100 Deutsche Lieblingsfilme #53: Der Bulle & das Mädchen (1985)



Another chance to fall in love
Another chance to turn you on
Another chance to turn you on
Here comes that golden feeling
It’s shining in your eyes

Deutsches Kino, immer wieder ein Genuss. Und auch eine Überraschung. Ein Leerstück haben wir hier, im besten Sinne, ausgehöhlt, phrasenhaft, nackt und wackelig. Ein Lehrstück in Sachen Kino. Die Actionszenen verlaufen im Sande, die Prügeleien sind meist wunderbar banal. Ein Polizeifilm wird zum Liebesfilm, da der Polizist nicht zum Helden taugt. Jedenfalls nicht in der Welt von Pea Fröhlich und Peter Märthesheimer. In der von Peter Keglevic schon.

Mal wieder: Ein Österreicher in der BRD. Und: Das westdeutsche Kino der späten 70er und frühen 80er, ein Rausch der Sinnlichkeit, ein Spiel mit dem Zitat. Dieser „trivial-melodramatische Aspekt“, wie es die Band Alphaville in einem Interview zum Film so schön erkannt hatte. Die Widersprüchlichkeit und Lakonie profaner Fantasien. Wenn in Beate Klöckners Kopfschuss 1981 der gealterte Gordon Mitchell nachts im Wohnwagen auf der Schrotthalde sitzt um (seiner Meinung nach) schlechte Pornos von Videokassetten auf einem kleinen Fernseher zu schauen, dabei aber als Zufluchtsort und Rückhalt der Heldin des Films inszeniert wird. Wenn Annette von Klier sich mit dem Finger über die sandig-blutige Oberlippe fährt um daraufhin davon zu kosten. Nachdem sie einen spontanen Doppelselbstmord zu inszenieren versucht hatte. Jürgen Prochnow rettet ihr das Leben, und schüttelt sie, als ob er sie erwürgen wolle. Überhaupt Jürgen Prochnow, die Trauergestalt, die immer wieder „wie immer“ sagt. Eine coole Socke. Mit der Mann links und rechts eine gewatscht bekommt. Angenehm ist das nicht. Aber zumindest feucht.

Kino ist das, Impressionen komprimiert, gequetscht in jeden Moment, in einer Überfülle an Verweisen und Inhalten. Der Bulle & das Mädchen, dieser Film ohne Plot, ist kunstvoll strukturiert, randvoll mit Bedeutung, ist allegorisches Märchen als filmische Abhandlung, ist Reflexion über die westdeutsche Kinoszene, dennoch knapp, karg und reduziert. Ein bisschen was von allem. Was scheiße klingt, leuchtet auf der Leinwand. Kino kann man schwer erzählen.

Also nochmal: Ein billig-tristes Etablissement aus deutschen Großstädten in den Prochnows Ex-Kollege dessen Ex-Frau entführt hat, damit nun Krystyna Janda in diesem schäbigen Edelclub ein schäbiges Cover von Peggy Lees Variante von Eddie Cooleys und Otis Blackwells Fever zum Besten geben kann. Ironie des Schicksals, Zombies im Kaufhaus. In Jürgen Prochnows Welt scheint dies das Höchste der Gefühle. „Mir ist kalt, mir ist hundekalt.“

Und mit das Schönste an diesem Film sind die Scheiß Bullen. Alle scheiße.


Der Bulle & das Mädchen – BRD/Österreich 1985 – 89 Minuten – Regie: Peter Keglevic – Produktion: Hans Eckelkamp, Peter Pochlatko – Drehbuch: Pea Fröhlich, Peter Märthesheimer – Kamera: Edward Klosinski – Schnitt: Karin Nowarra, Susanne Schett – Musik: Brynmor Jones, Alphaville, George Kranz – Darsteller: Jürgen Prochnow, Annette von Klier, Franz Buchrieser, Stefan Meinke,Krystyna Janda, Daniel Olbrychski

Dieser Beitrag wurde am Samstag, Mai 2nd, 2015 in den Kategorien Blog, Blogautoren, Deutsche Lieblingsfilme, Filmbesprechungen, Sano veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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