Tatort und Tangerine Dream



Bin gerade etwas auf dem Tatort-Trip und versuche mehr über die wunderbar sleazig klingende Folge Der gelbe Unterrock aus dem Jahr 1980 herauszufinden, die nach ihrer Erstausstrahlung im Giftschrank des SWR verschwunden ist. Generell faszinieren mich die Tatort-Folgen aus den Achtzigern, schon allein wegen den so merkwürdig fremd und fern wirkenden Bildern aus der „alten“ BRD. Zum Beispiel im Schimanski-Tatort Das Mädchen auf der Treppe, wenn die Kamera über den Tatort schwenkt und sich hinter den klobigen Einsatzwägen und den grauen Mietshäusern vor einer brachen Wiese die riesige Zeche aufbaut. Oder das blinkende, alte Bierschild im Hintergrund der Kneipenszene. Überhaupt wirkt das alles gar nicht so wie die meisten Fernsehfilme, die man heute so sieht, sondern viel filmischer, näher am Kino. Und das nicht nur, weil der Soundtrack wie bei Michael Mann oder Kathryn Bigelow von Tangerine Dream stammt:




(Über das Benutzerprofil des Users bei Youtube findet man noch eine Zusammenstellung des Tatorts Miriam von 1983, bei dem die Musik ebenfalls von Tangerine Dream stammt.)


Übrigens zeigt 3sat nächsten Sonntag (also den 23. August) die Folge Reifezeugnis von Wolfgang Petersen mit Nastassja Kinski aus dem Jahr 1977. Und Dominik Grafs Jubiläumstatort Frau Bu lacht wird am 24. August im SWR und am 10. September im WDR wiederholt.

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, August 18th, 2009 in den Kategorien Alexander P., Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Hinweise veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

11 Antworten zu “Tatort und Tangerine Dream”

  1. Christoph on August 19th, 2009 at 15:29

    Was haeltst du von REIFEZEUGNIS, Alex? Ich war relativ enttaeuscht und anschliessend davon ueberzeugt dass die Reputation eher von Nastassja Kinskis beachtlicher (und entbloesster) Oberweite herruehrt denn sonstiger Besonderheiten.

    Ich wuerde ja brennend gerne die Tatort-Folge von Sam Fuller sehen, leider habe ich es geschafft, sie zu verpassen, als sie vor ein paar Monaten auf einem der dritten lief.

    Der „filmischere“ Look der alten Tatort-Folgen ruehrt wohl nicht zuletzt daher, dass sie teilweise tatsaechlich noch auf 16mm anstelle von Maz gedreht wurden. Leider bekommt man die alten 70iger-Tatorts kaum noch zu sehen, ich erinnere mich an eine Episode mit dem seligen Gustl Bayrhammer, die mich sehr stark an die sleazigen, spaeten Edgar Wallace-Filme erinnert hat (ein besonderer Favorit unter den mir bekannten Folgen ist „Toedliche Blende“ von 1987 mit Heinz Drache als Kommissar – sehr trashig) und billigen (bayerischen) 70iger-Zeitgeist pur geatmet hat. Das tut REIFEZEUGNIS natuerlich auch, aber leider war ich schon vorbelastet nach dem Erwartungen weckenden EINER VON UNS BEIDEN, der mir deutlich mehr zugesagt hat.

  2. The Critic on August 19th, 2009 at 18:05

    Oh ja. Die Tote Taube in der Beethovenstraße bestätigt eindrucksvoll Alexanders These von der Kinohaftigkeit der frühen Tatortfolgen. Ganz fabelhaft. Nächstes Mal bitte nicht mehr verpassen. 🙂
    Oder bei Fantoma für $20 bestellen.

  3. Alexander P. on August 20th, 2009 at 12:17

    Ich kenne bisher leider weder REIFEZEUGNIS noch DIE TOTE TAUBE IN DER BEETHOVENSTRASSE, hab vor allem Ende der Neunziger viel Tatort gesehen (weil mein Vater das immer geschaut hat und Sonntag abend der Fernseher damit immer blockiert war). Aus der Zeit davor habe ich leider deutlich weniger sehen, obwohl das Meiste viel spannender klingt.

