Heute zur Hauptsendezeit um 20:15…



…läuft auf „Das Vierte“ unglaublicherweise Rolf Olsens zuletzt doch sehr elusives, sprich: seltenes Meisterwerk WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN (1967), „ein atemlos erzähltes, sich permanent delirierend überschlagendes Exploitation-Inferno, ein Meisterstück deutscher Kinokolportage, frühe kriminalistische Psychedelik, ohne jeden Zweifel ein quintessentieller Meilenstein des deutschen Genrekinos, ein Sittengemälde, dass die triebhafte Euphorie des Anfangs in sich trägt“ meint kompetent das Hofbauer-Kommando. Eine angemessene Würdigung dieses extraordinären Werkes in unserer Reihe „100 Deutsche Lieblingsfilme“ steht noch aus.

Aus vertrauenswürdiger Quelle erfuhr ich zudem vor Kurzem, dass Kirch in jüngster Zeit ein neues, anamorphes Sendemaster* mit Blick auf zukünftige Ausstrahlungen erstellt haben. Es besteht akuter Grund zu der Annahme, dass eben diese Neuabtastung (die sie hoffentlich ist) heute Abend erstmals zu sehen sein wird. Hoffentlich ein erhebliches Upgrade der VHS-Fassung von „Royal“, deren extremer Rotstich doch eher trübe Aussichten bot.

(*Es soll allerdings auch darauf hingewiesen werden, dass leider Kürzungen des m. W. bisher ab 18 – bei eventueller Neuprüfung möglicherweise ab 16 – freigegebenen Films, für eine Ausstrahlung um 20:15 nicht ausgeschlossen werden können)

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, Februar 16th, 2012 in den Kategorien Blog, Christoph, Hinweise veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.
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19 Antworten zu “Heute zur Hauptsendezeit um 20:15…”

  1. Paul on Februar 16th, 2012 at 16:58

    Sehr schön, so kommen auch mal anständige Bürger, so wie ich einer bin, dazu, einen heimlichen Blick auf solchen unsittlichen Schund zu werfen – der Rotwein atmet schon!

  2. Thomas on Februar 16th, 2012 at 17:56

    Auf dass die gedankliche Wirkung enorm werde!

  3. Christoph on Februar 16th, 2012 at 18:03

    Natürlich handelt es sich bei dem Film mitnichten um Schund. Unanständig ist allerdings schon, wenngleich freilich auf die vierschrötige, bundesrepublikanische Art seiner Zeit. Dennoch alleine schon narrativ eine beachtliche Leistung, bei den gefühlten 50 Erzählsträngen, mit denen Olsen hier hantiert (wie auch in den meisten anderen seiner Milieuploitation-Filme).

  4. Thomas on Februar 16th, 2012 at 22:21
  5. Sano on Februar 16th, 2012 at 22:50

    Danke für den Hinweis mit Link – denn sonst wäre ich wohl nie darüber gestolpert, dass man sich manche der Filme auch online ansehen kann. Den Olsen dann in 10 Minuten. 😀

  6. Paul on Februar 17th, 2012 at 08:11

    Ich hab mir mal die Nachtwiederholung aufgezeichnet..wenn jemand Info über Vollständigkeit der Ausstrahlung(en) hat, bitte her damit. 🙂

  7. Christoph on Februar 17th, 2012 at 14:01

    Hier steht etwas von einer „Raffung“ am Ende?!:
    http://www.ofdb.de/view.php?page=fassung&fid=37226&vid=335193
    Ich werde daraus allerdings nicht schlau, bzw. verstehe nicht, wieviel und was genau fehlt. Allerdings klingt es insgesamt nicht extrem tragisch, nur der Verlust des scheinheilig moralistischen Schlusskommentars („Vielleicht ist unsere Gesellschaft doch gar nicht so schlecht, wie die jungen Menschen heute oft meinen…“) wäre wirklich trist.
    Offenbar scheint allerdings in jedem Fall ein Teil jener Einstellung zu fehlen, die im Banner unsererer „100 Deutsche Lieblingsfilme“ auf der Startseite so prominent vertreten ist.;-)

  8. Paul on Februar 17th, 2012 at 17:56

    Hmm, nicht so erfreulich…aber ich werde es mir trotzdem geben…mal schauen wie lange. 😀

