für einen Film auf dem Fantasy Film Fest) und habe daher kaum aktuelle Produktionen gesehen, so dass ich nur auf insgesamt 32 Filme (davon 6 Fernsehfilme) komme, die in diesem Jahr produziert wurden oder erstmals in Deutschland im Kino zu sehen waren. Einige der Sichtungen waren zudem eher halb- oder unfreiwillig, da sie im Rahmen eines Praktikums bei www.moviepilot.de erfolgten. Mit dem Vorsatz, mir im kommenden Jahr dringend (!) mehr aktuelle Filme zu Gemüte zu führen präsentiere ich hiermit meine Top 7 der Filme 2010. Wenn das Produktionsjahr in Klammern davon abweicht, handelt es sich um Filme, die in Deutschland offiziell erst 2010 zu sehen waren.

TOP 7 2010

The Imaginarium of Doctor Parnassus (Terry Gilliam, USA 2009)

Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans (Werner Herzog 2009)

Scott Pilgrim Vs. the World (Edgar Wright, USA/UK/CND 2010)

My Winnipeg (Guy Maddin, CND 2007)

Shutter Island (Martin Scorsese, USA 2010)

Life During Wartime (Todd Solondz, USA 2009)

Der Räuber (Benjamin Heisenberg, D 2010)


Größte Enttäuschungen des Jahres

Alice in Wonderland (Tim Burton, USA 2010)

Inception (Christopher Nolan, USA 2010)

Enter the Void (Gaspar Noé, F/BRD/I 2009)


Größter TV-Schlock des Jahres

Akte Golgatha (Zoltan Spirandelli, D 2010, RTL-Eventfilm!!!)


Größte Beleidigung des Geistes und des ästhetischen Empfindens dieses Jahr

Patrik 1,5 (Ella Lemhagen, Schweden 2008)



Puh, erstmal verschnaufen, gleich geht's weiter...



Andreas


Ein in Sachen Kino und Film reichlich wahnsinniges, irrwitziges Jahr. Mehr gesehen als je zuvor in einem Jahr; einige echte Festivalexzesse, unzählige Kinobesuche und gelegentliches Nachholen zuhause. Trotz weitgehend selektierten Schauens kam ich auf erschlagende rund 190 gesehene aktuelle Filme (darunter etwa fünfzehn Kurzfilme, der Rest Langfilme). Es waren trotz herber Missgriffe insgesamt so viele großartige Filme dabei, dass selbst eine größenwahnsinnig anmutende Top-40 mir dem Jahr kaum gerecht zu werden scheint (und vor allem den hinteren Rängen nicht, denn in einem schwachen Jahrgang wäre sofort bei jedem dieser Filme auch die Nennung in einer Top-10 absolut vertretbar). Ein Jahr der Extreme zwischen digitaler Versöhnung und trotzdem umso mehr auch immer wieder analogen Freuden. Angeregt durch Sanos eigene Handhabung (die hinsichtlich 2010 wohl nachgereicht wird) und den Umstand, dass ich im Gegensatz zu einigen ET-Mitautoren kein regelmäßiges, vollständiges Sichtungstagebuch auf dem Blog führe, habe ich seperat eine nach Wertschätzung grob sortierte Gesamtliste meiner gesehenen aktuellen Filme sowie eine ausführlichere Einleitung erstellt. Nachfolgend die zumindest etwa die Hälfte der Filme erfassende Kurzversion mit Top- und Flop-Kategorien sowie besonderer Erwähnungen:

Materialfetischisten-Award für gegenwärtig kaum noch für möglich gehaltene natürliche, unverfälschte filmische Schönheit:
La Vie au Ranch (Sophie Letourneur)
(nachvollziehbar selbstverständlich, denn genau darum geht es bei diesem Award, ausschließlich bei Sichtung in 35mm und 1,37:1)

Lobende Erwähnungen für weitere (film)materialästhetische Betörungen: „Get Out of the Car“ & „Let Each One Go Where He May“, die den Beweis antreten, dass es auch heute trotz aller extremen Widrigkeiten noch möglich ist, schlichtweg wunderschöne 16mm-Kopien von 16mm-Filmen herzustellen. Wer das im Kino sieht und einen Sinn dafür hat, kann dem nur mit aufrichtiger Freude und Dankbarkeit begegnen, denn bald wird es damit wohl unwiederbringlich vorbei sein.
Wobei zu diesem Thema großartige 35mm- und überhaupt Kino-Erlebnisse wie „The Portuguese Nun“, „Poetry“ oder „Gallants“ genauso wenig unterschlagen seien wie tolle Super16-to-35mm-Blow-Ups wie „Geburt“, „Amer“ oder „Attenberg“.

Spaßfilm des Jahres:
Piranha 3D (Alexandre Aja)

Trailer des Jahres:
Who Killed Captain Alex? (ein kleines, verheißungsvolles Wunder)

Top 40 meiner Lieblingsfilme 2010:

1. The Portuguese Nun (Eugène Green)
2. Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives (Apichatpong Weerasethakul)
3. Film Socialisme (Jean-Luc Godard)
4. In the Woods (Angelos Frantzis)
5. Poetry (Lee Chang-dong)
6. Coming Attractions (Peter Tscherkassky)
7. Les herbes folles (Alain Resnais)
8. Raging Sun, Raging Sky (Julián Hernández)
9. Das rote Zimmer (Rudolf Thome)
10. Get Out of the Car (Thom Andersen)

11. Let Each One Go Where He May (Ben Russell)
12. Meek’s Cutoff (Kelly Reichardt)
13. Oxhide 2 (Liu Jiayin)
14. Die Autobiographie des Nicolae Ceausescu (Andrei Ujica)
15. The Lips (Santiago Loza, Iván Fund)
16. Oki’s Movie (Hong Sang-soo)
17. Das elektrische Paradies (Michael Busch)
18. The Strange Case of Angelica (Manoel de Oliveira)
19. Attenberg (Athina Rachel Tsangari)
20. The Life and Death of a Porno Gang (Mladen Djordjevic)

21. Bas-Fonds (Isild Le Besco)
22. Los jóvenes muertos (Leandro Listorti)
23. Geburt (Silvia Haselbeck, Erich Langjahr)
24. Orly (Angela Schanelec)
25. Amer (Hélène Cattet, Bruno Forzani)
26. Guest (José Luis Guerín)
27. Road to Nowhere (Monte Hellman)
28. Gallants (Derek Kwok, Clement Cheng)
29. Woman on Fire Looks for Water (Ming Jin Woo)
30. Von Menschen und Göttern (Xavier Beauvois)

31. My Joy (Sergei Loznitsa)
32. Outrage (Takeshi Kitano)
33. Hadewijch (Bruno Dumont)
34. Winter House (Gonzalo Castro)
35. The Day Was a Scorcher (Ken Jacobs)
36. Caterpillar (Koji Wakamatsu)
37. You All Are Captains (Oliver Laxe)
38. Der Räuber (Benjamin Heisenberg)
39. You Think You’re the Prettiest, But You Are the Sluttiest (José Manuel Sandoval)
40. La bocca del lupo (Pietro Marcello)

