Weitere seltene Filme von Rudolf Thome bald erhältlich?




Nachdem in den letzten Jahren immer mehr Filme aus Rudolf Thomes umfangreicher Filmographie das digitale Licht der Welt erblickt haben, scheint nun die Aussicht auf eine vollständige Digitalisierung und allgemeine Verfügbarkeit seiner Werke in greifbare Nähe gerückt zu sein.

Liebhaber der Filme Rudolf Thomes in Deutschland waren im neuen Jahrtausend zunächst zumeist auf Fernsehausstrahlungen einer kleinen Handvoll regelmäßig gezeigter Werke oder den Besuch von engagierteren Kinos angewiesen, wenn sie einen ersten Einblick in das Schaffen eines der faszinierendsten gegenwärtigen Filmemacher erhalten wollten. Für eine Weile schien Thome in der öffentlichen Wahrnehmung beinahe ein marginalisierter, untergegangener, ja fast schon verschollener Filmemacher geworden zu sein, und die bedauernswerte Tatsache, dass seine jeweils neuen Filme (denn er blieb nach wie vor äußerst produktiv) bundesweit meist nur in wenigen Kinos und für kurze Zeit zu sehen waren, ein nachhaltiges Armutszeugnis hinsichtlich eines breiten Interesses und Engagements für lebendige deutsche Filmgeschichte. Nachdem jedoch seine jüngsten Filme zumindest in den deutschen Feuilletons und in einigen Kritikerkreisen mit immer größerer Regelmäßigkeit bewundert und sogar bejubelt worden waren, scheint sich nun der bisherige Kultstatus Thomes langsam in eine weitreichendere Akzeptanz und generelle Relevanz seiner Arbeit wandeln zu können. Wenn man bedenkt, dass der Großteil der hiesigen Filme und Filmemacher nach Ende des gängigen „Verwertungszeitraums“ und der event- und aktualitätsbasierten „Interessen“ weiterhin dazu verdammt scheinen, ein Dasein im Niemandsland der permanenten (bewussten wie unbewussten) Ignoranz großer cinephiler Kreise fristen zu müssen, darf es schon als enormer Erfolg gewertet werden, wenn sich von einem Filmemacher mehr als 20% seiner künstlerischen Arbeiten überhaupt in irgendeiner Form von (kommerziellem) Umlauf befinden. Zwischen Til Schweiger und Fritz Lang gefangen, scheint hierzulande die Bereitschaft, sich auf die unermesslichen Schätze der Filmgeschichte, ja die Tausenden verschütt gegangener Filmographien, überhaupt einzulassen, im Allgemeinen gen Null zu tendieren, so dass man im Falle Rudolf Thome nun vielleicht schon von einer Kanonisierung zu Lebzeiten zu sprechen beginnen könnte.

Waren Anfang der 2000er lediglich der Klassiker Rote Sonne (1969), sowie der damals noch vergleichsweise junge Berlinale-Gewinner Paradiso, sieben Tage mit sieben Frauen (1999) auf DVD erhältlich, und man insgeheim darum bangen musste, ob Rudolf Thome überhaupt noch weiterhin regelmäßig Filme finanziert bekommen würde, nachdem sich die Meisten seiner ehemaligen Weggefährten der verheißungsvollen 60er und 70er Jahre spätestens in den 90ern vom regelmäßigen oder professionellen Filmemachen in Deutschland offiziell oder inoffiziell verabschiedet hatten, erscheint die momentane Situation völlig verändert. Während Thome bis zu seinem neuesten Spielfilm Ins Blaue (2011) in den vorangehenden 15 Jahren die mit Abstand produktivste Phase seiner Karriere erlebte (unglaubliche 12 neue abendfüllende Spielfilme waren seit 1997 von ihm ins Kino gekommen!), entwickelte auch die publizistische und editorische Bereitschaft sich in seine filmische Vergangenheit zu begeben für hiesige Verhältnisse beinahe unheimliche Ausmaße.

