100 deutsche Lieblingsfilme #69: Die Supernasen (1983)
In den muskelbewehrten 1980er Jahren galt zumindest im hochgradig kommerziellen Segment des Kinos nicht selten als cool, wer sich rücksichtslos behaupten konnte – gegen ganze feindliche Armeen, gegen schmale Waden, gegen die schnöde Brotarbeit. Ja? Nein, eher nicht, es war ein strebsames Jahrzehnt, die Körperoptimierung des Menschen erreichte neue Höhen. Mike und Thommy können sich leider weder mit einem enthusiastisch ausgeführten Job noch mit dem gestählten Körper eines Adonis rühmen. Mens fervida in corpore lacertoso – nicht ganz, Monsieur de Coubertin. Und diese Nasen erst. Generell scheint sich „Die Supernasen“ der despektierlichen Wendung, die der simple Name unseren Riechkolbens bei umgangssprachlicher Anwendung erfahren kann, sehr wohl bewusst. Sie leben halt so in den Tag hinein, die beiden Nasen, in dieser endlich von ganz großen Produzenten und noch größerem Publikum wiederbelebten Neuauflage des gepflegten Münchner Slackerfilms. Klaus Lemke in poliert und überaus wohlbudgetiert, denn wie schon gelegentlich bei Cleo und Wolfgang verschwimmt die Distanz zwischen Protagonisten und Darstellenden nicht allein beim Rollennamen.
„Die Supernasen“, der Film, in dem zwei Typen, die – glaubt man dem das Populärkreative chronisch gering Schätzenden – halt sonst nicht viel konnten, zwei Typen spielen, die halt sonst nicht viel können. Herumgammeln, sich so durchwuseln, aber das schlagfertig und mit Charme. Wo vergleichbare Versagerkomödien ihre Helden zumeist und speziell gegen Ende hin, wo nicht selten der große Aufschwung in die gesellschaftliche Brauchbarkeit lockt, ernst nehmen, wirkt Thomas Gottschalk über die gesamte Laufzeit konstant wie die Eigenparodie des schmierig-onkelhaften Gockels, der ihm gerne nachgesagt wird. Krüger wie der clevere Bursche, der zwar fast alles weiß, es am Ende aber doch nur in Gitarrenspiel zu humorigen Texten ummünzen kann. Dass sie diesen zweiten gemeinsamen Film tatsächlich erstmals komplett selbst geschrieben haben, macht das lustvolle Spiel mit der überspitzten Eigen-, besonders aber der für Prominente meist besonders spitzzüngigen Fremdwahrnehmung nur noch heilsamer.
Einmal wird ganz nonchalant die vierte Wand gebrochen, ein altkluger Junge erkennt in Thommy und Mike verkleidet als saudischer Scheich nebst Anhängsel direkt den Ursprung: Thommy (Gottschalk) und Mike (Krüger) aus dem Fernsehen, die zwei entlarvt dreinglotzende Schlitzohren in aberwitziger Verkleidung geben. So pointiert und schnörkellos auf den wunden Punkt ist das ganze Buch der beiden, eine nach wie vor nur verhalten gewürdigte Glanzleistung deutschen Komödienschreibens und doch ist der nie versiegende Lachfluss gar nicht das schönste an ihrem Film, sondern vielmehr die großformatige Zielscheibe inmitten dieses Stroms. „Die Supernasen“ ist ein unbarmherzig selbstironischer Film, allerdings keiner von falscher Bescheidenheit – den gesamten Spaß zieht er aus der eigenen Insuffizienz und ist dabei unverfroren genug, dies auch noch gut zu finden. Antithesen zum herrschenden Zeitgeist haben sich selten formvollendeter gehen lassen.
Die Supernasen – BRD 1983 – 88 Minuten – Regie: Dieter Pröttel – Produktion: Karl Spiehs, Otto Retzer, Erich Tomek – Drehbuch: Thomas Gottschalk, Mike Krüger – Kamera: Fritz Baader, Otto Kirchhoff – Schnitt: Eva Pavlikova, Claudia Wutz – Musik: Gerhard Heinz – Darsteller: Mike Krüger, Thomas Gottschalk, Susann B. Winter, Andrea L’Arronge, Liane Hielscher u.v.a.
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