The Limits of Control (2009)



Manchmal bringt einem auch die Überzeugung, dass auch zu den problematischten Filmen auf die ein oder andere Weise vielleicht doch ein Zugang zu finden wäre, der sie wenigstens bis zu einem bestimmten Maß zu ihrem Recht kommen lässt, sowie der Wille, eher nach den gelungenen als den misslungenen Seiten zu suchen, nichts mehr. Wider Erwarten ist der neue Film von Jim Jarmusch ein solcher Fall. Nicht, dass ich ein übermäßig großer Jarmusch-Fan wäre (habe allerdings auch nichts gegen ihn), aber der Trailer machte mir tatsächlich viel Lust auf den Film, während der Verriss von Roger Ebert und die Abweisung des Films in Cannes nicht wirklich abschreckten, sondern eher zusätzlich neugierig machten. Viel mehr hatte ich vorab nicht mitbekommen, weil es sich nicht selten als sinnvoll erweist, die eigene Rezeption nicht durch allzu ausgiebige Vorab-Informationen ungewollt im Übermaß beeinflussen zu lassen. Geändert hätte es wohl nichts daran, dass mir „The Limits of Control“ vollkommen schal und tot erscheint. Ein lebloses Konstrukt. Was nicht zwingend etwas schlechtes sein muss, weil sich auch unter einer solchen Maßgabe auf vielerlei Weise Gewinnbringendes entwickeln kann. Das Potenzial dazu ist auch im vorliegenden Fall fast durchgehend vorhanden. Es geht in weiten Teilen des Films um nicht viel mehr als einen mysteriösen namenlosen Mann, der viel läuft und wartet und Kaffee trinkt und gelegentlich andere mysteriöse namenlose Menschen trifft – dann werden Streichholzschachteln ausgetauscht und ein Weisheit suggerierender Spruch gereicht, und das alles in einer Darbietung, die Brücken zu Gangster-, Agenten-, Rache- oder Auftragskiller-Filmen, bevorzugt lakonischer französischer Art, zu schlagen versucht. Dieser äußerst reduzierte inhaltliche Minimalismus, die exzessive Stilisierung des Films und sein verblüffend umfassender Verzicht auf Psychologisierung wären ein ausgezeichneter Ansatz zu einer Reflexion über Zeichensysteme, über Codierungen filmischer Narration und Genre-Mechanismen gewesen.
Ein konsequentes Überdrehen der Ästhetik ins Abstrakte, ins Surreale oder zumindest Ambivalente hätte den Stil dabei womöglich ein tragendes Eigenleben entwickelt lassen, in der tatsächlichen Ausführung jedoch läuft die Gestaltung schnell zielsicher auf einen Nullpunkt zu, der keine Möglichkeiten mehr eröffnet und kein Interesse generiert. Die Bilder und Kompositionen lassen an ihrem glatten, öden Hochglanz-Chic alles abperlen, sind in ihrer Leblosigkeit nur noch Behauptung und Demonstration. Bei einer anderen Arbeit von Kameramann Christopher Doyle, „Invisible Waves“, nannte Cargo- und Perlentaucher-Kritiker Ekkehard Knörer eine nicht unähnliche Art der Bebilderung „totgeboren“, was wohl recht treffend ist, mir im dortigen Fall allerdings noch ausgesprochen funktional und erstaunlich stimmig im Sinne einer Entsprechung und Übersetzung von Innen- in Außenwelten erschien (zugegebenermaßen hat ein Zweitsichtungsversuch Zweifel an diesem Eindruck entstehen lassen). Bei „The Limits of Control“ wiederum schlägt all das Gewollte und Drapierte, das um seiner selbst Willen Eingerichtete, Dekorierte, Ausgestellte voll durch, weil der Film sich nicht für Innenwelten, Emotionen oder Zustände interessiert (für Motivation oder Psychologie ohnehin nicht, wobei das keineswegs ein grundsätzlicher Nachteil ist) und zudem mit seiner Absage an jede Art von Lebendigkeit und (sozialem) Wahrhaftigkeitsgehalt dieser Praxis der Bebilderung erst recht den Resonanzboden entzieht, sie stattdessen an einen Gesamtzusammenhang verweist, in den sie sich kaum fügen will, so sehr wie jedes Bild nur für sich selbst steht und nur auf sich selbst gerichtet ist. Die penetrante, plumpe Aufdringlichkeit der (wenigen) Dialoge und der erzählerischen Struktur, die inhaltliche und formale Abläufe immer wieder als nicht zu hinterfragenden, klugen Einfall heraus zu kehren und als nur allzu bewusstes und beabsichtigtes Mittel zu betonen versucht, macht es nicht besser. Weil den Bildern zudem jede Offenheit zum Entrückten, alles Schwebende und Fließende und Uneindeutige abgeht, prallt auch die vom Film und seinen Figuren immer wieder nahegelegte (richtiger: gepredigte) Bedeutungs- und Möglichkeitenvielfalt, etwa ins Eingebildete oder Träumerische hinein, an ihrer sterilen, starren Oberfläche ab. Inhalt und Form lassen jede Kreativität, jeden Einfallsreichtum vermissen, von Verspieltheit ganz zu schweigen. Es ist noch nicht einmal so, dass ich die Dekoration um ihrer Selbst Willen prinziell ablehnen würde (im Gegenteil kann sich daraus mit der entsprechenden Originalität und Leidenschaft Tolles entwickeln), aber in diesem kalten Hochgestylten ist keine Lust, keine Experimentierfreude, kein Fetischismus, stattdessen lediglich Leere und ein mit punktuell forcierter Bedeutungsschwere angereichertes, konstruiertes, uninspiriertes Nichts ohne innere Spannung, ohne Faszinationskraft, Bewegung, Dynamik, Intensität.
Eine Totgeburt, fürwahr, die sich spätestens ab der Hälfte zum quälend öden Ärgernis auswächst und jede Lust erlahmen lässt, sich die nichtsdestotrotz mitschwingenden bzw. aufgedrückten Diskurse (ob zur Philosophie oder zur Genre-Historie, denn selbst die Verweise zum Gangsterfilm à la Melville kommen kaum über die Behauptung hinaus) doch irgendwie zu erkämpfen. In seinem Präsentationsduktus ist der Film fast noch schlimmer als die jüngsten Werke von Kim Ki-Duk, und im Gegensatz zu den letzten Ausfällen von Coppola oder Argento noch nicht einmal mit Humor zu nehmen, nicht trotz, sondern gerade wegen all der hier weiterhin vorhandenen technischen Professionalität, die aber den Spielraum des Zuschauers eben nicht erweitert, sondern bis zum Ersticken verengt und limitiert. Kurzum: der Tiefpunkt meines bisherigen Kinojahres, nicht nur eine saftige Enttäuschung, sondern ein Totalausfall, der in der zweiten Hälfte zur Unerträglichkeit tendiert.

