Aktion deutscher Film
Am 11. März erregte ein Blogeintrag mit dem Titel Aktion deutscher Film beim deutschsprachigen Filmblog Intergalaktische Filmreisen meine ausgestreckten Filmfühler. Um den deutschsprachigen Film ging es da, und um die Tatsache, dass ihm hierzulande als Alternative zur offenen Ablehnung im besten Fall wohlwollende Aufmerksamkeit zukommt. Jedenfalls empfand der Autor dies wohl so, und wollte das gerne ändern. So klang die Klage für mich aus einer verwandten Seele kommend, und musste mein Herz erreichen. Denn ich gebe es zu: schon lange bin ich dem deutschen Film verfallen. Gehe ich ins Kino, so bevorzugt in einen deutschen Film, bin ich bei Bekannten die einen Fernsehanschluß besitzen, so freue ich mich bei einer Filmsichtung automatisch über die deutschsprachige Originalfassung, und beim Kauf einer DVD im Kaufhaus oder Supermarkt liegt mein Hauptaugenmerk neben dem Preis immer auf der Frage ob es sich nicht eventuell um einen deutschsprachigen Film handeln könnte, den ich noch nicht kenne oder besitze. Ja, das heißt wirklich, ich schaue mir ALLES an. Solange es in deutscher Sprache oder im deutschsprachigen mitteluropäischen Raum entstanden ist, kann man mir jedes filmische Erzeugnis vorsetzen, denn: es interessiert mich grundsätzlich. Das führt selbst im filmfanatischen Freundeskreis beizeiten zu Stirnrunzeln und Fragezeichen im Gesicht. Eine mögliche Erklärung für meine Leidenschaft für den deutschsprachigen Film liegt (zumindest für mich) auf der Hand. Zwar lebe ich schon seit über zwei Jahrzehnten in Deutschland, sehe diese mir inzwischen vertraute Kultur aber immer noch mit fremden Augen. Und was für Andere vetraut und alltäglich, erscheint mir beizeiten immer noch eigentümlich fremd und faszinierend. Das exotische also, das manch ein Deutscher im Süden zu finden vermag, erscheint mir oft im Alltag.
Mag es sein wie es will – auf jeden Fall liebe ich den deutschen Film. Ein einschränkendes Eingeständnis gilt es im Rahmen dieser Aktion jedoch zu machen. So sehr alles bisher geschriebene auch auf das schweizerische und österreichische Filmschaffen zutreffen mag, bin ich in Bezug auf diese beiden Länder jedoch mehr oder weniger unbewandert. Über das schweizer Filmschaffen weiß ich ungefähr so viel wie über das von Luxemburg oder Liechtenstein (sprich: gar nichts), und die österreichische Filmgeschichte ist mir in vergleichbarer Weise mit der brasilianischen oder georgischen vertraut: ich kenne ein paar Namen und Daten und habe eine handvoll Filme gesehen. Viel großartiges war dabei. Und mehr würde ich jederzeit gerne entdecken. Doch liegt mein Fokus im Dreigestirn D-Ö-S zur Zeit eindeutig bei Deutschland. Für das Interesse hat das wenig Auswirkungen, für die Kenntnis jedoch verständlicherweise enorme. Deshalb werde ich mich im Folgenden nur noch spezifisch auf das geographische Deutschland beziehen, sowie seine Ausdehnungen über die vergangenen 120 Jahre Filmgeschichte.
