Wong Kar Wai Redux
Habe über Thomas Grohs Blog und Ekkehard Knörer in Cargo (oder umgekehrt und wie auch immer) 2 aufschlussreiche Beiträge zu den verschiedenen Filmversionen in Wong Kar Wais Werk gefunden. Kein geringerer als David Bordwell outet sich auf seiner Homepage als totaler Wong Kar Wai Fanboy, und erweist sich – wieder einmal – als ähnlich versierter (Analyse-)DJ wie sein Idol.
Wer dem Hongkonger Elegiker ebenso verfallen ist wie Bordwell (wozu – ich muss es gestehen – meine Wenigkeit natürlich definitiv dazugehört), wird sich sicher über diese beiden Aufsätze freuen.
Einmal zum großartigen Days of Being Wild
Das andere Mal zu dem von mir verschmähten (von Bordwell aber scheinbar hochgeachteten) Ashes of Time (Redux)
Auf den Bordwell-Text zu „Ashes of Time Redux“ bin ich irgendwann um Weihnachten rum auch mal gestoßen, hab ihn aber nur kurz überflogen, weil ich damals keine große Lust hatte, mich nach der Redux-Sichtung überhaupt noch näher mit dem Film zu beschäftigen. Werde ich bei Gelegenheit nachholen. Ebenso wie die frühere Schnittfassung von „Ashes of Time“, die nach der Enttäuschung über die Redux-Fassung dann doch dringend mal sein muss, zumal einige Bilder und Trailer, die ich von beiden Fassungen im Vergleich gesehen habe, dann doch darauf hindeuten, dass mir die alte Fassung deutlich besser gefallen könnte. Allein die Musik dürfte ein kaum zu unterschätzender Vorteil der alten Fassung sein. Hab jedenfalls durchaus Hoffnung, dass ich in irgendeiner Form und Fassung doch noch Zugang finde zu diesem Film. So schnell will ich einen solchen (von vielen Wong-Fans ja hochgeschätzten) Film eines Lieblingsregisseurs dann doch nicht aufgeben. Mal schauen…
Die alte Fassung ist großartig und neben „Fallen Angels“ mein Lieblingsfilm von Wong. DieRedux-Fassung kenn ich noch nicht, aber nachdem, was Bordwell so schreibt, habe ich auch nicht viel Lust drauf. Die ganzen schönen Action-Szenen zusammengestrichen? Das tolle an dem Film war doch gerade, dass sich der typisch Wong’sche Herzschmerz-Kosmos hier mit spektakulär-delierierenden Kampfszenen verband, von jeglicher Naturgesetzmäßigkeit befreit und ganz Kinetik geworden, wie sie für den Fantasy-Martial-Arts-Film in Hongkong in den frühen 90er Jahren so berühmt waren. Die Kampf-Choreographie hat niemand geringerer als Genre-Ikone Sammo Hung verantwortet, Chris Doyle hatte offensichtlich auch seinen Spaß, sich mal an Kampfgetümmel auszutoben, und auch wenn sich Wong schon in der internationalen Fassung nicht sonderlich für die Kämpfe an sich zu interessieren scheint (um Übersichtlichkeit geht es ihm dabei wirklich nicht), so geben sie dem Film eben doch den besonderen markanten Kontrast zu den Dialogszenen.
Vor allem ermöglichen sie Wong etwas, was in seinen anderen Filmen nur bedingt anklang – seine Charaktere wirklich auf ihre realitätsgelöste, mythologische Essenz zu reduzieren. Im Bereich des Fantasy ist eben mehr möglich als im Großstand-Drama, auch wenn die Wong’schen Liebesmythen auch in allen seinen anderen Filmen im Zentrum stehen. „Ashes of Time“ ist hier aber wesentlich entfesselter, die Charaktere keiner Realität mehr verantwortlich („2046“ versucht einen ähnlichen Ausbruch richtung Science-Fiction).
