All is lost (2013)
Alles beginnt mit einem Abschiedsbrief. Robert Redford liest ihn für seine Figur aus dem Off vor. Es sind beinahe die einzigen Worte, die in ALL IS LOST gesprochen werden. Mehr gibt es über diesen Mann nicht zu sagen. Ich habe es wirklich versucht, sagt Redford. Stark zu sein, gut zu sein, gerecht zu sein. Zu lieben. Ich habe gekämpft, aber es nicht geschafft. Es tut mir leid. Alles ist verloren.
Der Mann treibt in seiner gekenterten Segelyacht auf dem Ozean. In sein Schiff dringt Wasser, Stürme kommen, seine Verpflegung geht zur Neige. Er kämpft ums Überleben. Das ist der Film. Es gibt keine Dialoge, keine anderen Figuren, keine Handlung im Sinn einer inneren Reise des Helden. Minutiös protokolliert ALL IS LOST den Überlebenskampf, jede Geste, jeden Handgriff, jeden Trick. Die schönsten Szenen sind die, in denen die großen Containerschiffe ungerührt an dem Segler vorbeifahren. Und wie sich dann in Redfords Gesicht eine tiefe Müdigkeit breitmacht. Aber es ist niemals Resignation. ALL IS LOST ist ein Film von existentieller Düsternis, aber er hat einen Sinn für die Würde, die in der Beharrlichkeit steckt, mit der der Mann kämpft.
Redford hat keinen Volleyball dabei, dem er ein dämliches Gesicht aufmalen könnte, um dann bescheuert mit ihm ums Feuer zu tanzen wie Tom Hanks in CAST AWAY, diesem vergifteten Stück Kitsch. Aber er hat auch nichts, was ihn in seinem Kampf mit der Dunkelheit zurück ans Ufer ziehen könnte.
Es ist nicht mehr wichtig, warum er überleben will. Es geht nur darum, es irgendwie zu tun. Bevor der Sturm kommt, rasiert sich Redford. Stil ist entscheidend, wenn man dem Tod ins Auge sieht. Und draußen, um das Boot, ist nicht einmal mehr die Natur, mit der er sich messen könnte, sondern nur ein grün-blau gefärbtes Nichts. Wäre Redford ein paar Jahre jünger, hätte man den Film in jedem beliebigen Großraumbüro dieser Welt drehen können.
Und hinter seinem faltigen Gesicht und seinen müden, fast schwarzen Augen, sieht man immer die Schatten von Redfords Rollen aus der Vergangenheit: Johnny Hooker, Bob Woodward und Paul Bratter. Und vor allem Sundance Kid, auch ein aus der Zeit Gefallener, der überleben musste. Und man versteht, wie weit entfernt von der heutigen Zeit alles ist, wofür diese Figuren standen. Weil Sundance Kid und sein Kumpel Butch es immer noch schafften, sich in einer feindlichen Umwelt einen Weg freizuschießen, auf dem man dem Leben spielerisch und mit Leichtigkeit begegnen konnte. Zumindest für kurze Zeit, bevor unvermeidlich alles über ihnen zusammenbrach. Das gibt es nicht mehr. Es ist verloren.
Den Abschiedsbrief wirft der Mann am Ende als Flaschenpost ins Meer, bevor es dunkel wird. Es ist schön, Robert Redford kämpfen zu sehen. Und es ist schön, ihn aufgeben zu sehen. Als er langsam auf den Meeresgrund sinkt, sieht sein Gesicht zum ersten Mal entspannt aus. Es wirkt fast so, als wäre er glücklich. Aber wenn dann, wie aus dem Nichts, eine Hand in den Ozean taucht, dann schwimmt ein alter Kämpfer wie er eben doch noch einmal los. Man kann ja nicht wissen, was noch kommt.
Wenn du die sehr empfehlenswerte US-Serie LAST MAN ON EARTH gesehen hättest, wüsstest du, dass der bemalte Volleyball nicht Kitsch, sondern sogar noch eine charmante Untertreibung war. Jedenfalls, wenn man Will Forte Glauben schenken will – was ich nur zu gerne tue. Ansonsten gerne gelesen.
Bin auch großer Cast Away Fan. 😀
Aber geiler Text!!!
@schwanenmeister: Danke für den Serientipp, sieht toll aus. Ich bleibe aber dabei, dass der Volleyball in Zemeckis Kontext eine der eher dümmeren Hollywood-Ideen der 2000er war. 😉