Runners-Up (unsortiert):

Im Schatten (Thomas Arslan)
Villalobos (Romuald Karmakar)
The Sword and the Rose (João Nicolau)
La Pivellina (Tizza Covi, Rainer Frimmel)
Shadow Cuts (Martin Arnold)
Double Tide (Sharon Lockhart)
The Four Times (Michelangelo Frammartino)
El Sicario, Room 164 (Gianfranco Rosi)
Nostalgia de la luz (Patricio Guzmán)
Ha Ha Ha (Hong Sang-soo)
Paula-Paula (Jess Franco)
The Oath (Laura Poitras)
Boris Lehman et ses amis: Retouches et réparations / Choses qui me rattachent aux êtres / Un peintre sous surveillance (Boris Lehman)
Paju (Park Chan-ok)
White Material (Claire Denis)
Carlos (Olivier Assayas)
Trash Humpers (Harmony Korine)
Bedways (RP Kahl)
Alamar (Pedro González-Rubio)

Enttäuschungen (die ersten zwei besonders eklatant):

Certified Copy (Abbas Kiarostami)
Eastern Drift (Sharunas Bartas)
Heartless (Philip Ridley)
Life During Wartime (Todd Solondz)
Dream Home (Pang Ho-Cheung)
Studien zum Untergang des Abendlandes (Klaus Wyborny)
Enter the Void (Gaspar Noé)
Summer of Goliath (Nicolás Pereda)

Schwach bis mies:

Bad Family (Aleksi Salmenperä)
Somewhere (Sofia Coppola)
The Dark House (Wojtek Smarzowski)
Greetings from the Woods (Mikel Cee Karlsson)
The Human Centipede (First Sequence) (Tom Six)
Four Lions (Chris Morris)
A Screaming Man (Mahamat-Saleh Haroun)
Exit Through The Gift Shop (Banksy)
Khargosh (Paresh Kamdar)
Engel mit schmutzigen Flügeln (Roland Reber)
Up in the Air (Jason Reitman)
Rammbock (Marvin Kren)
[Rec] 2 (Jaume Balagueró, Paco Plaza)
Rampage (Uwe Boll)
Darfur (Uwe Boll)
Illégal (Olivier Masset-Depasse)
A White Night (Masahiro Kobayashi)
Der Doppelgänger (Christopher Lenke & Philip Nauck)
Love Crime (Alain Corneau)
Adèle und das Geheimnis des Pharaos (Luc Besson)

Absolut unerträglich:

La herenzia Valdemar (José Luis Alemán)
No Reason (Olaf Ittenbach) (zzgl. partiellem Schlock-Spaß!)
A Serbian Film (Srdjan Spasojevic)
Centurion (Neil Marshall)
Der letzte schöne Herbsttag (Ralf Westhoff)




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Christoph

Bärenterror Über mich: Meine Aufzucht erfolgte ohne Bärenmutti, sondern unter dem Joch erzprotestantischer Strenge und Keuschheit, weshalb ich später zum Schangel konvertierte und Tanzbär wurde. Das macht mir viel Spaß. Mit dem Verzicht auf ein Studium ist es mir gut gelungen, „seiendes Cinemenschsein im Sein“ und berufsmäßige Gammelei leidenschaftlich und visuell toll umgesetzt unter einen Hut zu bekommen. Beim Filmeschauen mache ich mich gerne frisch-frech-frei, um mich für unbeschwerten Cinesex weit zu öffnen. Wenn mich die fröhliche Keßheit und Standfestigkeit verlassen, nasche ich bevorzugt Hirnmilch und Koffeintabletten. Auch sonst bin ich für guten Stoff immer zu haben und lasse keinen Honigtopf aus. Mein Wunsch für die Zukunft: Weltfrieden, das wäre mir ein wichtiges persönliches Anliegen!

*****

Ultrabilder aus RAGING SUN, RAGING SKY, THE HOUSE OF THE DEVIL und POETRY

Obwohl meine Neugierde auf aktuelles Kino Anfang 2010 an einem kühlen Nullpunkt angelangte, hat sich dieses Jahr rückblickend und (für mich) völlig überraschend als mein bisher erfüllendstes und am vielseitigsten begeisterndes Kinojahr erwiesen. War mein Frust über „Sozial- und Milieupornographie“, „Themenfilme“, „Gewissens-Tätschelfilme“ und „Anbiederungskino“ auf der Berlinale so groß, dass ich sie gleich komplett ausließ, sorgten das Filmfest München und allerlei segensreiche Empfehlungen aus dem monströsen Festivalgesamtkatalog im Schädel meines lieben Freundes und Mitautoren Andreas für rasende Glücksgefühle, die voll und ganz über die einschüchternde (Mittel)mäßigkeit, die die Traumfabrik heuer über uns ergoß, hinwegtrösteten. Filmische Folterungen blieben mir dabei größtenteils erspart – meine ergänzende „Flop“-Liste enthält daher neben fünf veritablen Über-Gurken auch fünf Titel, die mich maßlos verärgert, mir dabei teilweise aber doch auch einen gewissen Respekt abgerungen haben. Größte Überraschung des Jahres: Ich habe meine lange, bisweilen auch feindselige Abneigung gegen die „Berliner Schule“ abgelegt und bin zum Fan geworden. Sozusagen.
Angesichts eines so gut durchwachsenen und durchtränkten Jahrganges war es nicht leicht, die nun folgende(n) Liste(n) zu kompilieren, aber schlussendlich ist es mir nach langem Zaudern und Hadern doch gelungen, die Crème de la Crème aus ingesamt 70 neuen Filmen herauszuzuzeln und – zum ersten Mal, seit ich dem Listenwahnsinn fröne – nach Rang zu ordnen:



Catch 22 (= Die Ultrakunst)

1. Der Räuber (Benjamin Heisenberg)
2. Poetry (Chang-dong Lee)
3. Raging Sun, Raging Sky (Julián Hernández)
4. In the Woods (Angelos Frantzis)
5. The House of the Devil (Ti West)
6. Shutter Island (Martin Scorsese)
7. Carlos (Olivier Assayas)
8. Die Autobiographie des Nicolae Ceausescu (Andrei Ujica)
9. The Life and Death of a Porno Gang (Mladen Djordjevic)
10. Amer (Hélène Cattet, Bruno Forzani)
11. The Social Network (David Fincher)
12. Hadewijch (Bruno Dumont)
13. I’m Glad My Mother is Alive (Claude und Nathan Miller)
14. Valhalla Rising
(Nicolas Winding Refn)
15. Orly (Angela Schanelec)
16. How I Ended This Summer (Aleksei Popogrebsky)
17. Der Ghostwriter (Roman Polanski)
18. Los jóvenes muertos (Lisandro Listorti)
19. Wir sind die Nacht (Dennis Gansel)
20. Paju (Chan-ok Park)
21. Unter dir die Stadt (Christoph Hochhäusler)
22. In meinem Himmel (Peter Jackson)