Das geht vielen Arthouse-Wong-Fans, die natürlich „In the Mood for Love“ für seinen besten Film halten (für mich ist es sein mit Abstand langweiligster – aber natürlich irgendwie immer noch großartig), sichtlich zu weit. Wie kann so etwas profanes wie ein Martial-Arts-Film schließlich auch Kunst sein? Anscheinend will Wong sein Frühwerk nun mit dem westlichen Arthouse-Publikum versöhnen, seit Zhang Yimou und Ang Lee bewiesen haben, dass man auch mit Kung-Fu-Filmen zur Oscar-Verleihung eingeladen werden kann. Nur ist „Ashes“ in dieser Hinsicht eben ziemlich oldschool und sehr genau in der Ästhetik der frühneunziger Action-Flicks aus Hongkong verhaftet. An heutigen Maßstäben gemessen sind die Kampfszenen geradezu grotesk, wild und wirr. Toll für Fans, sichtlich zuviel für den gediegenen westlichen Asien-Arthouse-Connaisseur. Also weg damit.
Schließlich werden die Action-Szenen in Hongkong-Filmen traditionell meist komplett vom Action-Regisseur inszeniert. In dem Fall also Sammo Hung und nicht Wong Kar-Wai. Stören also das Wong-Feeling. Dabei macht gerade eben dieser Kontrast, der Hang zum Diskontinuierlichen, den Film eigentlich so spannend. Wongs entfesselte Liebesmythologie allein kann dem Zuschauer hier schon schwer zusetzen, aber der Ausgleich macht die Faszination.
Die Musik entspricht da auch ganz klassischen Synthie-Traditionen, wie sie im phantastischen Hongkong-Film seit den 80ern dominant waren. Der Genre-Fan fühlt bei den Synthie-Moll-Breitseiten gleich ganz heimelig. Zeitgemäß ist das natürlich kein Stück mehr – gerade angesichts Wongs Soundtrack-Tademark aufgewärmter alter 60’s-Schnulzen. Passt nicht zur Autorenhandschrift. Weg damit. Ob die neue Musik dann nach zum Film passt? Egal. Hauptsache, sie passt zu Wongs Ego.
Und dann die Farben: Der Film spielt in der Wüste. Was hat da bitteschön der von Bordwell angesprochene Grünstich verloren? Auf meiner Hongkong-DVD ist alles voll wärmster, erdiger Gelb-, Braun- und Rottöne (na gut, etwas rotsichig ist sie wohl, aber es passt irgendwie), und dazu der gleißend blaue Himmel – herrlich! Sieht fast etwas aus wie „Lawrence of Arabia“ oder King Hu’s thematisch verwandte Klassiker „Come Drink with Me“ und dessen quasi-Remake „The Fate of Lee Khan“.
Okay, ich hab die Redux-Fassung noch nicht gesehen. Darum sollte ich vielleicht aufhören, darüber zu lästern. Für mich war das tolle an „Ashes of Time“ jedenfalls immer, dass Wong dabei so viele Leute ins Handwerk gepfuscht haben, dass aber trotzdem noch genug von ihm darin steckt, um den Film einzigartig zu machen. Eine „Ashes of Time“ ganz unter seiner (gerade heutigen) Kontrolle – das kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Der Film war perfekt, wie er war.
Was du schreibst klingt super. Genau das, was ich mir immer von dem Film versprochen habe. Wegen der scheinbar schlechten Qualität der „Ashes of Time“ DVDs und angesichts der Vorgänge um eine Bearbeitung des Films durch Wong Kar Wai persönlich, habe ich mich in den letzten Jahren nicht sehr bemüht an den Film ranzukommen. Dachte halt (wie wahrscheinlich die meisten Fans), dass der Film in der Redux Fassung nur noch besser werden kann, wenn der Maestro selbst Hand anlegt, und seine ursprüngliche Vision des Films verwirklicht. Nur, kann das, was ich dann im Kino gesehen habe, UNMÖGLICH die ursprünglich geplante, aber von den bösen Produzenten verhinderte Version sein.
