Tod der Arthouse!



 

Beim Lesen eines Artikels in der neuen Ausgabe von Cargo, ist mir mal wieder eines der großen Übel der gegenwärtigen Filmlandschaft über den Weg gekrochen. Nein, ich spreche nicht vom Multiplex. Aber im Grunde vielleicht doch, denn es geht um ein sehr ähnliches Problem. Dem allgegenwärtigen Formatierungswahn unserer Mediengesellschaft sind inzwischen ja bekanntlich keine Grenzen mehr gesetzt. Alles muss abgemessen, gewogen und kategorisiert werden, und auch beim Film lässt sich eine Tendenz ablesen, die die Musikbranche für mich schon längst zum abschreckenden Beispiel hat mutieren lassen. In unserer heutigen Welt kann jede Rand/gruppe ihr eigenes Süppchen kochen. Die Schwulen, die Schwarzen, die Feministen, die Nazis, die Politiker, die Freunde der Wale, des Eichhörnchens, oder der Fledermaus. Aber bitte nicht die Anderen damit belästigen. Ich stelle mir einen Arbeiter im 19. Jahrhundert vor, der sich fragt was er denn gerade liest? Einen Gesellschaftsroman, ein Theaterstück oder eine Kriminalgeschichte. In unsere heutige Zeit versetzt, würde er sich wohl fragen, warum ihn scheinbar nichts mehr angeht, weil er nicht zu der und der Gruppierung zu zählen ist. Über Migranten können scheinbar nur Politiker und die Migranten selbst reden. Ein bisschen mehr Glück hat man vielleicht als Rollstuhlfahrende schwarze Lesbierin mit S/M-Fetisch. Da kann man dann in mehreren Bereichen mitreden. Ich gebe zu, selbst in der Malerei gab es recht lange Unterscheidungen in Kategorien wie Portrait, Landschaft oder Stilleben. Kategorien, die aus der Funktion von Kunstwerken erwachsen sind, und was damals galt, gilt zum Teil auch heute. Doch Funktion heißt nicht automatisch Sinnhaftigkeit. Wenn in der Post-Post-Post-Moderne des 21. Jahrhunderts die Kategorien längst aufgeweicht sind, und vieles was früher unvorstellbar gewesen wäre gesellschaftlich erlebte Wirklichkeit geworden ist, wobei den Möglichkeiten immer weniger Grenzen gesetzt zu sein scheinen, sagt die Tatsache, dass ein Auto rot ist, dennoch meist immer noch so wenig über das Auto aus, wie vor 100 Jahren.




Doch der Wahn der Zuordnung, und der Grad der Obsession mit medialen Catchphrases hat zugenommen. Wohl ein Erbe der zahlreichen „-ismen“ der ersten Hälfe des 20. Jahrhunderts, als einzelne Kunstströmungen noch das Wesen ihres Selbstverständnisses stets in einem Allmachtsanspruch des „Neuen“ gegenüber dem „Alten“ behaupten zu müssen glaubten, existiert heute ein unbekümmertes Nebeneinander von chillout downtempo ambient dub trip hop acid jazz melodious acoustic rock rap electro world. Doch der scheinbare Individualismus, der anfangs Vielfalt erzeugt, erweist sich im Nachhinein oft als verzeifelter Identifikationsversuch, der einem sprachlich nicht zu klassifizierenden Phänomen kaum beizukommen vermag. Im Grunde sind die unzähligen Genrebezeichnungen ein Auslaufmodell, das einem Verständnis von Musik als Gesamtkunstwerk ebenso zuwiderläuft wie der einfachen Konsumierbarkeit. Ein Auslaufmodell, dass sich in unserem Zeitalter der Political correctness aber hartnäckig zu behaupten weiß.