Was ich am deutschen Film liebe ist seine Vielfalt. Und ich spreche hier bewusst vom deutschen Film und nicht vom Kino, denn die oft einseitige Fixierung auf Kinoerzeugnisse habe ich nie nachvollziehen können. Mir ist es egal ob ein Film fürs Fernsehen entstanden ist oder ob es ein Amateurvideo ist – die Zielgruppe, der Ort der Endverwertung, interessiert mich nicht. Oder jedenfalls nicht auf die Art, mit der allgemein verächtlich über Amateurproduktionen, Experimentalvideos, Kurzfilme, Fernsehspiele, oder andere vermeintlich abseitige und randständige Spielarten der Filmproduktion geschwiegen wird. Tatsache ist jedoch, dass inzwischen der Kinofilm als solcher zur Randexistenz geworden ist. Mag man das finden wie man will – was ich mir Wünsche wäre abseits von geschmäcklerischen Erwägungen und sonstigen Grabenkämpfen angesiedelt, ein genuines Interesse, eine ehrliche Leidenschaft und Liebe für den deutschen Film. Ohne wenn und aber. Und innerhalb der „Aktion deutscher Film“ wäre das für mich – als Mindestanspruch und Höchstes der Gefühle in einem – die Schaffung einer blog-affinen Internetplattform für den deutschen Film. Eine Sammelstelle würde mir schon reichen, ein Ort an dem möglichst alles was z.B. im Internet zum deutsch(sprachig)en Kino fabriziert wird, als Information konzentriert verlinkt, gespeichert, und diskutiert werden könnte. Denn ich bin kein Fan von Google. Und gemeinsam schafft man mehr als allein. Und all so was eben. Eine Art Filmportal, jedoch nicht als „primäre“ Datenbank mit technischen Angaben, sondern vielmehr als Datengebilde zu allem „sekundären“. Ein ewiger Wunschtraum von mir wird aber wohl zu meinen Lebzeiten unerfüllt bleiben: die Auflistung der filmischen Jahresproduktion eines Landes, die keine Einschränkungen kennt. Gerne nach Kategorien geordnet, jedoch ohne Ausschlusskriterium, wünsche ich mir eben alle Fernsehfilme, Amateurfilme, Heimvideos, Handyaufnahmen und was es sonst noch an aufgezeichnetem (und bearbeitetem?) Material gibt, an einem Ort katalogisiert und versammelt. Natürlich in seiner Gänze ein unlösbares Unterfangen, doch vom Grundprinzip durchaus umsetzbar. Denn was bisher an filmischen Datenbanken existiert ist trotz zahlreicher Fortschritte selbst dem eigenen Anspruch nach zu urteilen immer noch sehr lückenhaft und was noch schlimmer ist: vom Grundgedanken her schon zu elitär, da mindestens implizit bereits wertend. Zu Vieles wird immer noch abgeschoben, abgespeist und ausgeschlossen. Und dass dies oft unbewusst geschieht, macht die ganze Sache nur noch schlimmer. Ich habe das Gefühl, der deutsche Film schämt sich immer ein bisschen deutscher Film zu sein. Man möchte international sein, aber auf eine Art die ich im italienischen oder französischen Film meist nicht antreffe. Dort genügt es meist, dass man Franzose oder Italiener ist, Spanier oder Engländer. Im deutschen Filmgeschäft herrscht für mich jedoch ein Minderwertigkeitskomplex, den ich in dieser Art nur in viel kleineren Filmländern beobachten kann, in Ländern die an ihrer (vermeintlichen) globalen Bedeutungslosigkeit zu leiden haben. Wieso aber hierzulande, in einem Filmland in dem jährlich über 100 (Industrie-)Produktionen hergestellt werden, dass also im weltweiten Maßstab eindeutig zu den größten Filmproduzenten zu rechnen ist? Klar sind wir nicht Hollywood, schon gar nicht Bollywood, und auch nicht Japan, China oder Russland. Und ich bin sicher einer von vielen, der sich eine funktionierende deutsche Filmindustrie sehnlichst herbeiwünscht. Doch man braucht nicht immer zu schauen, was nicht ist, und was nicht alles sein könnte. Denn meiner Meinung nach genügt es bei der umfangreichen deutschen Filmproduktion durchaus genauer hinzuschauen was es wirklich gibt. Und ich kann mir niemanden vorstellen, der bei genauer Betrachtung der deutschen Filmerzeugnisse wirklich unzufrieden sein könnte. Unzufriedenheit und Desinteresse hängen meiner Meinung nach direkt mit Unwissenheit und Ignoranz zusammen. Denn von was ich in diesem Text spreche, von was ich sprechen möchte, sind eben nicht die Produktions- Verleih- und Vertriebsstrukturen von deutschen Kinofilmen, sind nicht die Förderungs- und Subventionsgeschichten, sind keine politischen, wirtschaftlichen oder ideologischen Versäumnisse, Fehlleistungen und Kurzschlüsse. Über was ich schreiben möchte sind schlicht die Filme, die in über einem Jahrhundert hierzulande gedreht worden sind. Und da gibt es meiner Meinung nach überhaupt nichts zu meckern. Wenn Doris Dörrie in der Einleitung zum deutschen Filmjahrbuch „Kino 78“ schreibt, „Bei der Mehrzahl der Filme, die in diesem Buch zusammengefast sind, setzt sich bei mir nichts fest“, so verhält es sich bei mir während der Begegnung mit deutschen Filmen im allgemeinen genau gegenteilig. Es setzt sich ungeheuer viel fest, und ich bin meistens erregt und begeistert. Würde ich für jedes Jahr des letzten Jahrzehnts eine Bestenliste meiner 10 Lieblingsfilme verfassen – es wäre immer ein deutschsprachiger Film dabei, und meistens sogar mehrere. Und im vorigen Jahrhundert sieht es nicht anders aus.
