Le porte del silenzio (1991)



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Viele fragen sich, was aus „Wax Mask“, der geplanten Kollaboration zwischen Dario Argento und Lucio Fulci geworden wäre. Vielleicht hätte es ein spätes Comeback für Fulci bedeutet. Aber dann wäre „Le Porte del Silenzio“ nicht der perfekte letzte Film geworden, der er ist. Er macht den Kreis von Fulcis Schaffen erst wirklich rund. Er ist das filmische Äquivalent zu Goethes „Mehr Licht!“.

Der Immobilienmakler Melvin Devereux (John Savage) ist geschäftlich in New Orleans. Nebenbei besucht er das Grab seines Vaters, sagt die paar Weisheiten auf, die dieser ihm mitgegeben hat, und macht sich wieder auf den Weg zurück. Doch seltsame Dinge geschehen. Eine geheimnisvolle Frau (Sandi Schultz), die behauptet ihn zu kennen, kreuzt immer wieder seinen Weg und streicht um ihn herum wie eine Katze. Und ein Leichenwagen versperrt ihm auf der Straße ständig den Weg. Und es scheint, als würde der Wagen einen Toten namens Melvin Devereux transportieren.

Die Prämisse stammt aus der berühmten Kurzgeschichte „An Occurence at Owl Creek Bridge“ von Ambrose Bierce, und sie begegnet uns unter anderem in Filmen wie dem wunderbaren „Carnival of Souls“. Menschen, die noch nicht realisiert haben, dass sie längst gestorben sind, laufen umher und wundern sich, was mit ihnen, was mit der Welt passiert ist. Bei Bierce ein eher ironischer, galliger Einfall, bei Fulci ein Akt des Widerwillens. Ein letztes Aufbäumen. Der Zuschauer merkt schnell, worum es geht, nur der Held merkt es nicht. Er hält instinktiv an dem letzten Strohhalm fest, der wahrscheinlich nur in seinem Kopf existiert.

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„Le Porte del Silenzio“ ist ein Roadmovie, mit scheinbar endlosen Straßen und leeren Orten. Wenn David Warbeck und Catriona MacColl am Ende von „The Beyond“ vor dem Wasteland stehen, könnten sie sich genauso gut auf diesen einsamen Straßen von Louisiana befinden, denn es herrscht dieselbe Atmosphäre des Unwirklichen. Auch die Inszenierung unterstreicht diese Stimmung durch seltsame Redundanzen, überdeutliche Symbolik, fragmentarische Flashbacks, Szenen wie in einem Traum. Dazu ein melancholischer Jazz-Soundtrack von Franco Piana und nicht zuletzt John Savage, in dessen Gesicht bereits die ganze Tragik der Erzählung eingraviert scheint.
Der wütende Blutrausch von Fulcis restlichem Spätwerk ist in „Le Porte del Silenzio“ übrigens nicht auffindbar. Der Film ist ein sanfter Abschied eines Regisseurs, von dem man das so nicht erwartet hätte. Eine Elegie. Ein letzter Kuss kurz vor Mitternacht.

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Der Film wurde tatsächlich von Joe D’Amatos Filmirage produziert und man merkt es auch. Manchmal hat man das Gefühl, man guckt sich eine Szene aus „Forbidden Affairs“ an. Der Rhythmus, die Laiendarsteller, die Musik und die Mise en scène sind anderen D’Amato-Produktionen täuschend ähnlich. Doch während jene Filme von einem feierlichen Umgang mit Sexualität zeugen, ist „Le Porte del Silenzio“ der grimmige Gegenentwurf. Die ganze Frustration Fulcis ist hier präsent: die Liebe oder selbst eine schnelle Nummer werden Devereux verwehrt, auch wenn sich manchmal eine Möglichkeit auftut, wie eine trügerische Fata Morgana. Eine Anhalterin bietet sich ihm an, doch er verzichtet. Seine Ehefrau ist fern, er erreicht sie nicht einmal telefonisch. Und die geheimnisvolle Fremde, zu der er sich so hingezogen fühlt, stellt sich natürlich als sein Verderben heraus. Der Tod ist eine Frau. Zumindest für Fulci. John Savage hingegen hat das mystery girl zwei Jahre später geheiratet. Wenigstens etwas.

Safarow schreibt

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, November 26th, 2014 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen, Sven Safarow veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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