100 Deutsche Lieblingsfilme #19: Küss mich, Monster (1967)







Als in einer stürmischen Gewitternacht ein mysteriöser Fremder seinen letzten Atem ausgerechnet auf der Türschwelle von Diana und Regina aushaucht, ist dies für die beiden Hobbydetektivinnen der Auftakt zu einem wilden Abenteuer. Der Tote hat nämlich nicht nur einen Wurfdolch im Rücken, sondern auch eine Partitur in der Hand. Die darauf verzeichneten Töne und Texte ergeben zusammen ein altes Volkslied, das die scharfsinnigen Schönheiten geradewegs auf eine sonnige Insel führt. Es dauert nicht lange, da sehen sich die beiden, die ihre Brötchen im Übrigen nicht nur durch Privatschnüffelei, sondern auch mittels freizügiger Varieté-Performanzen verdienen, mit einer illustren Schar skurriler Gestalten konfrontiert, die allesamt ein Auge auf eine ominöse Zauberformel geworfen haben und fürchten, Diana und Regina könnten ihnen eben diese abspenstig machen.

So treffen die leichtgeschürzten Detektivinnen unter anderem auf eine mysteriöse Sekte, eine Gruppe radikaler Feministinnen, verrückte Wissenschaftler, durchtriebene Doppelagenten und einen unmoralischen Geschäftsmann, der offenbar unter der Fuchtel eines verhaltensauffälligen Kindes steht, das bestürzende Ähnlichkeit zu einem Nacktaffen aufweist. Blöd nur, dass die Informanten, mit denen sich die Ermittlerinnen zwischen allerlei Tanz- und Gesangseinlagen treffen, meist durch zweckentfremdetes Schneidwerkzeug schon ein verfrühtes Ende finden, bevor sie ihre kostbaren Informationen überhaupt preisgeben können. Irgendwie gelingt es Diana und Regina am Ende dann aber doch noch, dem totgeglaubten Biologen auf die Spur zu kommen, der mithilfe der heiß begehrten Super-Formel eine muskelbepackte Übermenschen-Rasse zu züchten plant.

Klingt wirr? Ist es auch! Und es ist großartig! Jenseits jeglicher Logik oder Plausibilität entspinnt sich dieses herrlich beknackte Spionage-Spiel zwischen Palmen, Strand und Sleaze-Gestöber, immer nur auf den Genuss des Augenblicks aus und nie den Zwängen der Kontinuität gehorchend. Es ist schon bewundernswert, mit welcher Leichtfüßigkeit Franco seine Protagonistinnen von Szene zu Szene tänzeln lässt, egal ob sie nun gerade halbnackt Saxophon spielen oder sich der Attacken peitschenschwingender Tunichtgute erwehren müssen. Nichts wird ernst genommen, alles ist ein Spiel. Wen interessiert es da schon noch, wenn zwischen all den albernen Zipfelmützen-Mönchen und grunzenden Übermensch-Proleten die Plausibilität auf der Strecke bleibt? Ausgeklügelte Geschichten gibt es im Kino schließlich wie Sand am Meer (Sand am Meer gibt es in diesem Film übrigens auch wie Sand am Meer, entspinnt sich doch der gefühlte Großteil des Plots vor sonnigen Postkarten-Stränden).

Was „Küss mich, Monster“ zu bieten hat, ist dagegen deutlich rarer gesät. Hier wird das kunstgeplagte Gehirn des geneigten Cineasten auf eine All-inclusive-Kreuzfahrt über das Meer der enthemmten Trivialitäten geschickt. Wer sich auf den Trip einlässt, darf sich verwöhnen lassen von den coolen Sprüchen strammer Bikini-Miezen, sinistren Superschurken, die in etwa so furchteinflößend wie Graf Zahl aus der „Sesamstraße“ sind, und Dialogen, die streng nach deutschem Trashgebot gebraut sind. Prädikat: Wohlfühl-Franco!



Küß mich, Monster – BRD/Spanien 1967 – 79 Minuten – Regie: Jess Franco – Drehbuch: Karl Heinz Mannchen, Jess Franco, Luis Revenga – Produktion: Pier A. Caminnecci, Adrian Hoven, José López Moreno – Kamera: Jorge Herrero, Franz Hofer – Musik: Jerry van Rooyen – Schnitt: Francisco García Velázquez, María Luisa Soriano – Darsteller: Janine Reynaud, Rosanna Yanni, Chris Howland, Michel Lemoine, Manuel Velasco, Manolo Otero, Ana Casares, Adrian Hoven, Marta Reves.

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3 Antworten zu “100 Deutsche Lieblingsfilme #19: Küss mich, Monster (1967)”

  1. Schameng on Februar 10th, 2011 at 11:24

    Wirr & großartig trifft den Nagel auf den Kopf. Ebenso zum Wohlfühlen, ebenso wirr und ebenso großartig finde ich „Las Vampiras“, der drei Jahre später erschien. Herrlich assoziativ und ungemein unterhaltend in seiner unaufdringlich sleazigen Surrealität. Filme wie die untergehende Sonne am Sandstrand – mit Brüsten, Tanz und Suggestivmontage in entzückenden Farbtemperaturen festgehalten. Ein wohlig-warmes und leichtes Empfinden des Geblendetseins in den Augen, nicht unangenehm sondern umwerfend schön und wohltuend! Nun nehm ich mir ein Tempo, die Nase putzen. Und die Sandkörner von Francos 70er Jahre Sleaze-Sandstränden lass ich noch ein wenig in den Augenwinkeln.

  2. CE on April 14th, 2013 at 18:16

    Feines Review. Habe anläßlich des Ablebens des Großen Meisters beschlossen, daß mehr Franco-Filme ins Haus müssen, und bei „Küss mich Monster“ zu meinem großen Entzücken festgestellt, daß die Band im „Playboy Nightclub“ (so heißt der doch?) eine rasante Version von „Sock It To’Em J.B.“ spielt, dem Song von Rex Garvin & The Mighty Cravers, später von den Specials mal aktualisiert. J.B. ist natürlich James Bond. Meine Lieblingsszene ist vermutlich die, in der Franco in seiner Rolle als… hm… von hinten erschossen wird und sich, die Arme hochwerfend, von Janine Reynaud und Rosanna Yanni auffangen läßt. Hätte ich auch so gemacht. 🙂

  3. Markus on Juni 3rd, 2015 at 19:15

    Ich fand die „Textilien“ ganz ansprechend 🙂 War ne gute Zeit.
    Stand bei den Komödien, hab mich noch gefragt – warum – fand’s nicht lustig; bis auf das Ende. Einfach großartig.
    Wie diese Seite hier. Danke!

    Synchronstimmen aus bspw. Bond auch vertraut und sehr charmant. Passt alles.

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