„Ich denke, sein bester, ehrlichster Film ist ivansxtc“ – Lisa Enos über das Filmgeschäft, Tolstoi und Bernard Rose – Teil 2



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Fernab von dem Oscar-Trubel, dem Hype um Newcomer und Comebacks und den tausendfach erzählten Erfolgsgeschichten, werden Filme gemacht. Und nichts daran ist glamourös oder schillernd. Es ist Arbeit, und sie ist undankbar. Projekte werden jahrelang vorbereitet und nie gedreht. Filme werden gedreht und finden keinen Verleih. Geld wird ausgegeben, mit der ständigen Gefahr, es nie wieder zu sehen.

Ich hatte zwei Filme des britischen Regisseurs Bernard Rose gesehen, die mich nicht mehr losgelassen haben. Die Filme waren Ivansxtc und The Kreutzer Sonata. Beteiligt an diesen Filmen war Lisa Enos, Produzentin und Schauspielerin. Zusammen experimentierten sie mit dem digitalen Format und das zu einer Zeit, als die Vorherrschaft des Zelluloids unanfechtbar schien. Ihre Ehe hat die Kollaboration nicht überstanden, geblieben sind einige tolle Filme. Der Erfolg blieb aus, aber die Reputation von Filmen wie Ivansxtc, die ihrer Zeit etwas zu weit voraus waren, wächst nach wie vor.

Lisa Enos hat an der Michigan State University studiert. Der Tod ihres Vaters in ihrem zweiten College-Jahr hat ihren ursprünglichen Plan, eine Karriere beim Theater anzustreben, vereitelt. Sie hat längere Zeit studiert, bis sie schließlich ihren Abschluss in Wirtschaft gemacht hat. Eine reine business decision, wie sie sagt.

Dennoch hat sie das Leben irgendwie zurück zu den Künsten getrieben. Im zweiten Teil des Interviews spricht sie über Snuff Movie, The Kreutzer Sonata und Mr. Nice.

Hier geht’s zu Teil 1.

Das nächste Projekt von Bernard Rose und dir war Snuff-Movie. Erzähl mir davon!

LE: Snuff-Movie war ein Produkt von Bernards krankhafter Phantasie. Er hatte diese Idee, dass er mich zu einem Star machen sollte, um so in der Lage zu sein, unsere Projekte mit meinem Namen finanzieren zu können. Ivansxtc war finanziell ein Flop. Wir schuldeten meinen Investoren Geld und lebten in einer Loftwohnung in Chicago, als er den Film schrieb. Als ich das Drehbuch das erste Mal gelesen habe, war ich so entsetzt, dass ich es durch den Raum geschleudert hab. Ich war gerade schwanger mit unserem ersten Kind, unserer Tochter Sadie, und in den ersten paar Seiten geht es um die Hauptfigur Mary Arkadin, viktorianisch gekleidet, auf einer Bahre liegend, hochschwanger und dem Tode nahe, als ein Messer in sie hineingerammt wird, um das noch ungeborene Baby zu retten. Das hat mich so fertig gemacht, ich hab das Skript in die Ecke geschleudert.

Als ich mir Snuff-Movie angesehen habe, hab ich gefragt, ob ihr keine Angst hattet, verklagt zu werden, aufgrund der Anspielungen auf die Tate-LaBianca-Morde.

LE: Der Mord im Film, auf den du anspielst, hatte zwar eine Ähnlichkeit mit den Tate-LaBianca-Morden, aber es gab keine konkreten Anspielungen. Die Figur, die (im Film im Film) umgebracht wurde, war Mary Arkadin, die Frau von Boris, einem erfundenen Charakter. Alles reine Fiktion. Es gab also gar keine Grundlage für eine Klage.
Bernard ist so ein Typ, der sich seine Ideen von den Menschen in seiner Umgebung holt. Ich habe es abgelehnt, mit ihm über diesen Film zu reden. Ich fand das Drehbuch widerlich und verstörend. Ein paar Jahre später, nachdem unsere beiden Kinder es sicher aus meiner Gebärmutter geschafft haben, machten wir den Film und es war ein Heidenspaß. Wir haben den Film zusammen mit einer tollen Crew in Rumänien gedreht, es war ein einziges Vergnügen.

Ich finde, du hast eine starke Präsenz auf der Leinwand. Hast du vorher schon mal geschauspielert?

