Reibungsenergien ‘31: Ein Kurzkommentar zu „Fabian, oder der Gang vor die Hunde“ (2021)
Dominik Grafs neuer Film ist ein ganz schöner Brocken, ein dreistündiges Gesellschaftsporträt der frühen 30er Jahre in Berlin, angesiedelt im Auge des Sturms, am Kulminations- und Siedepunkt verschiedener konträrer gesellschaftlicher Tendenzen und Kräfte, die zum letztendlichen Zerreißen der Weimarer Republik und damit zum Aufstieg des Nationalsozialismus geführt haben. Graf inszeniert seinen Film folgerichtig als gewaltigen Strudel der Bilder und Eindrücke, der Gelüste, Bestrebungen und Emotionen – und auch wenn ich nicht jedes der vielen verschiedenen disparaten Elemente, die der Film zur Auserzählung seines komplexen Kräftespiels nutzt, als gelungen eingebunden betrachten würde (mit dem Split-Screen treibt man es zuweilen etwas zu weit), so hat sich der Film dennoch festgesetzt in mir, und lässt mir auch zwei Wochen nach der Sichtung keine Ruhe. Immer wieder zurückdenken muss ich dabei ausgerechnet an den leisesten Abschnitt des Films, an die feine Kontrastdramaturgie, die Graf in der letzten halben Stunde fährt, wenn er von der lauten, unübersichtlichen Vorkriegshölle Berlins in Fabians ländliche Heimat nahe Dresden wechselt, und den Protagonisten dort ein wenig Stille und innere Einkehr finden lässt (wunderschön vertont vom „Adagio Religioso“ aus Béla Bartóks drittem Klavierkonzert). Die Vergeistigung und Entrückung dieses letzten Akts deutet sich natürlich schon vorher an, in Fabians Tendenz, der Welt mit einem gewissen Ekel zu begegnen (exemplarisch die Szene, in der er seinem Verleger einen eitrigen Verband wechseln muss), und der manchmal fast etwas passiven Art, sich von den politisch-moralischen Kräften seiner Zeit zerreiben zu lassen. Inmitten all dieser Dynamiken wirkt Fabian zugleich beteiligt wie unbeteiligt, dürstend sowohl nach Bindung als auch nach (moralischer) Distanz, ein Teilchen im Sturm, das sich ausprobiert und sondiert, am Ende aber im Kräftesturm zerfällt. Weiterlesen…