Dieser Artikel ist eine Ergänzung und Erweiterung eines früheren Beitrags von mir, gepostet im November 2008: Ein Versuch
Damals wollte ich meine aktualisierte Top 100 posten, d. h. die 100 Filme die mir gerade am meisten bedeuteten. Da die Formatierung und ein paar andere ästhetische Gesichtspunkte zu diesem Zeitpukt jedoch etwas zu kompliziert zu bewerkstelligen schienen, verschob ich die vollständige Auflistung aller Filme immer weiter in die Zukunft, wobei sich verständlicherweise die Zusammenstellung und Platzierung der Filme wieder zu ändern begann.
Da meine Einstellung und mein Blick auf einzelne Filme stimmungs- und sichtungsabhängig ist, und jeder Tag die Welt verändern kann, handelt es sich bei solchen Listen meist um Momentaufnahmen. Daher habe ich mich nun entschlossen, die vollständige Auflistung, wie ich sie im November letzten Jahres notiert hatte, zu veröffentlichen. Der jetzige Zeitpunkt benötigt zwar eine neue Zusammenstellung, doch wäre diese nicht mehr oder weniger relevant als die Letzte. Somit unternehmen wir also noch einmal eine kurze Zeitreise…
21. Hakob Hovnatanyan
Sergej Paradjanov Sowjetunion 1965
22. Possession
Andrzej Zulawski Frankreich 1981
23. La Jetée
Chris Marker Frankreich 1962
24. Trys dienos Drei Tage
Sharunas Bartas Sowjetunion 1991
25. Dead Man
Jim Jarmusch USA 1995
26. Moe no Suzaku Die Ahnung Suzakus
Naomi Kawase Japan 1996
27. Elvira Madigan
Bo Widerberg Schweden 1967
28. Au-delà de la haine Beyond Hatred
Olivier Meyrou Frankreich 2005
29. Hao nan hao nu Good Men, Good Women
Hou Hsiao-hsien Taiwan 1995
30. Pola X
Léos Carax Frankreich 1999
31. Wandâfuru raifu After Life
Hirokazu Koreeda Japan 1998
32. Zabriskie Point
Michelangelo Antonioni USA 1970
33. Few of Us Wir sind wenige
Sharunas Bartas Litauen 1996
34. Nema-ye Nazdik Close Up
Abbas Kiarostami Iran 1990
35. Groundhog Day …und täglich grüßt das Murmeltier
Harold Ramis USA 1993
36. Bonnie and Clyde Bonnie und Clyde
Arthur Penn USA 1967
37. Umberto D.
Vittorio De Sica Italien 1952
38. Les quatre cent coupes Sie küßten und sie schlugen ihn
François Truffaut Frankreich 1959
39. Ben-Hur
William Wyler USA 1959
40. Midaregumo Zerrissene Wolken
Mikio Naruse Japan 1967
41. The Wizard of Oz Der Zauberer von Oz
Victor Fleming USA 1939
42. Örökbefogadás Adoption
Márta Mészáros Ungarn 1975
43. Loulou Der Loulou
Maurice Pialat Frankreich 1980
44. Eureka
Shinji Aoyama Japan 2000
45. Batalla en el cielo Battle in Heaven
Carlos Reygadas Mexiko 2005
46. Andrei Rublyov Andrei Rubljow
Andrej Tarkowskij Sowjetunion 1966
47. Heaven’s Gate Das Tor zum Himmel
Michael Cimino USA 1980
48. Novecento 1900
Bernardo Bertolucci Italien 1976
49. Der Aufenthalt
Frank Beyer DDR 1983
50. Klassenverhältnisse
Danièle Huillet, Jean-Marie Straub BRD 1984
51. La pirate Die Piratin
Jacques Doillon Frankreich 1984
52. Paris, Texas
Wim Wenders BRD 1984
53. Hotaru no haka Die letzten Glühwürmchen
Isao Takahata Japan 1988
54. Marseille
Angela Schanelec Deutschland 2004
55. Topâzu Tokio Dekadenz
Ryu Murakami Japan 1992
56. Meikyu-tan
Shuji Terayama Japan 1975
57. Suna no onna Die Frau in den Dünen
Hiroshi Teshigahara Japan 1964
58. Sans soleil
Chris Marker Frankreich 1982
59. Ying chun ge zhi Fengbo Der Letzte Kampf des Lee Khan
King Hu Taiwan, Hong Kong 1973
60. Dzieje grzechu Geschichte einer Sünde
Walerian Borowczyk Polen 1975