LE: Ich hab viel Theater auf der High School und auf dem College gespielt, doch hab mich seitdem primär auf die Arbeit hinter der Kamera konzentriert.

Snuff-Movie ist eigentlich ein ziemlich cleverer Film, der auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert, aber er wirkt auf den ersten Blick wie ein billiger Horrorfilm. Hast du während der Arbeit an dem Film gedacht, der Film würde sein Publikum finden oder war der Film eher als weiteres digitales Experiment gedacht, das nicht dazu bestimmt war, Geld zu machen?

LE: Man will mit jedem Film Geld verdienen. Wir hatten einen 3-picture-deal, den wir unter dem Label Kensington Gore, später ER Productions (steht für Enos Rose) entwickelt haben. Wir produzierten den Film mit Donald Kushner’s Junction Films. Neun Monate hab ich damit zugebracht, den Deal an Land zu ziehen, was 30,000 Pfund an Anwaltskosten verschlungen hat. Wir sind nicht wohlhabend, wir müssen alle zusehen, wie wir zurechtkommen.

Ich hab mir, was den Erfolg des Films betrifft, auf jeden Fall mehr erwartet, aber Bernard hat’s einfach übertrieben. Er versteht nicht, dass nicht alle Menschen in der Nähe eines Arthauskinos in Hampstead aufwachsen sind und Ken Russells The Devils gesehen haben. Für ihn war der Film nicht so schockierend, weil er in den 70er Jahren in London aufgewachsen ist. Die Vereinigten Staaten waren schon immer etwas konservativer. Ich war also nicht überrascht, dass die Nacktszenen und die harte Gewalt nicht auf allzu viel Gegenliebe gestoßen sind. Ich persönlich hätte eher die grotesken Elemente des Films betont, aber nicht alles gezeigt. Ich war nie ein Fan von Gore. Ich zitiere da gern John McNaughton, den ich für Copycat Crimes interviewt habe:

„Während du den Film machst, macht das alles wahnsinnig viel Spaß, aber wenn du ihn dann auf der Leinwand siehst und feststellst, dass das Publikum aus dem Saal rennt, macht das plötzlich gar keinen Spaß mehr.“

Also, als der Film fertig war und die Käufer (im Übrigen gebildete Geschäftsmänner und keine Teenager, die das eigentliche Zielpublikum sind) alles andere als begeistert waren, fiel mir Bernard in den Rücken. Es wäre meine Schuld, ich wollte ja unbedingt die Hauptrolle spielen, und ich wäre nicht gut genug. Es war echt traurig, dass er nicht zu seinem Film stehen konnte, auch nicht als Kunstwerk. Schließlich ist es ja ein Arthausfilm, der wie ein Horrorfilm daherkommt. Aber für wen hat er den Film gemacht? Ich denke, für die „Highbrow-Horror-Fans“. Leute, die sich den Film anschauen und sagen können, hey, da zitiert er The Shining oder einen Orson-Welles-Film. Und das sind nicht viele. Trotzdem hätte ich gedacht, dass der Film sich durch Mundpropaganda durchsetzen würde. Schade, dass es nicht so gekommen ist.

Das Problem ist natürlich auch, dass Festivals keine Arthausfilme mit spektakulärem Gore und Sex zeigen wollen. Der Film hatte so seine Macken. Aber er hat auch Fans. Glaub mir, ich musste mich mit einigen auseinandersetzen. Die Sorte, die auch Nacktbilder von mir im Internet verbreitete. Keine gute PR, vor allem für eine Journalistin aus dem Mittleren Westen.
Nachdem Snuff-Movie rauskam und auf wenig Gegenliebe vonseiten der Kritik stieß, wollte Bernard die anderen beiden Horrorfilme nicht mehr machen. Er brach seinen Vertrag mit Junction (gleichzeitig mit mir, seiner Frau). Ich fand, dass ich die anderen beiden Filme dennoch betreuen sollte, immerhin hatten wir einen Deal über drei Filme abgeschlossen.