Von ähnlichem rein historisch geprägtem Interesse ist beim Film die Bezeichnung Arthousekino, die sich dennoch als gängiger Alltagsbegriff durchgesetzt hat. Wie andere beliebte Labels (siehe „Berliner Schule“) ist mit diesem Marketing-Kunstwort eigentlich nichts ausgedrückt, und doch umfasst er scheinbar Vieles. Die skurrile Komödie aus Lateinamerika, Skandinavien, oder Osteuropa, den sozialkritischen Blick auf eine globalisierte Wirklichkeit, das „wir sind doch so verschieden aber doch alle gleich“ einer vom ewigen Mittelmaß geprägten westeuropäischen Wohlstandsschicht des kreativen Stillstands. Und in Deutschland im Grunde alle Dokumentarfilme, die die Kinoleinwand erreichen. Auf eine präzise Formel bringt Bert Rebhandel den Begriff, wenn er in seinem Beitrag in Cargo schreibt: „Arthouse-Filme sind auf eine weniger ausdrückliche Weise kommerziell, sie verzichten aber auch so weitgehend auf Formexperimente und reflexive Strategien, dass sie in der Regel problemlos zu konsumieren sind.“ Im Grunde sind Arthousefilme also der erwachsene Bruder der üblichen Multiplexfilme. Denn finanziert und hochgezüchtet werden sie meist von europäischen Förderkonzernen mit großkapitalistischen Ansprüchen. Man kann fast 100-prozentig sicher gehen, dass in jedem in Deutschalnd als Arthousefilm betitelten Kinostreifen mehr oder minder kräftig an den Fördertöpfen genascht worden ist. Mit den nationalen Filmlandschaften und den Bedürfnissen der einzelnen Filmemacher (falls sie denn welche besitzen) hat das wenig zu tun, denn geträumt wird nicht nur vom übergreifenden „Europäischen“ Film, sondern im Sinne des globalen Anspruchs vom Film, der in jedem Teil der Welt als beliebige Projektionsfläche zwischen sozialkritischer Attitüde und geschmäcklerischem Kunstersatz funktionieren kann. Wohlgemerkt in jedem zivilisierten, industrialisierten und kultivierten Teil der Erde. Mit dem Alter wird die Welt manchmal eben doch etwas größer, der Horizont erweitert sich, die Ansprüche steigen. Und es ist in bestimmten gesellschaftlichen Situationen einfach nicht gleichermaßen angebracht, über den hedonistischen Genuß der letzten kolonialistischen Superheldenfantasie zu berichten, wie zu behaupten, dass man sich in der skurrilen portugiesischen Verliererkomödie Gedanken zum Stand der gegenwärtigen Arbeiterklasse gemacht hat.



Aber Worte wie Arbeiterklasse sind im Athousesegment inzwischen ebenso verpönt wie das Signum der Unterhaltung, denn Ernst muss es klingen, auch wenn man im Grunde um der humoristischen Spitzen ins Kino gegangen ist. Meist habe ich das Gefühl die wirklich widerlichen Vertreter des Arthousekinos an ihrem Zuckerguß aus Ironie zu erkennen. Denn das beliebte Stilmittel der Distanzierung ermöglicht in diesem Fall nicht die Reflektion, sondern öffnet tatsächlich die Tür zur verantwortungsfreien Zone der bewusstseinslosen Identifikation mit dem Fremden als Eigenem. Wenn in Texten deutscher Schlager der 60er und 70er Jahre oft der wilde Italiener oder der rassige Spanier auftauchten, waren sie so Ausländisch-Deutsch wie der Mallorcabesucher  im Sauerkrautzelt. Die Aneignung des Fremden im Arthousefilm verläuft über ähnliche Praktiken, sind doch der arbeitslose Brötchenbäcker aus Venezuela, oder die sympathische kasachische Prostituierte stets mit Charaktereigenschaften ausgestattet, die für den europäischen Zuschauer die erforderliche Balance zwischen erwarteter Realitätsbezogenheit und geforderter Identifikationsfläche bieten. Der gegenwärtige Arthousebrei, der die deutschen Kinos ebenso verstopft wie das amerikanische Hollywoodpendant die postindustriellen Lagerhallen des Mehrzweckgebäudes, verursacht dem Cineasten aber meist noch größere Magenkrämpfe. Heuchelei ist hierbei das Stichwort eines Konsumenten, der den Kinderschuhen entwachsen, nicht mehr in der Norma, sondern im Biosupermarkt einkaufen geht und seine Markthörigkeit und Markenabhängigkeit möglichst unter dem Deckmantel der Liberalität verstecken möchte. Im Grunde kann ein Label wie das Arthousekino nur in Gesellschaften Fuß fassen, denen es erfolgreich gelungen ist ihre Mitmenschen auszubeuten, und dennoch Solidarität zu predigen, von der Welt zu reden als hätte man sie schon zwanzigmal bereist, und dennoch immer pünktlich zu allen Konferenzterminen zu erscheinen – in Gesellschaften also, in denen der Selbstbetrug zum allgegenwärtigen Mantra geworden ist. Apolitisch im schlechtesten Sinne, spricht der Arthousefilm jeden und niemanden an, erzählt von „uns allen“ und hat doch nichts zu sagen. Natürlich gibt es auch im Arthousesediment sehenswerte Filme, die jedoch aufgrund der zwangsweisen Labelisierung kaum auf Anhieb als solche zu erkennen sind. Scheiße stinkt eben in der Masse gewaltiger, und ein frischer Lufthauch verschafft dem Erstickenden nur vorübergehend Erleichterung. Wenn also eines Tages die ganzen Multiplexe Konkurs anmelden sollten, folgt der europäische Förderungsfiskus hoffentlich direkt nach. Vom Tod des Kinos mögen dann manche reden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Dieser Beitrag wurde am Freitag, Juni 11th, 2010 in den Kategorien Aktuelles Kino, Ältere Texte, Blog, Essays, Sano veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

8 Antworten zu “Tod der Arthouse!”

  1. Tanja on Juni 11th, 2010 at 21:21

    Hallo Sano,

    ein Text wie ein Wutschnauben 😉
    Ich finde deine einleitenden Gedanken spannend, allerdings verstehe ich einen Argumentationszusammenhang nicht (was daran liegen könnte, dass ich bei Filmbegriffen eher unwissend bin): du gehst von der unendlich auffächerbaren Bezeichnung von Musikstilen aus und vergleichst das dann mit dem Arthouse-Begriff, der – nach deiner Aussage – alles mögliche in sich vereint. Ist das nicht ein genau gegenläufiges Phänomen?
    Insgesamt, auch wenn ich jetzt zum filmischen nicht viel sagen kann, meine ich doch, dass das nicht nur eine Erscheinung des Kinos ist, sondern großer Teile unserer Gesellschaft – Kritik, Satire, das alles kann nur von vielen rezipiert werden, wenn sie in verträglichen Dosen verbreicht wird.

