Aktion deutscher Film #3:
Wo Fuchs und Hase den Bär steppen lassen






„Für einen deutschen Film war der schon ganz okay…“
Das oder etwas ähnlich lapidar Geringschätziges musste ich mir oft anhören, wenn ich Freunden oder Bekannten etwas nervös einen meiner deutschen Lieblingsfilme präsentierte. Das war selbstverständlich noch bevor ich auf jene Seelenverwandten traf, aus denen inzwischen Eskalierende Träume hervorgegangen ist. Denn an unserer erschöpfenden Verehrung des deutschen Kinos kann, so hoffe ich, längst kein Zweifel mehr bestehen – die „Aktion deutscher Film“ hat in unserer Oase der verschütteten Ultrakünste offene Türen eingerannt.

Tatsächlich – oder vielmehr, leider: selbstverständlich – hat mein von mir tausendfach geschmähtes, cineastisch völlig ignorantes Elternhaus seinen Teil dazu beigetragen, dass ich von Kindesbeinen an keinen der üblichen Vorbehalte gegenüber einheimischen Produktionen mit auf den Weg bekam. Bis zu meinem 10. Lebensjahr (bis ins Jahr 1998, um Missverständnissen vorzubeugen) verfügte unser stets im Umbau befindlicher Haushalt lediglich über einen Schwarzweiß-Fernseher, dem ein altes Wasserrohr als Antenne diente. Alles was also ARD, ZDF und BR hergaben, war gleichermaßen eingegraut. Die knallige Farbenpracht frühkindlicher Superhits wie OLD SHATTERHAND (1963), DAS INDISCHE GRABMAL (1959), IN 80 TAGEN UM DIE WELT (1958), DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD (1938) oder DIE DREI MUSKETIERE (1948) war für mich ein regelrechter Schock, als ich diese Filme viel später, nach den zahlreichen, wiederholten schwarzweißen Sichtungen meiner Kindheit, erstmals in Farbe sah. Manche dieser Filme, wie Curtiz‘ ROBIN HOOD, verloren dadurch für mich auch tatsächlich unmittelbar an Zauber.
An eine Abneigung gegen Schwarzweiß-Filme – wie man sie unter Jugendlichen meiner Generation schon sehr häufig antreffen konnte – war also von vornherein nicht zu denken. Da auch der Videorekorder erst mit dem Farbfernsehen Einzug hielt in unserem ländlichen Hause und das nächste Kino 30 Autominuten entfernt war, stellte also dieser alte Schwarzweiß-Fernseher mit seinen drei Programmen und den streng von elterlicher Hand kontrollierten Inhalten den einzigen Kontakt zur großen, weiten Cinewelt dar.
Die Faszination Film nahm für mich schon sehr früh einen sehr hohen Stellenwert ein, noch mehr Zeit verbrachte ich allerdings mit Büchern und in Wald und Flur. Mit den gleichaltrigen Kindern in meinem mittelfränkischen Heimatdorf kam ich überhaupt nicht zurecht, ich hatte Angst vor ihnen, weil sie mich gerne jagten, ich für sie ein „Spinner“ war und so verbrachte ich die Nachmittage an den Wochenenden nicht mit ihnen, sondern entweder im Wald, über meinen Büchern oder vor der schwarzweißen Flimmerkiste.

Und was lief da (noch) in den 90iger Jahren an „familientauglichen“ Spielfilmen auf den Öffentlich-rechtlichen? Neben Abenteuerfilmen der erwähnten Coleur waren das, in rauen Mengen, US-Western, Krimiserien (die man mir lange Zeit untersagte) sowie – ebenfalls in rauen Mengen, soweit ich mich erinnern kann – deutsche Heimatfilme, deutsche Komödien und manchmal auch deutsche Melodramen der 30iger bis 60iger Jahre. Häufig lästerte mein Vater am Sonntag Nachmittag ein wenig über „diese Schnulzen“ und ihren „Schmalz“, versagte sich ihnen aber nie, wenn er sich auf das Sofa herniedersenkte, um sich von Liselotte Pulver oder Heinz Rühmann (oder auch beiden im ständig wiederholten WIE TÖTE ICH MEINEN MANN? von Kurt Hoffmann) in den Schlaf wiegen zu lassen. Daneben saß ich, gefesselt auf die winzige Röhre starrend, erwartungsvoll dem nächsten Film entgegenfiebernd – der in meiner selektiven Erinnerung zu 99 Prozent entweder ein Western oder einer der oben genannten Titel war. Insbesondere Fritz Langs indische Doppel-Pracht habe ich so wohl gefühlte 100 Mal gesehen. Und immer in Schwarzweiß. In Farbe sah ich den zweiten Teil erstmals vor einem Jahr, im Kino, von einer kristallklaren 35mm-Kopie – und war, verständlicherweise, ganz neu und ganz anders gebannt.