(Nachtrag: kurios, dass ich zwar an Knörers „Invisible Waves“-Text dachte, mir aber glatt entging, dass er, wie ich mir eigentlich spätestens nach Ansicht des Films hätte denken können, auch bereits zu „The Limits of Control“ einen Verriss mit ähnlichem Tenor schrieb – und dabei so präzise die entscheidenden Punkte trifft, dass ich mir wohl fast die Hälfte meines Textes hätte sparen und darauf verweisen können. Was soll’s, von diesem Film kann ohnehin nicht oft genug abgeraten werden.)

Dieser Beitrag wurde am Montag, Juni 1st, 2009 in den Kategorien Aktuelles Kino, Ältere Texte, Andreas, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

21 Antworten zu “The Limits of Control (2009)”

  1. Christoph on Juni 2nd, 2009 at 17:06

    Na also, geht doch!^^
    Bitte in Zukunft oefter.

    Waehrend des Lesens dachte ich unentwegt: Nein, nein, denk das nicht, und wenn, dann schreib es wenigstens nicht, damit dir niemand den P.-Trotz-Vorwurf machen kann, aber leider…

    Ich wollte den Film eigentlich auslassen, weil der Trailer nach schrecklicher Neopraetention aussah und, ja, irgendwie auch farblos, starr – jetzt zieht mich der Film dank deines Textes magisch an, als moegliches Beispiel in meinem fuer einen unbestimmten Fertigstellungstermin geplanten Essay „Beispiele fuer Entleibung in Clip- und Hochglanzaestehtik“, zu dessen Erstellung ich mich nach zwei sehr produktiven Zweitsichtungen von HATCHET FOR THE HONEYMOON und ALMOST BLUE sowie der Erstsichtung von THE INTERNATIONAL entschlossen hatte. Leider wird aus diesem Text wahrscheinlich nie etwas, aus den ueblichen Gruenden, die mich auch als Review-Schreiber die meiste Zeit verhindern, wenn doch, waere das mein wunderschoenes P.-Essay-Debut.

    Wie auch immer, du beschreibst den Film so, wie ich wahrscheinlich den *schrecklichen* LOLA MONTES beschreiben wuerde und ich kann mir vorstellen, in dein Urteil einzufallen zumal ich ja ein ganz grosser Jarmusch-Skeptiker bin (trotz DEAD MAN). Aber ich warte, in der Hoffnung, in dem Film das intellektuell-technizistische (^^) Spielchen zu entdecken, dass oben genannte Filme auf unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlichem Ausmass ebenfalls spielen.

    Abschliessend sei noch angemerkt, dass sich dein (wohlgemerkt gelungener) Text fuer deine Verhaeltnisse sehr anstrengend liest – die vielen Uni-Hausarbeiten tun offenbar ihr Bestes… Du wirst mir in Sachen Umstaendlichkeit und langen Saetzen doch nicht etwa Konkurrenz machen?;-)

  2. Sano on Juni 3rd, 2009 at 00:37

    Ich muss sagen, der Text macht auch mir Lust auf den Film. Bin ja großer Jarmusch-Fan, und was du so beschreibst klingt schon recht bekannt. Allerdings nicht in dem Ausmaß.
    Könnte natürlich auch für mich ein totaler Reinfall werden, einfach nur so dröge wie dein eigenes Erlebnis. Konnte ich mir bei Coppola ja auch nie vorstellen, und „Jugend ohne Jugend“ hat mich eines Besseren belehrt.
    Aber vielleicht wäre es in Anlehnung an den Titel ja auch möglich, dass Jarmusch genau das inszeniert hat: The Limits of Control. 😉
    Lasse aber nix gegen „Invisible Waves“ und Doyles Kameraarbeit kommen. Wie du schreibst, spieget das Außen wunderbar das Innen. Einer der ganz großen Filme der letzten 10 Jahre.

    @ Christoph

    Diesen Essay von dir will ich lesen. Das Thema geht mir schon seit Jahren durch den Kopf. Die Dominanz der Oberfläche war wohl nie so offensichtlich wie heutzutage. Aber wer weiß – möglicherweise sehen wir das in 20 Jahren wieder anders. Die 80er galten ja auch als blutleer, und entpuppten sich im Nachhinein als das vielleicht verspielteste und kitschigste Film-Jahrzehnt, und im Grunde fast eine Wiederkehr der 50er – eine wahre Fundgrube.
    PS: Wie wäre es mit einem kleinen Bildchen Andi? Der Text, so gut er mir auch gefiel (und ich mag Verrise ja nicht wirklich), ist doch etwas trocken.

  3. Andreas on Juni 4th, 2009 at 01:17

    @Christoph
    Den Trailer wiederum fand ich wie geschrieben durchaus sehr reizvoll, wie überhaupt die Prämisse des Films. Diese Versprechen hat der Film selbst dann eben leider nicht eingelöst.
    Dein geplanter Essay klingt in der Tat sehr interessant, da kann ich Sano nur zustimmen. Dahingehend könnte „Limits of Control“ wohl wirklich eine gute Ergänzung sein, so sehr, wie es ihm nicht nur an Lebendigkeit, sondern tatsächlich auch an Körperlichkeit mangelt. Im Zusammenhang mit diesem Essaythema wäre sicherlich auch die Digitalisierung, die ja gerade auf die Clip- und Effektästhetik (sowie auf den Schnitt) starken Einfluss hatte, ein interessanter Aspekt.
    Und zu meinem Text: ursprünglich sollte es nur ein kurzer Kommentar werden, in einem Absatz – wurde aber dann doch etwas mehr und hat sich dementsprechend geballt, gepresst, geschachtelt, ohne dass ich die Struktur angepasst habe (und weil es als zusammenhängender Textblock konzipiert war, wusste ich dann am Ende auch gar nicht, wo ich der Übersichtlichkeit halber Absätze einfügen könnte). Hatte aber das Gefühl, dass es sich trotzdem noch recht flüssig liest, aber das kann man selbst natürlich immer am schlechtesten beurteilen. Werde aber bei zukünftigen Texten sicherlich wieder eher versuchen, Umständlichkeit und ausufernde Satzkonstruktionen zu vermeiden.