Die Leute von Newline waren einverstanden, wollten mir aber keinen Credit geben. Das wollte ich nicht. Also machten sie mit jemand anders weiter. Sie verfilmten ein Skript mit dem Titel Amusement, es war eine Katastrophe. Als der Film fertig war, war er nicht vorzeigbar. Das hätte ich denen gleich sagen können. Du kannst ihn bei der IMDB recherchieren.
Die Ironie ist, dass Bernard momentan versucht, ein neues Horror Label zu gründen, ein Start Up mit irgendeinem Produzenten. Die Idee ist, Low Budget-Horrorfilme zu machen, im Grunde wie unser 3-Picture-Deal mit Kushners Junction Films. Ich hab immer gedacht, dass es eine gute Idee wäre, mehrere Filme hintereinander zu drehen, solange man die Sets und die Schauspieler zur Verfügung hat. Vielleicht kriegt er das ja hin mit dieser neuen Frau, die für ihn den Laden schmeißt.


Wessen Idee war es, die Schauspieler in dem Film zwei, drei verschiedene Rollen spielen zu lassen? Ich bin sicher, das war keine reine Budget-bezogene Entscheidung.

LE: Der Film hatte übrigens ein recht hohes Budget, sieben Millionen. Bernard bekam sein bis dato höchstes Gehalt als Regisseur. Witzig, dass du den Film für Low Budget hältst.
Was ich wirklich gehasst habe war die Perücke, die ich tragen musste. Lucy Liu trug dieselbe in Charlie’s Angels. Sie muss einen sehr großen Kopf haben, denn sie passte nicht richtig. Es gab nicht so viele Alternativen in Bukarest. Unsere Haar-Stylistin Adrutha Lee hatte sie mitgebracht.
Die Idee mit den Schauspielern stammt von mir. Meine Rolle (Mary Arkadin/Wendy) war von Anfang an so angelegt, die anderen nicht. Die kleineren Rollen haben wir versucht in Bukarest zu casten, aber es wurde schnell klar, dass wir Muttersprachler brauchten, so kam eins zum anderen.

Wie hat Jerone Krabbé der Film gefallen? Und wie mochtest du ihn?

LE: Jeroen Krabbé ist ein unglaublicher Schauspieler. Ich hab das Gefühl, er hat mich in allen Szenen, die wir zusammen hatten, an die Wand gespielt. Er ist wirklich larger than life, nicht nur auf der Leinwand, auch persönlich. Ich glaube, er mochte den Film, das hat er zumindest gesagt. Vielleicht wollte er auch nur höflich sein. Er sagte einmal, er mochte es, wie ich meine Augen in dem Film einsetze. Das ist wohl ein Kompliment.
Ich möchte ganz ehrlich sein. Ich mag den Film zwar, aber es ist nicht unbedingt die Art Film, die ich selbst gerne schaue. Aber es ist schwer, die eigene Arbeit objektiv zu bewerten. Ich hatte unheimlich viel Spaß beim Dreh, vielleicht den meisten bei einem Filmdreh. Allein die Prosthetics, die Effekte – es ist toll einem professionellen Effects-Team bei der Arbeit zuzusehen. Toni G und Art Sakamoto gehören zu den Besten ihrer Zunft. Mein Lieblingsrequisit war der künstliche Kopf von Joe Reegan (Jack im Film).

Ich finde, The Kreutzer Sonata ist, neben Ivans XTC, die beste Tolstoi-Adaption von Bernard Rose. Warum seid ihr bei Tolstoi geblieben? Und wie kam der Film zustande?

LE: Bernard ist besessen von zwei Künstlern, Tolstoi und Kubrick. Da er Kubricks Filme nicht neuverfilmen kann (warum sollte man das auch wollen, sie sind perfekt), adaptiert er eben Tolstoi, weil er zum einen diese wunderbaren, superb konstruierten Geschichten geschrieben hat, und weil sein Werk rechtefrei ist. Du wirst das vielleicht seltsam finden, aber ich hab den fertigen Film nie gesehen. Ich hab zwar die DVD, aber die ist noch originalverpackt. Hinter dem Film steckt eine lange Geschichte.

Bernard und ich wurden von Liza Marshall, einer Produzentin für Film Four in London, beauftragt Ivans XTC 2 zu schreiben, und das war im Grunde die Story für den fertigen Film (ich hab übrigens meine eigene Version von der Fortsetzung, für die ich gerade nach Geldgebern suche).
Das grundsätzliche Problem einer Fortsetzung zu Ivans XTC ist der Titelheld, der am Ende des ersten Teils stirbt. Dabei scheint gerade Danny Hustons Performance das zu sein, was bei den Leuten am meisten resoniert. Und da kamen wir darauf, The Kreutzer Sonata zu machen.