Einige Jahre später (um dem kindlichen Zeitempfinden Rechnung zu tragen), ich muss wohl 7 oder 8 Jahre alt gewesen sein, verbannte mich mein Vater aus dem Wohnzimmer, um sich Alfred Vohrers Edgar Wallace-Film DER ZINKER anzusehen. Von den unheimlichen Klängen der Peter Thomas-Musik und grausigen Todesschreien angezogen, sah ich den Film heimlich, von den obersten Treppenstufen zu meinem Zimmer aus hinabschielend, im Halbdunkel versteckt. Wochenlange Alpträume waren die Folge. In meiner wilden Vorstellung verwandelte sich das stethoskopische Gerät, mit dem Jan Hendriks den Safe von Günther Pfitzmann öffnete, in eine riesige Injektionsnadel und statt des im Film tatsächlich mit einer Sprungfeder abgeschossenen Giftpfeils hatte ich stets verzerrend vor Augen, wie der Zinker sich in dem dunklen Büro an Hendriks heranschlich, ihm die sehr lange Nadel ein kleines Stück in den Rücken bohrte und das Gift injezierte – ohne das sein Opfer dies bemerkte.

Selbstverständlich wurde ich in den folgenden Jahren zu einem ergebenen Wallace-Fan, der stets schon Stunden vor der anfangs montäglichen und später sonntäglichen Ausstrahlung der Filme auf Kabel 1 unruhig hin- und herrutschte und von den Filmen selbst mit ihren suggestiven, schwarzweiß flackernden und huschenden expressiven Gruselmomenten und ihrer anderweltlichen, auf mich damals sehr „modern“ wirkenden Ästhetik, regelmäßig an den Rand der Suspense-Ekstase getrieben.
Mein Taschengeld investierte ich in VHS-Kassetten zum Aufnehmen, zum Verdinglichen der Begierde. Sorgsam mit einem braunen Papierumschlag getarnt, versteckte ich die mit einer verruchten „FSK 16“ versehene Kaufkassette von ZIMMER 13 unter einer Kommode in meinem Zimmer, auf dass meine besorgte Mutter, der meine Obsession für diese „brutalen und schrecklichen“ Filme sehr unrecht war, sie nicht zufällig entdeckte.
Auch meine Liebe zum Melodram muss schon damals gesät worden sein, denn eines der ewigen Kindheits-Filmbilder vor meinem geistigen Auge ist ein schattenreicher Close-up einer am Boden zerstörten Joan Crawford geblieben, in einem Film aus den 40iger Jahren, den ich bis jetzt noch nicht identifizieren konnte – vermutlich MILDRED PIERCE (sehr wahrscheinlich war Michael Curtiz neben Harald Reinl und Alfred Vohrer einer der wichtigsten Regisseure meiner Kindheit).





