Zeitnah gesehen: Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon (2018)
Eine doppelte Täuschung direkt zu Beginn, dem Zuschauer und Elmar Weppers alterndem Gärtner gleichermaßen vor die Glubscher gehalten – ein Prachtgolfplatz in Vegas. Mit dem ihn abbildenden IPad aus der Kadrage geschoben, kommt doch nur ein oller bayerischer Rasen darunter hervor. Wichtiger als der schmückende Tinnef von Übersee erscheint etwas ungleich Existentielleres, gleichsam weniger Augenscheinliches. Das Grün der Halme, leicht verblasst, von geringer Leuchtkraft. Später, Wepper hat sich da längst selbst via Kleinflugzeug aus Geldnöten, ätzender Kundschaft und seiner Unfähigkeit, eine wirkliche Bindung zu Frau und Kind aufzubauen, enthoben, schält sich nicht selten ein beinahe kränkliches Gelb aus diesem Grün hervor. Wiesen als Stimmungs-, als Sehnsuchtsbarometer, mannigfaltig eingefangen, vom Himmel, von der Erde aus, digital plattgemacht in unisono, sich wiegend in der mehr oder weniger texanischen Weite der Totalen. Wildwest in Bavaria – doch kein Held weit und breit. Als Kontrast die Enge der rustikalen, mit längst zu bloßer Nostalgie verkommenem Tand zugepflasterten Provinzstuben. Der Land- und Natursehnsucht vergleichbarer, wenngleich nicht in den Lüften angesiedelter Roadmovies setzt Florian Gallenberger eine von vornherein feststehende Ernüchterung entgegen. Auf dem Land, da ist’s auch nicht besser – das Leben nicht, auch nicht die Menschen. Die unerträgliche Berliner Stadtgöre, sie wirkt am Ende genauso verloren auf dem Land wie Wepper in den in ihrer Schrulligkeit eskalierenden Schauplätzen seiner Odyssee.
Hineingestoßen in diese wird er mit imponierender erzählerischer Ökonomie, die Traumreise eines Durchschnittlichen geht nahtlos aus seiner kleinen Realität hervor. Eingerahmt von surreal betonenden, sich aber langsam im Hintergrund ausschleichenden Stereotypen gröbsten Zuschnitts: alle sind sie da – das manic pixie dream girl (Emma Bading in der zweiten standout performance des Filmes – es mag nicht zur Stroßrichtung dieses Textes passen, muss aber dringend hinaus!), die esoterisch angehauchte Großmama nebst lesbischer Gattin, der langhaarige Technikfreund und der unaufrichtige Politschwabbel – alle perlen sie vorerst, manchmal dauerhaft ab am nüchtern bayerischen Dialekt, der kompakten Statur, dem jede kleinste Gefühlsregung von der Leine lassenden Gesicht mit den so sich täuschend weise kräuselnden Augenbrauen, an Elmar Wepper – eh einem der größten deutschen Schauspieler. Und dennoch, der winzige Elmar neben seiner verheißungsvoll roten Flugmaschine – die Träume so groß, so klein der Mensch. Geradeso wie er in diesem Bild, eingeflochten als er schon fast wieder wie ein Gewinner mit sich anbahnender Ersatzfamilie inklusive geradewegs Schweigeresker Wir-packen-es-an-Montage wirkt, schrumpft neben ihm die auch die Neigung zur Sozialdidaktik leider nicht weniger deutscher Filme jüngeren Datums. Graduelle Verluste der Überzeichnung sind präzis, keine Minute zu lang abgestimmt auf jene Zeit, die Wepper selbst zur Justierung seines vornehmlich um die eigenen Nöte kreisenden Blickes benötigt. Ein Film in maximaler Konsequenz aus der Introspektive seiner Hauptfigur heraus erzählt.
Ein Film der sich dennoch nicht scheut, ihr – nicht wie so oft dem Zuschauer – etwas über die eigenen Fähigkeiten vorzulügen. Unterwegs meistert Gärtner Schorsch mit bemerkenswerter Leichtigkeit alles, nur sein Leben daheim, das kriegt er nicht auf die Reihe gebracht. In dieser Zuspitzung findet man eine solche Disparität zwischen Eigen- wie Fremdwahrnehmung, aufgliedert auf das Handeln daheim und, wie passend, in der für unterschiedliche Menschen eben auch unterschiedlich weit entfernten Fremde hier im Grunde nur noch in Harald Reinls „U 47 – Kapitänleutnant Prien“ (1958), der Dieter Eppler mit siegessicherem Lächeln, sich als unverwundbarer Kriegsheld wähnend in die bereits ausgestreckten Nazidolche seiner Rangoberen sprinten lässt. Da nimmt es sich wahrlich wie eine Gnade aus, dass Gallenberger dem ins fatalistische gleitenden Jansenismus des österreichischen Meisters nicht zu folgen gewillt scheint. Sein Film endet auf einer versöhnlicheren, gleichwohl ambivalenten Note. Wie die vielleicht kälteste Lagerfeuerbeichte – Texas, hier bist du wieder – der deutschen Kinogeschichte: Erst eine Ahnung von Erleichterung zulassend, wird das wärmende Flackern auf den Gesichtern vom erdrückenden Tiefblau der Nacht umgehend wieder verschluckt. Mehrere Male kommt es einem im Laufe wie als befände man sich selbst im Fluge vergangener Minuten als Sprichwort in den Sinn. Das Gras ist stets grüner auf der anderen Seite … und das geht auch in Ordnung so. Beizeiten wirkt dieser visuell wundersam reichhaltige Film dabei in Anbetracht aktueller Debatten um den alten, weißen Mann in dieser Feststellung geradezu brennend aktuell. „Nimm dich mal zurück, Junge, an deinem Wesen muss nicht die Welt genesen. Ist auch entspannter so für dich.“, scheint er zu rufen.
Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon – Deutschland 2018 – 116 Minuten – Regie: Florian Gallenberger – Produktion: Benjamin Herrmann, Christian Hofer, Luca Verhoeven – Drehbuch: Gernot Griksch, Florian Gallenberger, nach dem Roman von Jockel Tschiersch – Kamera: Daniela Knapp – Schnitt: Sven Budelmann – Musik: Enis Rotthoff – Darsteller: Elmar Wepper, Emma Bading, Monika Baumgartner, Dagmar Manzel, Karolina Horster u.v.a.
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