11 Schnäpse: (Süffige Bonusliste)

1. Blutsfreundschaft (Peter Kern)
2. Accident (Pou-Soi Cheang)
3. Tetro (Francis Ford Coppola)
4. Paula-Paula (Jess Franco)
5. Vincent will Meer (Ralf Huettner)
6. Redland (Asiel Norton)
7. A Single Man (Tom Ford)
8. Greenberg (Noah Baumbach)
9. Mr. Nice (Bernard Rose)
10. 36 Ansichten des Pic St. Loup (Jacques Rivette)
11. My Son, My Son, What Have Ye Done (Werner Herzog)



Esoterisches Privatfilmerlebnis:

Phoebe Phoenix (Gerry Schuster)

*****

Flop 10:

Verachtenswerte Über-Gurken und abstoßende Verbrechen am Kino:
1. Bergblut (Philipp Pamer)
2. Der letzte schöne Herbsttag (Ralf Westhoff)
3. A Serbian Film (Srdjan Spasojevic)
4. Inception (Christopher Nolan)
5. Rampage (Uwe Boll)

Lauthals geschimpft und genervt geächzt habe ich über:
6. Bis nichts mehr bleibt (Nikolaus Stein von Kamienski)
7. Illégal (Olivier Masset-Depasse)
8. The Portuguese Nun (Eugène Green)
9. Uncle Boonmee erinnert sich… (Apichatpong Weerasethakul)
10. Film socialisme (Jean-Luc Godard)

Eine Liste aller aktuellen Filme, die ich 2010 gesichtet habe, inklusive Bewertungen, findet sich hier.

*****



Schon genug? Wir noch lange nicht!



Marian

Zu meiner eigenen Überraschung haben mich 2010 vor allem die Filme zweier französischer Altmeister begeistert. Offenbar stehen diese alten Recken, die das Kino bereits vor einem halben Jahrhundert schon einmal revolutioniert haben, auch heute noch ausreichend im Saft, um ihre jüngeren Leinwand-Konkurrenten spielend in den Schatten zu stellen. Für formale Brillanz, hirnstimulierende Gewitztheit, überragenden Einfallsreichtum und eine wahrlich meisterhafte Beherrschung des Mediums möchte ich an dieser Stelle deswegen meine aufrichtige Euphorie bezüglich dieser zwei Filme betonen:

Film Socialisme (Jean-Luc Godard)

Vorsicht Sehnsucht / Les herbes folles (Alain Resnais)

Ansonsten haben mir sehr gut gefallen:

Amer (Hélène Cattet, Bruno Forzani)

Im Schatten (Thomas Arslan)

Piranha 3D (Alexandre Aja)

Symbol (Hitoshi Matsumoto)

We Are What We Are (Jorge Michel Grau)

Der filmische Bodensatz trat dieses Jahr auf in Gestalt von:

A Serbian Film (Srdjan Spasojevic)

Adèle und das Geheimnis des Pharaos / Les aventures extraordinaires d’Adèle Blanc-Sec (Luc Besson)

Centurion (Neil Marshall)

Der letzte schöne Herbsttag (Ralf Westhoff)

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Das Hofbauer-Kommando

Der goldene Ernst 2010: Die Preisträger

Der “goldene Ernst” ist ein besonderer Underground-Filmpreis, der einmal jährlich vom Hofbauer-Kommando verliehen wird an Filme, die sich in extraordinärer Weise um den Erhalt von Sleaze im Kino verdient gemacht haben. Die Preisträger werden im Rahmen eines außerordentlichen, eigens einberufenen Hofbauer-Gipfels diskutiert und vom Experten-Komitee ausgewählt. Mit der Prämierung einher geht das Prädikat „Besonders sleazevoll“, welches Kinobesitzern erhebliche Steuervorteile bringt und in aller Regel den Umsatz in ungeheure Höhen schnellen lässt.
Den „goldenen Ernst 2010“ dürfen die Regisseure folgender Filme auf ihrem Kaminsims platzieren:



Das Komitee klopft anerkennend auf die Schulter:
1. SCHMUTZIGER SÜDEN (Klaus Lemke).
Die Begründung der Jury: Klaus Lemke, nicht totzuschweigender Altsleazer des deutschen Films, fügt seinem Oeuvre einen neuen Heroen des Schmierigen zu: Den gerade erst 21jährigen Henning Gronkowski, der „dufter Typ“ auf die Stirn geschrieben hat. Obwohl er aussieht wie einer mit Bremsspuren in der Hose, der sich beim Sex mit dem Handy filmt und die Mayo des letzten Burgers noch am Hosenboden kleben hat, reißen sich die „Mädchen, die Liebe brauchen“ (Zitat Lemke) um ihn und verstecken ihn nur zu gerne in ihren Schickeria-Appartements vor seinen kriminellen Häschern. Bei diesem Film bleiben fast keine Wünsche offen.

Das Komitee klopft lüstern auf den Arsch:
2. PIRANHA 3D (Alexandre Aja)
Die Begründung der Jury: Im Sommer nach den Abschlussprüfungen steigt der Saft! In Alexandre Ajas obszön dreidimensionaler Ehrenrettung des Exploitationhorrors erfasst die todbringende Welle der sommerlichen Entsaftung auch eine Luxusyacht, auf der unserem jugendlichen, unverhofft in einen Pornodreh geratenen Helden, in einem fort die Shorts zu platzen drohen, während am anderen Ende des Sees ein ungeheurer Cocktail aus Blut und T & A brodelt. Solche Niedertracht gehört belohnt, meint das Hofbauer-Kommando.

Das Komitee klopft verträumt auf den Bauch:
3. PAULA-PAULA (Jesus Franco)
Die Begründung der Jury: Das jüngste, grob geschätzt 188. oder 189. Werk, welches der Messleazas uns aus dem Himmel bzw. vielmehr Sleus höchstpersönlich aus den Wolken entsandt hat, zählt nicht zu seinen sleazigsten Arbeiten, ist aber dennoch, immerhin und vor allem, das avantgardistische Werk eines notgeilen 80igjährigen, der in seinem mit Alufolie dekorierten Wohnzimmer mit einer HDV-Kamera in der Hand aus dem Rollstuhl heraus zwischen hunderten von Zigaretten und Zahnlücken Regieanweisungen hervorlispelt an zwei wunderbar natürliche, bemerkenswert moppelige Paulas – die er eine Stunde lang in Zeitlupen ineinanderlaufen und übereinander wabern lässt, unterlegt mit dem brünftigen Ultrajazz von Friedrich Gulda. Vielleicht ist dieser Film an sich nicht der Ultrasleaze – doch sein Schöpfer ist es ganz bestimmt! Daher geht der Spezialpreis der Jury für die ambitionierteste künstlerische Sleazeverarbeitung an Jess Franco für PAULA-PAULA.