61. The Thief of Bagdad Der Dieb von Bagdad
Ludwig Berger, Michael Powell, Tim Whelan UK, USA 1940
62. Zina
Ken McMullen UK 1985
63. Conan the Barbarian Conan, der Barbar
John Milius USA 1982
64. Mia aioniotita kai mia mera Die Ewigkeit und ein Tag
Theo Angelopoulos Griechenland 1998
65. Tarzan, the Ape Man Tarzan, Herr der Affen
John Derek USA 1981
66. Tenshi no tamago Angel’s Egg
Mamoru Oshii Japan 1985
67. Offret Das Opfer
Andrej Tarkowskij Schweden 1986
68. Moonlighting Schwarzarbeit
Jerzy Skolimowski UK 1982
69. Majo no takkyûbin Kikis kleiner Lieferservice
Hayao Miyazaki Japan 1989
70. The Night of the Hunter Die Nacht des Jägers
Charles Laughton USA 1955
71. Forrest Gump
Robert Zemeckis USA 1994
72. The New World
Terrence Malick USA 2005
73. Koridorius Korridor
Sharunas Bartas Litauen 1994
74. Joshuu sasori: Kemono-beya Sasori: Den of the Beast
Shunya Ito Japan 1973
75. Bad ma ra khahad bord Der Wind wird uns tragen
Abbas Kiarostami Iran 1999
76. Notorious Berüchtigt
Alfred Hitchcock USA 1946
77. Ran
Akira Kurosawa Japan 1985
78. Saikaku ichidai onna Das Leben der Frau Oharu
Kenji Mizoguchi Japan 1952
79. Monsieur Hire Die Verlobung des Monsieur Hire
Patrice Leconte Frankreich 1989
80. Idioterne Idioten
Lars von Trier Dänemark 1998
81. The Reflecting Skin Schrei in der Stille
Philip Ridley UK, Canada 1990
82. Trilogia I: To Livadi pou dakryzei Trilogie: Die Erde weint
Theo Angelopoulos Griechenland 2004
83. Kôfuku no kane Blessing Bell
Sabu Japan 2002
84. Tokyo senso sengo hiw The Man Who Left His Will on Film
Nagisa Oshima Japan 1970
85. Wong gok ka moon As Tears Go By
Wong Kar Wai Hong Kong 1988
86. Sud pralad Tropical Malady
Apichatpong Weerasethakul Thailand 2004
87. To vlemma tou Odyssea Der Blick des Odysseus
Theo Angelopoulos Griechenland 1995
88. Xiao cheng zhi chun Frühling in einer kleinen Stadt
Mu Fei China 1948
89. Zwischen zwei Kriegen
Harun Farocki BRD 1977
90. Suspiria
Dario Argento Italien 1977
91. Gertrud
Carl Theodor Dreyer Dänemark 1964
92. Le chiavi di casa Die Hausschlüssel
Gianni Amelio Italien 2004
93. Demanty noci Diamanten der Nacht
Jan Nemec Tschechoslowakei 1964
94. Bu jian The Missing
Lee Kang-sheng Taiwan 2003
95. Dai-bosatsu toge The Sword of Doom
Kihachi Okamoto Japan 1965
96. The Wind Der Wind
Victor Sjöström USA 1928
97. Invisible Waves
Pen-Ek Ratanaruang Thailand 2005
98. Magnificent Obsession Die wunderbare Macht
Douglas Sirk USA 1954
99. Sanma no aji Ein Herbstnachmittag
Yasujiro Ozu Japan 1962
100. Die Erben
Walter Bannert Österreich 1982
März 14, 2009 | Veröffentlicht in
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Sano |
8 CommentsIn Form von Listen und Aufzählungen geäußerte Betrachtungen zum persönlichen Kinojahr 2008, das für mich weniger im laufenden Kinobetrieb, sondern überwiegend irgendwo zwischen Festivals und Retrospektiven stattfand…
Um trotz akuten Zeitmangels ein bisschen zur Blog-Belebung beizutragen, poste ich einen vor einiger Zeit für entsprechende Foren-Threads erstellten Jahresrückblick, der neben einem Blick auf die persönlichen Lieblingsfilme des aktuellen 2008er-Jahrgangs auch herausragende Kinoerlebnisse mit älteren Filmen (ob auf Festivals, bei Retrospektiven oder in Repertoire-orientierten Programmkinos) mit einbezieht, zumal ich im vergangen Jahr, wie bereits 2007, trotz einer dank Festivals sehr hohen Zahl an gesehenen aktuellen Filmen letztlich