Kommen wir also zum eigentlichen Teil. Im Zuge der „Aktion deutscher Film“ über die man sich hier ausführlicher informieren kann, wurde also ein kleiner Blogaufruf zum deutschsprachigen Film gestartet, dem ich mit diesem Beitrag sowie der nachfolgenden Auflistung meiner 10 deutschen Favoriten folge leisten möchte. Zehn Filme sind natürlich sehr wenig, wenn man wie ich zur Zeit einen ´Heißhunger auf deutsche Filme verspürt. Zur Perspektivierung möchte ich kurz erwähnen, dass bei mir zum Beispiel von ca. 120 neu gesehenen „aktuellen“ Filmen im letzten Jahr über 40 deutsche Produktionen dabei waren, und ich mir in den letzten 6 Monaten ungefähr 100 deutsche Filme zugeführt habe. Damit übersteigt der Anteil von mir gesehener deutschsprachiger Filme (rechne ich noch den ein oder anderen schweizer und österreichischen Beitrag hinzu) denjenigen aller übrigen Länder bei weitem. Das heißt also im Klartext, dass ich mich mitten in der Entdeckungsphase befinde und der Anteil an Meisterwerken der deutschen Filmgeschichte meist alle anderen gesichteten Filme zumindest quantitativ in den Schatten stellt. Was ich in der nun schon etwa 10-jährigen Entdeckungsreise deutscher Film feststellen durfte, ist die Tatsache, dass es kein Jahrzehnt, keine Bewegung oder Gegenbewegung, im deutschen Kino gibt, die nicht massenweise Großartigkeiten hervorgebracht hätte. Und egal ob Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazideutschland, BRD oder DDR – für die Filmqualität machte das keinen Unterschied. Die weitverbreitete Annahme, unter Hitler hätte die Qualität des deutschen Films maßgeblich gelitten, zeugt wohl von Überheblichkeit und Arroganz. Denn was Stalin in der Sowjetunion und sogar Mao in China über Jahrzehnte hinweg nicht vollständig gelungen ist, das hat auch Goebbels in Deutschland in 12 Jahren nicht geschafft. Desweiteren ist auch die unter Fördergremien wohl immer noch weit verbreitete Meinung, dass die „richtige“ ideologische oder moralische Einstellung (sprich z.B. das förderungswürdige Drehbuch) schon einen guten Film ausmachen würde, leider ebenfalls ein Trugschluss. Ein Kunstwerk ist eben nicht auf Ideologie oder Ethik festzulegen, womit auch der größte Faschist mindestens ebenso tolle Filme machen kann wie der engagierteste Menschenfreund. Leider möchten manche vielleicht sagen – ich sage zum Glück. Denn egal in welche Hände und unter welchen Einfluss Filme auch geraten mögen: Beherrschen kann man sie nicht. Als letztmöglicher Einwand erweist sich schlussendlich auch die Überlegung, dass selbst der größte Filmquell irgendwann versiegt sein müsste, mit zunehmendem Filmkonsum als Trugschluss. Die deutsche Filmgeschichte hat inzwischen so viel Werke hervorgebracht, dass auch ein ganzes Menschenleben nicht ausreichen würde auch nur einen Bruchteil von ihnen in ihrer Fülle ausgiebig genießen zu können. Somit werde auch ich es lediglich bei einer kleinen Aufzählung belassen.