Da wäre zum einen die liebevoll in Buchform gestaltete DVD-Edition seiner Detektive (1968), die 2007 bei Arthaus herauskam, welches kurz darauf auch die sogenannte Zeitreisen-Trilogie in einer Box herausgab und auch weiterhin für eine Veröffentlichung seiner Filme sorgte (hervorzuheben wäre dabei vor allem die 2009 erschienene umfangreiche Filmverlag der Autoren Edition, die zwei Filme von Thome enthielt welche seitdem auch als Einzel-DVDs erschienen sind). Zum anderen enthält auch die bei Zweitausendeins immer weiter anwachsende Edition Deutscher Film inzwischen 13 Regiearbeiten von Rudolf Thome, von seinen jüngeren Arbeiten wie Das rote Zimmer (2010) und Ins Blaue bis zu seinen weniger bekannten wie der in Zusammenarbeit mit Cynthia Beatt entstandenen Dokumentation Beschreibung einer Insel (1978). Außerdem ist im Schüren Verlag 2010 nach langer Planung endlich ein Buch über Thome erschienen und auch andere Filme von anderen Labels sind erhältlich, so zum Beispiel Pink (2008) bei Eurovideo. Ein Ende der Veröffentlichungen ist nicht abzusehen.



Für das Frühjahr 2014 ist nun bereits letztes Jahr von alleskino eine Thome-Retrospektive angekündigt worden. Nach eigenen Angaben wurde zudem eine Restaurierung von Supergirl (1970) in die Wege geleitet, von dem inzwischen wohl auch eine HD-Abtastung vom Negativ existiert und neben dessen von Rudolf Thome auf seinem Youtube-Kanal bereitgestellten Ausschnitten, seit dem 21. Januar auch der obige auf dem Kanal von alleskino zu sehen ist. Was sonst noch in welcher Form bei der (Online-)Retrospektive zu sehen sein wird, ist mir bisher nicht bekannt. Aber schon allein diese Ausgrabung lässt aufhorchen: Wird es in Deutschland in naher Zukunft tatsächlich alle Filme Thomes in aufbereiteter digitaler Form zu erwerben geben? Und wird es alleskino tasächlich schaffen alle deutschen Filme Online verfügbar zu machen? Fragen über Fragen. Jedenfalls scheinen somit von Thomes auf moanafilm aufgelisteten 34 Regiearbeiten, meiner Berechnung nach momentan nur noch 14 bisher nicht für eine digitale Veröffentlichung erschlossen worden zu sein.

Neben dieser Wiedergeburt auf populären zeitgenössischen Medien, wäre es aber umso schöner, wenn man in nächster Zukunft auch eine umfassende Werkschau (gerne auch inklusive seiner Auftritte als Darsteller sowie der Filme die bisher über ihn entstanden sind und auch in Zukunft noch entstehen werden) im Kino präsentieren würde. So wie sie gedreht worden sind. Die meisten von ihnen auf Film. Dass solch ein Vorhaben auch hierzulande definitiv durchführbar ist und auch heutzutage kein Wunschtraum bleiben muss, haben in letzter Zeit einige engagierte Bemühungen einzelner kleinerer Gruppen bewiesen, teilweise sogar auf internationaler Ebene. Und vielleicht hat er bis dahin auch wieder ein oder zwei neue Filme gedreht. Zu wünschen wäre es ihm allemal. Und dass man sich auch mit über 70 Jahren noch mit Elan dem Filmemachen widmen kann, zeigt nicht zuletzt der weiterhin aktive Portugiese Manoel de Oliveira immer wieder auf. Dessen Schaffen, das teilweise noch in der Stummfilmzeit seinen Anfang nahm, blieb während der ersten 50 Jahre seiner Filmkarriere zunächst überschaubar und beschränkte sich vor allem auf kurze Dokumentarfilme. Zu Beginn der 80er explodierte es aber förmlich und Oliveira hat seitdem in rascher Folge über 40 weitere Filme gedreht und bereitet im gehobenen Alter von 105 gerade seinen Neuesten vor. Eine einmalige Entwicklung, sollte man meinen? Keineswegs, denn nicht nur kann man sich an Vorbildern ein Beispiel nehmen – wie wir wissen, sind Rekorde vor allem da, um gebrochen zu werden.

