70mm-Festival 2012 und andere Oktober-Festivals





Bereits vor einigen Wochen wurde das Programm des 8. Todd-AO 70mm-Festivals bekannt gegeben, das von Freitag 5.10. bis Sonntag 7.10.2012 wieder in der Schauburg Karlsruhe stattfindet, vorbehaltlich allerdings einer nachträglichen Aufnahme von Paul Thomas Andersons neuem 70mm-Film THE MASTER, bei dem noch Verhandlungen liefen. Das wäre natürlich schon aus Vergleichsgründen spannend gewesen, aber nachdem sich dahingehend bislang nichts mehr getan hat, dürfte THE MASTER wohl doch erst nächstes Jahr laufen und das Programm einstweilen als vollständig angesehen werden. Nachtrag am 28.9.: Mittlerweile wurde bestätigt, dass THE MASTER kurzfristig doch noch ins Festivalprogramm nachrückt und statt THE GREAT WALTZ am So. 7.10. um 15:15 Uhr gezeigt wird! Mit einer noch einmal (gegenüber der Berlinale-2009-Kopie) neu restaurierten Kopie von WEST SIDE STORY als Gala-Vorstellung, einem 60-Jahre-Cinerama-Jubiläums-Schwerpunkt mit HOW THE WEST WAS WON, CUSTER OF THE WEST und THE GREAT WALTZ (alle drei zwar leider nicht als 3-Streifen-Cinerama-Projektion, was offenbar weltweit nur noch in drei Kinos möglich ist, aber zumindest als 70mm-Umkopierungen), vermutlich erstmals einem japanischen Beitrag mit THE GREAT WALL (Shin Shikôtei), AROUND THE WORLD IN 80 DAYS in der ursprünglichen und selten gezeigten 30-Bilder-pro-Sekunde-Fassung (unter technischen Gesichtspunkten neben Douglas Trumbulls BRAINSTORM wahrscheinlich die interessanteste Aufführung), einem schön gemischten Kurzfilmprogramm, und einigen 35mm-to-70mm-Blow-up-Beigaben (FIRST MEN ON THE MOON unter Mitwirkung von Ray Harryhausen, WATERLOO von Sergey Bondarchuk und als Abschlussfilm ALIEN von Ridley Scott).

Einmal mehr ein durchaus feines und abwechslungsreiches Programm also, das man hier noch einmal in übersichtlicher Form mit genauen Anfangszeiten und hier in der ausführlichen Version mit Zusatzangaben und Filmdienst-Kurzkritiken abrufen kann. Schade nur, dass das umfangreiche sowjetische 70mm-Schaffen diesmal lediglich mit einem Kurzfilm und nicht wie in den letzten Jahren auch mit einem Langfilm vertreten ist, und auch der Anteil deutschsprachiger Fassungen höher als sonst ist (das ist schon angesichts der Kopienlage insgesamt unvermeidbar, schwankt allerdings von Jahr zu Jahr). Und weil zumindest in den USA und Westeuropa die 70mm-Kopierung leider ausschließlich auf Eastmancolor-Material erfolgte (DDR- und UdSSR-Produktionen arbeiteten zwar mit einem von Schärfe und Auflösung nicht ganz gleichwertigen 70mm-Verfahren, kopierten dafür allerdings zumeist auf farbstabilerem Material), seien unbedarfte Zuschauer auch auf das bei älteren Kopien daher unvermeidliche, mal mehr mal weniger ausgeprägte Farbfading in Form von Rot- und Braunstichen hingewiesen. Ausgeglichen wird das freilich von der bis heute unerreichten Schärfe, Tiefe und Plastizität des 70mm-Films und nicht zuletzt auch der besonderen Raumklangerfahrung des 6-Kanal-Magnettons, was sicherlich auch diesmal wieder für eindrucksvolle Kinoerlebnisse vor der gekrümmten Cinerama-Leinwand der Schauburg sorgen wird. Unter diesem Reservierungslink können bereits vorab Einzeltickets für 11 Euro, aber auch Tagespässe für 40 Euro oder ein kompletter Festivalpass für 100 Euro (ermäßigt 70 Euro) erworben werden. Der Festivalpass umfasst nicht nur alle zehn Langfilme und das Kurzfilmprogramm, sondern auch eine Komplettverpflegung in der Schauburg mit täglichem Frühstücksbuffet, Kaffee und Kuchen und Abendessen sowie Freibierausschank nach dem letzten Film des ersten Abends. Auch dieses Angebot und die bewusst gesetzten Pausen hat seinen Anteil daran, dass das 70mm-Festival in Karlsruhe zu den entspanntesten und gemütlichsten Filmfestivals gehört.

