Ein paar Gedanken zu Zack Snyders neuer Superman-Verfilmung



Was habe ich mich auf den Film gefreut. Ein Actionfeuerwerk, ein rauschhaftes Schnittgewitter ohne Sinn und Verstand, einen digitalen Bilderbogen hatte ich mir vor der Sichtung versprochen. Und die zahlreichen negativen Stimmen aus meinem Bekanntenkreis schienen meine Vermutungen in dieser Hinsicht zu bestätigen. Doch dann kam alles etwas anders.

Man of Steel ist meine erste Begegnung mit Zack Snyders filmischem Universum. Damals als Dawn of the Dead und 300 erschienen sind, hat Snyder mich nicht interessiert, und sein Ruf in cinephilen Zirkeln war auch ziemlich schlecht. Ein Emporkömmling, einer dieser jungen Michael Bay-Epigonen, entsprungen der MTV Generation mit ADHS und keinem aktiven Interesse an Filmgeschichte. So in etwa hatte ich das zunächst, eher negativ konnotiert, abgespeichert. Nachdem einige meiner Freunde und Bekannten dann aber erstaunlicherweise auch ein paar positive Worte für seine Watchmen-Verfilmung übrig hatten, legte sich der einhellig negative Ton ein wenig, und der Mantel des Fanboy-Regisseurs schien von Snyder langsam abzufallen. Die Ausschnitte, die ich aus seinen Filmen danach ab und an zu sehen bekam, weckten jedenfalls meine Lust auf das visuelle Spektakel welches sie zumindest in Aussicht zu stellen schienen. Das waren natürlich alles Beobachtungen aus der Ferne, wie das so ist, wenn man über viele Filme liest und hört, weil man sie unmöglich alle sehen kann, und sich die Gedanken und Eindrücke verselbstständigen.

Die verschiedenen Trailer zu Man of Steel machten mir jedenfalls ungemein Lust auf den Film, und auch wenn ich nicht genau wusste, was auf mich zukommen sollte, stimmten mich die zahlreichen Kommentare aus meinem Bekanntenkreis wie gesagt sehr neugierig: Viel Action, wenig Handlung, Schauwerte anstelle von Charakterentwicklung, visueller Overkill und ähnliches mehr bekam ich zu hören und zu lesen. Die meisten Reaktionen die ich antraf waren ablehnend, teilweise vehement, meine Gegenüber schienen sich auch im Gespräch noch des Films erwehren zu wollen. Thomas schrieb eine etwas ambivalentere Kritik, Ciprian betonte die Analogien und die Unterschiede zu Inszenierungsstrategien des Computerspiels. Am ehesten konnte ich mir aber vorstellen Lukas‘ Ansichten zu teilen, da er die letzten Jahre mit einer bewussten Liebe für das (moderne) Bewegungskino ausgestattet zu sein scheint, die meinen Vorlieben sehr nahe kommt.

