
“Eine burleske Tragödie” verspricht klangvoll der Untertitel. Burlesk, das ist ein Adjektiv, das häufig das Frivole, das Obszöne, kurz: den Sleaze, miteinschließt. Man kann sich kaum ausmalen, welche ungeheuren Gefühle das deutsche Kinopublikum übermannt haben müssen, als es 1962 hilfloser Zeuge von Rolf Thieles unbarmherzigen Epos der reuelosen Verworfenheit wurde. Aus den verruchten österreichischen Ateliers geradewegs in die bundesrepublikanischen Provinzkinos! Und da wurde man Zeuge seiner großen Stars, die, einer nach dem anderen, getrieben, zerrissen und doch furchtlos der blonden Lulu in den Untergang folgten.
LULU ist ein verglühender, lüsterner Film. O. E. Hasse, Hildegard Knef, Mario Adorf, Rudolf Forster und Sieghart Rupp – sie alle verglühen unter dem ätherischen Schleier der Begierde für Nadja Tiller, die Rolf Thiele hier neu für sich erfunden hat. Denn auch er verglüht in den Sonnenstrahlen der von ihm geschaffenen Venus, die in der immer gegenwärtigen Lust, die sich aus ihr speist, badet und räkelt.
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…oder: endlich *wirklich* wieder Neues vom Hofbauer-Kommando.

Es begab sich gleich zu Beginn des Jahres, in der Mitte des Januars, um der Genauigkeit zum Recht zu verhelfen, dass zu Ehren des in ET-Kreisen verehrten Jesus Franco eigens eine Filmnacht mit vier seiner Schöpfungen zur Durchführung gelangte. Die Schar der Zuschauer schien, mit seinem Werk nicht unvertraut, auf alles gefasst. Doch in einem jener Erzeugnisse, das dem lieblichen Titel DIE SKLAVINNEN gehorchte, wendete sich plötzlich zwischen den Darbietungen leichtbekleideter Damen die Chefin jenes munteren Kontaktlokals ans Publikum, in einer Weise, dass es den Eindruck machen konnte, sie würde die Zuseher im Film und die Zuschauer des Filmes zugleich addressieren. Was dann über ihre Lippen kam, kann fürwahr als vollmundiges Versprechen bezeichnet werden: „Gleich platzt Ihnen die Hose, meine Herren!“ Man traute den eigenen Ohren kaum – sollte es tatsächlich soweit kommen, dass…? Bei allem Entzücken über dergestaltige Verheißungen war man sich zunächst dennoch der prophetischen Tragweite dieser Ankündigung nicht gewahr. Doch von diesem Moment an sollte der gewohnte Lauf der Dinge nicht mehr der gleiche sein. Frönte man zuvor nur in wohldosierten Portionierungen den zweifelhaften Verlockungen, war nun der Nährboden für Größeres bereitet. Und um die schönen Hosen war es ohnehin geschehen – es sollte nicht mehr lange dauern, bis sie schließlich beinahe im wöchentlichen Takt zu platzen begannen. Dabei hätte man spätestens bei KOMM UND MACH’S MIT MIR gewarnt sein müssen, gemahnte dieser doch besonders eindringlich der drohenden Gefahren, konnte im gleichen Atemzug jedoch nicht über deren Anziehung hinweg täuschen: „Schau mich noch einmal an, deine Augen sind voll von meinem Körper. Du wirst gar nicht anders können, als an mich zu denken. Du hättest mich haben können! Denk darüber nach, wenn du im Bett liegst und ungeheure Gefühle bekommst!“ Schien man angesichts derart nebulöser Gefühle noch einmal zur Vorsicht geneigt, half doch bald alles nichts mehr. Zu stark war der Drang, eben jenen Gefühlen nachzugeben, sich ihnen auszuliefern, ganz und gar den Wonnen der Fleischeslust und dem Lockruf des Zwielichtigen anheim zu fallen. Doch oh liebreizende Schönheit, oh vollendetes Kunstwerk – nicht missen wollte man dich und fragte sich darob: magst du auch hier in diesen schummrigen Tiefen zu finden sein? Zum allgemeinen Erstaunen ertönte mit einem Mal ein Echo, kaum vernehmbar zunächst, doch Zug um Zug verstärkte es sich zu einer mehrstimmigen Ermunterung. An ein Trugbild mochte man schnell nicht mehr glauben, offenbarte sich doch just in jener Verfassung des mannigfaltigen Zweifels der Ernst der Lage gleich doppelt und gebar die beiden Antworten, die man sich zu erhoffen kaum gewagt hatte: den ritterlichen Ernst und den bäuerlichen Ernst. Ritter von Theumer und Hofbauer, so sollte man sie nennen, stand alsbald geschrieben. Nun schienen auch die Bedürfnisse des Geistes zu ihrem Recht zu gelangen und sogleich war das Gewissen beruhigt. Weiter bohren und hinein stechen, lautete die Devise, auf dass sich Tiefergehendes, womöglich gar Künstlerisches im Tiefen und Niedrigen zu offenbaren vermöge. Und es geschah, es gedieh und es kulminierte – trotz ketzerischer Gegenreden und Anzweifelungen lief alles auf einen Punkt zu: das Hofbauer–Kommando musste Wirklichkeit werden.