trotzdem mehr alte als neue Filme im Kino gesehen habe. Und überhaupt verdammt oft im Kino war, was neben dem cinephilen privaten Umfeld und einem ziemlich grandiosen regionalen Kinoangebot auch mit einer gestiegenen Zahl an Filmfestivalbesuchen zusammen hängt (StummFilmMusikTage Erlangen, Berlinale, Filmfestival Türkei-Deutschland, Fantasy Filmfest Nights, Filmfest München, Fantasy Filmfest, 70mm-Festival Karlsruhe, Asiafilmfest München). Schade in diesem Zusammenhang vor allem auch, dass viele der dort gesehenen Filme bislang noch keinen regulären deutschen Kinostart hatten und bei einigen auch keiner mehr zu erwarten ist. Die oft verspäteten, nicht selten auch ganz ausbleibenden Aufführungen vieler auf Festivals und in anderen Ländern durchaus auf Anerkennung oder Begeisterung stoßender Filme bleiben nach wie vor ein großes Ärgernis des regulären deutschen Kinostartplans. Um diesen Umstand aber letztlich doch Rechnung zu tragen, belasse ich es nicht nur bei meiner ‚eigentlichen‘, aus dem deutschen Kinoalltag heraus teils exotisch anmutenden Jahresliste, sondern füge noch eine zweite (quasi ‚gefilterte‘) Jahresliste hinzu, die lediglich aus Filmen mit regulärem deutschen Kinostart besteht. Und zur besseren Einordnung noch kurz ein bisschen Statistik für Interessierte: ich habe insgesamt 112 neue Filme gesehen (sowohl Festivalpremieren als auch Kinostarts), davon: 105 im Kino, 107 in OV/OmU (wobei ich in den Listen dennoch überwiegend die deutschen Titel der Filme verwendet habe). Aber nun die Listen selbst…
Jahresliste 2008 – Favoriten des aktuellen Jahrgangs (Festivalentdeckungen & Kinostarts):
1. In the City of Sylvia (José Luis Guerín)
2. The Sky, the Earth and the Rain (José Luis Torres Leiva)
3. Lake Tahoe (Fernando Eimbcke)
4. Soul of a Demon (Chang Tso-chi)
5. Paranoid Park (Gus Van Sant)
6. La Rabia (Albertina Carri)
7. No Country for Old Men (Joel & Ethan Coen)
8. RR (James Benning)
9. United Red Army (Kôji Wakamatsu)
10. Silent Light (Carlos Reygadas)
11. Wolke 9 (Andreas Dresen)
12. So finster die Nacht (Tomas Alfredson)
13. The Happening (M. Night Shyamalan)
14. Flight of the Red Balloon (Hou Hsiao-hsien)
15. Couscous mit Fisch (Abdellatif Kechiche)
16. Night and Day (Hong Sang-soo)
17. Das Gelübde (Dominik Graf)
18. Timecrimes (Nacho Vigalondo)
19. Loos ornamental (Heinz Emigholz)
20. Control (Anton Corbijn)
Pleasures (not guilty):
Sparrow (Johnnie To)
Honeydripper (John Sayles)
36 Steps (Adrián García Bogliano)
Burn After Reading (Joel & Ethan Coen)
Chanson der Liebe (Christophe Honoré)
Vicky Cristina Barcelona (Woody Allen)
Honorable Mentions:
Los Bastardos (Amat Escalante), Time to Die (Dorota Kedzierzawska), Just Anybody (Jacques Doillon), Das jüngste Gewitter (Roy Andersson), There Will Be Blood (Paul Thomas Anderson), Martyrs (Pascal Laugier), Wall-E (Andrew Stanton), Tokyo Sonata (Kiyoshi Kurosawa), Waltz With Bashir (Ari Folman), Glue (Alexis Dos Santos), Pas Douce (Jeanne Waltz), Schmetterling und Taucherglocke (Julian Schnabel), Gomorrha (Matteo Garrone), The Muzzled Horse of an Engineer in Search of Mechanical Saddles (Khavn De La Cruz), Weiße Lilien (Christian Frosch), Jesus Christus Erlöser (Peter Geyer), We Own the Night (James Gray), Orz Boyz (Yang Ya-Che), Before the Devil Knows You’re Dead (Sidney Lumet), Mad Detective (Johnnie To, Wai Ka-Fai), Into the Wild (Sean Penn).