    Christoph, bist du dir sicher mit dem 16mm? Ich dachte ich hätte irgendwann mal so vor c.a. einem Jahr gelesen, dass die ARD den Tatort mittlerweile komplett digital dreht und bisher bin ich irgendwie automatisch davon ausgegangen, dass davor alles auf 16mm gedreht wurde.

    Weiß ansonsten nicht woher das kommt, dass gerade viele alte Tatort-Folgen „filmischer“ wirken. Auffällig, dass früher häufiger Regisseure und Kameraleute, die auch fürs Kino gedreht haben, beteiligt waren oder dass der Tatort eine Art Karrieresprungbrett junger Talente fürs Kino war (bei Petersen z.B.). Aber das ist im Grunde ja heute auch nicht anders und es gab auch damals schon reine Fernsehregisseure, die dann fast nur Tatort gedreht haben wie z.B. Theo Mezger. Bei DAS MÄDCHEN VON DER TREPPE war übrigens Jospeh Vilsmeier Kameramann, wirklich ärgerlich, dass er dabei nicht geblieben ist, denn als Kameramann hatte er offenbar wirklich etwas drauf, während ich seine Regiearbeiten eher uninteressant finde.

    Und was da alles an Filmgeschichte im Tatort drinsteckt: z.B. bei dem Fuller-Tatort, da war Jerzy Lipman Kameramann, der wichtigste Kameramann des jungen polnischen Kinos in den 60ern. Der hat mit Andrzej Wajda dessen frühen Filme gedreht (GENERATION, CANAL), später mit Polanski DAS MESSER IM WASSER. Dann ist er nach Deutschland emigriert und durfte fast nur noch fürs Fernsehen arbeiten (Ausnahme die Puschkin-Verfilmung DER REGEN VERWISCHT JEDE SPUR von Alfred Vohrer, im TV immerhin mit Fuller und später dann auch mit Haneke).

    Und mir war zum Beispiel auch gar nicht bewusst, wie viele Tatort-Folgen Jürgen Roland und Wolfgang Staudte gedreht haben (bei Staudtes TOTE BRAUCHEN KEINE WOHNUNG hat Michael Ballhaus die Kamera geführt). Vor allem die Sachen von Roland, die oft entweder im Frankfurter Bahnhofsmilieu spielen oder nach Agententhriller klingen würde ich unbedingt gerne mal sehen. Die ARD sollte wirklich öfter Wiederholungen aus den Siebzigern und Achtzigern senden oder am Besten gleich vernünftige DVD-Boxen veröffentlichen.

    Bei den Wiederholungen dürfen sie sich gerne an meiner Top 10 meiner Most Wanted Tatort-Folgen bedienen:

    1. Die tote Taube aus der Beethovenstraße (Samuel Fuller, 1973)
    2. Schwarzes Wochenende (Dominik Graf, 1986)
    3. Kennwort: Gute Reise (Georg Tressler, 1972)
    4. So ein Tag… (Jürgen Roland, 1982)
    5. Freiwild (Wolfgang Staudte, 1984)
    6. Winterschach (Hans-Christoph Blumenberg, 1988)
    7. Schüsse in der Schonzeit (Helmut Ashley, 1977)
    8. Acht, Neun – aus! (Jürgen Roland, 1984)
    9. Der Schläfer (Jürgen Roland, 1983)
    10. Ende der Vorstellung (Georg Marischka, 1979)

    🙂

  4. Sano on August 21st, 2009 at 15:31

    Klingt alles höchst reizvoll. Ich glaube der letzte Tatort den ich gesehen habe liegt schon mindestens 4 Jahre zurück.
    Das ist eben immer so eine Sache mit Fernseharbeiten. Außerhalb des Fernsehens schwer zu kriegen, und vieles ist inzwischen wohl auch schon verschollen.
    Aber bei dem ganzen 16mm Material, wäre es nicht schlecht wenn ein Filmmuseum oder Festival da mal ne ordentliche Retro anbieten würde.

    Was hast du denn alles an Tatorten aufgenommen, Alex?