    Robert Gerhardt hat das großartig über Satire-Rezipienten festgestellt:
    „Daß die alle nicht denken, stutzen, lachen oder sich wenigstens an gelungenen Lösungen freuen, sondern glauben wollen. Daß sie noch den schwächsten und ältsten satirischen Dreh gutheißen, wenn er nur ihre ohnehin schon felsenfeste Meinung noch ein bißchen untermauert. Daß sie gerne einer Gemeinde angehören würden, der gemeinde der Unangepaßten zwar, aber doch bittesehr mit einer klaren Satzung, klaren Glaubensartikeln, klaren Riten und klaren Emblemen.“
    (Warum ich nicht gern Satiriker bin und mich nur ungern als solchen bezeichnet sehe)

    Allerdings: Sowohl beim Arthouse-Kino, als auch bei sozialverträglicher Satire oder sonst was: Hat das alles wirklich keine Daseinsberechtigung? Wäre es besser, die teilweise heuchlerisch aufgegriffenen Themen nicht aufzugreifen oder in einer Form, in der sie nur eine solch wintige Gruppe erreicht, dass sie gar keine Wirkung entfalten kann? Und: Darf manches nicht auch einfach „nur“ unterhalten, ohne dass ich mich immer frage, wie „ehrlich“ es ist?

    Sano, entschuldige, dass ich ein bisschen abgeschweift bin, aber Themen, die leicht zum Abnicken einladen, sind oft die, die man ewif diskutieren könnte 😀

    liebe Grüße
    Tanja

  2. Sano on Juni 12th, 2010 at 09:28

    Hallo Tanja,

    Ja, es ist schon sehr polemisch, aber so soll es auch sein. Ansonsten bin ich ja bei meinen Texten eher großzügig. Da braucht es dann vielleicht mal in bisschen Balance. 😉

    Das mit der Vielfalt der Bezeichnungen innerhalb der Musikszene, und die vereinheitlichende Bezeichnung von Arthouse, sind in diesem Fall schon scheinbar Gegenläufige Tendenzen, bei denen ich jedoch einen gemeinsamen Ursprung sehe: den Drang etwas zu bezeichnen oder zu fassen zu kriegen, was sich nicht wirklich fassen lässt. Im einen Fall (Arthouse) schmeiße ich vieles in einen Topf, im Anderen (Musikgenres) versuche ich jeder Art von Musik gerecht zu werden, in dem ich sie so „präzise“ wie möglich benenne. Ich finde aber das Beides eine Sackgasse darstellt, da es einerseits ein gesellschaftliches Unbehagen ausdrückt, andererseits aber für Werbe- und Verkaufszwecke missbraucht wird.

    Ich denke dass beide Tendenzen (z.B. sich als Teil von Europa oder der Welt zu fühlen, aber andererseits ist man auch Franke ;-)) Erscheinungen sind die mit kollektiven sozialen und psychologischen Phänomenen zu tun haben. Da ich über Film schreibe, kommt das dann bei mir in dem Bereich zum Ausdruck.

    Das Zitat von Gerhardt finde ich sehr passend, und es drückt auch aus, warum ich meist meine Probleme mit vielen Formen von Satire habe (vor allem im Film). Das Problem ist ja, dass wir immer darauf abzielen, dass in demokratischen Gesellschaften immer möglichst vieles von vielen rezipiert werden kann, und der Konsens das angestrebte oft verwässert. Auf der anderen Seite gibt es dann als Gegengewicht zahlreiche „Feinabstimmungen“ für den individuelleren Gebrauch. Mir fehlt aber dennoch der Mittelweg und die Feinabstimmung.

    Natürlich hat alles seine Daseinsberechtigung, aber nur deshalb weil es eben so ist. Ich denke alle Phänomene sind Ausdruck, und haben allein dadurch ihre Daseinsberechtigung – für den Moment. Aber ich hoffe eben immer, das nach dem Sättigungsgefühl auch immer wieder der Hunger kommt. Ich denke da sind wir dann schon im philosophisch-moralischen. Für mich ist es kein Widerspruch, dass etwas als zeitliches Phänomen eine Daseinsberechtigung hat, welches ich aber trotzdem gerne bei der Veränderung der Form beobachten würde. Ich denke, dass es nicht so sehr darauf ankommt, was die Dinge an sich darstellen, als vielmehr wie wir sie wahrnehmen und erleben.