Ich selbst jedenfalls hinke in meinen Thome-Studien inzwischen mächtig hinterher, habe ich doch bisher immer noch lediglich zwölf seiner Filme gesehen. Dafür aber einige wiederholt und von 35mm im Kino. Was ja auch etwas für sich hat. Zunächst einmal musste ich die meisten jedoch von VHS betrachten, ausgeliehen von einer Freundin, die einige von ihnen aus dem Fernsehen aufgezeichnet hatte. Ich habe sie nie gefragt, warum sie sie aufgenommen hatte, ich war einfach nur froh, dass ich sie nach Hause tragen durfte. Kurz davor hatte mich noch Rudolf Thome auf eine kommende spätabendliche Ausstrahlung seiner Filme hingewiesen, bei der ich es mir dann nicht nehmen ließ, die ungesehenen auch noch selbst aufzuzeichnen. 2004 war das. Bei meiner ersten Begegnung mit einem seiner Filme, Frau fährt, Mann schläft (2004), war ich noch mit dem Auto 50 Kilometer zur Premiere ins alte Kommunale Kino in Stuttgart gefahren, bei der ich mir dann sofort das Thome-Virus einfing und mir nach der Vorstellung das soeben erworbene Filmplakat von ihm signieren ließ, wofür er aber erst einmal sein Glas Wein aus der Hand geben musste. Ich bin eigentlich niemand der ohne äußere Notwendigkeiten systematisch Filme sichtet, schon gar nicht die eines Regisseurs, der mir gefällt. Ich lasse mir lieber Zeit, lasse mich treiben, und entscheide bei der Auswahl gerne spontan aus dem Bauch heraus. Aber bei Thome war das zunächst einmal anders – ich wollte damals einfach alles von ihm sehen, was ich in die Finger bekommen konnte. Ähnliches ist mir etwa ein Jahr später mit Yasujiro Ozu passiert. Bei einer zufälligen Wiederbegegnung mit seinen Filmen, hatte es mich erneut gepackt. Diese Lust an einem spezifischen Stil, einer spezifischen Sicht auf die Welt, und bei Ozu zudem noch dieses gemütliche Gefühl von früher, wenn man Sonntags nachmittags alleine auf der Couch saß und vertraute Film- und Trickfilmserien mit ihren vertrauten Melodien genoß. Ein Ritual also, ein entspanntes und nostalgisches, und so kam es, dass ich für kurze Zeit regelmäßig in die Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin ging, um mich dort mit Kopfhörern vor einen der Bildschirme zu setzen, und nach und nach alle verfügbaren Melodramen von Ozu anzuschauen. Die Erfahrung dauerte nicht lange, doch sie wirkt noch immer nach. Nach Ozu hatte mich bei der Stuttgarter Premiere von Frau fährt, Mann schläft übrigens auch meine Sitznachbarin im Kinosaal gefragt. Als Thome im Anschluss an die Filmvorstellung, vor der Leinwand stehend, beim obligatorischen Filmgespräch mit dem Publikum, den Japaner erwähnte, sollte ich ihr den Namen buchstabieren, damit sie ihn sich auf einen Zettel, den sie auf ihren Knien hielt, notieren konnte.

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, Februar 20th, 2014 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Essays, Filmschaffende, Hinweise, Sano, Trägermedien veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

2 Antworten zu “Weitere seltene Filme von Rudolf Thome bald erhältlich?”

  1. time on Dezember 17th, 2014 at 14:17

    suche den film „sieben frauen“ von 1989. vielleicht kommt er ja mal auf dvd

  2. Sano Cestnik on Dezember 20th, 2014 at 05:14

    SIEBEN FRAUEN ist inzwischen auch bei alleskino erhältlich!

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