    @Sano
    Geht mir tendenziell ähnlich, was Verrisse angeht, vielleicht ist es deshalb auch etwas trocken geworden. Passt umso besser zum Film 😉 Hab aber nun dennoch zumindest mal ein Bildchen rausgesucht.
    So weit wie du würde ich bei „Invisible Waves“ sicherlich nicht gehen, aber bei der Erstsichtung mochte ich ihn bekanntlich auch sehr. Und von Doyle fand ich zuletzt noch die Kameraarbeit bei „Paranoid Park“ grandios, deshalb umso verwunderlicher, dass es mit Jarmusch nicht funktioniert hat. Der hätte sich jedenfalls lieber wieder Robby Müller holen sollen.
    Und apropos Lust auf den Film, hier drei Beispiele, dass man den auch tatsächlich völlig anders sehen kann, nämlich sehr euphorisch: Georg Seeßlen, Dietrich Kuhlbrodt und Rüdiger Suchsland.

  4. Christoph on Juni 4th, 2009 at 17:06

    Aaaah… Die von dir verlinkten Texte klingen alle suuuper. Allerdings nehme ich den Suchsland meist nicht besonders ernst, ist fuer mich mehr oder minder DER (natuerlich liebenswerte, aber eben etwas dubiose) Trash-Enthusiast unter den bekannten deutschen Kritikern – ich kriege seine unfassbare (Chan-wook) Park-Teppichrutscherei einfach nicht mehr aus dem Kopf und das ist nur eines von vielen Beispielen. Egal. Dein Text war das erste, was ich zum Film gelesen habe und ich stelle ihn mir anscheinend richtig vor. Zu dumm, er scheint hier vorerst nicht anzulaufen (dafuer bekomme ich aber als Entschaedigung fuer den verpassten VERTIGO in Karlsruhe demnaechst eine neue 35mm-Kopie von NORTH BY NORTHWEST zu sehen8-).

    @ Sano:

    Bei meinen geistigen wie stilistischen Strukturierungsproblemen bin ich wahrscheinlich voellig unfaehig, einen echten Essay zu diesem Thema, das m. E. sehr komplex ist und mich STAENDIG beschaeftigt (auch das Nachvollziehen dieser Entwicklung bis zum fruehen Tonfilm zurueck – als ich THE SCARLETT EMPRESS gesehen habe, war ich sehr gluecklich, ein weitaus frueheres Beispiel gefunden zu haben) zu schreiben.
    Ich meinte im uebrigen nicht direkt die Dominanz der Oberflaeche (die auch, darueber koennte man auch einen geharnischten Anti-Neop.-Essay schreiben mit den Filmen von Park, Fincher, Tykwer, Wong und der ganzen anderen, pardon, Neop.-Schickeria). Die Entleibung, die ich meine, schliesst das Aufloesen der Oberflaeche mit der Verfluechtigung der Koerperlichkeit mit ein^^.
    Oh dear… this has to be the peak of pretention.8-)

    @ Andi:

    Mach dir keinen Kopf ueber unuebersichtliche Satz-Konstruktionen – wir sind hier zum einen eh schon elitaer genug (mit unseren Wochen-Zitaten und dem ganzen Nerd-Stuff z. B.) und ich bin gluecklich, wenn meine eigenen Monstroesitaeten nicht ganz so sehr auffallen.*g*

  5. Sam Spade on Juni 10th, 2009 at 18:33

    Klingt ja wirklich ziemlich gräßlich, was Du da schreibst, Andi. Jedenfalls habe ich den starken Verdacht, daß der Film auf mich haargenau die gleiche Wirkung ausüben könnte, denn in Sachen Jarmusch ist die Ausgangslage recht ähnlich: ich kenne recht wenig und bin weder großer Fan noch allzu abgeneigt. Vor allem aber der „Prätentionsduktus“ läßt mich dann ganz klar einen Film vernuten, der mir bestimmt nicht gefällt… Da nehme ich dann das Abraten ganz wörtlich und verzichte lieber drauf.

    Der Text ist allerdings wirklich anstrengender, als man es von Dir gewohnt ist, aber das ist nicht schlimm, ich sondere zur Zeit auch gerade nicht unbedingt leichte Kost ab (ist aber ein Thema für sich, weil es dabei nicht unbedingt um Filme geht)…

  6. The Critic on Juni 18th, 2009 at 13:02

    Noch langweiliger, als das geschmäcklerische Totschlagargument „prätentiös“ in einer Argumentation zu verwenden, ist nur noch die Wiederholung desselbigen in jedem zweiten Satz. Da hilft weder Subklassifikation noch Aküfi.

    Andi: Bin doch arg betrübt, wie der Uni-Betrieb Deinen Schreibstil ausgetrocknet hat. Könnte man exemplarisch für den Bildungsbetrieb ansehen – wie er jeden Spaß und Enthusiasmus aus den Lernenden vertreibt. 🙁
    Hatte mich eigentlich auf einen back-to-the-roots-Jarmusch gefreut. Dämpfe nun meine Erwartungen merklich. Andererseits konnte ich selbst Broken Flowers noch etwas abgewinnen. Aber dem schon nicht sehr viel.

    P.S.: Sehr schön wäre es, wenn ihr anzeigen würdet, welche HTML-Tags in den Kommentaren erlaubt sind.

  7. Sano on Juni 19th, 2009 at 02:00

    @ Critic

    Bin wohl einer der wenigen Leute, die alle bisherigen Filme Jarmuschs zumindest interessant fanden und für wiederholte Sichtungen immer zu haben sind. Habe bis auf den Neuesten (fast?) alles von ihm gesehen, und konnte die offene Enttäuschung vieler Jarmusch-Anhänger über „Broken Flowers“ nur teilweise nachvollziehen. Für mich gehört der Film zu seinen besten Arbeiten, ziehe ihn z.B. „Down by Law“ (1986) vor. Aber ich bin wohl auch einer der wenigen die „Permanent Vacation“ (1980) für ein Meisterwerk halten.

    Daher sehe ich dem neuen Film nur noch mit mehr Spannung entgegen. 🙂

    Andis „akademischer“ Stil rührt vielleicht (hoffentlich) nicht von der Uni her, sondern von der nicht beabsichtigten Länge der Kritik und der Abneigung zu Verrissen. Ich nehm in da einfach mal wörtlich. 😉

    An der Verlautbarung der HTML-Tags wird gearbeitet (kann aber nix versprechen – da hat der Admin das letzte Wort).

