Die Hosen herunter, hab‘ ich gesagt!



Liebe Freunde der eskalierenden Träume, liebe Programmgestalter*innen, liebe Kinobetreiber*innen, es gibt mal wieder etwas ganz Neues bei uns:

Wer Programme oder Festivals kuratiert, sich in irgendeiner Weise mit der Ausleihe von Filmkopien auseinandersetzen muss oder auch nur ein Interesse an archivarischer Arbeit besitzt, weiß, dass der Handlungsspielraum für eine niedrigschwellige Präsentation von Kulturschätzen der Vergangenheit zunehmend enger wird. Viele große Institute verleihen Archiv- sowie Unikatskopien gar nicht mehr oder zunehmend allein unter ihresgleichen, die dazugehörigen Archivstellen sind meist unterbezahlt wie -besetzt, laden die dort Arbeitenden nicht unbedingt zu uneigennützigen Engagement in der Suche oder Vermittlung zwischen Kino und Brötchengeber ein.
Wenn es weitergeht wie in den letzten Jahren, werden wir die vielen Programme – gerade auf cinephilen Festivals oder in kleineren Programmkinos – mit seltenen Gaben vielleicht schon allzu bald nicht mehr in der uns allen noch sagenhaft reichhaltig erscheinenden Form der Gegenwart kennen.

Deshalb haben wir uns nun entschieden, die Hosen herunterzulassen – ganz transparent und für jeden einsehbar im Internet. Auch wenn es nie ein Geheimnis war, wissen wenige, dass wir ein Archiv unterhalten, welches nicht mit dem des KommKinos Nürnberg identisch ist. Listen zirkulierten bislang einfach von Hand zu Hand. Es ist an der Zeit, dies zu ändern. Nicht zuletzt auch in der Hoffnung, zumindest ein kleines Zeichen gegen den fortschreitenden Entzug der Zeugnisse unserer kulturellen Geschichte aus dem öffentlich einsehbaren Raum zu setzen. Der Zerfall einer Kopie ist unvermeidlich und völlig normalen chemischen Prozessen geschuldet, die analoge Projektion – einst Alltag des regulären Kinobetriebes – hinterlässt auch bei fürsorglicher Handhabe unweigerlich Spuren am Material. Wir glauben, dass dies hinzunehmen ist, dass Kopien ein Gebrauchsgegenstand und keine tote Materie für die Einlagerung bis zum Ende ihrer Tage sind. Eine unsichtbare Unikatskopie nützt niemandem, nicht einmal dem, der sie verwaltet und von Lagerort zu Lagerort verschiebt. Im Gegensatz zu einem Buch, Fotografien oder anderen dublizierten Massenverbreitungsformen eines Werkes, ist eine zeitgenössiche Filmkopie heute de facto kaum oder nur zu Preisen, die niemand zahlen kann, zu replizieren. Sie bleibt meist unweigerlich ein Unikat in den Händen einzelner. Es ist die Verantwortung dieser pflegenden Hände sie nicht bloß für die Mitmenschen der Zukunft zu erhalten, sondern sie auch den Mitmenschen der Gegenwart zugänglich zu machen. Ein Abwägungsspiel freilich, eines jedoch, das gegenwärtig in den Ausgleich des Pendels durch Entsagung zu rutschen droht. Wir alle können dem nur gemeinsam entgegenwirken. Wenn ihr das ähnlich seht, würden wir uns sehr darüber freuen, womöglich ein paar Gleichgesinnte zu finden, die ebenfalls für mehr Transparenz und weniger Verschluss ihre wohlgehüteten Geheimnisse preisgeben.

Von nun an lässt sich unter dem unkreativ betitelten Reiter „Kopienleihe/Bestandsliste“ oben rechts auf der Startseite alles einsehen, was bei uns liegt und ausgeliehen werden kann. Eine Entleihe gemäß der angegebenen Konditionen kann jederzeit bei André, Andreas oder Christoph erfolgen.

Viel Freude beim Stöbern und hoffentlich gute Anreize für die Programmgestaltung wünscht,
Die Redaktion

Alles ist Volkslied – dem großen Archivar und Volksmusikquerulanten Heino zum 85. Geburtstag

    Ob Rap, ob Pop, ob Rock ’n‘ Roll
    Egal, ich find‘ das alles toll
    Doch mein Herz, das hängt, das weiß man ja
    Am Volkslied, das ist doch klar

    (Haselnuss, 1989)

1967, plötzlich war er da, der junge Konditor mit der Autorität von 1000 Leben und Meeren in der erst 28-jährigen Stimme. „Kein schöner Land in dieser Zeit“Fahrtenlieder, Seemannsglück, Seemannstod, ein bisschen Vergnügliches und wilde Gesellen, vom Sturmwind durchweht. Eines der idiosynkratischsten Debüts der volkstümlichen Musik im zeitlichen Umfeld von Ohnesorg, Sechstagekrieg, Summer of Love und der auch in der Bundesrepublik aufkeimenden Hippiebewegung greift inmitten der immer drängender erscheinenden Gegenwart ganz tief in die kulturelle Schatzkiste der Vergangenheit. Das traditionelle Volkslied als Wiedergänger in den kommerziellen Erwägungen der volkstümlichen Musik, die bündische Jugend, sie marschiert wieder durch die Lande? Für wen? Wilde Gesellen, die hat auch Degenhardt, der zertifizierte Anti-Heino, einmal besungen – mit an die Zeiten angepassten Text von Ernst Busch aus dem spanischen Bürgerkrieg, mit unweigerlich aus einer anderen Zeit gefallenem Text im Jahre 2000. Elektrisch zudem, wie Bob Dylan in Newport ’65. Weiterlesen…