„Ashes of Time Redux“ atmet so sehr den Wong des neuen Jahrtausends (post „In the Mood for Love“scher Prägung), dass es mir persönlich nicht mehr wirklich schmecken konnte, und es nach dem für mich äußerst enttäuschenden und irgendwie substanzlosem „My Blueberry Nights“, eine sehr ambivalente Erfahrung war, diesen neuen Film (denn so möchte ich ihn zunächst bezeichnen), auf der Leinwand zu erleben.
Da ich das Original nicht gesehen habe, stützen sich meine Beobachtungen, ebenso wie die aller auf unserem Blog bisher an dieser Diskussion Beteiligten, auf Ausschnitte, Berichte, Bilder und sonstige Informationen. Was mir symptomatisch für den Unterschied der beiden Fassungen zu sein scheint, ist – wie es auch Michel oben beschrieben hat – der veränderte Einsatz der Musik. Zwar habe ich gelesen, dass Wong schon bei der internationalen Fassung mit dem Einsatz der (Synthesizer?)Musik nicht zufrieden gewesen sein soll, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er damals stattdessen einen ähnlichen gelagerten Soundtrack wie bei der Redux Fassung gewählt hätte. Mir persönlich hat der neue Streichersoundtrack im Gesamterlebnis gar nicht gefallen. Ein schmalziges, pathetisches Stück emotionaler Bevormundung, also ein akkustischer Eindruck, der mir den ganzen Film in die atmosphärische Nähe von „In the Mood for Love“und „2046“ zu rücken schien – im negativen Sinne.
Ich muss natürlich hinzufügen, dass ich den Plot und die Handlung des Films nicht wirklich nachvollziehen konnte, es mir aber auch relativ egal war, weil mich die Figuren kein bisschen berührt oder interessiert haben (für mich ein absolutes Novum beim Erlbenis eines Wong Kar Wai Films).
Die Hoffnung auf Sammo Hungs Action-Choreographie, und den Synthesizer Sound der alten Fassung, geben mir aber Hoffnung, dass mir „Ashes of Time“ noch gefallen könnte.
Die Kombination von Wong Kar Wai und Martial Arts scheint immer noch sehr verlockend, doch scheint Wong in seiner jetzigen Karrierephase nicht wirklich an Martial Arts interessiert. Die Behandlung der Kämpfe im Kontext des Films kam mir in der neuen Fassung jedenfalls sehr nebensächlich vor, und dadurch leider eher uninteressant.
Wong Kar Wai scheint mir aus heutiger Sicht ein repräsentatives Beispiel für viele anerkannte Hongkong Regisseure und die Entwicklung der Filmindustrie zu sein. Anfang der 90er noch vollkommen in die vielfältige und florierende Hongkonger Filmwelt eingebunden, hat er inzwischen den Bezug dazu etwas verloren, und sich „internationalisiert“. Meine Ablehnung dieser Tendenz hat natürlich viel mit meiner Verehrung von Wongs Schaffensphase zwischen 1987 und 1997 zu tun, und meiner zunehmenden Entfremdung von seinem Oeuvre zwischen 1999 und 2009.
Die Wahrnehmung von Wongs Filmen im Westen, und seine Annektierung als „Arthouse“-Regisseur (spätestens seit „In the Mood for Love“), sehe ich auch sehr ähnlich wie Michel sie beschreibt. Somit wird mal wieder „Kunst“ von „Kommerz“ getrennt, eine Tendenz die sich in der internationalen Filmgeschichtsschreibung und der Filmtheorie (vor allem im Westen?) durch die letzten 100 Jahre wie ein ätzender roter Blutfaden zieht. Eine Verdrängung des Films als Kunstform, auf Kosten seiner Ein- und Unterordnung in bestehende reaktionäre Modelle und Wahrnehmungsformen, die das exklusive Label „Kunst“ auf bestimmte eingeschränkte gesellschaftliche Rezeptions- und Denkformen begrenzen.