  8. Andreas on Juni 19th, 2009 at 02:07

    @Christoph
    Tja, vielleicht gefällt er dir ja auch. Sehe es schon vor mir: „Der eine gute Jarmusch!“ 😉 (Ok, natürlich der zweite, dennoch.) Die Kritiken spiegeln ungefähr das wider, was ich mir von dem Film erhofft habe, was mir jedoch verwehrt blieb. Am wenigsten verstehe ich, wie Suchsland ernsthaft konstatiert, das Bemühte und Angestrengte sei zugunsten von Verspieltheit verschwunden – sehe ich genau umgekehrt. Aber das geht mir bei ihm ohnehin häufiger so, braucht man nur an Parks Cyborg denken, wie du richtig anmerkst. Den Jarmusch jedenfalls hat Knörer am prägnantesten getroffen: „Ein den Räumen, die er nicht begreift, der Zeit, die in ihm nicht vergeht, aufgenötigter Film.“ So ist es, leider. Und in der Tat sehr interessant, dass der Film in Deutschland erheblich früher als in fast allen anderen Ländern gestartet ist. In Frankreich startet er hingegen sogar erst im Dezember! Unglaublich, bei den meisten anderen Filmen ist es ja genau umgekehrt…

    @Sam
    Höchstwahrscheinlich die richtige Entscheidung, zumindest auf den Kinobesuch zu verzichten. Kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass dir der Film liegen würde, sondern nehme stark an, dass du ihn ähnlich wie ich quälend öde finden würdest.
    Bemerkenswert allerdings dein Verschreiber/Verleser (?), denn ich schrieb vom „Präsentationsduktus“ – so sehr hat sich dieses unsägliche Wort also schon ins Unterbewusstsein der Leser geschlichen… Allerdings hast du insofern doch Recht, als dass dieses Wort hier dann sogar mal im eigentlichen Sinne passend wäre. Was mich freilich trotzdem nicht dazu bringt, es tatsächlich anzuwenden.

    @Critic
    Deine Abneigung gegen dieses Unwort teilt fast jeder hier, was Christoph jedoch leider seit anderthalb Jahren trotz zahlreicher Proteste (die mittlerweile in resignative Ironie umgeschlagen sind) nicht vom inflationären und umdeutenden/willkürlichen Gebrauch des Wortes abhält. Da diesem Blog allerdings ein pluralistisches Konzept zugrunde liegt, wird man es akzeptieren müssen. Zumindest kann ich versichern, dass ich nicht die Absicht habe, es jemals in einem meiner Beiträge (flapsige Antwort-Kommentare mal ausgenommen) zu verwenden.
    Wegen des Schreibstils kann ich dich beruhigen (oder auch nicht): an der Uni liegt es sicher nicht, denn von der lasse ich mich eher zu wenig als zu viel beeinflussen… Wobei dieser Umstand letztlich vielleicht doch dein treffendes Fazit zum Bildungsbetrieb bestätigt, Spaß und Enthusiasmus hole ich mir in der Tat lieber anderswo. Das Austrocknen jedenfalls führe ich dann aber doch eher auf den vertrocknet-uninspirierten Jarmusch-Film zurück. Und auf den Umstand, dass mir Verrisse nicht unbedingt liegen – wovon der Text ja offenbar Zeugnis ablegt. Insofern taugt er dann immerhin gut als beispielhafte Begründung, warum ich mich zukünftig lieber wieder Schwärmereien zuwenden werde. 🙂
    Und ja, bei den Kommentaren muss noch einiges verbessert werden (zumal wir am liebsten eine Mischung aus Blog und Forum hätten, statt nur fortlaufendem Monologisieren), geht halt nur leider alles furchtbar schleppend bei uns…

    Nachtrag, @Sano: ja, so ist es, was den Stil angeht.

  9. The Critic on Juni 19th, 2009 at 17:36

    Ok, Sano, Du wolltest es nicht anders:

    1. Dead Man (1995)
    2. Mystery Train (1989)
    3. Ghost Dog: The Way of the Samurai (1999)
    4. Coffee and Cigarettes (2003)
    5. Down by Law (1986)
    6. Stranger Than Paradise (1984)
    7. Broken Flowers (2005)
    8. Night on Earth (1991)
    9.
    Permanent Vacation (1980)

    Die Auflistung der Tags fände ich dufte. Gerade für ältere Mitbürger wie mich, die sich nicht mehr daran erinnern können, ob ihr hier HTML oder BBCode verwendet, wäre das angesichts der fehlenden Editierfunktion extrem hilfreich. 😉
    Ansonsten finde ich die Gestaltung des Gemeinschaftsblog hinreichend funktional.

    Andi
    Nie daran gezweifelt, daß Du das P-Wort nur dann benutzen würdest, wenn es zwingend notwendig ist. Was andere damit anstellen, ist ihr Problem.
    Und: Ja, bitte, häufig und regelmäßig La-Ola-Wellen der Begeisterung durchs Blog jagen. Paßt besser zu Dir. Und meiner Lesefreude.

  10. Sam Spade on Juni 19th, 2009 at 18:58

    @Andi: Da habe ich mich wirklich verlesen, ein Verschreiber war es also nicht – vielleicht war ich schon zu oft auf Rajkos Seite und habe mich anstecken lassen.
    Was besagtes Unwort betrifft, so bin ich da ja auch nicht ganz unschuldig, aber richtig ist natürlich, daß man aus dem P-Wort ein Unwort machen kann, wenn man es inflationär verwendet (was aber für viele andere Wörter ebenso gelten dürften). Ich werde mich bemühen, damit in Zukunft sorgsamer umzugehen, als ich das in jüngerer Zeit getan habe, aber ganz drauf verzichten werde ich wohl nicht…
    Und daß Dir Verrisse nicht liegen, ist ja, da kann ich mich Critic anschließen, an sich durchaus sympathisch. Ich habe ja nun im Laufe der Jahre auch schon so einige geschrieben, doch Leute, denen das Verfassen von Verrissen mehr Freude als alles andere bereitet, sind mir irgendwie suspekt – und da sind mir dann Verrisse, die von persönlicher Enttäuschung geprägt sind, allemal lieber als solche, die mit Genuß die verbale Sense schwingen.
    Aber das muß ich Dir ja nun eigentlich nicht erzählen, da gäbe es ganz andere Adressaten.

  11. Christoph on Juni 19th, 2009 at 19:09

    @ The Critic:

    Ich glaube mich zu erinnern, dass du dich vor drei Monaten einigermassen anerkennend zu meinem BENJAMIN BUTTON-Text geaeussert (Internationale Tastaturen haben leider kein ä, ü und ö – meine Faulheit tut ihr uebriges und haelt mich fern von copy & paste) hast.