Bernard wollte die Kreutzersonate schon seit dem Anna Karenina-Dreh (mit Sophie Marceau und Sean Bean) 1996 in Russland machen. Aus irgendeinem Grund kam er nie dazu, sie zu schreiben.
Zu dem Zeitpunkt war er gerade mit einem Drehbuch beschäftigt, mit dem es nicht voranging. Und da ich eh schon zu Bernards Ghostwriter avanciert bin, mal mit, mal ohne Credit, hab ich mich drangesetzt und hab mir die Figuren ausgedacht, die dann von Danny Huston und Liz Rohm gespielt wurden. Es war einfach. Denn die Figuren waren Bernard und ich. Wir hatten im echten Leben auch zwei Kinder und ein georgianisches Reihenhaus im Norden Londons, in Hampstead Heath, nicht weit von seinen Eltern entfernt. Genau wie die Figur Edgar litt auch Bernard unter dieser zwanghaften Paranoia, es war also nicht schwer, das alles auf Papier zu bannen. Die Eifersucht, die Mutmaßungen, die Wut, der Hass, die Leidenschaft, all das war zu 100% die Liebesgeschichte zwischen Bernard Rose und Lisa Enos.

Mich interessiert deine Meinung zu Tolstois Kreutzersonate. Da gibt es ja ein paar sehr eigene Vorstellungen von Sexualität und der Beziehung zwischen Männern und Frauen.

LE: Ehrlich gesagt, hat mich die Novelle sehr berührt. Ich dachte, Bernard würde genau dasselbe denken, wie der Mörder in Tolstois Geschichte. Sein Verhalten, seine Attitüde waren ihm jedenfalls sehr ähnlich. Es war der Anfang vom Ende unserer Ehe!
Er hatte Kontakt zu Prostituierten, als wir uns die ersten paar Male trafen. Und wenn du dir Bernard Filme anschaust, wirst du merken, dass sie zur Misogynie tendieren, dass sie voll sind mit sinnloser weiblicher Nacktheit. Wenn wir zusammen schrieben, würde er stets selbstzweckhafte Nacktszenen einbauen. Er hatte diesen Running Gag: jeder seiner Filme sollte eine Orgie beinhalten. Das trifft zwar nicht auf alle, aber auf viele seiner Filme zu. Und all das zu seinem privaten Vergnügen, wenn du mich fragst.

Als Ehefrau will man ja nicht unbedingt seinem Ehemann dabei zuschauen, wie er sich nackte Frauen ansieht, vor allem Frauen, die du selbst vielleicht kennst. So castet er manchmal seine Schauspielerinnen. Diesen Prozess haben wir in Snuff-Movie gezeigt. Ich wollte, dass er die Nacktszenen aus diesen Szenen strich, ich hab ihn angefleht. Es war so unnötig. Am Ende hab ich gesagt, ich mach’s, ich spiel die Rolle. Ich wollte nicht, dass er all diese Szenen mit einer anderen Schauspielerin dreht.
Jamie Pressly hat ihm einen Brief geschrieben, in dem sie um die Hauptrolle bat, die ich spielte. Wir zogen sie für eine andere Rolle in Betracht. Wir kannten sie damals nicht, aber sie hat sich ja seitdem recht gut etabliert. Ich find’s witzig, dass ich sie quasi geschlagen habe bei der Rollenvergabe. Bernard dachte, sie würde vielleicht nach Rumänien kommen, aber beim Finale, der nackten Kreuzigung würde sie kneifen.

Ich hab schon sehr früh gelernt, dass man vollen Körpereinsatz zeigen sollte. Wenn ich mich ausziehen soll, weil es die Szene verlangt oder es der Story hilft, okay. Aber dieses Selbstzweckhafte bei Bernards Filmen… Ich glaube, er hat in England einen Ruf weg als jemand, der das nur zum eigenen Vergnügen macht, und den Eindruck hab ich auch, und das ist irgendwie nicht in Ordnung.

Pornographie ist legal. Wenn du drauf abfährst, okay, aber hör auf sie in deine Arbeit zu schmuggeln. Was haben diese expliziten Szenen in Kreutzer Sonata für Liz Rohms Karriere getan? (ich hab den Film zwar noch nicht gesehen, aber ich hab gehört, die Sexszenen sind recht gewagt, und das will ich mir wirklich nicht ansehen) Nichts. Was haben sie mit der Story zu tun? Nichts. Außerdem hat Bernard diese Szenen mit Episoden unseres Intimlebens aufgepeppt.
Nun ja, wir mussten irgendwann wieder in die Vereinigten Staaten ziehen. London und LA waren zu teuer für uns vier, also ging’s nach Grand Rapids, Michigan.