Noch etwas später entdeckte ich dann, zum ersten Mal, Hitchcock für mich (ungefähr mit 12, 13), begeisterte mich für die James Bond-Filme (Sean Connery muss meine aufsteigenden hormonellen Unruhen enorm befördert haben), sah mit 14 unter Angstkrämpfen DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE und schließlich, im gleichen Jahr, restlos gelangweilt und zutiefst fasziniert zugleich, Antonionis BLOW UP. Anschließend verlagerte sich meine Leidenschaft für drei Jahre auf die Musik, bevor ich dann irgendwann HALLOWEEN, THE FUNHOUSE, BRAINDEAD, PAURA NELLA CITTÀ DEI MORTI VIVENTI und zahllose andere berüchtigte und bekannte Horrorfilme sah, bis sich dieser etwas enge Genre-Horizont langsam um andere Farben erweiterte und mich ein neuerliches Antonioni-Erlebnis – eine Kinovorstellung von L’ECLISSE, im Grund ebenfalls ein Horrorfilm – mit 17 Jahren auf den cineastischen Pfad führte, auf dem ich heute noch staunend wandele.





Meine Wiederentdeckung des deutschen Kinos, jenseits der in der Zwischenzeit nostalgisierten und aufgrund einer militanten „auteurroristischen“ Phase mit 18, 19 Jahren ins Hintertreffen geratenen Karl May-, Edgar Wallace- und Jerry Cotton-Filme, war beschwerlich. Wie bereits erwähnt, hatte ich nie Vorbehalte, doch meine Versuche einer Annäherung über den „Autorenfilm“ – hierbei nominell dem „neuen deutschen Film“ und der sich mir damals noch verschließenden (inzwischen jedoch hochgeschätzten) „Berliner Schule“ – wollten nicht den rechten Enthusiasmus entfachen.

Erst als ich feststellte, dass es auch in Deutschland Filmemacher gegeben hatte und gab, die für sich ähnliche Freiheiten und Formen in Anspruch nahmen wie zahlreiche von mir verehrte Filme aus anderen Kulturkreisen – erst da entwickelte ich sehr schnell und sehr gezielt eine brennende Neugierde auf jenes deutsche Kino, über das ich nichts oder nur sehr wenig in „Reclams Filmlexikon“ (das mir mein Großvater zum 12. Geburtstag geschenkt hatte), im Filmdienst oder auf diversen von mir damals gelesenen Internetseiten finden konnte.





Meine Abneigung gegen das, was man mit dem Oberbegriff „Kanon“ beschreibt und all die Maßstäbe, die damit einhergehen, speiste sich zu nicht unbeträchtlichen Teilen aus der Erkenntnis, dass das deutsche Kino in Deutschland selbst eine Behandlung erfährt, deren drachenhafte und schreckschraubige Stiefmütterlichkeit nicht einmal die Gebrüder Grimm so unnachgiebig ersinnen hätten können. Ich möchte an dieser Stelle nicht ins Detail gehen über die entscheidenden deutschen Filme, die mich entflammen ließen, nicht zuletzt deshalb, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon völlig aufgegangen war in meiner Filmbesessenheit und sich derartige Entwicklungen in einem so reichhaltigen Erlebnisbrei bei weitem nicht mehr so leicht datieren und umreißen lassen wie die geschilderten Erinnerungsfetzen aus meiner Kindheit.

Was hat letztlich das deutsche Kino zu einer meiner ganz besonderen Leidenschaften werden lassen? Letztlich wohl, wenn ich es partout so präzise einkreisen muss, der fruchbare, stimulierende und lustvolle Kampf zwischen deutscher Lebenswirklichkeit, Alltäglichkeit, restriktivem Kulturempfinden, verschämter Selbstwahrnehmung und Gesellschaftsstruktur, und den esoterischen Kinoträumen, den verrosteten, da nie verwendeten deutschen Mythen, den Fantasien vom „großen“ Kino, vom poetischen Kino, vom sinnlichen Kino, dass die „deutsche Schwere“ von sich stoßen möchte und sich dennoch wagt, sich von ihr treiben zu lassen, vom Kino, dass der deutschen Beherrschtheit Spontaneität, freimütigen Irrsinn, ehrlichen Affekt und obsessive Erfahrungswelten entgegensetzt, vom Kino, dass aus sich selbst zu schöpfen vermag statt aus deutscher Geschichte oder ewigen Aushängeschildern deutscher Literatur. Vom Kino, dass in Kauf nimmt, dass die in Rezensionen deutscher Filme so gerne und so unnachgiebig auf soviel bessere, ausländische Filme verweisenden Kritiker ihm keine Beachtung schenken, vom deutschen Kino, dass sich weder schämt, deutsch zu sein, noch es darauf anlegt, so deutsch wie möglich zu sein. Vom deutschen Kino, dass seine Vorstellungskraft, seine Fantasie vom „Deutschen“ anstoßen und provozieren lässt, statt in streng oder ängstlich reflektierende Distanz, schließlich sogar in neiderfüllte Anbiederung an die Kinowelten anderer Kulturkreise zu verfallen. Wir sind doch nicht gefühllos, nur weil wir Deutsche sind – und wir müssen uns nicht zwanghaft um jeden Preis anderswo Gefühle borgen und zu den unseren machen. Der Deutsche ist, entgegen internationaler Vorurteile, kein Roboter, auch wenn er zumeist alles tut, um diesen Eindruck zu vermitteln.