    Bitte beurteile mich als Rezipient auch eher nach meinen Texten und nicht so sehr nach meinen Kommentaren, die aus einer generellen Muedigkeit gegenueber der Filmkritik, Kritiker-Kultur, dem cineastischen ‚E‘ und ‚U‘-Faschismus (den ich ungluecklicherweise manchmal auch bediene ) und generell dem ganzen m. E. wahnsinnig in merkwuerdig-monstroese Gedankenkonstrukte verstiegenen und von sich selbst entfremdeten Cineasmus heraus nur aeusserst selten von echtem cineastischen Selbstbewusstsein gepraegt sind, das mich davor bewahrt, auf das boese, aber enthuellende P.-Wort zu verzichten. Das boese Wort steht immer dann Pate, wenn ich mich in besonderer Frustration darueber ergehe, dass die akademische? elitaere? intellektuelle? (Da war doch dieser interessante Seesslen-Text in der Filmzentrale…?) Filmkritik der Filmrezeption des sterblichen Cineasten vielleicht doch ebenso viel genommen wie gegeben hat – im wesentlichen etwas, das ich mit Begriffen wie Reinheit, Unvoreingenommenheit, Offenheit und Fantasie in Verbindung bringen wuerde. U. u. auch nur antiintellektuelle Tagtraeumerei, wer weiss.

    Im Zweifelsfall kannst du mich auch als Clown betrachten, eine vielleicht nicht gaenzlich schmeichelhafte Verfahrensweise die sich unter zahlreichen meiner Mitmenschen grosser Beliebtheit erfreut. Du kannst aber auch recherchieren und feststellen, dass ich das boese P.-Wort inzwischen nur noch entweder in ironischem Kontext verwende oder als Synonym fuer meine eigene Unzufriedenheit mit meiner Rezeptionshaltung und meiner Zerissenheit zwischen rezeptorischer Archaik, bzw. Anarchik und dem alten, zaehen Intellektualismus – zu dem ich ja doch nicht im Stande bin aufgrund meiner mediokren Bildung. Letztere Anwendung ist freilich unzugaenglich sofern man mich nicht gut kennt, aber diesbezueglich stecke ich ohnehin schon seit langem fest – der Hauptgrund fuer die mindere Qualitaet und niedrige Frequenz meiner Kritiken.

    Kurz gesagt: Ich wuerde nicht behaupten, so plakativ und eindimensional zu sein wie mein Gebrauch des boesen P.-Wortes, das inzwischen schon seine eigene Legende hat und um das sich zwischen Alex und mir schon eine nicht ausschliesslich resignative Kultur cineastischer Nonsenseologismen rankt. Und das eben aus diesem Grunde ein nicht-exorzierbarer Daemon in meinem Sprachgebrauch bleiben wird, auf unbestimmte Zeit. Da mir die deutsche Sprache aber schon zunehmend seltsam vorkommt besteht noch Hoffnung. Ich kann mich nicht erinnern, „pretentious“ mehr als drei Mal verwendet zu haben seit meiner Ankunft in England vor zwei Monaten.

    Bitte, bitte. Ich moechte nicht auf die Idee kommen, dich in meine enge Schublade der sich aus meinem engen Blickwinkel heraus selbst und das cinemenschliche Dasein gar zu ernst nehmenden Menschen zu stecken.

    @ Andi:

    Das war aber ein not too nice Wink mit dem Zaunpfahl.
    Uebrigens kann ich mir bei aller Skepsis gegenueber Jarmusch nicht vorstellen, dass irgendeiner seiner Filme „uninspiriert“ sein koennte. Ich nehme an, du meinst eher „blutleer“;-)

  12. The Critic on Juni 20th, 2009 at 11:30

    Zwei Anmerkungen, Christoph (ich wüßte übrigens nicht, daß wir uns schon internettig kennengelernt hätten – im Gegensatz zu Andi, Sam oder Sano. Insofern kann und wollte ich zu Deiner Person gar nichts sagen, da ich Dich nicht kenne.)

    Prinzipiell kannst Du tun und lassen, was Du willst. Ich beobachte nur häufig und mit zunehmender Verärgerung, daß im Internet die Diskussionskultur, das gegenseitige Lernen an den Denkstrukturen des anderen, unter derartigen Floskeln leidet. U.a. Mr. Vega hat es perfektioniert, sich bei fragwürdiger Argumentationslage auf solche unanfechtbaren Positionen zurückzuziehen. Das mag ironisch gemeint sein, ist aber im Internet nicht als solches zu erkennen. Davon abgesehen – es hilft keinem der Gesprächspartner. Ironie ist ein Stilmittel und kann den Gedankeninhalt nicht ersetzen.

    Zum zweiten verstehe ich nicht die nicht nur von Dir, sondern in den letzten Jahren verstärkt artikulierte Forderung nach Antiintellektualität. Was soll das sein? Brunzdumm und fickt gut? Schmiegt man sich mit der Antiintellektualität nicht nur an einen gesellschaftlichen Trend an, der die Forderung der Aufklärung nach selbstbestimmten Denken mal wieder ad acta legen will? In einer gesellschaftlichen Stimmung, die wegen des Zusammenbruchs des ökonomischen Systems erhöhte Anpassungsleistungen ihrer Mitglieder einfordert anstatt sie zum Nachdenken über Alternativen zum status quo anzuregen, halte ich das für fatal. Ebenso wie Deine Verknüpfung von Intellekt und Lustfeindlichkeit. Noch nie erlebt, daß man Spaß daran hat, ungeahnte Verbindungslinien zwischen entfernten Topoi aufzudecken? Nehme ich jemandem, der Worte wie *rezeptorische Archaik* verwendet, kaum ab. Wenn es etwas zu bekämpfen gilt, dann die in den Universitäten gepflegte Bürokratieintellektualität, die sich mit Fremdworten einmauert, um sich der Diskussion mit Uneingeweihten zu entziehen. Aber doch nicht die Intellektualität per se. Die kann man, quatsch, muß man mit seinem Herzblut düngen, damit sie zu voller Blüte sich entfaltet und Früchte trägt.

    Darauf einen Dujardin.

    P.S.: Ich präsentiere mal, daß man auch internationalen (i.e. britischen) Tastaturen schöne Umlaute würdevoll entlocken kann. Muß man nur am language bar umstellen und dann wissen, daß das Ä unter dem ‚ sitzt.

  13. Christoph on Juni 20th, 2009 at 18:54

    Du weisst, wo du in dieser Angelegenheit stehst. Ich weiss das nicht (mehr).

