Vom Tod und von der Liebe



DELLAMORTE DELLAMORE war für mich der erste Film, den ich von Michele Soavi gesehen habe, sieht man von seiner Dokumentation über die Filme seines prominenten Förderers Dario Argento ab. Und was für ein Fest war dieses herrlich verschwurbelte Meisterwerk doch!

Schon nach den ersten Minuten des Film ist klar, es handelt sich gar nicht in erster Linie um einen Zombiefilm, wie viele Online-Reviews glauben machen, auch nicht um einen Horrorfilm im eigentlichen Sinne. Der Friedhof aus dem Gruselbilderbuch, der Assistent des Friedhofswärters, der stark an Tor Johnson in Ed Woods unvergesslichem Trashmeilenstein PLAN 9 FROM OUTER SPACE erinnert und nicht zuletzt Dellamortes (Rupert Everett) ausgestellte Coolness stellen von Anfang an klar: Der Film ist ein postmodernes Spiel mit Klischees und Zitaten, an denen der Film wahrlich keinen Mangel hat. Leider kenne ich das italienische Genrekino zu wenig um etwaige Anspielungen zu erkennen, aber zumindest Hitchcocks VERTIGO dürfte wohl zu den Lieblingsfilmen von Soavi gehören und ein paar Klassiker der phantastischen Malerei wie Magrittes KUSS und Böcklins TOTENINSEL verwurstet er auch in das dennoch vollkommen originelle und immer aufs Neue überraschende Potpourri aus Einfällen, das mal an Tim Burton, mal an schwarzhumoriges dänisches Popkino und wahrscheinlich an zahlreiche mir unbekannte italienische Genrefilme anklingt.

Auf dem Friedhof der italienischen Kleinstadt Buffalora kommt der ein oder andere Tote schonmal nach sieben Tagen als Wiedergänger zurück. Doch das ist alles nicht so schlimm, den Friedhofswärter Francesco Dellamorte (Mädchenname der Mutter: Dellamore!) und sein scheinbar debiler und ziemlich aufgeschwemmter Helfer Gnaghi (François Hadji-Lazaro) haben schon lange eine Routine darin entwickelt, den lästigen Untoten mit Pistole oder auch rudimentärem Spatenende den Schädel zu zertrümmern, um ihnen so endgültig die wohlverdiente Sargruhe zu verschaffen. Kompliziert wird es für die beiden mit dem Tod so gut vertrauten Männer, als die Liebe in ihre in sich geschlossene Welt genießerischer Morbidität tritt. Eine rätselhafte Fremde mit nekrophilen Neigungen (Anna Falchi), scheinbar eine um ihren viel älteren und erst kürzlich verstorbenen Mann trauernde Witwe, verdreht dem Gerüchten im Dorf zu Folge impotenten Friedhofswärter den Kopf, während Gnaghi vom vorlauten Töchterlein des Bürgermeisters (Fabiana Formica) derart angetan ist, dass er sie vor lauter Nervosität erstmal so richtig vollkotzt. Doch das ist alles erst der Anfang einer Folge von immer groteskeren Ereignissen, die sich in ihrer Unfassbarkeit ständig zu überteffen scheinen und den Zuschauer von einem hysterischen Lachanfall in den nächsten stürzen, und das nicht ohne, dass man dabei auch noch echte Anteilnahme am Schicksal der Antihelden nimmt und sich fast unmerklich poetische und philosophische Elemente in den frei dahinfließenden Film flechten.