Was mich zur Zeit am deutschen Film besonders fasziniert: Helmut Käutner, die 30er Jahre, die sogenannte „Berliner Schule“, Rudolf Thome, Harun Farocki, Adrian Hoven, Genrefilme der 70er, Filme von Münchner Regisseuren der 60er, die vielen großartigen ausländischen Regisseure, die in Deutschland zahlreiche Meisterwerke gedreht haben (genannt seien hier z.B. nur Marran Gosov, Danièle Huillet und ihr Lebensgefährte Jean-Marie Straub, Jess Franco oder Carl Theodor Dreyer), Ulrich Köhler, Angela Schanelec, Filme der DDR, Helmut Dziuba, Herbert Fux, Horst Frank, Heimatfilme der 50er, der deutsche Autorenfilm, Eckhart Schmidt, Roger Fritz, Klaus Lemke, Kurt Nachmann, Jürgen Roland, der Filmverlag der Autoren, Roland Klick und Robert Siodmak.
Die Filmtitel sind alle mit Links (teilweise zu Texten von mir) versehen (!)
Vampyr (Carl Theodor Dreyer / Frankreich, Deutschland / 1931)
Der Tiger von Eschnapur (Fritz Lang / BRD / 1958)
Mädchen – Mädchen (Roger Fritz / BRD / 1966)
Ich, ein Groupie (Erwin C. Dietrich / Schweiz, BRD / 1970)
Wonnekloß (Marran Gosov / BRD / 1972)
Der wilde Blonde mit der heißen Maschine (Adrian Hoven / BRD / 1974)
Zwischen zwei Kriegen (Harun Farocki / BRD / 1977)
Klassenverhältnisse (Danièle Huillet, Jean-Marie Straub / BRD, Frankreich / 1983)
Macho Man (Alexander Titus Benda / BRD / 1984)
Unsichtbare Tage (Eva Hiller / Deutschland / 1991)
Marseille (Angela Schanelec / Deutschland / 2004)
Was für ein monumentales Pamphlet! Schön dich dabei zu haben!
Etwas mulmig wurde mir beim gefährlichen Teil über den Faschismus, aber inhaltlich hast du recht. Um seiner Intention folgend den Film als manipulatives Medium zu nutzen, muß der Faschist sich der filmischen Techniken bemächtigen und das vielleicht sogar besser als alle anderen neben ihm. Um dieser eindrucksvollen Wirkung dann nicht anheim zu fallen, bedarf es einer guten Vorbereitung oder Begleitung, damit die Rattenfängerei durch Prunk, Glanz, geschickte Ellipsen und Lügen nicht auf fruchtbaren Boden gelangt. Da Kino aber eben auch Lüge ist, bedingt eins das andere.
Kaum lobe ich unseren Affenmann, weil er Lang’s letzten Film in seine Liste aufnahm, und schon entdecke ich das „Ereignis“, in dem der Regisseur sich mit dem unfähigsten deutschsprachigen Schauspieler aller Zeiten, Paul Hubschmid, abfinden musste. Hubschmid wurde übrigens durch den – ähem – glorreichen Schweizer „Propaganda“-Film „Füsilier Wipf“ (1938) bekannt. Später verkaufte er sich je nach Angebot an die Nazis oder an Hollywood. – Besonders herrlich: seine Rolle als Schweizer Arzt Jean in Käutners „Die Zürcher Verlobung“ (1957), dem Prototyp des 50er Jahre-Films (obwohl ich trotz mehrmaliger Sichtung keinen Nierentisch entdecken konnte).