    (Und nein, wir waren bislang noch nicht vertraulich, aber ich habe dein Filmtagebuch mit Interesse gelesen, du hast zwei Worte zu einem Text von mir geschrieben und man hoert fluechtig ueber- und voneinander in diesem beaengstigend weitreichenden Dunstschleier von Filmforen, Blogs und Bekanntschaft. Ich hatte nicht vor, vertraulich zu werden, falls dieser Eindruck entstanden ist und dir das nicht gefaellt, pardon.)

    Ich schreibe an einer Antwort, da mir dieses Thema durchaus am Herzen liegt und es m. E. zuwenige Menschen gibt, die daran interessiert sind, es so „anzugehen“. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wir diese Diskussion noch gross ausdehnen muessen…

    Wenn es etwas zu bekämpfen gilt, dann die in den Universitäten gepflegte Bürokratieintellektualität, die sich mit Fremdworten einmauert, um sich der Diskussion mit Uneingeweihten zu entziehen. Aber doch nicht die Intellektualität per se. Die kann man, quatsch, muß man mit seinem Herzblut düngen, damit sie zu voller Blüte sich entfaltet und Früchte trägt.

    …da es genau das ist, wogegen ich mich wehre und was ich unter dem Begriff „Intellekt“ viel eher verstehe als das, was er eigentlich in erster Linie bedeuten sollte, bevor er zum Synonym fuer eine elitaere Gleichschaltung des Denkens und im Bezug auf Film zu einem Gesetzbuch geworden ist (vielleicht nur in meinem Kopf). Eigentlich ging ich davon aus, dass genau das aus meinen diesbezueglichen Aussagen heraus offensichtlich ist. Offenbar bin ich aber doch zu diffus, jederzeit. Zufaelligerweise fungiert das boese P.-Wort nicht selten als indirekte Selbstbestaetigung dieser Haltung, zumindest bei mir.

    Spaeter mehr, hoffe ich zumindest.

    PS: War mir nicht bekannt. Allerdings benutze ich derzeit nur fremde Computer (ein eigener Laptop, das waere in dieser Situation eine Erfuellung…) und permanent zwischen deutschem und britischem System zu switchen… mal sehen.

  14. Sano on Juni 21st, 2009 at 20:29

    Na, das ist ja toll wenn ein Verriss so viel Diskussionsbedarf auslöst. Vielleicht sollte ich meine Ablehnung dagegen, och noch mal überdenken. 😉

    Aber ich stimme Mr. Spade voll zu.
    „und da sind mir dann Verrisse, die von persönlicher Enttäuschung geprägt sind, allemal lieber als solche, die mit Genuß die verbale Sense schwingen“.
    Da bin ich wohl zu konservativ-anständig, und versuche die Ironische Verrisskeule nach Möglichkeit nur im persönlichen Gespräch auszupacken.

    @Critic
    1. Dead Man
    2. Permanent Vacation
    3. Broken Flowers
    4. Stranger than Paradise
    5. Mystery Train
    6. Ghost Dog
    7. Down By Law
    8. Night on Earth
    9. Int. Trailer Night
    10. Year of the Horse
    11. Coffee and Cigarettes
    Touché! 🙂

    PS: Möglicherweise hat meine Liebe zu „Broken Flowers“ auch so manches mit Bill Murray zu tun. Murray ist mein absolut liebster sich auf Film verewigender Darsteller (Männchen und Weibchen zusammengenommen), und ich würde mir prinzipiell alles ansehen, wenn er dabei ist.
    Mit „Dead Man“ werden wir uns aber scheinbar einig.

  15. Alexander Schmidt on Juni 22nd, 2009 at 19:16

    Ich kann Sano nur beipflichten, dass es schön ist, hier mal endlich eine Art Diskussion stattfinden zu sehen. Mehr!

    Den neuen Jarmusch werde ich mir wohl jetzt auf jeden Fall auch anschauen. Fand bisher alle seine Filme gut, allerdings nur „Dead Man“ wirklich überragend. Warum „Broken Flowers“ viele Fans so enttäuschend fanden finde ich rätselhaft, da ich den Film auch sehr mochte und eher zum Beispiel „Night on Earth“ ein bißchen durchschnittlicher fand…
    Kann aber durchaus sein, dass ich „The Limits of Control“ mich auch nicht vom Hocker reißen wird…

    Die Diskussion hier über Verrisse im Allgemeinen finde ich sehr interessant, hab mir darüber so noch nie Gedanken gemacht. Ich selbst schreibe zwar lieber lobend, aber wenn einen ein Film so richtig gequält, verärgert, enttäuscht oder aufgeregt hat, dann kann ich gut nachvollziehen, wenn man sich beim Schreiben einer süffisanten und polemischen Tirade seinen Spaß sozusagen nachträglich wieder dabei reinholt, zugespitzt auf den Punkt zu bringen, was einen Film zum Scheißfilm macht. Und ehrlich gesagt lese ich auch ab und an solche Kritiken gerne, selbst dann, wenn ich Ihnen nicht zustimme. Man erfährt doch sehr viel darüber, wie ein Film noch rezipiert werden kann und das ist selbst bei konträrer Meinung noch ein Gewinn finde ich… Das mag man alles höchst fragwürdig finden und mir eine Freude am Boshaften attestieren, aber ich werde hier ja sowieso von manchem Mitblogger als tendenziell herzlos und menschenfeindlich eingestuft, gell 😉

    @The Critic:
    Schön, mal von einem Außenstehenden eigene Eindrücke bezüglich des filmischen Antiintellektualismus und seiner glühenden Streiter (Christoph und Mr. Vega) bestätigt zu bekommen… Kann dir größtenteils nur zustimmen!