Belobigende Erwähnungen für eine oder mehrere Einzelszenen, die sich mit durchstechendem Erfolg um den audio-visuellen Transport von Sleaze bemühen:
DREAM HOME, LES HERBES FOLLES, AMER, OUTRAGE, KABOOM, REYKJAVIK WHALE WATCHING MASSACRE, FROZEN, THE HUMAN CENTIPEDE.

Das Hofbauer-Kommando möchte abschließend seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass auch bei Ihnen bereits alles gut geölt und eingeschmiert ist für ein noch saftigeres Jahr 2011!



Ferien auf dem Hofbauernhof!



Sano

Dieses Jahr hatte ich irgendwie ein wenig Pech bei meiner Filmauswahl. Ich habe zwar bei über 100 gesehenen aktuellen Filmtiteln einen neuen persönlichen Jahresrekord was die Quantität angeht aufgestellt, stehe an dieser Stelle jedoch mit gemischten Gefühlen vor meiner momentanen Zusammenstellung der Top 10 für 2010. Viel will ich an dieser Stelle nicht schreiben, da ich die nächsten 2 Monate vor habe noch einiges nachzuholen (von den Favoriten der übrigen ET-Listen habe ich meist nicht mehr als ein Viertel gesehen), und diese Liste dadurch noch vorläufiger geworden ist, als es alle Auflistungen sowieso schon von Grund auf sind. Dennoch: bei vielen sehr guten Filmen, die ich sehr genossen habe, haben mir für 2010 bisher die ganz großen Ausreißer nach oben gefehlt. Diesen Umstand möchte ich mit meiner absichtlich Lückenhaften Auflistung illustrieren. Nähme ich meine Liste von 2009 hinzu, käme Der Räuber wohl irgendwo unter die ersten 5, während die restlichen 2010er Titel wahrscheinlich ab Rang 11 zu finden wären. Das soll nicht heißen, dass die von mir hier gelisteten Werke für mein Verständnis einer Jahresendliste nicht geeignet wären. Nur reicht es diesmal meiner Meinung nach eher für die unteren als für die oberen Ränge. Aber genug an dieser Stelle. Die folgenden Filme sind alle persönliche Favoriten, die für mich auf ihre Weise das darstellen, was ich mir vom Filmgenuß im Idealfall erhoffe. Für weitere Informationen zu meiner Erstellungsform von Jahresendlisten verweise ich zunächst auf meine 2008er Liste. Und die beiden erhellenderen (und weitaus ausführlicheren) Einzelpostings zu 2009 und 2010 werden hoffentlich in Kürze folgen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch die auf bessere Gegenwartsfilme.


Top 10

1. Der Räuber
Benjamin Heisenberg Österreich, Deutschland 2009

4. Kosmos
Reha Erdem Türkei, Bulgarien 2009

8. Im Schatten
Thomas Arslan Deutschland 2010
9. Rampage
Uwe Boll Canada, Deutschland 2008
10. Lourdes
Jessica Hausner Österreich, Frankreich, Deutschland 2009

11. Kaboom
Gregg Araki USA, Frankreich 2010
12. Chinatown: Frames & Lenses, Doors & Windows
Jim Emerson USA 2010
13. Kanikôsen
Sabu Japan 2009
14. Indigène d’Eurasie Eastern Drift
Šarūnas Bartas Frankreich, Litauen, Russland 2010
15. Viyon no tsuma Villon’s Wife
Kichitaro Negishi Japan 2009
16. Capitalism: A Love Story
Michael Moore USA 2009

Das Ende - Listenanschlag bei Nacht

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, Januar 2nd, 2011 in den Kategorien Aktuelles Kino, Alexander P., Alexander Schmidt, Andreas, Blog, Christoph, Listen, Marian, Sano veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

7 Antworten zu “Gesammelte Jahreslisten 2010”

  1. Mr. Vincent Vega on Januar 2nd, 2011 at 17:03

    Die Liste von Alexander P. steht in Sachen Selbstvertrashung der von Negativfilm in nichts nach. Die Top 10 ist ziemlich grotesk, in ihrer etwas offensichtlichen Bemühung, Hochkulturprätentionen mit Kinojahressschlock zu vereinbaren aber auch etwas durchschaubar und irgendwie leidenschaftslos. Beim Kommentar zu Shyamalan bin ich kurzzeitig bewusstlos geworden, mit dem Kopf auf die Tastatur geknallt und efdmfdkfd fdfjdn dfjdfuwe8fuwef8uwdfdjfsdiofjsdigujigfhzasuighadsiojdioafkdsaiogfdsjkgisdfj.
    ___

    Herzlichst begrüßen möchte ich das neue ET-Mitglied Frauke und sie sogleich fragen, ob sie mir einige neue Strömungen des Kinos empfehlen könnte. Ich bin privat sehr an der Naturdarstellung, aber auch der Architektur von Straßenbeleuchtungen und der Ästhetik des Visuellen in Bildform bei Filmen interessiert, deshalb. Frage: Wie fanden sie die beiden Frauen in NIGHTMARE ON ELM STREET, haben die gut gespielt (die beiden Frauen)?

    ___

    Mensch Tulse, das war ja eine magere Ausbeute 2010. Aber dafür mal Berlin von innen erlebt. Man sieht sich wieder.
    ___

    Andreas, als ich deinen Einleitungstext las, musste ich herzhaft lachen. Ich las nämlich tatsächlich zunächst:

    „Ein Jahr der Extreme zwischen digitaler Versöhnung und trotzdem umso mehr auch immer wieder analogen Frauen.“, statt:

    „Ein Jahr der Extreme zwischen digitaler Versöhnung und trotzdem umso mehr auch immer wieder analogen Freuden.“

    😀

    Von ca. 90% deiner Top 40 habe ich noch nie was gehört, was dich erst einmal zum ultimativen Filmnerd 2010 macht. Ich sehe in dir den Mann mit dem Plan von morgen – ein heiliges Erbe, nimm es mit dem nötigen Ernst.

    Interessant auch, dass Filme wie FILM SOCIALISME (aka. FILM SO*****ME, bei entsprechendem Potenzmittelfilter) und UNCLE BOONMEE so hoch bei dir im Kurs stehen, während Christoph sie genau anders sieht („total interessant, wie ihr euch gegenseitig beeinflusst!“ …), aber du musst zugeben, das ist schon ein bisschen p. und damit etwas verdächtig. But you’re kinda hot, so that’s ok.
    ___

    Christoph,

    AAAAAHHHHHAAAAHHHHHAAAAHHHH

    — kurzzeitige Blindheit —

    SCH(L)OCKEKSTASE!!!

