goEast 2015: Crnci / Kosac – zwei Filme von Zvonimir Jurić



5T9C0274
©goEast

His head it felt heavy
As he cut across the land
A dog started crying
Like a broken hearted man
At the howling wind…
The howling wind.

Im diesjährigen goEast-Wettbewerb lief mit Kosac der neue Film des Kroaten Zvonimir Jurić. Daneben hatte man aber auch Gelegenheit, seinen 2009 entstandenen Crnci auf 35mm auf der großen Leinwand zu erleben. Und während ein einziger Film viel von sich selbst erzählt, erzählt der zweite Film desselben Regisseurs viel mehr über den Urheber. Plötzlich hat man eine kleine Werkschau, mehr noch, eine Weltsicht.

Kosac ist ein Nachtstück. Menschen arbeiten, Menschen feiern und die Welt scheint zu schlafen, aber unruhig und voll brutaler Träume. Ein Film, der Oberflächen ausstellt, aber das Innere, Wabernde, Latente ins gedimmte Licht zerrt.
Ivo (Ivo Gregurević) arbeitet nachts, weil er da in Ruhe gelassen wird. Er hatte eine Frau vergewaltigt und lange Zeit im Gefängnis gesessen. Jetzt versucht er nicht aufzufallen, zu leben, ohne gesehen zu werden, in einer Mischung aus selbstauferlegter und gesellschaftlich induzierter Isolation.
Das Auto einer Frau (Mirjana Karanović) bleibt mitten auf der Straße liegen. Ivo nimmt sie mit. Auf der Tankstelle warnt sie der Mitarbeiter Josip (Igor Kovac) vor Ivo. Doch sie begleitet ihn weiter.
Josip geht später auf die Geburtstagsparty seines Bruders. Doch auch er wirkt wie isoliert, abgeschottet von den Anderen, die Spaß haben, rauchen, trinken. Bald kippt die Stimmung.
Der Polizist Kreso (Nikola Ristanovski), der gerade von der Nachtschicht kommt und bei Ivo nach dem Rechten gesehen hat, muss in die Apotheke, um seinem kranken Sohn ein Medikament zu besorgen. Seine Frau ist die ganze Zeit bei dem Jungen. Sie würde gerne wieder arbeiten. Auch sie ist isoliert – daheim.
Nichts daran ist besonders, alles ist banal. Aber die Stimmung verwebt all diese kleinen Geschichten und Momente in Bilder, die auch von Edward Hopper stammen könnten.

He went deeper into black
Deeper into white… he could see
The stars shine
Like nails in the night
He felt the healing
Healing, healing, healing
Hands of love
Like the stars shiny, shiny…
From above.

CRNCI _DIE SCHWARZEN
©goEast

Crnci hat dieselbe Schwere, dieselbe übernächtigte Inszenierung. Alles ist kurz vorm Bersten, vorm Explodieren, vorm Scheitern. Der Film erzählt von einer Spezialeinheit im Kroatienkrieg 1991, von Menschen, die der Krieg zu Soldaten gemacht hat, die aber nicht aufhören können, Menschen zu sein. Der Eine (Franjo Dijak) ist heroinabhängig. Der Andere tut so, als wäre er ein Minenräumer, um vor schlimmeren Einsätzen bewahrt zu werden. Und Ivo, derselbe Ivo wie in Kosac, führt die Gruppe an, die bereits komplett zersplittert ist, hin- und hergerissen zwischen Loyalität, Langeweile, Angst und Verwirrung angesichts eines undurchsichtigen Krieges.
Die Zelluloidbilder dieses anderen Nachtstücks entwickeln in der recht kurzen Spielzeit von 75 Minuten einen gewaltigen Sog, der durch das dröhnende Sounddesign nur angestachelt wird.
Koregisseur Goran Dević, der aus dem Dokumentarfilm kommt, bringt vermutlich ebenjene Sensibilität in den Film, der trotz seiner extremen Stilisierung schmerzhaft real und unmittelbar wirkt. Und Jurić verdichtet all die kleinen Einzelschicksale zu einer einzigen expressionistisch schmerzhaften Regung.

He put his hands in the pocket
His finger on the steel
The pistol weighed heavy
his heart he could feel
Was beating, beating
beating, beating oh my love
Oh my love, oh my love
oh my love.

U2 – Exit (aus: The Joshua Tree)

Eine kleine Zusammenfassung des Festivals gibt es hier:
Safarow schreibt

Dieser Beitrag wurde am Freitag, Mai 8th, 2015 in den Kategorien Aktuelles Kino, Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Festivals, Filmbesprechungen, Sven Safarow veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

Kommentar hinzufügen