    @Christoph:
    Sowohl deine Verwendung , als auch deine Rezeption des Wortes intellektuell ist, wie ich dir schon oft gesagt habe, wirklich paranoid und zum Teil einfach absurd, gerade wenn man sich dann deinen Wortschatz und generell deine Kritiken anschaut, die zum Glück im positivsten Sinne intellektuell sind! Chèr ami, vielleicht könntest du deine dir von mir zweifellos zugestandene Offenheit gegenüber allen möglichen Filmen soweit auf die Sprache ausdehnen, dass an sich weitgefasste und ambivalent, wenn nicht gar positiv besetzte Begriffe, diese Bedeutungen beibehalten und nicht auf durch klischierte Feindbilder geprägte Kampfvokabeln eingeengt werden. Vor allem spielst du eigentlich jenen verkrampft bürokratischen und narzisstischen Intellektuellen, die du so hasst, gewissermaßen in die Hände, indem du nur ihnen zubilligst die „richtigen“ Intellektuellen zu sein. Immerhin heißt das Wort so viel wie „vom Verstand geleitet“. Und ich weiß, mein lieber, das bist du doch auch! Vom Gefühl natürlich ebenso, was sich ja nicht ausschließt, aber du kannst mir nicht erzählen, dass dein Denken über Film nichts mit dem achso kalten, zerstörerischen und asexuellen abstrahierenden Intellekt wie du ihn dir in deinem beständigen Wüten ausmalst zu tun habe, sondern sich zur rein gefühlsgeleiteten visionären Schau des Mystikers aufschwinge…obwohl, das wäre dir zuzutrauen 😉
    Wie dem auch sei, Junge, du bist intellektuell – und das ist gut so. Wir mögen dich, so wie du bist!

  16. Sam Spade on Juni 22nd, 2009 at 23:16

    @Sano und Alexander:
    Noch ein kleiner Nachtrag meinerseits zur Verriß-Diskussion: natürlich habe ich bei meinen eigenen Verrissen (von denen es bei kino.de ja einige gibt, wenngleich die lobenden Kritiken deutlich überwiegen dürften) selbst schon die verbale Sense geschwungen, mich also nicht an mein in meinem vorigen Beitrag ausgesprochenes Grundprinzip gehalten. Manchmal ist man eben ganz einfach sauer nach einem Film und schreibt dann sehr wütend, vielleicht auch sarkastisch, eben auch, um den Spaß nachträglich wieder reinzuholen, wie Alexander es so treffend ausgedrückt hat. Aber was ich eben sagen wollte: mich stört es immer dann, wenn ich den Eindruck habe, daß das nicht eine eher spontane Reaktion auf eine wirklich bittere Filmerfahrung darstellt, sondern wenn das ganze Methode bekommt. Und da gibt es eben Spezialisten für, die einen Verriß an den anderen reihen und eine Art fast schon sadistischen Vergnügens daran zu finden scheinen (ich erinnere mich noch gut daran, wie jemand auf der oben genannten Seite geradezu serienweise Filme als „brunzdummen Hirnfurz“ abtat). Und dieses geradezu systematische Verreißen, dieses unbedingt-schlecht-finden, das mag ich dann eben nicht.

  17. bekay on Juli 2nd, 2009 at 02:09

    Toller Text! Der Film hat mich so gelangweilt zurückgelassen, dass ich mich zu so einer präzisen Analyse nicht hätte hinreißen können. Besonders die Diskrepanz zwischen Bild- und Inhaltsebene ist einleuchtend herausgearbeitet. Ständig sehen wir Bankolés kantiges Gesicht in kantigen Umgebungen – die Close-Ups und Nahen versprechen uns die Partizipation an seinem Blick – ein Blick, der ständig als subjektive und einmalige Anschauung gepredigt wird. Was sehen wir: Sterilität, soweit dieser „magische“ Blick reicht… Es ist eigentlich schon fast zu offensichtlich, wie sehr der Film seine deutlich vor sich hergetragenen Thesen nicht erfüllen kann. Das nützt ihm aber auch nix.

  18. Andreas on Juli 10th, 2009 at 02:40

    Mit etwas Verspätung noch zu ein paar Dingen:

    @bekay
    Ja, diese Diskrepanz und die beinahe schon provozierende Nichterfüllung seiner eigenen Thesen kann fast nur als bewusste Methode ausgelegt werden, woraus sich aber letztlich leider auch kaum ein Mehrwert ergibt. Alles scheint wie gelähmt, es gibt in der Beziehung zwischen den Ebenen und Einzelaspekten des Films genauso wenig Dynamik und Wechselwirkungen wie in den Beziehungen zwischen seinen Figuren. Was angesichts der grundsätzlich durchaus spannenden Prämisse umso bedauerlicher ist.

    @Christoph
    War doch ein nur ein kleiner Spaß in Sachen „Trotzrezeption“, zumal du doch selbst vor einiger Zeit geäußert hast, es würde dich wundern, dass wir nicht häufiger auf deine „Klischees“ zurück greifen, während du das umgekehrt so oft tust. Ansonsten: ja, „uninspirierend“ kommt sicherlich besser hin, aber „blutleer“ trifft es auch ziemlich gut. 🙂

    @Verriss-Diskussion
    Die wollte ich mit der kleinen Nebenbemerkung eigentlich gar nicht lostreten. Muss da vielleicht auch nochmal Missverständnissen vorbeugen: ich habe prinzipiell nichts gegen Verrisse, zumal die gelegentlich ja auch durchaus erst recht Lust auf einen Film machen können, und tendenziell mag ich Texte, die mir Lust auf Filme machen (oder zumindest darauf, mich mit ihnen auseinander zu setzen), schon lieber als solche, die mich davon abschrecken – aber das hängt natürlich auch ganz vom Einzelfall ab, und ich will damit jetzt natürlich nicht unreflektiertem Hochgejuble das Wort reden. Keine Frage: wenn harte Worte heraus gefordert werden, sollten sie auch fallen, alles andere wäre mindestens Selbstbetrug – aber es geht hier ja auch eher um die Frage, ob man, wenn man die freie Wahl hat, lieber über Filme, die einen begeistert haben, oder über Filme, die einen verärgert haben, schreibt. Wobei es sicherlich in verschiedener Hinsicht problematisch wäre, ausschließlich das Eine oder das Andere zu tun. Warum ich selbst allerdings nicht übermäßig gern Verrisse schreibe, hat eher pragmatische Gründe: nach unerfreulichen Filmen habe ich überwiegend schlicht keine Lust, neben der bereits verlorenen noch weitere Zeit damit zu verschwenden, zumal ich von schwachen Filmen häufig auch einfach eher lustlos und unmotiviert zurück gelassen werde. Bei wirklich ärgerlichen oder stark enttäuschenden Filmerlebnissen ist das wohl noch mal etwas anderes, weil man sich dann mitunter zumindest zu einer Reaktion oder Positionierung heraus gefordert fühlt. Diese Überlegungen relativieren (bzw. erübrigen) sich aber in meinem Fall sowieso völlig dadurch, dass ich mich wegen Faulheit, problematischem Selbstanspruch und notorischer Aufschieberei seit längerem ohnehin kaum überhaupt mal dazu aufraffen kann, irgendwas Eingehenderes zu schreiben. Vielleicht kann dieses Blog irgendwann zumindest phasenweise dazu beitragen, das wieder ein bisschen zu ändern.