    Das sind schon alles viele Abschweifungen, aber um nochmal auf den Film und den Arthousebereich zurückzukommen. Ich habe prinzipiell nichts gegen Filme die mir nicht gefallen. Aus welchem Bereich sie kommen, oder wie sie sich bezeichnen ist dabei auch nicht immer wichtig. Ich möchte auch nicht, dass bestimmte Arten von Film nicht gemacht werden. Nur die Menge eunruhigt mich. Die Menge an Hollywoodfilmen (ein ebenso schwammiger Begriff), und die Menge an Arthouse, die in den kinos läuft. Und wie Hollywood seine Finger überall im Spiel haben möchte, wollen auch die europäischen Fördergremien (durch die meiner Meinung nach ein Konsens den man als Arthouse bezeichnen kann, überhaupt erst entstanden ist) ebenfalls alles kontrollieren. Alles was unangepasst unkonventionell ist fällt da durch ein Raster. Wirkliches Weltkino, und echte Vielfalt sehen für mich ganz anders aus. Wenn ich in der Musik für etwas kein Label finde, kann ich es schwer verkaufen (also wird entweder ein neues Label erfunden, oder die Musik wird in ihrer andersartigkeit entschärft indem sie bereits bestehendem zugeordnet wird). Im Film funktioniert das ähnlich, wobei ich das Gefühl habe, dass da weniger erfunden wird, sondern mehr ins Korsett gepresst.

    Im Grunde ist meine Arthousepolemik auch ein Hilferuf nach anderen Filmen. Warum kann ich im deutschen Kino nicht Filme aus Osteuropa, Afrika oder anderen teilen der Erde sehen, das nicht auf einem ästhetischen und inhaltlichen Konsens beruht? Wo sind die Filme von Kritikerlieblingen wie Lav Diaz, Hong Sang Soo, Apichatpong Weerasethakul, etc. Ich glaube, Lav Diaz wird bei uns nur Laufen, wenn wir ihn annektiert haben, wenn es irgendwie gelingt ihn unter dem Deckmantel von Arthouse an den Mann zu bringen. In dem Fall will ich ihn aber gar nicht mehr sehen. Ich ersehne mir also eine andere Form der Werbung, eine andere Form des gesellschaftlichen Umgangs mit Dingen, und eine andere Form des Zuschauers. Der Zuschauer muss sich dabei ja nur in seiner Bereitschaft sich etwas auszusetzen ändern. Da wäre ich schon mit zufrieden. 😉

    Also wenn ich mal träumen dürfte:

    An Tag 1 läuft der philippinische Film XY. Zuschauer geht einfach mal unvorbereitet rein. Es ist ein kommerziell produzierter Film, ein kitschiges Soapdrama mit derbem Humor. Wie der Zuschauer individuell darauf reagiert, bleibt ihm selbst überlassen.
    An Tag 2 läuft der philippinische Film AB. Zuschauer geht einfach mal unvorbereitet rein. Es ist ein unabhängiges Projekt, durch Selbstausbeutung zustandegekommen, und filmästhetisch sehr eigen. Wie der Zuschauer darauf reagiert bleibt ihm ebenfalls selbst überlassen.
    Beides läuft im gleichen Kino und ist kein Teil einer philippinischen Reihe.

    In Deutschland läuft das aber so ab, dass bei Film eins sich wahrscheinlich die meisten darüber beschweren würden, dass es nicht anspruchsvoll genug ist, und bei Film 2, dass es zu anspruchsvoll ist. In den Verleih würde es daher soweiso nicht kommen (entspricht nicht den sehgewohnheiten), und im Filmmuseum läuft es (falls es Fördergelder gibt) unter der Reihe „philippinisches Kino“, am besten noch innerhalb von zwei reihen: „engagiert“ und „populär“. Und alles was für die europäische Auswahljury dazwischen fällt (also im Idealfall das meiste) kriegen wir auch nicht zu sehen.

    Wir leben ja in einer Welt mit 200 Fernsehprogrammen auf denen immer der gleiche Schrott läuft, und im Supermarkt gibt es 500 Wurstsorten, die ebenfalls alle gleich schmecken. Im Urlaub fahren ja schließlich auch alle in Hotels, ohne sich zu fragen, warum es diese Scheiß-Wohnsilos auf der ganzen Welt gibt. Unsere Vorstellung von Armut (Ghetto und Wellblechhütten) und Reichtum (Villa und Garten) wird ja auch immer „globaler“ (also verflachter). Und dabei wundern wir uns wieso in unserer Welt der „Individualisierung“ so viele Sprachen aussterben, Tierarten, ja täglich Tausende von Menschen.