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Alternative Jahresliste 2008 – Favoriten unter den Filmen mit regulärem Kinostart (in einem Fall lediglich reguläre DVD- und TV-Erstveröffentlichung):
1. PARANOID PARK (Gus Van Sant)
2. NO COUNTRY FOR OLD MEN (Joel & Ethan Coen)
3. RR (James Benning)
4. WOLKE 9 (Andreas Dresen)
5. SO FINSTER DIE NACHT (Tomas Alfredson)
6. THE HAPPENING (M. Night Shyamalan)
7. COUSCOUS MIT FISCH (Abdellatif Kechiche)
8. DAS GELÜBDE (Dominik Graf)
9. CONTROL (Anton Corbijn)
10. SPARROW (Johnnie To)
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Ein Rückblick zu meinen Kinohöhepunkten abseits des aktuellen Jahrgangs:
Das letztlich konkurrenzlos beste Kinoerlebnis des Jahres war SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD von Sergio Leone. Obwohl ich den Film vor Jahren bereits zwei Mal im Kino sehen konnte, war es atemberaubend, Leones Meisterwerk endlich mal wieder auf der (diesmal zudem wirklich sehr) großen Leinwand zu sehen, wo er so sehr hingehört wie kaum ein zweiter Film, und bei jenem Saal-Leinwand-Verhältnis, das fast schon IMAX-Dimensionen hatte, entfaltete Leones Film eine geradezu beängstigende Wirkung, wunderschön und todtraurig zugleich. Es ist immer noch und immer wieder der ganz große persönliche Lieblingsfilm, und es war ein Kinobesuch, von dem ich noch drei Tage später regelrecht benebelt war. Aber auch sonst gab es bereits vor diesem völlig unerwarteten Herbst-Höhepunkt weitere denkwürdige Leone-Kinoerlebnisse übers Jahr verteilt, zunächst im Frühjahr endlich eine Kinosichtung von ES WAR EINMAL IN AMERIKA (was trotz ärgerlicherweise gesundheitlich angeschlagenem Zustand sehr toll war) und im Sommer dann noch FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR.
Weitere besondere Kinoerlebnisse als dicht gebündelter Fließtext:
CRASH, früher nicht sonderlich gemocht, habe ich nach Jahren zufällig zum Berlinale-Abschluss abseits des Festivals wieder gesehen und bin vollkommen elektrisiert worden, sogar so sehr, dass er direkt zu meinem Cronenberg-Liebling aufgestiegen ist. Einen enormen Aufstieg legte auch Argentos INFERNO hin, den ich innerhalb weniger Tage dann gleich zwei Mal im Kino gesehen habe, genau wie den wundervollen SASORI: DEN OF THE BEAST – in Sachen Nippon Classics habe ich darüber hinaus LADY SNOWBLOOD sehr genossen und bin von TOKYO DRIFTER in einem 500-Plätze-Saal auf Scope-Leinwand erschlagen worden. Ebenfalls auf Riesen-Leinwand in einem ehemaligen IMAX-Saal machte auch Roegs WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN mächtig Eindruck. Das Wiedersehen mit Altmans MCCABE & MRS. MILLER erwischte mich zunächst nur beim unbeschreiblichen Anfang und Ende voll, weil zwischendrin die bis zur Unverständlichkeit scheppernde Tonspur nicht nur beim Dialogverständnis für ziemliche Beeinträchtigung sorgte, doch der Film entfaltete dann in den folgenden Monaten eine dermaßen intensive Nachwirkung, dass er zu einem absoluten Lieblingsfilm gereift ist. Das geschah endlich auch mit Kubricks BARRY LYNDON, mit dem ich früher meine Probleme hatte, der mich nun aber völlig hingerissen hat. Dichte Endzeitatmosphäre verströmte nach längerer Zeit mal wieder THE TERMINATOR, während AGUIRRE von makelloser Kopie einen ungleich stärkeren Sog als beim ersten Kinobesuch bei der Herzog-Retro beim Filmfest München 2007 entwickelte. Eines der schönsten Double Features des Jahres (mit zwei Mal Jack Cardiff, einmal Kamera, einmal