  19. Christoph on Juli 10th, 2009 at 16:45

    Deine Gruende „gegen“ Verrisse verstehe ich als ueberwiegender Lobeshymnen-Schreiber natuerlich sehr gut. Trotzdem – du aergerst dich einfach viel zu selten (lass dich provozieren! Reg dich auf! Entdecke die von Rajko zitierte „Lust am Filme schlecht finden“!), um dich zu einem Verriss angespornt zu fuehlen. Ich kenne allerdings dieses Gefuehl der Unlust, einem miesen Film, der einen aber auch voellig kalt laesst, ueberhaupt nicht weiter Beachtung zu schenken und die meisten meiner Verrisse sind vor allem auf gereizte Inbrunst und flammende Wut zurueckzufuehren.;-) Ich habe kuerzlich sowohl DAS LEBEN DER ANDEREN (zum zweiten Mal) und DER VORLESER gesehen und war danach so angeekelt von diesen beiden liderlichen (m. E.) Schrottstreifen, dass ich sehr stark versucht war, einen Doppelverriss zu schreiben. Letzten Endes habe ich es aber gelassen, weil ich mir fest vorgenommen habe, zunaechst keine Verrisse mehr zu schreiben, nicht, bis ich mich wieder sicherer im „Schreiber“-Sattel fuehle.

    @ Andi & bekay:

    Ihr macht mich nur noch ralliger. Ein toter Film und ein Film, der auf voellige Katharsis auf nahezu allen mechanischen Ebenen abzielt, da ist doch noch mal ein Unterschied zwischen.
    Trotzdem wuerde mir der Film augenblicklich wahrscheinlich eher auf die Nerven gehen, ich fuehle mich nicht besonders aufnahmefaehig derzeit und war gestern mit Sam Fullers SHOCK CORRIDOR (interessanter Zufall, Jarmusch bewundert Fuller ja sehr) schon fast ueberfordert. Die vier Bresson-DVDs, die ich hier erstanden habe, liegen weiterhin unberuehrt im Regal, abgesehen von LE DIABLE PROBABLEMENT, durch den ich mich letztes Wochenende gequaelt habe (kein gutes Zeichen, das – ich werde doch am Ende nicht noch zum Mainstreamer, dass ich meinen geliebten Bresson nicht bewaeltige?).

    @ The Critic:

    Ich weiss, ich hatte eine ausfuehrlichere Antwort versprochen, vielleicht kommt die auch noch, irgendwann – denn eine fruchtbare Diskussion zu diesem Thema koennte ich nicht ohne weiteres abbrechen ohne es hinterher zu bereuen.

  20. Sano on Februar 3rd, 2010 at 16:32

    Habe mir den FIlm letzten Monat endlich selbst angesehen, und ich muss sagen, dass ich dir nur zum Teil zustimmen kann. Fand ihn im Grunde äußerst gelungen, interessant, und typisch für Jarmusch. Was mir aber so langsam auf die Nerven geht, ist die Art wie sich die Kamera, die Ausleuchtung und wohl auch das Filmmaterial bei Jarmusch über die Jahre verändern. Sind Permanent Vacation und die meisten seiner 80er Filme noch vom rauhen, körnigen Indie-Look geprägt, werden seine Filme in den 90ern glatter, und liefen im letzten jahrzehnt Gefahr reine Oberfläche zu werden. Ich glaube das ist es auch, was viele bei Broken Flowers veranlasst haben könnte, zu denken Jarmusch ginge in Richtung Mainstream (eine ziemlich absurde Annahme, wenn man alle seine Filme der letzten 30 jahre kennt), und der glattgebügelte Look ist es wohl auch, was mich an Coffe & Cigarettes so ärgerte/Langweilte.
    Bei „The Limits of Control“ erreicht der Look fast schon eine widerwärtige Sterilität (die bei meiner DVD-Sichtung wohl noch verstärkt wurde), was zu starken Irritationen führen kann. Aus dieser Warte kann ich bekays Beobachtung nur unterstreichen:

    „Besonders die Diskrepanz zwischen Bild- und Inhaltsebene ist einleuchtend herausgearbeitet. Ständig sehen wir Bankolés kantiges Gesicht in kantigen Umgebungen – die Close-Ups und Nahen versprechen uns die Partizipation an seinem Blick – ein Blick, der ständig als subjektive und einmalige Anschauung gepredigt wird. Was sehen wir: Sterilität, soweit dieser “magische” Blick reicht… Es ist eigentlich schon fast zu offensichtlich, wie sehr der Film seine deutlich vor sich hergetragenen Thesen nicht erfüllen kann. Das nützt ihm aber auch nix.“

    Jedoch steckt in dem Film meiner Ansicht nach auch viel Schönes und Faszinierendes, und für mich war er schon ein Sehvergnügen. Lediglich die Allianz zwischen Jarmusch und Doyle (den ich bis zuletzt nur in den 00er Filmen von Wong Kar Wai als tendenziell unangenehm steril empfand) scheint mir eine gänzlich unpassende zu sein. Jarmuschs Kameraleute haben seinen Filmen schon immer sehr stark ihren eigenen Stempel (sprich: look) aufgedrückt, was bei „The Limits of Control“ nicht anders ist.

    Um aber auf die Qualitäten des Films zurückzukommen. Dieser sehr schön zu lesende Text gibt die positiven Aspekte des Films die ich zu entdecken glaubte, viel umfangreicher und klarer zum Ausdruck, als sie mir bisher erschienen sind:
    http://unspokencinema.blogspot.com/2010/01/limits-of-control.html

    Unbedingte Pflichtlektüre für alle die an diesem Film, oder Jarmusch allgemein interessiert sind!!

    PS: Ach, und hier nochmal alle Jarmuschfilme in der Reihenfolge meiner Wertschätzung inclusive seinem letzten:

    1. Dead Man
    2. Permanent Vacation
    3. Broken Flowers
    4. Stranger than Paradise
    5. Mystery Train
    6. The Limits of Control
    7. Ghost Dog
    8. Down By Law
    9. Night on Earth
    10. Int. Trailer Night
    11. Year of the Horse
    12. Coffee and Cigarettes

  21. Sano on Mai 13th, 2010 at 14:43

    Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen hier noch ein schöner Text zum Film: http://www.negativ-film.de/2010/03/jim-jarmusch-limits-of-control-2009.html

    Ich finde du solltest dem (inzwischen gar nicht mehr so) neuen Jarmusch nochmal eine Chance geben, Andi. 🙂

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