Die folgende Liste ist das m. E. etwas unbefriedigende und konfuse Resultat einiger Kopfzerbrecherei, vorsichtiger Bauchbefragungen und meiner grenzenlosen und letztlich jahrelangen, nie wirklich unterbrochenen Passion für das deutsche Kino. Eine Leidenschaft, die sich nicht in eine Auswahl von 10 Filmen pressen lässt – wer mich kennt, weiß um meine Abneigung gegen den „Aussortierungszwang“, die „Selektionsrampe“, beim Listenerstellen.
Daher – und weil ich unabhängig von der „Aktion Deutscher Film“ so oder so schon längst vorhatte, einmal eine Liste meiner persönlichen deutschen Lieblingsfilme zusammenzustellen – habe ich auf dieser Liste 10 besonders unbekannte oder in meinen Augen unterschätzte bekanntere Filme hervorgehoben, die ich im Rahmen dieser hoffentlich langlebigen und ergiebigen Initiative gerne „pushen“ möchte. Gefolgt werden diese 10 Titel von jeweils 6 weiteren Lieblingsfilmen, die ich dem jeweiligen, gepushten Titel sehr lose und aus diversen, teils sehr verschiedenen Gründen hinzuassoziiert habe, ohne besonderes System.
Was meine relativ junge – und im Angesicht des gar gräßlich erblühenden deutschen Neo-Konservatismus seit der Jahrtausendwende nur zu natürliche, eng mit meinem ganz eigenen, gesellschaftlichen Kontext verwobene – Begeisterung für die Ungeheuerlichkeiten des deutschen „Schmuddelkinos“ der 60iger und 70iger Jahre angeht, so sind viele meiner Favoriten aus diesem erfrischenden Metier bereits auf der spritzig-süffigen Liste des Hofbauer-Kommandos vertreten, die ich gemeinsam mit Andreas und Marian zusammengetragen habe. Daher sind die erotischen Knospen der deutschen Filmindustrie in meiner eigenen Auswahl nur am Rande vertreten – um Platz zu schaffen für alles andere.
Außerdem habe ich mich darum bemüht, nach Möglichkeit nur einen, im „Extremfall“ auch einmal zwei Filme verehrter Regisseure aufzunehmen.
Kommentare zu den einzelnen Filmen der führenden 10 konnte ich mir leider nicht abringen. Allerdings habe ich zu all den Texten verlinkt, mit denen ich mich bisher an einigen dieser Filme versucht habe.