Den „Tiger“ und „Das indische Grabmal“ mochte ich als Kind. Ob ich sie heute durchstünde? 😉
@ Ape
Danke für die schönen Worte. 🙂
Das mit dem faschismus war schon so gemeint wie formuliert. Man kann meiner Meinung nach Filme/Kunst nicht „manipulieren“ (und auch keine Zuschauer). Der Zuschauer setzt sich entweder mit dem dargestellten auseinander, oder er tut es nicht. Wenn er sich damit auseinandersetzt, kommt er sowieso zu eigenen Schlüssen, unabhängig von Intentionen der Macher. Ob ein Film „gut“ ist oder nicht hängt also nicht von der Ideologie oder Einstellung der Macher ab, sondern von jedem (einzelnen) Zuschauer. Wie du schreibst ist Kino eben nicht die Wirklichkeit, sondern verhandelt höchstens die Wirklichkeit. Habe zum Beispiel im Januar KOLBERG und JUD SÜß von Veit Harlan im Kino gesehen und fand sie beide ziemlich gut. Nicht trotz, oder wegen des heutzutage als problematisch gesehenen Inhalts, sondern so wie die beiden Filme eben sind. Was Harlan oder die Nazis damit wollten ist zweitrangig, da das Kunstwerk sich unabhängig vom Künstler bewegt (und von irgendwelchen Politikern oder Propagandawünschen schon mal sowieso). Das heißt also, dass Filme nur so auf den Zuschauer wirken, wie dieser sie wirken lässt. Ein Nazifilm kann deshalb meiner Meinung nach nur einen Nazi in dieser Hinsicht „beeinflussen“, da es im Endeffekt keinen Nazifilm (oder sonstige Wunsch- Thesen- oder Wasauchimmer-Filme) gibt: das meinte ich mnit dem Satz „Beherrschen kann man sie (sprich: die Kunst, also hier den Film) nicht“. So viel dazu. 😉
@Whoknows
Habe beide Teile zum ersten mal in meinem Leben letztes Jahr im Kino gesehen.Lang hat sich bei mir durch die Sichtung von „Eschnapur“ quasi wieder „rehabilitiert“. War davor etwas Lang-müde geworden. Als Kind/Jugendlicher hätte ich diesen „Exotikschmarrn“ nicht geguckt, und als angehender Cineast in meiner Jugend (ohne den Namen Fritz Lang) zum teufel gejagt. Habe aber inzwischen ein Faible für „Märchenfilme“ entwickelt, und finde den ersten Teil auch tiefergehend betrachtet äußerst profund. Meiner Meinung nach ein absolutes Meisterwerk. Hat sicherlich von der Kinosichtung in sehr gut (erhaltener?) Kopie profitiert. Mit dem zweiten teil konnte ich dann eher wenig anfangen. Fand ihn eher unnötig, da mir das Ende vom Ersten (Tod in der Wüste) ausgezeichnet gefällt. ET-Mitblogger Christoph war aber neben mir im Kinositz sehr angetan von DAS INDISCHE GRABMAL wodurch es im folgenden auch zu einer hitzigen Diskussion kam. Paul Hubschmid tut tatsächlich nicht viel in den Filmen. Ich finde ihn aber gerade dadurch ziemlich großartig (eingesetzt). im zweiten teil als „Held“ funktioniert er für mich dann aber tatsächlich eher weniger (dafür taugt er nicht). Ich glaube aber, ich habe ihn sonst noch in keinem Film erlebt – der Käutner ist aber absolute Pflicht für mich. 😀
Was ich sehr gerne sehen würde, wären die zwei vorhergehenden Verfilmungen des Stoffes. Ich könnte mir vorstellen, dass beide rein von der Story und dem kolportagewert mehr aus der Geschichte herausholen als Lang (der mir an der „eigentlichen handlung“ nicht sonderlich interessiert schien), bzw. völlig eigene Akzente setzen. Wie auch immer: ich fordere, dass endlich viiiiel mehr deutsche Stummfilme auf DVD (oder auch gerne Blu-Ray/HD) erscheinen. Es ist wahrlich eine Schande, dass im Ausland gefühlt doppelt so viel „deutsche Stummfilmgeschichte“ erscheint wie bei uns.
Sano: Ich hoffe, daß unsere Idee von Kino weiter auseinander klafft als die Meinung über politischen Extremismus. Im Ergebnis gehe ich dabei mit deiner Äußerung konform, denn ein Film, egal welchen Inhaltes, kann im Grunde immer sehr gut sein, ob man hierbei nun Handwerk oder Kunst sieht. Ich sehe jedoch im Film auch die Möglichkeit der Wahrheitswiedergabe, zumindest aus einer Perspektive, weit mehr als bei der Standbildphotographie. Jedoch ist auch die Filmkamera immer auf eine Perspektive beschränkt, die Montage zudem eine erste Manipulation. Über die angesprochenen Ellipsen, Stilisierung und Verfremdung oder nur einen Sprachkommentar gäbe es noch eine zweite Manipulation.