Die Handlung tritt denn auch vor den vielen herrlichen Einfällen und den liebevoll gezeichneten Haupt und Nebenfiguren zurück. Ob Glühwürmchen, die eher wie riesige blau brennende Papierkügelchen an schön sichtbaren schwarzen Fäden (2. Anspielung auf PLAN 9?) wirken, über den dick eingenebelten und von knorrigem Astwerk überwucherten Friedhof schweben, ob der Bürgermeister, die bei einem Motorradunfall entstellte Leiche seine Tochter für seine Wahlkampagne fotografieren lässt oder ob sich wieder die reguläre Friedhofsbesuchern Signora Chiaromondo (Claudia Lawrence) zum Stelldichein mit den Toten einfindet – ein gewisser General bringt ihr nämlich immer eine Flasche Sambuca mit – das Herz aller absurdiitäts- und surrealismuslüsternen Zuschauer wird verwöhnt. Ein quasselnder abgetrennter Kopf in der Ruine eines Fernsehers und eine Horde von Pfadfinderzombies verleihen dem Ganzen nochmal so richtig Pep, während Dellamorte ab und an bedeutungsschwangere Dialoge mit dem Tod persönlich führt und in diversen Formen von seiner großen toten wahren Liebe heimgesucht wird. VERTIGO lässt grüßen.

DELLAMORTE DELLAMORE gehört zu jenen Filmen, die auf wunderbare Weise ziel- und richtungslos dahinmäandern und sich schließlich zur breiten Mündung ins Meer der Assoziationen öffnen, in dem zumindest einige von uns Cinephilen doch nur zu gerne planschen. Ohne zu viel zu verraten kann gesagt werden, dass das Twist-Ende dem ganzen nochmal einen wundervollen Hauch romantischer Ironie verleicht und ein bißchen an das Meisterwerk der Gebrüder Quay INSTITUTE BENJAMENTA erinnert.

Dieser Beitrag wurde am Samstag, März 14th, 2009 in den Kategorien Alexander Schmidt, Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

2 Antworten zu “Vom Tod und von der Liebe”

  1. Mr. Vincent Vega on März 15th, 2009 at 13:56

    Ich wusste nie, was ich mit dem Film anfangen soll. Er erschien mir nur fürchterlich unausgegoren, halbherzig, unterambitioniert. Eine italienische Freundin hat mir mal die Comics gezeigt, die deutlich anders aussahen (und weniger Titten benötigten)… vielleicht muss ich ihn auch noch mal sehen… jetzt mit romantischem Rupert Everett-Bonus. 😉

  2. Die Amazone on März 17th, 2009 at 14:11

    Liebe Cineastenfreunde,

    ich kann nur zum wiederholten Male die Einschätzung der Mater Bärum von Alex und meinem Filmgeschmack loben! Denn dieser Film stürzte die Tulse und mich in einen Strudel ekstatischer Freudenanfälle. Ist die Wiederkehr der Toten nur eine Fantasie des Friedhofwärters? Sehr schön gefiel mir die Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Liebe und deren enge Verflechtung. Ein Horrorfilm, der sich in wunderschönen Bildern und Anspielungen auf Kunst und andere Filme ergeht und sich lustvoll daran ergötzt- ohne das es nötig wäre sie zu erkennen. Eine Perle der Filmgeschichte, den ich nicht als lediglichen Horrorfilm sehen würde, da die humoristischen Elemente klar überwiegen. Dellamorte Dellamore, ein Zombifilm der sich selbst mit einem Augenzwinkern betrachtet und gerade dadurch gewinnt. Leider habe ich den Film nur in der deutschen Synchonisation gesehen, auf italienisch ist er vermutlich noch brillianter, trotz allem liefern auch die meist trockenen klischierten Dialoge viel Grund für Lacher. Meine glühende Empfehlung sich diese sexuell angehauchte Horror-lach-cineastenprätentionsgranate anzuschauen- ihr werdet es nicht bereuen!
    Noch zu erwähnen ist, dass auch die Frauenfiguren das Amazonenherz erwärmt haben: Besonders die Liebesgeschichte zwischen dem Bürgermeistertöchterlein und dem dicklichen Freund, die aus Liebe (?) ihr moderndes Dasein im Fernsehr fristete und die anschließende Hausu-ähnliche Szene (nicht zuviel verraten) um einen werten Herren zu beissen, der ihr nicht erlauben wollte ihren Herzallerliebsten zu heiraten.

    Mein Fazit: Ein absolutes MUSS! für jeden Cineasten!

    PS: Um die weniger prätentions-freudigen unter uns zu schonen habe ich es mir untersagt, mich in weiteren kunstgeschichtlichen Anspielungen zu ergehen. 😉

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