  3. Tanja on Juni 12th, 2010 at 10:44

    Hallo Sano,

    so ein Text muss sogar polemisch sein, um zu wirken 😉

    Sagen wir’s so: Ich verstehe dein Problem und deinen Wunsch – beides ist absolut nachvollziehbar. Trotzdem bin ich extrem skeptisch. Diese Skepsis kann vielleicht daher kommen, dass ich, was Film angeht, zu diesem „Massenpublikum“ zu rechnen bin, mal davon abgesehen, dass ich durch Alex natürlich Sachen zu sehen bekomme, die da ein bisschen rausfallen. Aber gut, gehen wir eben davon aus: immer mal wieder kommt es vor, dass ich mir mit Alex etwas anschaue, bei dem ich vorher keine Ahnung habe, auf was ich mich einlasse. Das passiert nur selten, weil ich mittlerweile gelernt habe, dass ich vieles von dem, was er sich anschaut, nicht verstehe, es mir nicht zusagt etc. Im Endeffekt bin ich damit der von dir beschriebene Kinogänger: ich geh erstmal einigermaßen unvoreingenommen ran und bilde mir dann meine Meinung. Gefallen mir beide Filme nicht, lasse ich danach meine Finger von soclhen Experimenten oder sie werden zumindest seltener. Schade für’s Kino, schade für die Leute, die solche Filme gern sehen würde, weil sie zu wenig Zuschauer finden etc. – sicher! Und es ist vielleicht ignorent, mir nicht so lange Filme anzuschauen, mit denen ich nichts anfangen kann, bis sich meine Seh-Gewohnheiten ändern…

    Aber ein Gegenbeispiel: Ich bin ja nun mehr den Büchern verfallen, speziell der Lyrik. Das ist für mich in etwa das, was dir oder auch Alex die Filme sind, glaube ich. Auch da wird hauptsächlich Massenkompatibles verlegt etc. pp. – braucht man nicht drüber reden. Analog zu deinem Kinobesucher, der sich einfach so in die philippinischen Filme setzt, bräuchte man also Leser, die sagen wir eigentlich nur historische Romane oder Krimis, oder Liebesgeschichten oder Goethe lesen (oder so gut wie gar nicht?) und sich einfach irgendwelche Bücher in die Hand geben lassen, ohne vorher nachzufragen, was sie sich eigentlich gleich zu gemüte führen werden. Ganz provokativ gefragt: würdest du das machen? (wobei man hier wahrscheinlich auch noch viel massenkompatibler bleibt: wie soll man auch den afrikanischen Lyriker, der nie übersetzt wurde, lesen – aber es geht mir ums Prinzip, da wir ja bei verschiedenen Medien verschiedene Rezeptionsgewohnheiten haben)
    Analog könnte man auch von Konzerten/CDs sprechen…

    Was ich sagen will: Das Problem, das du ansprichst, betrifft unseren gesamten Kulturbetrieb und jeden Menschen im einzelnen. Dass es das Kino wohl noch stärker trifft, liegt wohl an den unterschiedlichen Produktionskosten. So ein 100-Seiten-Büchlein ist eben billiger als ein 2stündiger Film in der Herstellung.

    So, nun denn, jetzt hab ich hoffentlich mit meiner nichtcineastischen Sicht ein bisschen was durcheinandergebracht 😉

    Liebe Grüße
    Tanja

  4. Sano on Juni 12th, 2010 at 12:31

    Das ist schon ziemlich toll, hier gleich einen Blickwinkel von Außen zu bekommen! Normalerweise hausen Cineasten ja meist in Gruppen unter sich. 😉

    Ich stimme dir in allen Bereichen vollkommen zu. Deshalb habe ich in meinem Text bewusst versucht einzelne Filme oder bestimmte Arten von Filmen rauszulassen, und auch den Kinogänger nicht direkt anzupöbeln. Darum geht es mir ja im Prinzip nicht. Jeder hat seine Vorlieben und Abneigungen, ich natürlich auch. Und selbst wenn ich manche Filme, ihre Art der Herstellung, und auch manche FIlmkonsumenten nicht besonders leiden mag, spielt das im Grunde keine große Rolle. Es geht natürlich um Strukturen, und was du in der Literatur beschreibst gilt analog in allen Lebensbereichen. Ich persönlich bin innerhalb von Literatur und Musik nicht so aufgeschloßen wie beim Film, was einfach mit der Beschäftigung zu tun hat. Ich setze mich eben mehr mit Filmen auseinander als mit anderen Medien. Je mehr Zeit und Mühe man in etwas investiert, desto interessanter wird es ja bekanntlich. Literatur und Musik sind aber 2 weitere Leidenschaften von mir (ich lese fast lieber als ich filme schaue, und mache ja auch selbst Musik), deshalb gehe ich schon in Richtung des von dir gewünschten Lesers. Was mich bei Literatur oft ärgert, ist dass so wenig übersetzt wird, und ich nur drei Sprachen fließend lesen kann. Da hat man dann eben seine Beschränkungen automatisch. In etwa so wie das Problem mit Untertiteln, nur dass diese relativ einfach zu machen sind (fanuntertitel gibt es zu hauf, fan-übersetzungen wohl eher weniger). Bei Lyrik bist du aber im Grunde in einem großartigen Bereich, um unseren hier geführten Diskurs zu beleuchten. Lyrik lässt sich ja im Idealfall gar nicht richtig übersetzen, da jede Sprache eine eigene Welt darstellt, und die Übertragung vor größere Schwierigkeiten gestellt wird als in allen anderen Bereichen, die mir jetzt einfallen. Andererseits hat sie dadurch viele Freiheiten, die im Bereich der Lyrik auch eher akzeptiert sind. Ich denke Lyrik zur Literatur verhält sich in etwa wie der Experimentalfilm zum Film. Bei Film hast du aber einfach den Vorteil, dass man sich dem Primat des Verstehens leichter entziehen kann, und Bilder auch universeller Funktionieren als Sprache (wie auch z.B. Töne in der Musik). Daher steht Lyrik eben oft nur denen offen, die die jeweilige Sprache beherrschen, beim Experimentalfilm muss das aber nicht so sein (wobei man wieder anfügen könnte, dass man da wohl an der „Sprache“ des Films interessiert sein müsste).