Doch, wie gesagt: Hatte ich mir eine Multi Millionen Dollar teure, in Michael Bay’sche Schnittgewitter versinkende, digitale Überwältigungsmaschine erhofft, so wurde ich vom vergleichsweise ruhigen und nachdenklichen Hybrid aus analoger und digitaler Filmkunst, einem Film der sich auf die (Film)geschichte Supermans ebenso bezieht wie er sie gleichzeitig neu zu schreiben versucht, doch überrascht. Man of Steel ist ein sinnliches Spektakel geworden, ist zeitgenössiches Überwältigungskino à la Hollywood, doch Snyder bedient sich dabei übergreifend, frei und uneingeschränkt aus den verschiedensten Quellen – alten, vertrauten, aber auch unerwarteten, irritierenden, und das mit einer Souveränität und einem Vertrauen in die Kraft des Bildes, die eher einem Veteranen im Filmgeschäft ähnelt. Die Energie, die Snyder aus den wohlkomponierten, rhythmisch stets durchdachten und narrativ verwebten audiovisuellen Sequenzen hervorzuholen im Stande ist, erinnerte mich teilweise stark an Terrence Malick, vor allem an dessen elliptische Erzählmethoden in seinem Opus magnum The New World. Das bedrückende und düstere Ende, als Pocahontas endgültig in England angekommen ist, sich für ihr Kind und die neuen Menschen in ihrem Leben entschieden hat, und sozusagen den Tod im Leben, die Transformation die sie durchgemacht hat, akzeptiert, anstatt sich an Vergangenes zu klammern, diese von Malick möglicherweise als humanistische Hoffnung einer Neugeburt angelegte allegorische Leerstelle, die für mich eine entgegengesetzte Erfahrung bedeutete, spiegelt sich bei Snyder in der Wandlung von Clark Kent zu dem, zu dem er werden muss. Für ein anderes Leben gibt es auf dieser Welt keinen Platz. Und wie Pocahontas, tötet auch er in gewisser Hinsicht sich selbst, sein altes Ich, seine Vergangenheit und seine früheren Ideale, um der Menschheit Hoffnung zu schenken. Der Lauf der Zeit lässt sich nicht aufhalten.

Die atemlose und fragmentarische Inszenierung, die manche Zuschauer bemängelten, hat für mich damit zu tun, dass Man of Steel von Anfang an geradewegs auf das Ende seiner Geschichte zusteuert, weil sie für den Regisseur eben da erst wirklich beginnt. Der Schrei, als Kal-El seinen letzten überlebenden Artgenossen eigenhändig tötet – das ist der Punkt auf den bis dato alles zustrebte, und das ist auch der für mich ersichtliche Grund, warum es für Snyder keiner besonderen, oder im Hollywoodkino so üblichen, verbalen, und inszenatorisch überbetont Zeichen setzenden, Ausformulierungen bedarf. Über zwei Stunden lang wurde ja eben davon, von dieser Entwicklung, in einer audiovisuellen Direktheit für welche das Kino prädestiniert zu sein scheint, erzählt.

Natürlich verlässt sich die Narration auch auf die Vorkenntnis des Stoffes, darauf, dass vermutlich jeder Zuschauer schon einmal die Verfilmungen von Richard Donner gesehen, oder Superman in sonstigen medialen Erzählungen oder oralen Überlieferungen begegnet ist. Dennoch funktioniert Snyders Verfilmung aber auch völlig für sich, benötigt keine Krücken um zu laufen, übernimmt sozusagen die Tugenden von Nolans erster Comicverfilmung Batman Begins, und hebt sie durch den um ein vielfaches idioysnkratischeren und selbstgenügsameren Inszenierungsstil Snyders auf eine Ebene, wie sie mir in großbudgetierten Superheldenfilmen aus Hollywood seit Tim Burtons erstem Batman von 1989 nicht mehr untergekommen ist. Die originäre Vision, die Snyder und sein Team dabei für die Supermanfigur entwickelt haben, kommt in ihrer Umsetzung beinahe an die imaginative Kraft von Richard Donners Meisterwerk aus den 70ern heran. Ich verspürte jedenfalls weit über den Abspann hinaus noch eine Gänsehaut, und freue mich jetzt schon auf den zweiten Streich, den Snyder uns in absehbarer Zeit servieren wird.

Was wäre noch zu erwähnen? Vielleicht das wirklich Erstaunliche: Hans Zimmer hat nach langer Zeit endlich wieder eine mir größtenteils überaus mundende Musik komponiert, und der geniale Amir Mokri vollzieht für mich, vermutlich auch aus fast vollständiger Unkenntnis seiner Arbeiten nach der Jahrtausendwende, so etwas wie eine Wiedergeburt als Kameramann! Hätte ich nach Ansicht der Trailer bereits gewusst, dass Mokri an der Kamera saß, meine Vorfreude wäre ins Unermessliche gewachsen. Mokri, der vielleicht mit Michael Bay und dessen Bad Boys II die von mir bei Man of Steel erlebte Neugeburt vollzogen haben könnte, war in den 80ern für die brillante und damals viel zu selten gewürdigte Kameraarbeit von Wayne Wangs Slam Dance und Kathryn Bigelows Blue Steel verantwortlich gewesen. Eigentlich hätten daraus zwei Oscarnominierungen und eine glanzvolle Hollywoodkarriere hervorgehen müssen, doch Ende der 90er schien es beinahe so, als ob die Laufbahn dieses begnadeten Lichtzauberers bereits wieder Vergangenheit wäre. Gottseidank ist danach nochmal alles ganz anders gekommen.