    Das bist ja wirklich du. Oh Gott, du bist im falschen Jahrzehnt geboren. Jetzt bekommen unsere Vulgärgespräche eine bildliche Note verpasst und dein Pornoslang eine unüberwindbare Erklärlichkeit – Ron Jeremy, go home – und ich bin fassungslos, aber dennoch und überhaupt: Super Bild. Absolut originär und in seiner Stämmigkeit durchaus auch sexy. Holy moly, stramm!

    Und Congratulation: Nicht einmal „Schangel“ im Einleitungstext.

    Die Top22 außerdem sehr exquisit, bis auf VALHALLA RISING und THE LOVELY BONES – diese Trennlinie zwischen Ultrakunst und Ultratrashkunst ist mir bei dir zuweilen zu esoterisch. und undurchschaubar, aber du bist die Megaploitation meines Herzens. I love you from the bottom of my dick.

    Die Flop 10 ist genialst und nicht weniger als eine Auszeichnung für den platzenden Reißverschluss 2010 würdig.

    ___

    Marian kenne ich nicht. Liest sich alles sehr tendenziös. Bin gedanklich bei „französische Altmeister“ schon überfordert gewesen. Dennoch: Auch dich muss ich kennenlernen. CENTURION ist Folter, da bilden wir hier wohl alle einen Kuschelkonsens.

    ___

    Was kostet das Hofbauerkommando???

    ___

    Sano, schöne Top16-minus6-Top10. Was macht RAMPAGE dort??? Geht’s dir gut? Bitte gehe diesem Boll nicht auf den Leim.

    Hoffe, du hast den auf’m Laptop geguckt.

    So wie diesen Misogynie-Bava-Film weißte noch?

    Trägst du dein Haar eigentlich immer noch kurz?

    ___

    Fazit: Beste Jahresliste weit und breit.

    Die Seite bookmarke ich mir.

  2. Sano on Januar 2nd, 2011 at 23:14

    @Rajko
    Danke, danke. War wirklich schwer aus über 100 Filmen die Favoriten herauszuschälen, wenn man ständig das Gefühl hat zu hohe Ansprüche ans Gegenwartskino zu stellen, aber irgendwie auch nicht aus seiner Haut kann und will. Ich bin und bleibe wohl immer noch hoffnungslos der Kinovergangenheit verhaftet.

    RAMPAGE habe ich übrigens im Kino gesehen. Mein erster Boll. Alle meine Freunde die ihn bereits gesehen hatten warnten mich eindrücklich vor einem grauenvollen Erlebnis, und manch einer sprach sogar vom bisher schlechtesten Boll (Christoph, Marian?). Dennoch: ich war begeistert. „Themenkino“ wie es mir gefällt, oder: cineastische Kommentare zum Zustand kapitalistischer Gesellschaften wie sie mir munden. Und Boll ist nicht erstaunt wie Moore, sondern spricht mit einer beruhigenden Selbstverständlichkeit. Der Mann war übrigens zum ausführlichen Q&A anwesend und ich fand ihn sehr sympathisch. Danach lief noch Darfur, den fand ich OK.

    Nochmal zu Boll. Kenne neben DARFUR und RAMPAGE sonst noch nichts von Boll, aber aus diesen beiden Filmen heraus ersehe ich ein beachtliches filmisches Talent. Und ein Händchen für talentierte Mitarbeiter (Kamera, Schnitt, Schauspiel, Musik). Ich stehe ja meist gar nicht auf verwackelte Kamera und Schnittgewitter (die kürzliche Sichtung von Tony Scotts TAKING OF PELHAM 123 war in dieser Hinsicht wieder einmal ein enttäuschend-ernüchterndes Seherlebnis), aber bei DARFUR und vor allem RAMPAGE war der formale Einsatz dieser beiden Mittel stellenweise brilliant.

    Vielleicht gelten bei Boll aber auch nur die alten Weisheiten, dass Kunst in erster Linie Arbeit bedeutet, die mit permanenter Wiederholung einhergeht, und Fleiß sich auszahlt. 😉

    Auf dem Laptop schaue ich aber immer noch viel, und Gedenke auch gelegentlich unserer sehr vergnüglichen Bava-Sichtung. Muss den Film zwar nochmal unter konzentrierteren Umständen begutachten, prophezeie dir aber jetzt schon einen zukünftigen Platz auf einer kommenden Entdeckungsliste. Allein Christopher Lee bei Sexualpeitschen zu beobachten, war der reinste Hochgenuss.

    Mein Haar wächst inzwischen wieder in alle Richtungen. War es ein wenig Leid ständig mit einem Nazi oder Shaw-Brothers-Nebendarsteller verwechselt zu werden, und wollte wieder gutbürgerlichen Sehgewohnheiten entsprechen. Aber wer weiß, wann wir uns wiedersehen, und wie es dann aussieht? Wahrscheinlich erkenne ich DICH nicht wieder! 🙂

    PS: Nochmals danke, dass du kommentiert hast.

  3. Alexander P. on Januar 3rd, 2011 at 03:01

    @vincent vega
    Mit Blick auf deine Hans Musterkinogänger-Top Ten verstehe ich die Verstörung und nehme das „grotesk“ als Kompliment.

    P.S. Frauke lässt fragen, wann DU mal wieder etwas auf deinem Blog verlost? Ein fesches Green Hornet-T-Shirt vielleicht oder ein paar TRON-Kugelschreiber? Sie findet so was total spannend, konnte bei dir aber noch nie etwas gewinnen.

  4. Christoph on Januar 3rd, 2011 at 03:38

    Die Liste von Alexander P. steht in Sachen Selbstvertrashung der von Negativfilm in nichts nach. Die Top 10 ist ziemlich grotesk, in ihrer etwas offensichtlichen Bemühung, Hochkulturprätentionen mit Kinojahressschlock zu vereinbaren aber auch etwas durchschaubar und irgendwie leidenschaftslos.

    Ja, lieber Alex, obwohl ich keine Hans Musterkinogänger-Liste habe, hat sich auch mir ein kalter Ultraschock offenbart, als ich deiner Liste gewahr wurde. Wäre es nicht im Bereich des Cinemenschenmöglichen, deine Verehrung für Judd Apatow und die Schlomödien aus seiner Schmiede mal in Textform zu illustrieren? Das lässt mir nämlich alles irgendwie die Hose beklagenswert implodieren. Ich hoffe, ich werde dann nicht Sachen wie „konzentrierte Beschreibungen amerikanischer Gegenwart“ lesen.
    Und PREDATORS? ZEITEN ÄNDERN DICH? THE OTHER GUYS? WTF?!?

    Oh Alex… du bist mir ein Enigma! Haben wir es hier wirklich nicht nur mit rationalistischem Polarisierungs-Schangel zu tun?

    @ Frauke:
    Was soll das denn bedeuten? „Das ein deutscher Film so gut mit Hollywood mithalten kann“? Ich bitte um Erklärung!