    Wahrscheinlich bist du in etwa der Zuschauer den ich mir wünsche, aber um was es ja geht ist das Angebot. Wer kann denn schließlich entscheiden was er sehen, lesen oder hören will, wenn ihm nur ein beschränktes Menu serviert wird. Und die deutsche Kinolandschaft ist genau das. Analog in etwa: Ich esse auch am liebsten beim Italiener oder Griechen, aber wenn es in meiner Stadt keinen Inder oder Chinesen gäbe, wäre ich auch nie auf die Idee gekommen so was zu probieren. Ich will ja nicht den Geschmack der Leute ändern, so was hat seine Eigendynamik. Nur Angebot, Werbung, und die Art wie wir alle damit umgehen passt mir nicht.

    Dass Filme Geld kosten, ist natürlich eines der Mankos, aber wie in der Musikindustrie lange Zeit ist es meiner Meinung nach viel schlimmer, dass es so wenig unabhängige Bemühungen gibt. In der Musikbranche ist mit dem Internet viel in Bewegung gekommen, und beim FIlm verhält es sich ähnlich. Wie immer ist halt Eigeninitiative das Stichwort. Vielleicht könntest du ja Kontakte zur afrikanischen Lyrikszene knüpfen, und dann vergrößert sich hier auch das Angebot. Nur hoffentlich heißt das Ding dann nicht „junge afrikanische Lyrik“. 😉

  5. Tanja on Juni 12th, 2010 at 14:47

    Hehe, dafür müsste ich afrikanische Lyrik verstehen…

    Nein, im Ernst – natürlich ist das Problem ein wirtschaftliches, teilweise wohl auch politisches. Deshalb glaube ich schon, dass das eigentlich Moment, das etwas am Zustand ändern könnte, die Sehgewohnheiten der Zuschauer ist, denn nur, wenn die Nachfrage da ist, gibt es für dieim weitesten Sinne für das Angebot Verantwortlichen ja auch einen Grund, etwas am Angebot zu ändern. Der reine Idealismus aus Liebe zur Sache ist dafür nämlich wohl nicht verbreitet genug. Aber warum sollte der durchschnittliche Deutsche, der ja bei der Aufzählung seiner Hobbys bestimmt angibt, dass er gern ins Kino geht, seine Sehgewohnheiten ändern? – eben: daraus ergibt sich ein kleiner Teufelskreis, von dem ich nicht glaube, dass er sich tatsächlich stoppen lässt. Dafür sind wirklich Liebhaber eines Mediums dann doch zu wenige und in sich ja nochmal zu unterschiedlich, oder?

    Was mich noch interessiert: Ist das Kino-Angebot in anderen Ländern breiter?

  6. Alexander Schmidt on Juni 12th, 2010 at 15:24

    Und schon wieder eine Superdiskussion auf unserem Blog, und zudem eine wie mir scheint dringend Notwendige!

    Im Grunde wurde von euch jetzt schon alles Wichtige erörtert, aber ich möchte mal als kleinen Beitrag, der zunächst vielleicht in eine andere Richtung geht, aber meiner Ansicht nach doch sehr sehr viel damit zu tun hat, was Sano gerade in Bezug auf Deutschland beklagt, von einer Diskussion erzählen, die ich mal auf einer Party mit einer Kommilitonin geführt habe, die gerade angefangen hatte TheWi zu studieren (niemand denn ich näher kenne):
    Wir sprachen über deutsches Kino und ich regte mich ein bißchen über die aktuelle deutsche Filmlandschaft auf und dabei vor allem über zwei, drei Tendenzen:

    1. die Flut der Literaturverfilmungen. Christian Petzold hat völlig zurecht in einem Interview gesagt, man solle den deutschen Filmemachern mal für nur ein Jahr jegliche Literaturverfilmung verbieten und schauen was passiert… Und vor allem was wird verfilmt? Traut sich jemand vielleicht mal zu Hans Henny Jahnn oder Arno Schmidt oder gar Ernst Jünger zu verfilmen? Oder auch einfach Autoren anderer Nationen, warum darf man als Deutscher nur deutsche Bücher verfilmen?? Ok, ok es gibt die Donna-Leon-Fernsehproduktionen, aber wie wäs mal mit… „Brave New World“, „Die Reise in den Westen“ (chinesischer Klassiker), oder einem Aborigine-Märchen – ins 3. Jahrtausend versetzt?