Doch nicht nur einsame Ausbeulungen sollten nun die Belastbarkeit von Kleidungsstücken strapazieren, vielmehr wurde überdies auch die beherzte Erschütterung benachbarter Körperregionen versprochen: „In diesem Film passieren die frechsten Sachen, so manchem platzt die Hose vor Lachen!“. Doch so sehr man sich am neu entdeckten Ernst und seinen vielseitigen Qualitäten labte, so wollte man gleichwohl auch nicht den südlichen Nachbarn entsagen, lockte dort neben Gordon-„I know everything, haha haha ha!“-Mitchell schließlich nicht nur hemmungslos „so ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen„, sondern bisweilen auch empathische Gefühle: „Sie ist für uns alle ein großer Verlust. Sie war nicht nur Hure, sondern auch Mensch!“ An derart warmen Worten, an soviel menschlicher Herzlichkeit versuchte man sich bisweilen allerdings auch in deutschen Landen, denn es galt, sich gegen den drohenden Niedergang von Moral und Sittlichkeit („Zu jung? Heutzutage treiben sie’s schon auf der Schulbank.“ – „Hör mal! Du hast wohl viel zu viele Sexfilme gesehen, hm? Wie heißen’s denn, Schulmädchenreport?“ – „Ist doch Blödsinn, so einen Schmarrn schau ich mir doch nicht an.“ – „Ist alles nicht mehr so, wie’s früher war. Es gibt kei‘ Moral mehr und auch kei‘ Sittlichkeit ned. Es geht alles drunter und drüber.“ – „Amen.“) zu stemmen, wie Curd Jürgens in einzigartiger Weise zu vermitteln wusste („Aggressivität, berufsmäßiges Rabaukentum – das dulde ich nicht!“). Wie er agierte, was er sagte, wie er es sagte und welch stoischem Nachdruck er sich befleißigte – so etwas war noch nie dagewesen! Eine solche Persönlichkeit zeichnete freilich auch aus, dass er wusste, wann es geboten war, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Na, ganz schön alt sind wir geworden!“ – „Ach, macht nichts, Hauptsache die Mädchen sind jung!“ Ja, das waren sie, und dann mischte sich auch noch die eigene Tochter ins Spiel… Von dem Zauber, der den „knospenden Körpern“ inne wohnte, und von „lustigen Abenteuern und fröhlicher Keßheit„, die das Leben der Heranwachsenden bestimmten, ließ sich einst ohne Zweifel auch so mancher betagtere Kenner beglücken. Von dieser unwiderstehlichen Herrlichkeit wollte auch Jürgen Enz gegenüber der wissbegierigen älteren Generation Zeugnis ablegen. Dabei gelang es der zugehörigen Vorschau endlich, sich von falscher Scheu zu befreien und den Fokus unverblümt auf die entscheidenden Anreize zu legen: „Parties, die nur von ungestümen Teens gefeiert werden können! Young love, hot love! Aus dem Tagebuch einer Siebzehnjährigen! Noch nie wurde die Liebe zwischen jungen Menschen so hinreißend verfilmt. Zauberhafte junge Mädchen, deren Gefühle entbrennen. Taufrische, erwachende Körper, die in Liebe erbeben. Junge Liebe, heiße Liebe! Ein gewagter Film, aber auch ein Film voll Poesie und Romantik. Ein Erlebnis, das so schnell nicht wiederkehren wird!“ Zweifelsohne waren längst weitere Hosen fällig geworden, und im Zuge derart unverhohlener Spekulationen schlichen sich selbst bei einzelnen Hofbauerern gelegentliche Bedenken ein, so dass sich schließlich die E-Dreifaltigkeit des Hosen-Platzens manifestierte: Erregung, Erheiterung und Empörung – damit waren die wesentlichen Auslöser ausfindig gemacht (eine zweite E-Dreifaltigkeit, die Erstaunen, Entgeisterung und Entsetzen umfasste, sei jedoch nicht unterschlagen), die es ohne fremdes Zutun bewerkstelligen konnten, dass es heißt: „Jetzt wird dir gleich die Hose zu eng werden!„. Und die Einbahnstraße der „Hintertreppenprodukte“ musste schließlich unausweichlich auf den BABYSTRICH IM SPERRBEZIRK führen, wo mitunter dann tatsächlich die Empörung sich anschickte, die Erregung und die Erheiterung als Triebfeder der Hosen-Überdehnung abzulösen: „Nachts, wenn die Neonreklamen aufleuchten, die Sterne durch den Smog kommen und die Männer wild auf Sex sind, finden sie hier das, was sie suchen: jung, jünger, am jüngsten. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Und die Qual der Wahl macht auch Onkel Gustav vom Seniorenverein Graue Panther immer noch heiße Ohren.