    Andreas, als ich deinen Einleitungstext las, musste ich herzhaft lachen. Ich las nämlich tatsächlich zunächst:

    “Ein Jahr der Extreme zwischen digitaler Versöhnung und trotzdem umso mehr auch immer wieder analogen Frauen.”, statt:

    “Ein Jahr der Extreme zwischen digitaler Versöhnung und trotzdem umso mehr auch immer wieder analogen Freuden.”

    😆

    Sehr authentisch. Ein gut gelungener Kommentar zum wichtigen Thema der Materialerotik.

    Andi ist wahrscheinlich wirklich der größte Nerd von uns allen, mit ziemlicher Sicherheit aber der rasendste und dekadent-maßloseste Festivaljäger. Viele der Filme auf seiner Liste werden für die meisten von uns wohl immer verheißungsvolle Mysterien bleiben, da sie jenseits der Reizüberflutung von umfangreichen Festivals nie wieder auftauchen. Irgendwie schade, aber andererseits habe ich ja, wie oben beschrieben, bereits ausgiebig von Andis enzyklopädischer Festival-Datenbank genascht und profitiert. Ohne ihn würden vermutlich POETRY und RAGING SUN, RAGING SKY nicht auf meiner Liste stehen (und WO die stehen…!) und dafür bin ich ihm unendlich dankbar, auch wenn mich ebenfalls ungeheure Angstgefühle überkommen bei Ansicht seiner Top 3.

    Trotzdem auch interessant, wieviele Titel bei uns beiden auftauchen – das besänftigt die Angstgefühle dann wieder, weil uns offenbar doch noch einige hauchzarte Bande über den tiefen Portwein-Ozean, den ich nie durchschwimmen werde können und in dem Andi mit Wonne plantscht, hinweg miteinander verbinden. Gerade deshalb bedauere ich es auch sehr, dass ich die Viennale auslassen musste, da sich ihm dort anscheinend pausenlos die Ultrakunst offenbart hat.

    Die Top22 außerdem sehr exquisit, bis auf VALHALLA RISING und THE LOVELY BONES – diese Trennlinie zwischen Ultrakunst und Ultratrashkunst ist mir bei dir zuweilen zu esoterisch. und undurchschaubar

    Über THE LOVELY BONES, diesen nicht in Worte fassbaren Wahnsinn (für den ich den Begriff „Trash“ nicht unbedingt bemühen würde, eher „filmisches Delirium tremens auf Absinth“ oder „Brutale Vergewaltigung aller Sinne auf dem mit pinker Handseife eingeschmierten Boden einer öffentlichen Toilette“ oder „Tod durch Ertrinken in Hustensaft“) haben wir uns ja schon ausgiebig angezickt, aber was ist denn nun schon wieder verkehrt an VALHALLA RISING? Zu fragwürdig? Hast du den denn überhaupt gesehen? Du erinnerst dich ja hoffentlich daran, dass ich seit dem absoluten Meeeiiiisteeerweeerk FEAR X Nicolas Winding Refn zu Füßen liege und generell total auf martialische Darstellungen, Mystikploitation und ähnlichen Schangel stehe.

    „Super Bild. Absolut originär und in seiner Stämmigkeit durchaus auch sexy. Holy moly, stramm!“

    „…aber du bist die Megaploitation meines Herzens. I love you from the bottom of my dick.“

    Das sind die allerschönsten Komplimente, die du mir je gemacht hast, meine Liebe. Ich bin zutiefst gerührt. Es freut mich, dass du dank des Fotos endlich auch einmal meine verständnisvolle Schockoladenseite gesehen hast. Ein schönes, europäisch-prätentiöses neues Jahr wünsche ich dir!

    @ Sano:

    Deine Ausführungen zu Boll kann ich mir nur so erklären, dass du von seinen Filmen Amateurschlock a là Ittenback erwartet und dann etwas halbwegs Professionelles und nebenbei so etwas wie archaische Prollfilmkunst bekommen hast. Ich kann das sonst unmöglich nachvollziehen, da es andernfalls vollkommen außerirdisch und dadaistisch klingt – quasi zu schlimm, um wahr zu sein.
    Als den schlechtesten Boll habe ich RAMPAGE übrigens nach eigenem Wissen nicht bezeichnet, schon eher DARFUR – den ersten Film, bei dem ich vorzeitig das Kino verlassen musste, weil ich ihn nicht mehr ertragen konnte (und das natürlich nur, weil er so erschütternd und brutal war!) und bereits die Blutgerinnsel in meinen Augen spürte. Dieses Bild da oben aus RAMPAGE sagt eigentlich alles. Das Boll-Rezept: Kontroverses, medial omnipräsentes Thema, plump hin inszeniert auf den größtmöglichen „gross out“-Moment und ausgeweitet zur reaktionären Stimmungs- und Zeitgeistploitation, im modisch aufgedonnerten Zappelkleid. Wenn du mich fragst, ist das nicht radikal, sondern einfach nur banal, aber das dann gleich so richtig eklig. Aber Boll plötzlich gut zu finden ist ja gerade total hip.
    Ich lasse mich von dir gerne eines Besseren belehren, auch wenn das angesichts meiner schrecklichen Vorurteilsfülle eine deftige Herausforderung darstellen dürfte. 😛

  5. Alexander S. on Januar 4th, 2011 at 18:26

    @Christoph & Andi:
    Übrigens nochmal DANKE, DANKE, DANKE für diesen ganzen wunderschönen Schangel im Posting! Möge es in diesem Jahr genauso weitergehen!!! *schwiiiiiiing*

  6. Alexander P. on Januar 6th, 2011 at 13:32

    @Christoph (hauptsächlich)

    Was die Präsentation meiner Liste angeht, die ist wohl in der Tat ziemlich leidenschaftslos, was ganz verschiedene Gründe hat: allgemeine Schreibmüdigkeit, Zeitmangel, die Tatsache, dass das Grundgerüst der Liste schon seit Monaten steht und das Zusammenstellen deshalb keine besonders spannende Angelegenheit war (sie steht übrigens in fast der gleichen Form wie jetzt schon lange in meinem STB, weshalb ich doch überrascht bin, dass sich dir jetzt plötzlich der Ultraschock offenbart haben will), aber vor allem eine mittlerweile immer stärker vorhandene Gleichgültigkeit gegenüber dem buchhalterischen Konzept von Jahreslisten allgemein. Gerade deshalb erscheint mir der Gedanke ziemlich absurd, eine Liste absichtlich so zusammen zu stellen, um irgendeine bewusste Aussage zu treffen, egal ob Vermischung von „Hochkultur“ und „Schlock“ (die ich sowieso für Schwachsinnskategorien halte, aber das sollte zumindest denen, die mich kennen auch bekannt sein) oder pseudo-polarisierendes Provozieren. Nein, die Filme stehen schon alle da wo sie stehen müssen, in diesem Bezug ist die Liste sicher nicht leidenschaftslos. Es stimmt sicher auch, dass eine so hingerotzte Liste Fragen aufwerfen muss, was für Fragen hängt aber sicherlich auch ein wenig von der Gutwilligkeit des Lesers ab. Und ich habe ein bißchen den Eindruck, dass eine eher wenig wohlwollende Interpretation wie deine, Christoph, trotz allem Rätseln vielleicht doch auf tieferen Ressentiments beruht, da kann ich mich aber auch täuschen. Aber in der Tat, sie ist etwas konfus, aber das ist schon ok, spiegelt sich darin doch gut meine innere cineastische Verfassung 2010 wieder.