Zuguterletzt kam ich angesichts der Menge der potentiellen Kandidaten für diese Liste nicht umhin, meiner Solidarität zu vergessenen Filmemachern und meinem tief verankerten Ekel vor dem Kanon Rechnung zu tragen: Da im Rahmen dieser Aktion vielleicht die Gelegenheit besteht, auf manchen obskuren, unbekannten, seltenen Titel ein klein wenig mehr Licht als sonst zu werfen (das hoffe ich zumindest), sehe ich keinerlei Notwendigkeit darin, meine enorme Wertschätzung von Filmen wie M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER, DAS BROT DER FRÜHEN JAHRE, ANGST ESSEN SEELE AUF, MESSER IM KOPF, DIE FREUDLOSE GASSE, DER VERLORENE, JAGDSZENEN AUS NIEDERBAYERN oder sogar eines DEADLOCK oder HAMLET eigens zu betonen. Darum, also um die schriftlich erfasste Wertschätzung dieser Filme kümmern sich bereits andere, innerhalb und jenseits der „Blogosphäre“, auf Liebhaber- ebenso wie auf „professioneller“ Ebene, oft genug, mehr als genug. All die vielen deutschen Kanonfilme (eine Handvoll hat sich dennoch auf meine Liste verirrt), die ich zu meinen Lieblingsfilmen zähle – sie alle sind mir genauso wichtig wie die Titel der folgenden Liste, nicht mehr, aber auch – und vor allem – nicht weniger. Ich möchte bewusst über die Kanonfilme unter meinen Lieblingen schweigen – lest öfter Eskalierende Träume oder mein Sehtagebuch und ihr erfahrt vielleicht gelegentlich mehr darüber.

Die Nicht-Kanonfilme hingegen sind wie die leiblichen geliebten Waisenkinder, für die ich mich verantwortlich fühle und die so selten ein adoptionswilliges Haus finden.
Ich möchte an dieser Stelle auch nochmals auf einen adoptionswilligen MUBI-User namens „GreyDaisies“ verweisen, der mit seiner Liste deutscher Lieblingsfilme eines der vermutlich größten und schönsten Waisenhäuser des deutschen Kinos vorführt.

Aus all den genannten Gründen also sollen dieser Moment und diese Liste ganz und gar den Filmen gehören, die möglicherweise innerhalb dieser Aktion nirgends sonst genannt würden. Mir ist schon des Öfteren vorgeworfen worden, obskure Filme um ihrer Obskurität willen zu bevorzugen. Das stimmt teilweise, aus den bereits erwähnten Gründen. Das stimmt dahingehend nicht, als selbstverständlich ein seltener und / oder unbekannter Film nicht zwangsläufig ein vergessener Schatz sein muss. Allerdings rechne ich zunächst stets damit – aussortiert wird leider viel zu selten, was wirklich „schlecht“ oder beliebig ist und viel zu oft, was zu widerborstig, zu sehr gegen Erwartungshaltungen und Gewohnheiten verstoßend, zu chaotisch oder zu sehr von Maßstäben und Normen abweichend, die man auch im cineastischen Kontext berechtigterweise als bürgerlich bezeichnen kann. Ich bin sicherlich kein Punk unter den Cineasten, aber hoffentlich auch kein Gartenzwerg im Schrebergarten.

Ich wünsche daher vor allem viel Spaß mit der folgenden Liste in der Hoffnung, dass sie den ein oder anderen anregen und neugierig machen möge. Zumindest auf das Kino der 60iger bis 80iger Jahre. Sowohl davor als auch danach habe ich noch Vieles nachzuholen – gleiches gilt für das österreichische und Schweizer Kino – und sehe künftigen Entdeckungen erwartungsvoll entgegen. Aber alles zu seiner Zeit. Ungestüm wie ich bin, habe ich mir, wenn man so will, zunächst meine deutschen Hörner an der stürmischsten und unberechenbarsten Zeitklammer des deutschen Kinos abgestoßen.


1. DER RÄUBER (Benjamin Heisenberg, 2009)
a) Der Felsen (Dominik Graf, 2002)
b) Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn (Rolf Olsen, 1967)
c) Wonnekloß (Marran Gosov, 1972)
d) Engel, die ihre Flügel verbrennen (Zbyněk Brynych, 1970)
e) Romy – Portrait eines Gesichts (Hans Jürgen Syberberg, 1967)
f) Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel (Rainer Werner Fassbinder, 1982)

2. BABYLON (Ralf Huettner, 1991)
a) Loft (Eckhart Schmidt, 1985)
b) Bübchen (Roland Klick, 1968)
c) Glückliche Fügung (Isabelle Stever, 2010)
d) Falscher Bekenner (Christoph Hochhäusler, 2005)
e) Schreie in der Nacht (Antonio Margheriti, 1969)
f) Erotik im Beruf (Ernst Hofbauer)