Regie) gab es bei einem spontanen Tagestrip mit Freunden nach München: zunächst eine wundervolle Technicolor-Kopie von BLACK NARCISSUS, die sich aber zeitlich etwas mit dem nachfolgenden KATANGA überschnitt. Weil allgemein große Lust auf Letzteren vorherrschte, entstand die nerdige Idee, dessen Vorführer beinahe bestechungsartig zum Verzögern des Vorstellungsbeginns zu überreden, um später dann schnell vom einen zum anderen Kino zu hetzen, was sich allerdings selten so ausgezahlt hat wie hier. Zwei sagenhafte Filme, und von keinem der beiden hätte ich auch nur eine Minute verpassen wollen. Ein anderes sehr stimmungsvolles, wenn auch nicht selbst zusammen gestelltes Double Feature bot sich beim Fantasy Filmfest mit THE CITY OF THE DEAD und TASTE THE BLOOD OF DRACULA, von denen man wohl kaum geglaubt hätte, sie mal in einem Multiplex-Saal zu sehen zu bekommen. Man kann nur hoffen, dass es beim FFF auch zukünftig, wenn schon keine Retro, dann wenigstens solche kleinen Klassiker-Specials geben wird. Eine regelrecht hypnotisierende Wirkung übte LOLA von Jacques Demy auf mich aus (DIE REGENSCHIRME VON CHERBOURG schlugen kaum minder ein, da kam es aber nicht so unerwartet), und eigentlich lässt sich das auch von Wakamatsus äußerst dichtem GO, GO SECOND TIME VIRGIN sagen. Riesen-Bild und großes Orchester sorgten in ihrer Verbindung bei Murnaus Großtat TABU für manch beinahe rauschartigen Moment. Eine denkwürdige Aufführung erlebte Wenders‘ SILVER CITY REVISITED (der, wenn man sich auf ihn einließ, einen ganz eigenen Rhythmus und Sog entwickelte) als Abschluss eines Kurzfilmabends: ich hatte es zuvor noch nie erlebt, dass das eigentlich immer disziplinierte und geduldige Publikum des Münchner Filmmuseums nicht nur lauthals Verärgerung kund tat, sondern in stetigem Strom letztlich innerhalb kürzester Zeit die Hälfte der knapp Hundert Zuschauer den Saal verlassen hat… Eine Nachmittagsvorstellung von KING KONG – FRANKENSTEINS SOHN bot hingegen nicht nur schönstes Monsterkino, sondern auch einen Hauch von Zeitreise, und es kam ein bisschen das Gefühl auf, einer der heute längst ausgestorbenen 70er/80er-Jahre-Nachmittagsjugendvorstellungen (wo man seinerzeit offenbar auch bevorzugt japanisches Monsterkino angeboten bekam) beizuwohnen. Zeitreise in die Sixties bot auch GIRL ON A MOTORCYCLE, den ich 2008 sogar gleich zwei Mal in zwei verschiedenen Städten sah, wobei nach der nicht ganz optimalen ersten Sichtung die zweite Leinwandbegegnung an einem regnerischen Sommerabend eine besondere, entrückte Stimmung entfaltete. Die speziellen Farben, die Materialität und Texturenbeschaffenheit von gut erhaltenen Sixties-Filmkopien und den Anblick von Catherine Deneuve bzw. Michèle Mercier habe ich hingegen selten so genossen wie in BELLE DE JOUR und HEISSE NÄCHTE. Tatsächlich in besonderer Weise von ihrem Format lebten wiederum die 70mm-Aufführungen von THE LAST VALLEY und GRAND PRIX sowie eine rare 3-D-Vorführung von INFERNO – VERHÄNGNISVOLLE SPUREN. In seiner Aufführungskonzeption außergewöhnlich war auch das mit verspätetem deutschem Start noch ins Kino gelangte GRINDHOUSE-Doppelprogramm (ein zweiter Durchgang wurde beim Rodriguez-Teil jedoch schon fast zur Geduldsprobe, während ich von Tarantinos Film beim vierten Mal und auch von den Fake-Trailern gar nicht genug bekommen kann), während es tatsächlichen Trash eher bei anderen Gelegenheiten gab, etwa bei der monatlich fortgesetzten Kino-Aufführung der