“ Da konnte mancher freilich nur noch zu folgender Schlussfolgerung kommen: „Hier kommt alles zusammen, was man eigentlich nur in kleinen Dosen zu sich nehmen sollte. Schlechteste Sexzoten, gräuliche Musik, fragwürdige Kommentare, Schmuddelstimmung. Um den Film in passender Atmosphäre zu betrachten, sollte man ihn sich in einem schmierigen Bahnhofskino zu Gemüte führen…“ War der schöne Traum von den reuelosen Wonnen des Sleaze damit plötzlich in Frage gestellt, oder handelte sich nur um eine faszinierende Irritation, von der man sich jedoch nicht weiter irritieren lassen sollte? Zweifellos konstituierte sich zwischen den platzenden Hosen, den ungeheuren Gefühlen und der kessen Fröhlichkeit ein Schlüsselmoment, und so kam es zur passenden Schlussszene des Films: Auf die Frage, ob sie jungen Interessentinnen zu ihrem Gewerbe raten könne, endete die Antwort einer „Liebesdienerin“ nach kurzen Erörterungen dann doch mit einer eindringlichen Absage, die der Film über seine letzten tristen, schummrigen Bilder von „Vergnügungsvierteln“ in wiederholender Schleife nachhallen ließ: „Nein, ich kann nicht zuraten… nicht zuraten… nicht zuraten… nicht zuraten… nicht zuraten…“
So mag es mancher in Anbetracht solcher Auswucherungen vorziehen, sich der Besinnlichkeit zuzuwenden und den Versuchungen einstweilen zu entsagen. Doch es empfiehlt sich, keine falschen Sicherheiten zu suchen und sich nichts vorzumachen – zu eindrücklich veranschaulichten unsere spanischen, italienischen und deutschen Lehrmeister das ewige Verhängnis, dass die Gefühle zurück kommen werden. So muss man wohlmeinend die Nachdenklichkeit beschließen und unumwunden die frohe Botschaft verkünden: Liebe Leser, auch Ihnen wird eines Tages die Hose platzen!

Presseschau zu den neuesten Entwicklungen in der Hofbauer-Kontroverse
Eine ungewöhnlich heftige Kontroverse erschütterte in den vergangenen Tagen die Cine-Welt. Was sich in den letzten Wochen schon in einigen Kommentaren und Bewertungen ankündigte, fand mit der Veröffentlichung einer euphorischen Kritik sowie eines Kurzkommentars zu EROTIK IM BERUF auf Eskalierende Träume ihren vorläufigen Höhepunkt und sorgte innerhalb kürzester Zeit für eine bislang nicht für möglich gehaltene Welle an empörten Reaktionen und erhitzten Diskussionen. Die Brisanz der Debatte vermitteln einige ausgewählte Zitate aus Zeitungen und Zeitschriften, aber auch aus Interviews und Gesprächen. Auch aus dem Umfeld von Eskalierende Träume wurden zugleich weitere Pläne bekannt. Im Folgenden soll ein erster Überblick über die vielfältigen Kommentare gegeben werden. Weiterlesen “Der Hofbauer-Report: Was Cineasten und Kritiker nicht für möglich halten!” »

Ein unfassbares Meisterwerk. Ein bißchen führt der Film das zuende, was Fassbinder wahrscheinlich immer gerne gezeigt hätte, sich aber nie zu filmen wagte: Den Deutschen nicht in seinem natürlichen Lebensraum (Gardinen-Küche mit Eckbank) sondern auf freier Wildbahn (Straße und Firma!) so zu filmen, wie er wirklich ist: Ein hundsmiserables, bis zur Elendsgrenze verkrampftes, verklemmtes und von Habsucht, Neiderei und alltagsfaschistischem Sex-Zynismus zerfressenes Sonderwesen. Wäre Fassbinder ein echter Dorfbuasch statt eines Arztsohns gewesen, er wäre zu diesem letzten, konsequenten Schritt fähig gewesen. Aber es macht nichts, dass er steckengeblieben ist im Feingespinst intellektueller Differenzierungswut. Steckengeblieben auf halber Strecke zum kackbraunen Herz des Deutschtums. Das braune Herz, in diesem dadaistischen Germano-Schocker repräsentiert durch das sleazokalyptische, geil-ekelerregende Finale, einen schunkelnden Betriebsausflug, auf dem selbst der stocksteifen und ungefickten Personalchefin alle Hemmungen abhanden kommen.
Das alles macht nichts, denn niemand versteht sich so brillant und mit soviel derber Konsequenz darauf, in die Jauchegrube deutscher Durchschnittlichkeit zu langen wie Ernst Hofbauer. Weiterlesen “Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt (1971)” »