3. AQUAPLANING (Eva Hiller, 1987)
a) Schramm (Jörg Buttgereit, 1993)
b) Verbotene Liebe (Helmut Dziuba, 1989)
c) Die Totenschmecker (Ernst Ritter von Theumer, 1979)
d) Sieben Tage Frist (Alfred Vohrer, 1969)
e) Polizeirevier Davidswache (Jürgen Roland, 1964)
f) Bildnis einer Unbekannten (Helmut Käutner, 1952)

4. DAS ZWEITE GESICHT (Dominik Graf, 1982)
a) Liebe 47 (Wolfgang Liebeneiner, 1948)
b) Die Venusfalle (Robert van Ackeren, 1988)
c) Häschen in der Grube (Roger Fritz, 1969)
d) Heißer Sommer (Joachim Hasler, 1967)
e) Die Todesgöttin des Liebescamps (Christian Anders, 1981)
f) Wohnhaft (Bernhard Marsch, 2004)

5. OH HAPPY DAY (Zbyněk Brynych, 1970)
a) Die Marquise von Sade (Jesus Franco, 1976)
b) Grimms Märchen von lüsternen Pärchen (Rolf Thiele, 1969)
c) Götter der Pest (Rainer Werner Fassbinder, 1972)
d) Daniel, der Zauberer (Ulli Lommel, 2004)
e) Lulu (Rolf Thiele, 1962)
f) Das fliegende Klassenzimmer (Kurt Hoffmann, 1954)

6. ZUCKERBROT UND PEITSCHE (Marran Gosov, 1968)
a) Rote Sonne (Rudolf Thome, 1970)
b) Der Tod im roten Jaguar (Harald Reinl, 1968)
c) Sabine Kleist, 7 Jahre (Helmut Dziuba, 1982)
d) Schamlos (Eddy Saller, 1965)
e) Anna und Elisabeth (Frank Wisbar, 1933)
f) Graf Porno und seine Mädchen (Günter Hendel, 1968)

7. DIE TOTE VON BEVERLY HILLS (Michael Pfleghar, 1964)
a) Von Haut zu Haut (Hans Schott-Schöbinger, 1969)
b) Otto; or Up with Dead People (Bruce LaBruce, 2008)
c) Das Rätsel der roten Orchidee (Helmuth Ashley, 1962)
d) Sie tötete in Ekstase (Jess Franco, 1970)
e) Traumstadt (Johannes Schaaf, 1973)
f) Angst (Gerald Kargl, 1983)

8. DIE ENDLOSE NACHT (Will Tremper, 1963)
a) Unterwegs (Jan Krueger, 2004)
b) Kaminsky – Ein Bulle dreht durch (Michael Lähn, 1985)
c) Zu neuen Ufern (Detlef Sierck, 1937)
d) Pappa ante Portas (Vicco von Bülow, 1991)
e) Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt (Rosa von Praunheim, 1970)
f) Romanze in Moll (Helmut Käutner, 1943)

9. MONPTI (Helmut Käutner, 1957)
a) Sukkubus – Den Teufel im Leib (Georg Tressler, 1989)
b) Macho Man (Alexander Titus Benda, 1985)
c) Ich liebe dich, ich töte dich (Uwe Brandner, 1971)
d) Abschied (Egon Günther, 1968)
e) Fünf Patronenhülsen (Frank Beyer, 1960)
f) Einer von uns beiden (Wolfgang Petersen, 1973)

10. MORGEN BEGINNT DAS LEBEN (Werner Hochbaum, 1933)
a) Märzmelodie (Martin Waltz, 2008)
b) Man spricht über Jacqueline (Werner Hochbaum, 1937)
c) Paul (Klaus Lemke, 1974)
d) Herbst der Gammler (Peter Fleischmann, 1968)
e) Esel mit Schnee (Romuald Karmakar, 2010)
f) Schwarzer Markt der Liebe (Ernst Hofbauer, 1966)







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8 Antworten zu “Aktion deutscher Film #3:
Wo Fuchs und Hase den Bär steppen lassen”