Eines noch: Eigentliche wollte ich gar nichts Größeres über den Film schreiben, höchstens ein paar Sätze für mein Sehtagebuch. Und wenn ich diesen kurzfristigen Erguss nun doch auf der Hauptseite als eigenständigen Text veröffentliche, so liegt das an der Bitte von Ciprian, der ich hiermit nachkommen will. Hmm ja, so richtig etwas zu sagen habe ich über den Film an dieser Stelle wohl nicht. Aber vielleicht kann ich mich mit der Bemerkung herausreden, dass nicht jeder Text gut sein muss, wenn er zumindest zu interessanten Überlegungen und Diskussionen animiert (sagt sich natürlich der Autor, nachdem er mit seinem Vorhaben, spontan etwas Substantielles zu Man of Steel zu Papier zu bringen, gescheitert ist). Und vielleicht kann man zumindest einen Teil meiner Euphorie darin nachempfinden. Denn bei aller adrenalinbetonten körperlichen Erregung, musste ich mir im Kinosessel auch die ein oder andere Träne aus dem Gesicht wischen. In diesem Sinne: Auf zur Kommentarfunktion! 😀

PS: Kurz vor der Veröffentlichung des Textes hat ein Eskalierender Träumer noch dieses wundertolle Supermanportrait angefertigt, weil ich mein Wunschbild aus dem Film im Internet nicht finden konnte.

Marcos Superman


Dieser Beitrag wurde am Montag, Juni 24th, 2013 in den Kategorien Aktuelles Kino, Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen, Sano veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

8 Antworten zu “Ein paar Gedanken zu Zack Snyders neuer Superman-Verfilmung”

  1. Ciprian on Juni 24th, 2013 at 02:24

    oah, Sano, mir erschloss sich das mit der Audiovisuellen Direktheit überhaupt nicht so. Vielleicht bin ich auch zu verdorben, da schwirrten in meinem Kopf die ganze Zeit Dinger wie Fallout 3, Uncharted 2 und 3, Skyrim und The Last of Us.

    Das aber, was Du in diesem Zusammenhang schreibst, hat mir Only God Forgives so lieb gemacht, auf einer sehr ähnlichen Art, wie du es hier ausführlich umschreibst. Und doch ist er so anders.

  2. Ciprian on Juni 24th, 2013 at 02:32

    Vielleicht hätte ich noch hinzufügen sollen, dass eine Menge Spiele sich solche Techniken zu eigen gemacht haben – über Bildassoziationen zu erzählen, oder über Ortassoziationen, und da ist vieles spielmechanisch bedingt so durchschaubar (man läuft ein Straße runter, sieht einen gelben Bus, und schon ist man dabei diese Erinnerung an den Unfall durchzuspielen, wenn man es auf Superman überträgt), so dass ich es mir anscheindend doch angewohnt habe, aus der entgegengesetzten Richtung auf, besonders auf solche mit Spielen thematisch vergleichbaren Filme zu blicken.