    2. Man müsste Petzolds Einjahresverbot meiner Ansicht nach noch ein zweites hinzufügen, das zu fordern vielleicht riskanter ist und den ein oder anderen politisch korrekten vermutlich entrüsten würde: ein Verbot, die deutsche Geschichte zu thematisieren!
    Was einst revolutiönär, provokant und unbedingt notwendig war, nämlich die Auseinandersetzung mit der deutschen NS-Vergangenheit ist heute zu großen Teilen zum Aufarbeitungskitsch und zur „Historyploitation“ verkommen, wie ich diese Filme gerne nenne. Treffend auch Georg Seeßlens Charakterisierung von Hirschbiegels „Untergang“ als Hitler-Porno: es geht in Wahrheit um keine Auseinandersetzung mehr damit, was Faschismus ist (oder wenn es den Machern solcher Werke ernst damit ist, verstehen sie rein gar nichts davon), sondern darum „Hitler zu sehen“, so echt wie möglich. Boah geil, eh! Ganz nah an der Bestie!
    Dass der Faschismus heute existiert und zwar beileibe nicht nur in den Köpfen der Glatzen, sondern mitunter auch in denen von Kindergärtnerinnen, Bauunternehmern oder (ja, sogar! oder vielleicht ganz besonders) Künstlern wird so gut wie nie theamtisiert. Fassbinder war da schon zwei bis drei Schritte weiter…
    Bezeichnend auch die empörte Reaktion des Publikums bei der diesjährigen Berlinale bei einer Szene aus Roehlers „Jud Süß – Film ohne Gewissen“, in der sich eine deutsche von einem Juden ficken lässt und schreit „Ja, ja, gibs mir du Jude!“ Das geht denn doch zu weit! Wo bleibt der gute Geschmack? Pfui, pfui! So stellt sich der Liebhaber des anspruchsvollen (weil geschichtsaufarbeitenden) deutschen Films das aber nicht vor. Outrageous! Ohne den Rest des Films gesehen zu haben, hat Oskar Roehler dafür das Bundesverdientskreuz verdient.
    Doch bevor ich mich verliere sollte ich noch einmal betonen, dass ich nicht nur Filme über den Nationalsozialismus meine. Es gibt schließlich eine richtig bunte Mischung, in die auch ganz tolle und „wichtige“ (ein Lieblingsausdruck der deutschen Filmpresse) DDR-Filme (entweder dramatisch-tragisch, wie die die Nazi- aufarbeitungsfilme oder ostalgisch) und als Würze ein paar RAF-Filme eingestreut werden dürfen. Dazwischen dann als Schmankerl eben die dritte Verfilmung von „Buddenbrocks“ und die fünfte von „Effi Briest“.
    Alle deutschen „Historyploitationfilme“ (ich meine nicht alle Filme über deutsche Geschichte, aber den Großteil solcher aus den letzten zwei Jahrzehenten) kommen übrigens mit dem Anspruch daher, etwas lange Verdrängtes zu erzählen, was längst überfällig war nun endlich thematisiert und „aufgearbeitet“ zu werden.

    3. Als drittes Einjahresverbot schlage ich außerdem vor, jeglichen …“Alltagsrealismus“… zu vermeiden: jede Einstellung, die vertraut wirkt und so aussieht, wie wenn ich einmal um die Ecke gehe (oder in Berlin um eine Ecke gehe) kommt raus. Ich habe an sich überhaupt nichts gegen Alltagsrealismus im Film, auch wenn es vielleicht zugegeben nicht mein liebster Stil ist, aber der Großteil der deutschen Filme kennt gar nichts anderes! Ich meine hier nicht eine simple Opposition von Realismus und Surrealismus oder phantastischem Film. Es gibt etliche „Realismen“, die nicht der von mir gemiente „Alltagsrealismus“ sind.
    Man vergleiche diesen Aspekt nur mal mit Japans Filmlandschaft wo es gegenwärtig, so scheint es mir zumindest, alle möglichen und unmöglichen Schattierungen von Realismen, Surrealismen, phantastischen, historischen und experimentellen Darstellungen gibt.

    Zurück zu dem Gespräch mit der Kommilitonin: ich bedauerte wie gesagt lauthals die Fixierung des deutschen „anspruchsvollen“ Films, man könnte eben auch sagen, des stattliche geförderten Qualitäts- oder Arthousefilms auf die genannten Beschränkungen und die unvergleichlich geringe Anzahl von Abweichungen. Schließlich sah sie mich leicht nachdenklich an und sagte: „Aber wir haben in Deutschland doch nunmal keine anderen Themen.“

    Unter dem Vorwand, mich dringend erleichtern zu müssen, verließ ich sie und holte mir schleunigst ein flüssiges Sedativum.