  1. Intergalactic Ape-Man on August 28th, 2011 at 08:56

    Wahnsinn! Das ist ja schon nicht mehr Apologie sondern tragische Schicksalsbeichte eines Quasi-Aussätzigen der deutschen Filmkanonie! Und dann habe ich ja schon passend gestern den Gammlerherbst ausgepackt, als hätte ich geahnt. Nun muß ich wohl langsam unseren „Kanon“ langsam mal aktualisieren. Was kann man da noch beifügen? Vielen Dank und herzlich willkommen! 😉

  2. Sieben Berge on August 28th, 2011 at 15:03

    Wahnsinn – anders kann man es kaum nennen. Dein Bekennermut diesmal übrigens in allen Ehren, denn das ist nicht nur autobiografische Abrechnung, sondern wirklich eine erhellene Ergründung der eigenen Filmwahrnehmung. Es klingt nach einer vorschobenen sechziger Jahre Jugend in den neunziger Jahren. Dieser Aufsatz hat mir dein Filmverständnis weitaus besser und vielschichtiger aufgeschlüsselt, als all die Großeinlassungen der vergangenen Jahre.

    Aus eigener Erinnerung kann ich übrigens die rätselhafte Faszinationskraft der Edgar-Wallace-Filme nur bestätigen. Sie gehören auch für mich zu den prägenden Ferseherlebnissen der Jugend. Gerade auch „Der Zinker“ war als Kind oder Heranwachsender eindrücklich, obwohl er heute nicht mehr zum engeren Kreis meiner Wallace-Favoriten zählt.

    Sehr schöner, sehr persönlicher, sehr erhellender Text.

  3. Whoknows' Best on August 28th, 2011 at 15:27

    Mir fehlen zwei Filme, die meine Kindheit entscheidend prägten: nämlich der da und der da. Ansonsten: Alle Achtung! Muss mir sowohl die filmische Autobiographie als auch die Liste noch auf der Zunge zergehen lassen.

    P.S.: Ich hoffe, meine der „Rossini“-Besprechung beigfügte Widmung sei angekommen…

  4. Christoph on August 29th, 2011 at 01:32

    @ Sieben Berge:

    Schön, dass es dir gefallen hat! Schade.
    Mit Vorsicht zu genießen, das alles! Die für mich typischen Übertreibungen geben sich hier tückisch die Klinke mit chronischen Untertreibungen und Auslassungen in die Hand. Der Text ist aus freien Stücken und Feigheit sehr naiv gehalten und spart bewusst viele wichtige Details aus, um meine Jugend möglichst klinisch auf äußerliche Stationen herunterzubrechen.:-)
    Er erwähnt nicht, dass auch PER QUALCHE DOLLARO IN PIÙ, MY LOVER MY SON, MONPTI (beide rein zufällig mit Romy Schneider) und A DOPPIA FACCIA sehr frühe Erweckungserlebnisse waren. Er erwähnt nicht, von welcher Bedeutung für mich mit 18 zwei unvergleichlich befreiende Kinoerlebnisse mit ZABRISKIE POINT und LAST DAYS waren. Dass ich zwischen meinem 6. und 8. Lebensjahr vulkanologisch und zwischen meinem 9. und 11. Lebensjahr dendrologisch besessen war – letzteres so sehr, dass ich die lateinischen Namen beinaher aller in Europa heimischen Bäume auswendig kannte! Und das meine erste Wichsvorlage in Filmform ausgerechnet L’ENNUI von Cedric Kahn war (woran sich zeigt, dass nur böse enden kann wer schon im zarten Alter von 15 Jahren aus Versehen eine Moravia-Verfilmung so sportlich missbraucht).
    Was ich meinte ist eigentlich nur: Bilde dir bloß nicht ein, mich verstanden zu haben! Als ich dein „aufgeschlüsselt“ und „erhellend“ gelesen habe, verschluckte ich mich vor Schreck an meiner Zigarette, gefolgt von einem einminütigen, panischen Hustenanfall.