Aber auch jenseits des 70mm-Festivals ballen sich gerade im Oktober (und in den November hinein ragend) auch 2012 wieder allerlei spannende Filmfestivals und Sonderveranstaltungen im deutschsprachigen Raum, mit der Folge manch unglücklicher Überschneidung. Hier einige ausgewählte Empfehlungen:

Underdox München (4. bis 11.10.2012)
Das bereits vollständig veröffentlichte Programm der 7. Ausgabe des Underdox-Filmfestivals für Dokument und Experiment, das auch diesmal wieder primär im Filmmuseum und Werkstattkino München stattfindet, versammelt in einem diesmal besonders schönen Programm einmal mehr spannende Entdeckungen verschiedener Festivals von Wien und Berlin über Rotterdam bis Marseille – und bringt damit vor allem experimentierfreudige Filme auf die Leinwand, die im regulären Betrieb längst keine Chance mehr haben und selbst in einer Stadt wie München anderweitig in der Regel nicht zu sehen sind. Einige Filme kenne ich bereits und kann TWO YEARS AT SEA von Ben Rivers, NANA von Valérie Massadian, PARABETON von Heinz Emigholz, BESTIAIRE von Denis Côte, SIBÉRIE von Joana Preiss und ANDERS, MOLUSSIEN von Nicolas Rey bedenkenlos empfehlen. Einige Sachen wie TREATY OF DROOL AND ETERNITY von Isidore Isou, WHITE EPILEPSY von Philippe Grandrieux, TOMORROW von Andrey Gryazev, MONDOMANILA von Khavn de la Cruz oder das griechische Kurzfilmprogramm hätte ich sehr gerne gesehen, muss wegen der zeitlichen Überschneidung mit dem Karlsruher 70mm-Festival aber leider verzichten. Erfreulicherweise bieten sich allerdings auch in der zweiten Festivalhälfte mit THE LEGEND OF KASPAR HAUSER von Davide Manuli oder dem V’Day-Viennale-Doppelprogramm einige weitere Höhepunkte.

Pornfilmfestival Berlin (24. bis 28.10.2012)
Die mittlerweile 7. Ausgabe des Berliner Pornfilmfestivals findet auch dieses Jahr wieder im Oktober und vor allem im Moviemento-Kino statt. Das Programm ist noch nicht veröffentlicht, angekündigt ist allerdings eine größere Retrospektive zur Geschichte des erotischen und pornografischen (vermutlich vor allem US-)Kinos.

Festival des deutschen psychotronischen Films (25./26.10.2012)
Traditionell im Endstation-Kino Bochum findet auch dieses Jahr wieder das Festival des deutschen psychotronischen Films (aka „Besonders wertlos“-Festival) statt, terminlich leider etwas unglücklich an einem Donnerstag und Freitag. Das Programm ist bislang noch nicht bekannt, dürfte aber in nächster Zeit auf der Kino-Homepage oder auf Sonderland veröffentlicht werden.

Viennale (25.10. bis 7.11.2012)
In Wien gibt es in der letzten Oktober- und ersten November-Woche wieder eine hochkarätige Viennale-Selektion aus dem gegenwärtigen Festivalbetrieb und den Programmen u.a. von Rotterdam, Berlin, Cannes, Locarno und Venedig. Eine Programmvorschau gibt es schon auf der Homepage, das vollständige Programm soll erst am 16.10. veröffentlicht werden. Die Retro-Schwerpunkte sind hingegen schon weitgehend bekannt. Während die Retrospektive zu Fritz Lang für deutsche Viennale-Besucher gerade nach Werkschauen in mehreren hiesigen Städten eher nicht übermäßig aufregend ist, verspricht bei den Tributes zumindest Manuel Mozos eine kleine Entdeckung, während das Michael-Caine-Tribute und das Eine kleine Geschichte des Unheimlichen-Special Program zwar nicht unbedingt sonderlich originell ausfallen, aber zumindest so manchen Film aufbieten, der gerade eine Sichtung auf großer Leinwand unbedingt lohnt.

Asiafilmfest München (31.10. bis 7.11.2012)
Nach zweijähriger Auszeit geht das Asiafilmfest München ab Halloween wieder für eine Woche an den Start, verlegt allerdings vom Gloria-Palast auf den Mathäser-Filmpalast schräg gegenüber. Mit einer Fortführung der üppigen Retrospektiven früherer Ausgaben ist aus verschiedenen Gründen leider wohl eher nicht zu rechnen, aber der ein oder andere interessante Film dürfte schon dabei sein. Das Programm soll demnächst auf der Homepage bekannt gegeben werden.

Monster, Gewalt und gute Laune (10.11.2012)
Am Samstag, den 10.11. ab 19 Uhr findet im Metropolis Hamburg die 3. Ausgabe von Monster, Gewalt und gute Laune statt. Geboten wird ein Triple Feature mit YOR – EINER GEGEN DAS IMPERIUM, ILSA – DIE TIGERN und SQUIRM – INVASION DER BESTIEN, um die Zeit bis zum nächsten Auflage des dreitägigen Monster Machen Mobil-Festivals im Frühjahr 2013 zu überbrücken.