Sicher kommt es auch auf den Zuschauer drauf an. Wenn das Bild bspw. einen Globus zeigt und der Kommentar lautet: „Die Erde ist eine Scheibe.“, dann kann man Scheibe als Bezeichnung für einen Globus halten, den Kommentar für Ironie oder schlichtweg falsch, je nach Bildungsgrad. Wenn der Horizont zu sehen ist und der Kommentar sagt: „Die Erde ist eine Scheibe.“, dann wird die Sache schon schwieriger. Entweder der Zuschauer glaubt es, weil es ihm der Film erklärt, oder er glaubt es nicht, weil er glaubt es anders zu wissen, könnte jedoch noch auf die Idee kommen, sein bisheriges Wissen zu hinterfragen. Aus diesem Grunde sehe ich durchaus ein subversives Potential im Medium, welches sich mit der Medienkompetenz des Publikums zu messen hat.
Ich sehe im Film auch die Möglichkeit der Wahrheitswidergabe, jedoch auf eine vielleicht „vertraktere“ Art als zunächst ersichtlich. Sagen wir es mal etwas platt: ich sehe mir einen Werbefilm einer Jägervereinigung an, in der die Jagd gepriesen wird. Wenn ich der Jagd gegenüber eher negativ eingestellt bin, preise ich den Film vielleicht trotzdem als Meisterwerk, der die Grausamkeit der Jagd, also die „Wahrheit“ hinter der Kulisse aufzeigt. Der Film will vielleicht das Gegenteil, aber „für mich“ wirkt er so. Kunst kann man meiner Meinung nach nicht erklären, und die Meinung des Regisseurs/Produzenten/etc. ist nach fertigstellung des Films nur eine von vielen. Im Idealfall (Wunschvorstellung der Künstler?) stimmen vielleicht die Intentionen zwischen macher und Seher überein. Das hat meiner Meinung nach aber wie gesagt wenig mit dem Künstler, sondern primär mit dem zuschauer zu tun.
Um Bildungsgrad geht es dabei weniger, sondern um Sichtweisen und Beschäftigung mit dem Dargestellten.
Die Wahrheit existiert meiner Meinung nach nicht „irgendwo da draußen“, sondern der Mensch erschafft sich seine Eigene. Somit erschafft auch der Film die Wahrheit. Erschaffung in der Realität/im Alltag und Erschaffung im Film können dabei ganz nah beieinander sein. Ich bin da mit Bazin, der ja zum beispiel von transzendenz redet, die etwas mit Glaube zu tun hat. Der Glaube an die Wahrheit zum Beispiel. Aber eben Glaube – evident ist da nichts.
Deine Beschreibung von dem Kommentar über die Erde als Scheibe trifft es da ziemlich gut. Mögliche Rezeptionen.
1. Man nimmt dem Kommentar die Sache ab, hält den Film aber trotzdem für Scheiße
2. Man achtet nicht besonders auf den Kommentar und bewundert die Erde
3. Man denkt das ist ein satirischer Moment
4. man empört sich über solchen Unfug
5. man findet die Szene technisch schlecht umgesetzt
6 …
Und im Normalfall ist es eine Kombination aus allen möglichen Ideen und Vorstellungen. Ich denke der Mensch denkt assoziativ und nicht strikt linear/kausal.
Medienkompetenz heißt für mich immer nur Aufmerksamkeit. Was soll man jemandem schließlich im Endeffekt beibringen? Für Kunst gibt es keine Gebrauchsanweisung. Klingt vielleicht ein wenig radikal, und JA, wir sind alle definitiv von der verstehen-wollen-Wut infiziert (rationales Weltbild unserer Gesellschaft, und so), aber ich denke man beraubt Filme ihres tatsächlichen Potentials wenn man sie auf vermeintliche Wirkungen und Absichten einengt.
Aber das wird jetzt schon arg soziologisch/ideologisch. Wie siehts denn mit meiner Auflistung aus? Findet die Gefallen? 😉 War sehr erfreut, als ich auf deinem Blog vernahm, dass auch DU wohl MACHO MAN verfallen bist. 🙂
Bitte entschuldige, daß ich meinen Kopf erstmal frei von Vertriebszielen machen mußte, bevor die Gelegenheit bestand, mich näher mit deiner Antwort zu verfassen.
Ich bin durchaus bei dir, wenn es darum geht, eine Darstellung für frei interpretierbar zu halten. Du gehst dabei jedoch von einem Ideal aus, welches ich nicht für naturgegeben halte. Propaganda, oder neudeutsch Werbung, wird ja versucht gezielt platziert. Ich nehme jedoch nicht an, daß diese Adressierung nur Menschen betrifft, welche quasi angesprochen werden wollen, sondern auch solche, die keine Barriere bzw. gesunde Distanz besitzen.