    Ansonsten: Ja, lasset Euch die Liste ruhig zart und schmelzend auf der Zunge zergehen, meine lieben Kanonhengste Sieben Berge und Whoknows! (@ Whoknows: Dein Kommentar lässt darauf schließen, dass das Schweizer Fernsehprogramm der frühen 60iger – wenn ich das zeitlich richtig einschätze – extraordinär miefig gewesen sein muss. Allerdings kenne ich den ersteren der beiden Titel auch aus meiner Kindheit, nur war er mir damals zu „schnulzig“. Ich habe mich schon als kleiner Junge immer gewundert, warum in Filmen die Männer dauernd ohne Unterlass in anstrengendster Weise um die Frauen herumscharwenzelten und warum die Frauen immer so maßlos wie auf Knopfdruck zu strahlen anfingen, wenn die Männer bei einem Tanzvergnügen im Halbdunkel des Mondlichts zu ihnen traten und sich eine stinkende Kippe anzündeten. 😉 )

    Ach, die ROSSINI-Widmung… Ich bin leider zu fantasielos, ich habe sie nicht verstanden, nur eine ungute Ahnung, was sie vielleicht bedeuten könnte (nämlich den Vorwurf, das Hofbauer-Kommando ergehe sich in selbstgenügsam-leerer und verklärender Neo-Dekadenz. Was natürlich untragbar wäre.). Möglicherweise wird Andreas als intellektuellster und argumentativ durchdringlichster H-Kommandant Licht ins Dunkel deiner Käselöcher bringen.:-)
    Wir harren weiterhin der tatsächlichen Besprechung eines Hofbauer-Films von dir…

  5. Whoknows' Best on August 29th, 2011 at 23:52

    Dein Kommentar lässt darauf schließen, dass das Schweizer Fernsehprogramm der frühen 60iger – wenn ich das zeitlich richtig einschätze – extraordinär miefig gewesen sein muss.

    Wie sprach doch schon Julia zu ihrem Romeo am Morgen nach der Nacht, die mehr geboten haben dürfte als ein durchschnittlicher Hofbauer-Film? – „Es war die ARD und nicht das Schweizer Fernsehen.“ 😛

  6. Mr. Vincent Vega on September 3rd, 2011 at 01:45

    Also der Text ist wirklich sehr schön zu lesen, Christoph. Hat mir Freude gemacht. Dass Du diese Freude in Deinem ersten Kommentar hier partiell trübst, soll dem Eindruck unterm Strich nichts anhaben.

    Umso interessanter übrigens erschien mir Deine Einlassung während des Lesens vor dem Hintergrund, dass es sich hier ja nur um deutsche Filme handelt.

  7. Sano Cestnik on September 6th, 2011 at 16:51

    Sehr interessant und sehr aufschlussreich. Du scheinst trotz ähnlicher Voraussetzungen (meine Cinephilie fing auch erst so richtig Feuer, als sich meine Eltern entschlossen von den 3 Programmen auf Satellit zu wechseln, und ich mir Parallel dazu einen Videorekorder besorgt habe) sozusagen einen gegensätzlichen Weg gegangen zu sein, was das deutsche Kino anbelangt. Ich habe zwar als Kind auch ein paar Karl May-Filme genossen, bin aber ansonsten dem Hollywood-Kino der 90er verfallen, und habe alles was mit deutschem Film zu tun hatte notorisch gemieden. Unvorstellbar, dass ich mich vor einen Edgar-Wallace-Streifen (überhaupt einen deutschen Krimi), deutsche Heimatfilme, Komödien, Sexklamotten oder sonstiges gesetzt hätte, da ich immer angeekelt und verschreckt umgeschaltet habe, sobald irgend etwas davon aus dem Fernseher lugte. Du glücklicher, der du in deiner Kindheit und Jugend nicht völlig amerikanisiert wurdest! 😉

    Von deinen 70 gelisteten Filmen habe ich übrigens nur 17 gesehen (davon sind dann aber auch 12 ebenso meine Lieblingsfilme!). Was da also noch alles an Schätzen auf mich wartet… Die deutsche Filmgeschichte ist einfach unglaublich! 😀

  8. Sein und Nichtsein des deutschen Films | Intergalaktische Filmreisen on Mai 4th, 2013 at 12:44

    […] Christoph 28.08.2011 […]

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