LIEBESGRÜSSE AUS DER LEDERHOSE-Reihe (auch hier: Zeitreise, gewissermaßen), wobei derlei einen guten Kontrast zu experimentellen Filmen wie Framptons ZORN’S LEMMA oder, wenn man so will, auch zu Godards ONE PLUS ONE (allein wegen der nachfolgenden Reaktion eines Freundes denkwürdig) bildete. Beste Möglichkeiten in einzelne Filmografien einzutauchen boten schließlich diverse Retrospektiven, ob nun Antonioni (DIE ROTE WÜSTE war, was sowohl Film als auch Kopie angeht, eine Offenbarung, und BERUF: REPORTER oder LA NOTTE im Kino auch ganz besondere Erlebnisse), Wong (AS TEARS GO BY und CHUNGKING EXPRESS bereiteten am meisten Wiedersehensfreude, während es mir im dritten Anlauf dann doch endlich noch gelang, mich vom großartigen DAYS OF BEING WILD völlig einnehmen zu lassen), Bunuel (DER WÜRGEENGEL und SUSANA), Käutner (GROSSE FREIHEIT NR. 7 ragte besonders heraus), Peckinpah (ich kam nicht umhin, die Chance zu nutzen, 12 seiner 14 Kinofilme endlich im Kino zu sehen, wobei STRAW DOGS besonders intensiv, JUNIOR BONNER aber umso erstaunlicher und THE BALLAD OF CABLE HOGUE schlichtweg magisch war), Bresson (der Kino-Höhepunkt war MOUCHETTE), Fassbinder (HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN und ANGST ESSEN SEELE AUF stachen durch die Leinwandwirkung ihrer Farbgestaltung besonders hervor) und schließlich Angelopoulos (seine Mammutwerke DIE WANDERSCHAUSPIELER und DER GROSSE ALEXANDER waren im Gegensatz zu den teils durchwachsenen Spätwerken sehr eindrucksvoll). Bemerkenswert viele erfreuliche Überraschungen bot außerdem das deutsche Kino der 60er und 70er Jahre, wobei ATLANTIS – EIN SOMMERMÄRCHEN bezauberte, DIE TOTE VON BEVERLY HILLS verblüffte und ENGELCHEN ODER DIE JUNGFRAU VON BAMBERG vollkommen hinreißend war, während MATHIAS KNEISSL und ICH LIEBE DICH, ICH TÖTE DICH endgültig den schlagenden Beweis lieferten, dass es in den vielen unbekannten Winkeln der deutschen Filmgeschichte unglaublich viel Erstaunliches zu entdecken gibt. Richardsons MADEMOISELLE hat mich ziemlich unerwartet allein schon wegen seiner atemberaubenden visuellen Gestaltung völlig vom Hocker gehauen, Borowczyks LA BÊTE legte auch noch mal zu und DIE FABELHAFTEN BAKER BOYS war im Kino nicht nur aufgrund des außergewöhnlich langen und interessanten Publikumsgesprächs mit dem anwesenden Michael Ballhaus ein tolles Erlebnis, während mir neben GET CARTER, TOD IN VENEDIG und OUT OF THE PAST jetzt gerade noch DIE HANDSCHRIFT VON SARAGOSSA und DER ZAUBERER VON OZ in den Sinn kommen (und unterstreichen, dass ein erheblicher Teil der Kinoerlebnisse mit älteren Filmen aus Wiederbegegnungen bzw. meist erstmaligen Leinwandsichtungen von bereits bekannten Filmen bestand, die dabei nicht selten vom zusätzlichen Entfaltungsspielraum der Kinopräsentation profitierten), bevor ich lieber aufhöre, weil sich hier der cinephile Wahnsinn und eine Selbstbeschränkung vermissen lassende Aufzählungswut irgendwie schon wieder viel zu sehr Bahn gebrochen haben…
So…nun ist mir Sano also doch mit dem Posten zuvor gekommen. Und da er mit dem Listenwahn wohl mich mitgemeint hat werde ich hier auch meine „Top 100“-Liste präsentieren, die ich mittlerweile bereits mehrfach überabeitet habe und die trotzdem als vorläufig anzusehen ist, nicht nur, weil wir ja alle unentwegt Filme in uns aufsaugen, sondern auch weil ich einige der Filme, ide jetzt auf der Liste sind, wie auch einige der, die knapp nicht drauf gekommen sind dringend wiedersehen müsste.