Im Film Thank You for Smoking wird dieses Beispiel unter anderem aufgegriffen, in dem die Hauptfigur als Kampagne für die Zigarettenindustrie vorschlägt, das Rauchen im Film wieder von den Antagonisten auf die Coolness der Protagonisten umzulenken. Hierbei soll dann Rauchen auch eine Sex-Assoziation wiedererlangen. Mit diesem Vorhaben greift man also auf das Alltagskino zurück, um den Zuschauer dort zu überwältigen, wo er ungeschützt, da unvorbereitet, der Aufnahme einer Werbebotschaft bereit steht.
Während man einem plumpen „Lehrfilm“ gegenüber in erster Distanz also zunächst Mauern entgegen setzen könnte, besteht eben diese subversive Gefahr, die dann vorbereitend für eindeutigere Botschaften wirken kann. Die Kunst der Verführung besteht in diesem Fall natürlich auch aus einer Kampagne und ist möglicherweise nicht auf einen Film zu beschränken, jedoch ist die Wirkungskraft z.B. von Heldenfiguren auf junge Männer nicht zu unterschätzen, sei es nur modern der Rezitation von Einzeilern wegen.
Diese heißen Nadelstiche in die persönlich isolierende Käseglocke haben dann sowieso einen grundsätzlichen Einfluß auf die persönliche Wahrheitsfindung, aktiv wie passiv. Entscheidend ist aber, daß wir uns aktiv mit Stoffen auseinandersetzen, was eine Grundvorraussetzung der Medienkompetenz ist. Macht das jeder automatisch?
Deine Liste im Übrigen ist auch als Gegenstand meiner zukünftigen Trips vorgesehen. Wirklich betrachtet habe ich tatsächlich nur Macho Man und der ist so unfaßbar, daß ich es bis heute nicht geschafft habe, das Erlebte zu einem Fazit zu kondensieren. Einzig die Umschreibung als Bastard aus TKKG-Krimi und Actionfilm mag mir da über die Tasten kommen.
Nur Vampyr hätte ich mir ansonsten schon längst richtig angeschaut, würde denn eine vernünftige Restauration auf DVD verfügbar sein. Wenn mich meine Recherche nicht täuscht ist aber die bisher beste Fassung nur mal ohne meine Aufmerksamkeit auf Arte gelaufen?
EDIT:
Was vielleicht nicht ganz klar war: die Titel sind alle mit Links versehen. Ich unterstreiche Filmtitel nämlich grundsätzlich nicht aus ästhetischen Erwägungen. 😉
@Ape
Antwort kommt später. Habe zur Zeit nur spärlich Internet, und muß gleich ins Kino. Im fünf Minuten der nächste Hou Hsiao-hsien mit Untertiteln auf der Leinwand. Juhu! 😀
@Ape-Man:
Du täuscht dich, was VAMPYR betrifft. Die von Martin Koerber restaurierte Fassung ist längst auf DVD zu haben, in ähnlich gut ausgestatteten Ausgaben von Masters of Cinema und Criterion.
@ Manfred: Ich berufe mich auf diesen etwas spärlichen Eintrag, welcher sich natürlich als Ente entpuppen könnte, jedoch sind 82 Minuten in keiner Form vergleichbar mit 69 und 73. http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=3713&vid=12020
Die 82 Minuten halte ich für eine Ente. Hier berichtet Koerber über die restaurierte Fassung von 1998, die den aktuellen DVDs von Criterion und Masters of Cinema und der Ausstrahlung bei arte zugrunde liegt. Mehr als die ca. 73 min (Film/NTSC) bzw. 70 min (PAL) kann auch arte nicht hervorgezaubert haben. Übrigens steht auch in der OFDb bei den jeweiligen DVDs, dass sie komplett sind (mit den Einschränkungen, die Koerber in seinem Artikel erwähnt). Wenn Du kein Komplettist bist und auf eine Ausgabe wartest, die auch die franz. und/oder dänische Fassung enthält, dann gibt es keinen Grund, die Ausgaben von Criterion oder MoC zu verschmähen.
Gute Nachrichten! Ab jetzt startet der Welt erste Verlosung im Rahmen der Aktion deutscher Film. Schau vorbei und mach mit. Und erzähl allen davon. 😉
[…] Sano 28.03.2011 […]