Diese Hinweise stellen sicherlich nur eine kleine subjektive Auswahl dar. Darüber hinaus seien natürlich auch die monatlich an jedem dritten Samstag stattfindenden Doppelprogramme des Geheimnisvollen Filmclus Buio Omega in der Schauburg Gelsenkirchen (nächste Ausgaben: 20.10. und 17.11.), die Hofer Filmtage von 23. bis 28.10., oder das zunehmend interessanter werdende Fetisch-Film-Festival Kiel (diesmal bereits im September von 27. bis 29.9.) genannt, von Veranstaltungen jenseits des deutschsprachigen Raums (es sei nur auf das dem phantastischen Film gewidmete Sitges Film Festival von 4. bis 14. Oktober mit einem europaweit wohl konkurrenzlos üppigen Genrefilm-Angebot hingewiesen) ganz zu schweigen…

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, September 19th, 2012 in den Kategorien Ältere Texte, Andreas, Blog, Festivals, Hinweise, Trägermedien veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

7 Antworten zu “70mm-Festival 2012 und andere Oktober-Festivals”

  1. Lukas on September 19th, 2012 at 19:50

    mondomanila bekommt, habe ich vorhin staunend entdeckt, im november tatsächlich einen regulären deutschlandstart.

  2. Florian on September 19th, 2012 at 21:04

    Das Programm für’s „Besonders wertlos!“ hing bereits beim letzten „Buio Omega“-Termin aus. Habe mir aber ehrlich gesagt nur „Die Klosterschülerinnen“ (
    Eberhard Schröder) merken können. 😀 „Wilder Reiter GmbH“ war m. W. auch dabei. Und die Sneak Preview eines neuen (2012) deutschen „Trashfilms“….

  3. Andreas on September 19th, 2012 at 23:49

    @Lukas
    Oha, das überrascht tatsächlich sehr. Auf den zweiten Blick dann allerdings weniger, denn wie ich gerade sehe, steckt neben dem Hubert Bals Fund offenbar Rapid Eye Movies als Co-Produzent hinter dem Film, ähnlich wie bei UNDERWATER LOVE – A PINK MUSICAL. Ob das – bei allen Verdiensten, die REM hinsichtlich der Verbreitung asiatischer Filme in Deutschland unbestritten hat – in dieser Konstellation unbedingt ein gutes Zeichen ist, muss man wohl abwarten.

    @Florian
    Ah, danke. Auf der FB-Seite werden zumindest bereits Ferdinand Khittls FEUER AN DER RUHR, der sicherlich sehr interessant ist, und ein neuer Film namens TRANSFER (der eigentlich schon letztes Jahr Kinostart hatte) genannt. Wobei ich diese Tendenz zu neueren Filmen dort eher skeptisch betrachte, „Psychotronik“ sehe ich dann (bei aller Schwammigkeit des Begriffs) doch primär in den späten 50er bis frühen 80er Jahren verortet, mit nur sehr wenigen heutigen Ausläufern. Im Frühjahr 2013 soll es übrigens einen dreitägigen Kölner Ableger des Festivals geben, bei entsprechend reizvoller Zusammenstellung könnte das auch eine weitere Anreise wert sein.

  4. thomas on September 20th, 2012 at 12:24

    was „psychotronik“ betrifft, bin ich auch etwas skeptisch. meines erachtens ist der begriff eng an das soziotop einer naive(re)n kinokultur geknüpft. im heute abgeklärten expertensetting fehlt dafür schlicht der rahmenbezug.

  5. andy on September 21st, 2012 at 09:50

    in 2012 findet das Kieler FETISCH FILM FESTIVAL
    27. – 29. September statt. Bitte korrigiert den Artikel bzw. setzt es gerne in September rein
    Danke für die Erwähnung.

    Bitte mailt, wenn ihr kostenfrei zum bloggen reinwollt

  6. Andreas on September 21st, 2012 at 16:12

    @Thomas
    Sehe ich ähnlich. Allenfalls das Spätwerk von Leuten wie Lemke oder (jenseits der dt. Verortung) Franco bewahrt vielleicht noch ein Stück weit diesen Geist, geht aber letztlich dann auch schon wieder in eine andere Richtung.

    @andy
    Danke für den Hinweis, nachdem das Festival letztes Jahr Ende Oktober stattfand, ist mir das glatt durchgerutscht. Ist nun aber korrigiert. Mit persönlicher Anwesenheit wird’s aufgrund der großen räumlichen Distanz aber leider voraussichtlich bei keinem von uns was, auch wenn das Programm wirklich einige interessante Sachen bereit hält – wünsche auf jeden Fall viel Erfolg!

  7. Andreas on September 28th, 2012 at 12:39

    Mittlerweile wurde also doch noch bestätigt, dass THE MASTER in einer Woche beim 70mm-Festival in Karlsruhe zu sehen sein wird! Nach lange fehlender Zusage, ist er jetzt kurzfristig für THE GREAT WALTZ (ein ohnehin eher uninteressant aussehender Blow-up) am So. 7.10. um 15:15 Uhr ins Programm gerutscht. Nachdem der Film bislang offenbar immer noch keinen deutschen Verleih hat, wird es möglicherweise die einzige Aufführung des Films in diesem Jahr in Deutschland sein, zumal im 70mm-Format.

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