In der Form habe ich die Liste dem, wie ich finde, sinnvollen Konzept Christophs angepasst: grundsätzlich chronologisch geordnet aber in zwei Teillisten aufgeteilt, also quasi die Top 50 (A) und dann die Ergänzung zur Top 100 (B).
Viel Spaß beim drauf Rumhacken ;-)!
A)
1. Friedrich Wilhelm Murnau: „Nosferatu“, 1922
2. Billy Wilder: „Sunset Boulevard“, 1950
3. Alfred Hitchcock: „Vertigo“, 1958
4. Federico Fellini: „8 ½“,1963
5. Vera Chytilova: „Sedmikrasky“ / „Tausendschönchen“, 1966
6. Stanley Kubrick: „2001 – A Space Odyssey“, 1968
7. Pier Paolo Pasolini: „Teorema“, 1968
8. Sergio Leone: „C’era una volta il West“ / „Spiel mir das Lied vom Tod“, 1968
9. Federico Fellini: „Satyricon“, 1969
10. Michelangelo Antonioni: „Zabriskie Point“, 1970
11. Werner Herzog: „Auch Zwerge haben klein angefangen“, 1970
12. Ken Russell: „The Devils“, 1971
13. Stanley Kubrick: „ A Clockwork Orange“, 1971
14. Roman Polanski: „Che?“ / „Was?“, 1972
15. Alejandro Jodorowsky: „The Holy Mountain“, 1973
16. Shunya Ito: „Joshuu sasori: Kemono-beya“ / „Sasori : Den of the Beast“, 1973
17. Nicolas Roeg: „Don’t Look Now“ / „Wenn die Gondeln Trauer tragen“,1973
18. Roman Polanski: „Le Locataire“ / „Der Mieter“, 1976
19. Rainer Werner Fassbinder: „Chinesisches Roulette“, 1976
20. Alain Resnais: „Providence“, 1977
21. Dario Argento: „Suspiria“, 1977
22. Luis Bunuel: „Cet obscur objet du désir“ / „Dieses obskure Objekt der Begierde“, 1977
23. Nobuhiko Obayashi: „Hausu“, 1977
24. David Lynch: „Eraserhead“, 1978
25. Francis Ford Coppola: „Apocalypse Now“, 1979
26. Andrej Tarkowskij: „Stalker“, 1979
27. Stanley Kubrick: „The Shining“, 1980
28. Andrzej Zulawski: „Possession“, 1981
29. Ridley Scott: „Blade Runner“, 1982
30. David Cronenberg: „Videodrome“, 1983
31. Lars von Trier: „The Element of Crime“, 1984
32. Mamoru Oshii: „Tenshi no tamago“ / „Angel’s Egg“, 1985
33. Peter Greenaway: „A Zed and Two Noughts“, 1985
34. David Lynch: „Blue Velvet“, 1986
35. Christoph Schlingensief: „Egomania – Insel ohne Hoffnung“, 1986
36. Stephen and Timothy Quay: „Street of Crocodiles“, 1986
37. Andrzej Zulawski: „Na srebniem globje“ / „Der silberne Planet“ 1987
38. Peter Greenaway: „Drowning by Numbers“, 1988
39. Peter Greenaway: „The Cook, the Thief, His Wife and Her Lover“, 1989
40. Peter Greenaway: „Prospero’s Books“, 1991
41. Derek Jarman: „Edward II“, 1991
42. Jim Jarmusch: „Dead Man“, 1995
43. Stephen & Timothy Quay: „Institute Benjamenta“, 1995
44. David Lynch: „Lost Highway“, 1997
45. Lars von Trier: „Idioterne“ / „Idioten“, 1998
46. Roy Andersson: „Sanger fran andra vaningen“ / „Songs from the Second Floor“, 2000
47. Guy Maddin: „The Heart of the World“, 2000