    Das generell, vielleicht noch zu ein paar Filmen:

    Von PREDATORS habe ich mir eigentlich nicht viel erwartet und ihn nur angesehen, um Arbeitszeit rumzukriegen. Nach VACANCY hatte ich Antal schon als weiteres im Dschungel des amerikanischen Glattgenreschlocks verlorengegangenes europäisches Regietalent abgeschrieben, dass das Drehbuch von Rodriguez stammt, verhieß auch nichts Gutes und die Vergewaltigung des ALIEN VS. PREDATORS-Franchise hatte ich auch noch gut im Kopf. Was ich dann aber zu sehen bekam war einer der angenehmsten, bodenständigsten, geerdetsten Genrefilme des Jahres. PREDATORS ist eben gerade kein Franchise-, Horror- oder Actionfilm, der ein großes Gehabe um sich macht. Eher ein ziemlich abstrakter Abenteuer- und Entdeckerfilm, ohne die von mir befürchtete Neigung zum Psychologisieren von sowieso uninteressanten Figuren (allerdings natürlich schon mit einem Interesse an Gruppenpsychologie), sondern nur für Räume, Entfernungen und wie er seine Figuren darin anordnen kann. Vielleicht banal, aber allein dass ich danach das Gefühl hatte, eine Karte der geschickt eingegrenzten Umgebung und den Bewegungen der Figuren darin zeichnen zu können, das es so etwas wie eine Geographie zu geben scheint, hat mich schon glücklich gemacht. Dass in diese ruhige und gelassene Atmosphäre dann immer wieder die prolligen Actionnerdideen von Rodriguez einbrechen, fand ich auch ungeheuer reizvoll und spannend. Ansatzpunkte dafür, dass das nicht allein eine völlig esoterische und abgehobene Privatansicht ist, kann man z.B. hier finden, wobei ich den Text nicht für mich sprechen lassen will, da meine Begeisterung für PREDATORS nochmal darüber hinausgeht und sich z.T. auch unterscheidet.

    Im Endeffekt steht der Film zusammen mit UNSTOPPABLE (mit deutlichen Abstrichen vielleicht auch GAMER), für ein Kino das sich unterhalb der großen Blockbuster abspielt und vielleicht noch am Ehesten so etwas wie ein echtes amerikanisches B-Kino darstellt, wo in meinen Augen tatsächlich noch Raum für ein gewisses Experimentieren (wobei man heutzutage natürlich schon alles am Mainstream vorbei filmen irgendwie als Experiment wahrnimmt, obwohl es das nicht ist), für Handwerk, für die eher einfachen Vorzüge des Kinos (wie dem simplen Ausforschen von Räumen) besteht. Und das gerade in seinen Limitierungen, Unebenheiten und Fehlern deutlich faszinierender und spannender für mich ist als ein so abgerundetes Kunstwerk wie z.B. THE GHOSTWRITER, der nach „objektiven“ Qualitätskinokriterien vielleicht der „bessere Film“ ist.

    Was ZEITEN ÄNDERN DICH angeht, so gebe ich gerne zu, dass hier auch Trotz eine Rolle spielt. Wer das mit Ressentiments überschüttete Konsenshassobjekt auf Studentenpartys ist, der kann sich einem gewissen wohlwollenden Interesse bei mir sicher sein. Ansonsten zitiere ich mich einfach mal selbst: „Das autobiographischste Biopic aller Zeiten und deshalb eine unterhaltsame und gelungene Mischung aus Größenwahn, Peinlichkeiten, Selbstironie, Trash und Seelenstriptease. Faszinierend wie der Film von einer Szene zur nächsten abrupt die Tonart ändert und so die Zerissenheit seiner Hauptfigur perfekt wiedergibt.“ Ich habe nun mal ein Faible für Größenwahn und für Scheitern, genau so wie für Privates und Intimes im Kino (auch dann wenn es ins vollkommen Peinliche gleitet). Teilweise fühlt sich ZEITEN ÄNDERN DICH nicht wie ein Künstlerbiopic an, sondern so als ob man Hans Mustermann die Gelegenheit gegeben hätte sein großes Lebenstrauma mit allen künstlerischen Freiheiten, dem nötigen Budget und den gewünschten Schauspielern (Hannelore Elsner!) und ohne das im Hintergrund irgendjemand um „Qualität“ besorgt ist, auf die Leinwand zu bannen. Dass daraus nicht nur Peinliches, sondern auch eine Spannung zwischen Künstlichkeit und erfrischender Direktheit und Ungefiltertheit entsteht, ist ja eigentlich klar. Deshalb musste ich den Film einfach mögen und er musste als Beispiel für ein deutsches Kino, dass noch nicht vollständig durchgeplant, sondern erfrischend zusammen gekleistert wirkt (kann mir gut vorstellen, dass der Film extrem schnell abgedreht werden musste, entsprechend improvisiert wirkt er an vielen Stellen), aber eben doch Hochglanzkino darstellen will, einfach auf die Liste. Wie das dann wirkt, nur weil ein paar besonders engstirnige Zeitgenossen den Film als völligen Schlock wahrnehmen, ist mir völlig egal. Er hat keinem anderen Film den Platz weggenommen, daher gehört der dahin.

    Bei THE OTHER GUYS ist das WTF wohl ziemlich fehl am Platz, das ist in etwa so sinnig wie sich über eine gute Platzierung von UNCLE BONMEE zu wundern, der Film steht ja nun auf ziemlich vielen Jahreslisten. Hab jetzt auch keine große Lust den Erklärbär oder Rechtfertiger des Apatow-Universums (das als Oberbegriff sicher nicht weniger problematisch ist als eine Formulierung wie „Berliner Schule“) zu spielen. Nur so viel: Der Film ist sicher keine „Actionparodie“ oder ulkige Genredekonstruktion. Vielleicht am ehesten der Versuch sich auf sarkastische Weise einem absurden, aber im Kern sehr ernsten Genrefilm anzunähern und das was du vermutlich mit „Postmoderne“ umschreiben würdest (wobei ich mir nicht sicher bin, ob es das noch trifft) durch gezieltes auf die Spitze treiben ad absurdum zu führen oder vielleicht auch sich eng umschlungen mit ihr endgültig im Nichts aufzulösen. Allerdings natürlich alles im amerikanischen Kontext, weshalb ich nicht weiß, ob dir das sehr zusagen würde. Keine Ahnung. Als Spaß auf Kosten eines im ewigen Zitatekreislauf gefangenen Genrekinos und als Alternativentwurf dazu ist der Film jedenfalls toll (und trotz seiner melancholischen Seite sehr lustig), auch wenn ich letztlich doch enttäuscht war und THE OTHER GUYS es wider Erwarten nicht in meine Top Ten geschafft hat. Im Zweifelsfall ziehe ich das infantile, reinere Chaotentum von ANCHORMAN dem sehr konzeptuellen Anarchisieren von STEP BROTHERS und THE OTHER GUYS eben vor.