Bernard war rastlos und fuhr nach LA, um Arbeit als Autor zu finden (neben unserer Arbeit als Filmemacher, haben wir beide Geld als Autoren der WGA verdient). Er entschied, Kreutzer Sonata ohne mich zu drehen, so blieb ich zuhause in Michigan und hab mich um die Kinder gekümmert, die damals drei und fünf waren. Es war so ziemlich das Ende meiner Karriere. Ich hatte kein Geld für Kindermädchen, die Eltern waren auch nicht mehr da. Er ließ mich im Stich und hat den Film ohne mich gemacht. Er änderte den Drehort zu Los Angeles und wollte den Film mit Danny und Liz Rohm (eine sehr nette Frau) im Haus seiner Freundin Lisa Henson drehen. Ich glaube, sie hat den Film auch finanziert. Naomi Despres hat die eigentliche Produzententätigkeit übernommen, was eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre. Bernard hat mir sogar Geld vorenthalten, Geld für die Miete und Lebensmittel, bis ich endlich für die Drehbucharbeit entlohnt wurde. Ich bekam 10,000 $. Ich wurde nicht mal zur Premiere eingeladen, wenn es überhaupt eine gab.


Welche Aufgabe hattest du bei Mr. Nice inne?

LE: Mr. Nice war mein Projekt als Produzentin. Davor gehörte es der BBC. Dan Shepherd, unser Line Producer und guter Freund hatte uns damit bekannt gemacht. Produzentin Hillary Salmon hat das Projekt bei der BBC betreut, und es existierte ein Skript von Bev Kurty und Richard Doyle. Wir dachten, das Ganze würde sich im Kino besser machen als im Fernsehen. Der damalige Kopf von BBC Films, David Thompson hat sich mit mir getroffen, mir zu meiner Arbeit bei Ivans XTC gratuliert, und uns seinen Segen erteilt, den Film als unabhängige Produktion aufzuziehen.

Es gab vier Bücher über Howard Marks. Ich hab so ziemlich alles gelesen, was es zum Thema gab, und Bernard und ich begannen an dem Projekt zu arbeiten. Wir wollten Rhys Ifans für die Rolle, mit dem wir befreundet waren und den wir als Dostojewskis Idiot in einer nicht zustande gekommenen Verfilmung besetzen wollten. Wir sprachen mit ihm während dem Cannes Film Festival im Hotel du Cap. Rhys war da mit einer etwas wirr aussehenden Kate Moss. Es war ziemlich spät, nach irgendeinem Gala Screening. Er wollte die Rolle. Ironischerweise stammen Marks und er aus demselben Dorf in Wales, und ich glaube, sie haben sich sogar mal getroffen.
Bernard und ich wohnten im nahegelegenen Hotel Belle Rives. Ich verbrachte einige Zeit mit Luc Roeg am Strand, den Bernard seit seiner Zeit bei working title kannte. Luc ist der kleine Junge aus Walkabout, dem Film seines Vaters Nic Roeg, einer meiner Lieblingsfilme. Er schien seitdem wenig gealtert oder auch gewachsen zu sein. Bernard machte stets Witze darüber, dass Luc so klein war, dass er seinen Kopf als Untersetzer für seine Kaffeetasse benutzen könnte.

Wir nahmen ein Sonnenbad am Strand. Ich weiß noch, wie ich nackt da lag (wie du siehst bin ich nicht prüde, sehe aber nicht den Sinn für den ganzen Sex in Bernards Filmen) und Luc zu mir sagte: „Wir müssen einen Weg finden, mit Bernards Filmen Geld zu verdienen.“ Ein Jahr später hab ich ihn angerufen und ihm Mr. Nice übergeben. Bernard und ich waren wieder mal pleite, ich wusste weder ein noch aus. Ich musste die Kinder ernähren und hab keine Finanziers für das Projekt gewinnen können. Ich war etwas bitter, als der Film rauskam und ich keinen Credit als Ko-Produzentin in der Titelsequenz bekommen habe, obwohl er mir vertraglich zustand. Aber man hat mich da schon eher als eine Mutter betrachtet, die Kinder großzuziehen hatte, und die sich gefälligst nicht zu beschweren hatte. Ich wurde zur Premiere eingeladen, durfte aber niemanden mitbringen. Ich hätte da also allein am roten Teppich rumstehen müssen, während Bernard sich mit der Frau, die er zu dem Zeitpunkt datete und die halb so alt war wie er, vergnügt hätte. Und wir waren noch nicht einmal geschieden.
Den Film hab ich auch noch nicht gesehen. Das Beste, was ich darüber sagen kann, ist dass ich mein Produzenten-Gehalt bekommen habe, auch wenn ich nicht wirklich den Credit bekommen habe, der mir zustand.