  3. Sano Cestnik on Juni 24th, 2013 at 02:40

    Kann ich alles nachvollziehen, und sehe die von dir gedachten Analogien durchaus. Nur während dem Film, kam in dieser Hinsicht bei mir nichts auf, und ich finde bei vielen anderen Filmen ist das offensichtlicher. Vielleicht bin ich da aber mehr auf Levelstrukturen und ähnliches getrimmt, und nicht so sehr auf die von dir beschriebenen Sachen, da ich ja schon seit über 10 jahren kein regelmäßiger Gamer mehr bin. Vielleicht sollte ich aber auch einen Blick auf die von dir gelisteten Spiele werfen, und dann würde es offensichtlicher. Denke die Spiele könnten mir gut gefallen. 😀

  4. Ciprian on Juni 24th, 2013 at 02:48

    Ich trieb es gedanklich so weit, als zu vermuten, dass es sich hierbei um eine bewusste Strategie handelt, um jungen Hüpfer mit Affinität für Joypads dem Stahlmann schmackhaft zu machen. Darum habe ich in meinem Text auch so viel über dem aus dieser Hinsicht „Vorläufer“ SUCKER PUNCH geschrieben.

    Also im Grunde ebenso kalküliert (aber dann doch Signatur, weil Snyder der einzige für mich ist, der das mit den Spielen so inspiriert in den Film übersetzt) wie etwa die Szene in der Kirche, die ich irgendwie nur als Verkausargument für gewissse Minderheiten/Mehrheiten sehen konnte, denn im Kontext des Films wollte sie mir nichts sagen.

  5. Sano Cestnik on Juni 24th, 2013 at 02:55

    Hmm, kenne ja leider noch keine weiteren Filme von Snyder, aber mir erschloss sich das als sein „Stil“. Also nichts Unorganisches, das man reingebracht oder angepappt hätte. Generell finde ich aber Videospielästhetik und -modi in Filmnarrative übertragen sehr interessant.

    Die Szene in der Kirche fand ich grandios. Da wird – wie für meine Wahrnehmung ständig im Film – so vieles angerissen. Für mich einer der intensivsten Momente im Film, da für den Priester ja Clark in etwa der zurückgekehrte Messias sein könnte.

  6. Sano Cestnik on Juni 24th, 2013 at 03:12

    Überhaupt muss ich sagen, dieses „Unmotivierte“ und die „Logiklöcher“ die manche in dem Film sahen (siehe auch die von dir in deinem Text erwähnten links in Thomas‘ Text) konnte ich nicht erkennen. Das alles war für mich in sich größtenteils schlüssig. Dass Superman z.B. nicht töten soll/will konnte ich in dieser Verfilmung nicht erkennen, und werte es als ein Plus. Die Tragik am Ende, ist nicht, dass er tötet (das macht er ja zu dem Zeitpunkt schon länger, wie sonst soll er seine Artgenossen loswerden!?), sondern wen: den letzten seiner Spezies, seine letzte lebende Verbindung zu seiner Vergangenheit. Und Zod wird ja auch nicht als klassischer Bösewicht inszeniert, sondern als gebrochene Figur. Wie er einmal so schön sagt, dass er darauf programmiert wurde Krypton zu schützen (the purpose of my birth).

    Vielleicht haben einige den Film auch mit zu viel Vorkenntnis des bisherigen(!) Supermanuniversums angeschaut, und dadurch zahlreiche Neubeschreibungen übersehen? Vor allem wegen der elliptischen Erzählweise, die ja Vorwissen impliziert (das dann aber eben oft nicht „passt“). Für mich war eben auch das Tolle, dass das Supermanuniversum neu entworfen wurde. Wir begegnen bei MAN OF STEEL meiner Meinung nach im Gegensatz zu Bryan Singers (ebenfalls gelungenem, aber gänzlich anders konzpiertem) SUPERMAN RETURNS keiner Re-Inszenierung bekannter (vor allem filmischer) Vorgänger, sondern eben auch einer genuinen Neu-Aneignung.

  7. Mr. Vincent Vega on Juni 24th, 2013 at 09:35

    Schlimm. Nur schlimm. Sano versteht das Kino nicht.

  8. Sano Cestnik on Juni 24th, 2013 at 13:01

    Mr. Vincent Vega eckt an. 😉

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