    Und was meinen diesjährigen Lieblingsfilm angeht, den wiederzusehen ich kaum erwarten kann: Da stehe ich ob der allgemeinen Rezeption ehrlich gesagt vor einem Rätsel. Kann es mir nur so erklären, dass die Fokussierung auf den „Geschichtsfilm“ den Leuten natürlich gerade in Deutschland den Kopf versperrt hat. Ich habe ihn eben in erster Linie als einen Film über das Filmemachen oder Kino allgemein wahrgenommen. Als die unversöhnliche, polemische Abrechnung mit dem Nazikino, als die sich viele (in meinen Augen fälschlicherweise) INGLOURIOUS BASTERDS hininterpretiert haben. Als völlig cinephobe, höchst pessimistische Abrechnung mit dem deutschen Kino und dem ganzen Verwaltungsapparat außenrum, und dem Filme machen als fortlaufenden Prozess der Unterdrückung, der Ausbeutung, der Selbsterniedrigung und der Selbstprostitution. Ich gebe gerne zu, dass das 2010 einen persönlichen Nerv bei mir getroffen hat und ich dem Film unendlich dankbar war, dass er viele solcher bei mir dieses Jahr immer wieder wuchernde Gedanken, mit denen man sich in einem cinephilen Umfeld natürlich tendenziell unverstanden fühlt, so offen und in ziemlich unnachahmlich polemisch-realistischer Weise in die Welt posaunt hat.

    So viel dazu, da du ja keinen der Filme, die auf eine Liste zu setzen auf dich so schlockig und bemüht wirkt gesehen hast, alles ein bißchen schwierig. Wobei ich ehrlich gesagt nicht glaube, dass sie dir – abgesehen ganz vielleicht vom Roehler – zusagen würden, genauso wenig wie vermutlich meine Erläuterungen, dazu sind wir in unserer Wahrnehmung des Gegenwartskinos vermutlich einfach viel zu verschieden (siehe HOUSE OF THE DEVIL, AMER, DER RÄUBER, UNTER DIR DIE STADT etc.).

    P.S. Das einzige was ich an meiner Liste ändern würde, ist die Shyamalan-Einordnung. Die ist ziemlich missglückt, was aber auch daran liegt, dass ich den Film wenige Stunden vor Ende der Deadline nochmal gesehen habe und zwar irgendwie hin und weg war, anderseits aber auch wieder gelangweilt und ihn immer noch nicht irgendwo, irgendwie einordnen oder beschreiben könnte. Habe ihn als bisher schwächsten Shyamalan-Film empfunden, wollte ihn angesichts meiner momentanen Begeisterung aber unbedingt hervorheben, in der Hoffnung es möge mir irgendwann doch noch gelingen ihn zu entschlüsseln (in zwanzig Jahren eben). Aber in der Tat, „Michael Curtiz“ und so ist vermutlich (?) Schwachsinn.

  7. Sano on Januar 7th, 2011 at 17:27

    @Alex

    Muss eigentlich sagen, dass mir deine Liste in ihrer Vermischung vermeintlich unvereinbarer Filme (Weltanschauungen, Ästhetiken, etc., etc.) von allen hier vorgestellten am besten gefallen hat. Natürlich erhält sie ihren Reiz auch aus der Tatsache das ich dich kenne, und deinen Filmgeschmack schätze (wenn auch nur teilweise teile). Aber da ich von den 27 positiv erwähnten FIlmen nur 5 gesehen habe, ist das alles natürlich auch recht müßig.

    Dennoch ist es schon überraschend, wie unterschiedlich unsere Listen dann im Endeffekt ausfallen. Und, dass auch fast jeder einen Top 10 Film hat, der bei jemand anderem zum miesesten des Jahrgangs gehört. 🙂

    Jud Süss fand ich persönlich sehr gelungen. Lediglich die „kontroverseren“ Szenen auf die ich mich im Vorfeld am meisten gefreut hatte, fand ich eher schwach. Denke aber, dass der Film auch Christoph gut munden würde.

    Ansonsten muss ich sagen, dass mir dein Michael-Curtiz Award für Shyamalan am besten gefallen hat!! Curtiz ist ja auch so ein permanent unterschätzter, unterschlagener, und beiseite gewischter Regisseur, der inzwischen (nach rund 10 Jahren und ca. 16 gesehenen Filmen) zu meinen absoluten Favoriten gehört (z.B. noch vor John Ford oder Orson Welles). Und Shyamalan wurde ja die letzten Jahre auch immer mieser behandelt, wobei ich ihn analog zu dir die letzten Wochen völlig neu für mich entdecke. Habe am 1. Januar SIGNS zum ersten Mal seit dem deutschen Kinostart wiedergesehen und war begeistert. Zwar für mich nicht ganz so stark wie UNBREAKABLE oder THE VILLAGE, aber dennoch ein Top 10 Kandidat für 2002. Shyamalan ist für mich jetzt neben Michael Mann, James Gray, Terrence Malick und Vincent Gallo ein weiterer amerikanischer Meister des Gegenwartskinos geworden, und ich freue mich schon auf die Sichtungen seiner letzten 3 Filme.

    Deine Ansichten zu AMER und HOUSE OF THE DEVIL hatte ich übrigens schon ganz vergessen. Bin aber doch beruhigt, dass ein weiterer unserer Autoren von beiden nicht wirklich angetan war. Wobei ich Christophs Angebot mit der DVD in absehbarer Zeit dann vielleicht doch gerne wahrnehmen würde. Die Projektionsverhältnisse unter denen ich und Andi HOUSE OF THE DEVIL beim FFF erleiden mussten, gehören definitiv zu den erbärmlichsten Festivalleistungen ever… Mich erinnerte der Film aber von der retromäßigen Ästhetik auch sehr stark an die 90er (und zwar auch an US-amerikanische 90er Jahre Teenie-Fernsehserien), was dann den 80er Bonus den bei mir zur Zeit alles bekommt wieder zunichte gemacht hat. Aber naja, mal sehen. Jede Sichtung ist schließlich ein neues Filmerlebnis. 🙂

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