48. David Lynch: „Mulholland Drive“, 2001
49. Oskar Roehler: „Der alte Affe Angst“, 2003
50. Takashi Miike: „46-okunen no koi“ / „Big Bang Love – Juvenile A“, 2006
B)
1. Luis Bunuel: „L’Age d’Or“, 1930
2. Fritz Lang: „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, 1931
3. Tod Browning: „Freaks“, 1932
4. Orson Welles: „Citizen Kane“, 1941
5. Alain Resnais: „L’Année dernière à Marienbad“ / „Letztes Jahr in Marienbad“, 1961
6. Roman Polanski: „Repulsion“ / „Ekel“, 1965
7. Ingmar Bergman: „Persona“, 1966
8. Jan Švankmajer: „Rakvickarna“ / „Punch and Judy in the Coffin Factory“, 1966
9. Jean-Luc Godard: „Week-End“, 1967
10. Sergej Paradschanow: „Sayat Nova“ / „Die Farbe des Granatapfels“, 1968
11. Ingmar Bergman: „Vargtimmen“ / „Die Stunde des Wolfes“, 1968
12. Roman Polanski: „Rosemary’s Baby“, 1968
13. Antony Balch: „The Secrets of Sex“, 1970
14. Alejandro Jodorowsky: „El Topo“, 1970
15. John Waters: „Pink Flamingos“, 1972
16. Werner Herzog: „Aguirre – Der Zorn Gottes“, 1972
17. Toshiya Fujita: „Lady Snowblood“, 1973
18. Fernando Arrabal: „J’irai comme un cheval fou“, 1973
19. Stanley Kubrick: „Barry Lyndon“, 1975
20. Pier Paolo Pasolini: „Salò o le 120 giornate di Sodoma“, 1975
21. Robert Moore: „Murder by Death“ / „Eine Leiche zum Dessert“ 1976
22. Federico Fellini: „Casanova“, 1976
23. Sergio Leone: „Once upon a Time in America“, 1984
24. Christoph Schlingensief: „Menu Total“, 1985
25. Terry Gilliam: „Brazil“, 1985
26. Leos Carax: „Mauvais Sang“ / „Die Nacht ist jung“, 1986
27. Wim Wenders: „Der Himmel über Berlin“, 1987
28. Derek Jarman: „The Last of England“, 1988
29. Andrzej Zulawski: „Mes nuits sont plus belles que vos jours“, 1989
30. Alejandro Jodorowsky: „Santa Sangre“, 1989
31. Loriot: „Pappa Ante Portas“, 1991
32. Werner Herzog: „Lektionen in Finsternis“, 1992
33. Sally Potter: „Orlando“, 1992
34. Krzystof Kieslowski: „Drei Farben – Blau, 1993
35. Jean-Pierre Jeunet: „La cité des enfants perdus“ / „Stadt der verlorenen Kinder“, 1995
36. Ulrich Seidl: „Tierische Liebe“, 1995
37. Peter Greenaway: „The Pillow Book“, 1996
38. Emir Kusturica: „Schwarze Katze, Weißer Kater“, 1998
39. Todd Solondz: „Happiness“, 1998
40. Tom Tykwer: „Lola rennt“, 1998
41. David Cronenberg: „eXistenZ“, 1999
42. François Ozon: „Sous le Sable“ / „Unter dem Sand“, 2000
43. Darren Aronofsky: „Requiem for a Dream“, 2000
44. Michael Haneke: „Die Klavierspielerin“, 2001
45. Takashi Miike: „Bijtâ Q“ / „Visitor Q“ 2001
46. Fernando Meirelles: „Cidade de Deus“ / „City of God“, 2002
47. July Taymor: „Frida“, 2003
48. Todd Solondz: „Palindromes“, 2004
49. Wong Kar-Wai: „2046“, 2004
50. Bruce LaBruce: „Otto; or, up with Dead People“, 2008