Bist du noch im Filmgeschäft? Was sind deine nächsten Projekte? Würdest du wieder mit Bernard Rose arbeiten?

LE: Ich lebe mit den Kindern und musste einen Job bei einer Tageszeitung in Michigan annehmen, um über die Runden zu kommen. Der Job hat sich erledigt, nachdem die Zeitung von einer großen Firma geschluckt wurde, doch dann hab ich einen anderen Redakteursposten bei einer Zeitschrift bekommen. Doch auch der Job hat sich erledigt, und jetzt bin ich auf der Suche nach Arbeit (wenn du jemanden kennst, der eine talentierte Autorin/Regisseurin/Schauspielerin braucht, sag Bescheid!)

Ich hab da das ein oder andere Drehbuch, das ich gern finanziert bekommen würde, aber es ist wirklich schwer, weil die einzigen Leute, die ich in LA kennengelernt habe, ich durch oder mit Bernard getroffen habe. Wir waren acht Jahre zusammen. Und diese Leute sprechen jetzt nicht mehr mit mir. Acht verschwendete Jahre, weil ihn niemand verärgern möchte, indem er mit mir redet. Man glaubt, er könnte noch einmal einen großen Hit wie Candyman landen, und das macht ihn für viele Investoren attraktiv. So ist das nun mal.

Davon abgesehen, unterstützen wir uns bei der Erziehung der Kinder seit unserer Scheidung 2011. Wir telefonieren oft miteinander und es ist auch nicht unmöglich, dass wir wieder zusammen arbeiten. Vor unserer Scheidung hat Bernard versucht, mich zurückzugewinnen, jedoch mit der Bedingung, dass wir nicht zusammen arbeiten, weil das seine Karriere ruiniert hätte. Dann machte er den Film Boxing Day mit seiner damaligen, 23-jährigen Freundin. Ich hatte eine kleine Rolle, weil er die Kinder um sich haben wollte. Doch der Film fand nicht sein Publikum. Ich denke, sein bester, ehrlichster Film ist ivansxtc.

Ich bin stolz auf meine Arbeit bei diesem Film, nicht unbedingt auf mein Schauspiel, aber die Produktion, das Arrangement des Finanziellen, die Verträge mit Cast und Crew. Ich hab sehr hart gearbeitet, aber es hat sich leider nicht ausgezahlt. Der Verleih hat uns nie das Geld ausgezahlt, das er uns schuldete. Die traurige Wahrheit in diesem Geschäft ist, dass wenn du nicht gleich bezahlt wirst, wahrscheinlich nie bezahlt wirst. Das fasst meine Erfahrungen im Filmgeschäft ganz gut zusammen.
Ich hab noch ein paar Drehbücher, die ich gerne realisieren würde. Aber es ist schwer, die Leute mit dem Geld zu finden, die in ein gutes Skript investieren wollen. Die Leute wollen von einem spektakulären Pitch überzeugt werden, da bin ich aber leider nicht gut darin.

Das war wahrscheinlich mehr, als du wissen wolltest. Es ist eine verzwickte Situation. Ich muss die Kinder großziehen, während ich aus dem Geschäft gedrängt wurde. Ich hab das alleinige Erziehungsrecht für die Kids, die übrigens toll sind und gut in der Schule. Sie sehen ihren Dad nicht so oft, aber das heißt nicht, dass er nicht ein großer Teil ihres Lebens ist.
Ich bin froh, dass du mir all diese Fragen gestellt hast. Vielleicht schau ich mir Kreutzer Sonata jetzt doch noch an.


Vielen Dank für das Interview!

Safarow schreibt

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, März 1st, 2015 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmschaffende, Interviews, Sven Safarow veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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