  7. Der Halunke on Juni 12th, 2010 at 16:23

    Sehr schöner Text, dem ich nur zustimmen kann.
    Bei NEGATIV haben wir uns genau mit der anderen schmutzigen Seite der Medaille befasst, und die Blockbuster ins Visier genommen. Doch was für die gilt, gilt für den Arthaus-Mainstream ebenso!

    http://www.negativ-film.de/2010/05/die-blockbusterstrategie-und-der.html

    „Apolitisch im schlechtesten Sinne, spricht der Arthousefilm jeden und niemanden an, erzählt von “uns allen” und hat doch nichts zu sagen.“

    Wie wahr… das gleiche kann man über den typischen Blockbuster behaupten. Es sind dieselben Strategien… und der Deckmantel des Gehobenen, Anspruchsvollen, der mit dem Begriff Arthaus einhergeht, macht es erst so richtig bitter.

  8. Sano on Juni 14th, 2010 at 14:09

    @ Tanja

    Die Grabenkämpfe unter Filmliebhabern sind ja teilweise schon berühmtberüchtigt, und obwohl ich sie im Prinzip meist eher unnötig finde (da sie meiner Meinung nach zumindest früher eher mit Ideologischen Positionen als mit einem genuinen Interesse am Film zu tun hatten), sind sie für Filmliebhaber doch sehr spannend. Inwiefern das aber Leute tangiert, für die Filme zu sehen einfach „nur“ eine von vielen Aktivitäten in ihrem Leben einnimmt, weiß ich nicht. Ich denke auch, dass man vieles pragmatisch betrachten muss, und das Meiste sich eben unbewusst auf das Leben der Menschen auswirkt. Genauso wie ich vielen Bereichen unserer Gesellschaft ebenso „hilflos“ ausgeliefert bin, wie manch anderer dem Film. Die Sehgewohnheiten von denen du sprichst, sind aber inzwischen meiner Meinung nach viel eher von Fernsehen und Internet beeinflusst als vom Kino. Und da kenne ich mich zwar nicht so gut aus, denke aber dass vor allem im Fernsehen das Angebot die Nachfrage bestimmt (insofern widerspreche ich dir hier vehement). Die Sender entscheiden, was sie senden, NICHT der Zuschauer. An den Mythos der Quotenauswertung und ihrer Aussage im bekannten Sinne glaube ich nicht. Und dass den menschen alles genau so gefällt wie sie es zu sehen bekommen, schon gar nicht. Ich denke den meisten geht es eher um Inhalte als um Präsentationsformen. Von daher kann ich mir gut vorstellen, dass ein meiner Meinung nach menschenverachtend (ja das sehe ich wirklich so) umgesetztes Konzept wie „DSDS“ auch auf andere Art ebenso erfolgreich sein könnte.

    Um auf deine abschließende frage kurz einzugehen: ich denke in den meisten Ländern der Welt ist das Kino-Angebot schlechter als in Deutschland. Aber die Vermarktung vielleicht nicht ganz so penetrant eingefahren (was jetzt aber nur eine Vermutung ist). In Frankreich zumindest sieht das Ganze aber meines Wissens etwas besser aus.

    @Alex

    Allein wegen der Judenfick-Szene muss ich den Roehler-Film sehen. Was gäbe ich nicht dafür, das (deutsche) Publikum bei der Berlinalepremiere in dem Moment hätte beobachten zu dürfen. Wenn man den Finger dahin steckt wo es weh tut, gibt es aber natürlich nie angenehme Reaktionen oder leichte Antworten. Und das Geschmacklose ist mir in unserer Gesellschaft manchmal doch lieber als das Geschmackvolle. Wir leben ja zum Glück nicht mehr im dritten Reich – an solchen Reaktionen merkt man aber meiner Meinung nach wie wenig die deutsche geschichte hierzulande in der Psyche der Menschen wirklich „verarbeitet“ worden ist.

    Das wir in Deutschland keine anderen Themen haben, ist bezeichnend für eine allgemein fehlgeleitete Einschätzung der „gesellschaftlichen Aufgaben“ von Film, und neben der Anbetung des Geldes wohl die größte Fehlleistung der deutschen Filmförderlandschaft. Dass sich diese Gehirnwäsche so sehr in den Köpfen der Zuschauer einnisten kann ist bedauerlich . Da Lobe ich mir dann tatsächlich einen Film wie „Keinohrhasen“ von Til Schweiger.

    @Halunke

    Hab den Text gestern gelesen, und die Entschuldigung des Blockbusters durch „bloße Unterhaltung“ ist dabei in der Tat genauso verlogen wie der Deckmantel des Anspruchs beim Arthousekino. Man vergleiche mal die Trailer von einem dutzend Arthouse- und Hollywoodfilmen miteinander, und das Übel der Vermarktungsmaschinerie springt einem ins Gesicht. 🙁

Kommentar hinzufügen