  5. Alexander P. on September 2nd, 2009 at 00:36

    Vielleicht auch eine Erklärung warum der TATORT so abgebaut hat in den letzten zehn Jahren:
    http://www.sueddeutsche.de/kultur/339/485762/text/

  6. Alexander P. on September 7th, 2009 at 10:28

    Verblödung mit System:
    http://tinyurl.com/kuqrez

  7. Jörg Warnken on September 13th, 2009 at 16:25

    Ich möchte sehr gerne wieder die „TATORT“-Folgen von und mit Jürgen Roland im TV sehen:

    01. „… und dann ist Zahltag“ (65. NDR, 1976)
    02. „Das stille Geschäft“ (81. NDR, 1977)
    03. „Freund Gregor“ (101. NDR, 1979)
    04. „So ein Tag …“ (133. HR, 1982)
    05. „Der Schläfer“ (152. NDR, 1983)
    06. „Acht, neun – aus“ (166. HR, 1984)
    06. „Baranskis Geschäft“ (175. NDR, 1985)
    07. „Pleitegeier“ (208. NDR, 1988)
    08. „Keine Tricks, Herr Bülow“ (219. SFB, 1989)
    10. „Tod eines Mädchens“ (246. NDR, 1991)
    11. „Stoevers Fall“ (260. NDR 1992)
    12. „Tod eines Polizisten“ (301. NDR 1995)
    13. „Ausgespielt“ (352. NDR 1997)
    14. „Tod vor Scharhörn“ (461. NDR 2001)

    Liebe Grüße
    Jörg

  8. Sano on Oktober 14th, 2009 at 15:31

    @ Alex
    Hab gerade die von dir verlinkten Artikel gelesen. Was für krasse Vorgänge. Vielleicht wirkt sich diese Vetternwirtschaft auch auf die Qualität der neueren Tatorte aus…
    Aber so habe ich das noch nie gesehen – hab immer gedacht, dass es irgendwo anscheinend Leute gibt die „so etwas“ produzieren, bzw. konsumieren möchten. Dass das ganze scheinbar aber nicht einmal an irgendwelchen (wenn auch noch so illusionären) kommerziellen Ansprüchen orientiert war, ist wirklich unglaublich.
    Vielleicht sollte ich mir doch wieder Fernsehen anschaffen, und mir einige dieser „Langeweiler“ zu Gemüte führen. Das sublime versteckt sich ja meist an den unerwartetsten Orten.
    Da fällt mir aber ein: gibt es denn noch gar keine DVD-Boxen von (alten) Tatortfolgen? Das wäre dann ein weiteres wirtschaftliches Eigentor… Zumindest Fansites zum Tatort müsste es doch geben(?)

  9. Alexander P. on Oktober 16th, 2009 at 10:58

    Im Dezember kommen von Paramount einige Tatort-Boxen, u.a. eine Schimanski-Box mit oben genannter Folge „Das Mädchen auf der Treppe“. Vorher gab es auch schon einige Boxen und Einzelveröffentlichungen (u.a. SCHWARZES WOCHENENDE von Dominik Graf), die aber zum Großteil vergriffen sind. Zumindest scheint sich da jetzt aber etwas zu tun…
    Und als Fanseite kann ich den „Tatort-Fundus“ empfehlen, ziemlich großartige Seite, auf der sich auch immer die aktuellen Ausstrahlungstermine finden:
    http://www.tatort-fundus.de

  10. Alexander P. on Oktober 16th, 2009 at 11:05

    @jörg warnken
    Die würde ich alle auch gerne mal sehen. Ich mag die Wallace- und die St. Pauli-Filme von Roland. Schade, dass die ARD und die Dritten fast nur noch Folgen ab 1990 wiederholen.

  11. Dominik Graf on Oktober 28th, 2009 at 14:16

    […] Kommentar zu Tatort und Tangerine Dream von Alexander P. Kommentare für Eskalierende Träume – PeopleRank: 0 – 16.10.2009 …Dominik Graf), die aber zum Großteil vergriffen sind. Zumindest scheint sich da jetzt aber etwas zu tun… Und als Fanseite kann ich den “Tatort-Fundus” empfehlen, ziemlich großartige Seite, auf der sich auch immer die aktuellen Ausstrahlungstermine… + voten […]

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