  9. Thomas on Februar 18th, 2012 at 12:26

    habe gerade meine tvaufnahme vor mir: der kommentar am ende ist drin, die bilqualität ist sehr gut. hier kann man sich den film auch noch online ansehen und evtl. schnitte überprüfen:

    http://www.das-vierte.de/video/filmeonline.html

  10. thomas on Februar 19th, 2012 at 22:22

    der nächste olsen-sittenschocker steht übrigens im märz an:

    http://www.das-vierte.de/no_cache/programm/detail/ansicht/14279/der_pfarrer_von_st_pauli.html

    alle weiteren termine der krimi-reihe am donnerstag hier: http://www.das-vierte.de/programm/klasse-krimis.html

  11. Christoph on Februar 20th, 2012 at 12:05

    Seltsam, dass sie sich ausgerechnet den PFARRER ausgeguckt haben – der ist nämlich kein Sittenschocker sondern ein erbarmungsloser Karneval der altväterlichen Deutschtümelei und eindeutig der verkalkteste, leider auch am wenigsten genre-affine, exploitativste von Olsens St. Pauli-Reißern (also: eben kein Reißer mehr). Natürlich trotzdem hübsch, wenn man sich am altdeutschen Mief und Curd Jürgens‘ brummigen Veräußerungen desselbigen delektieren kann (wir können!). Warum aber nicht DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI (zwielichtiger Schmuddel pur, mit einer unfassbaren Besetzung und sanft giallesken Elementen) oder den ewigen HK-Favoriten AUF DER REEPERBAHN NACHTS UM HALB EINS („Mensch Pitter, sind wir alt geworden!“ – „Aaach, macht doch nüscht! Hauptsache, die Mädchen sind jung!“) mit Gesangseinlagen von Curd Jürgens?

    Aber:
    AN EINEM FREITAG IN LAS VEGAS von Antonio Isasi-Isasmendi und DAS MÄDCHEN VON HONGKONG von Jürgen Roland! Hurra!!!
    (Auch wenn Letzterer vermutlich, wie offenbar im Fernsehen bisher grundsätzlich immer, um 6 Minuten gekürzt laufen wird)

    Überhaupt eine vielversprechende Reihe. Vielleicht in Zukunft nicht ganz so 60iger-lastig und auch die 50iger, 70iger und 80iger mehr mit einbeziehend, dann wird das vielleicht wirklich eine unverzichtbare Anlaufstelle. In den momentanen Kurs würde allerdings beispielsweise Michael Pfleghars Eurospy-Psychedelia SERENADE FÜR ZWEI SPIONE (1965) oder Rudolf Lubowskis angeblich ziemlich toller IMMER BEI VOLLMOND (1970) ausgezeichnet passen – die Hoffnung stirbt zuletzt.

  12. Sano on Februar 23rd, 2012 at 01:01

    Nach dem eher enttäuschenden wenn auch nicht ganz unsymphatischen „Pfarrer von St. Pauli“ nun mein nächster Olsen – und was für einer! Ich mag kaum glauben, was ich da gesehen habe! Neben Hofbauers „Heisses Pflaster Köln“ wohl der quintessentielle deutsche Gangsterfilm des Jahres 1967 (Sehr schön formuliert, Hofbauer-Kommando!) von dem aus man eine klare Entwicklungslinie zum Kino von Dominik Graf ziehen kann. Wär hätte das gedacht!? Um aber auch noch eine etwas andere Note in die bisherige Diskussion zu bringen: der Film ist Exploitation, klar, aber in viel größerem Ausmaß ist er ein selbstreferenzieller und selbstbewusster Genre-Trip wie ihn auch Tarantino mit seinen eigenen Filmen immer versucht. Doch dabei weniger eitel und selbstverliebt, mit mehr Tempo, Witz und eigenen Ideen. Ein revolutionärer Film eben, und meiner Meinung nach in noch größerem Ausmaß als „Blutiger Freitag“ ein Beweis für Olsens Brillanz. B-Regisseur klingt da schon viel zu abwertend. Außer man will ihn mit dieser Bezeichnung in eine Linie mit jemandem wie Samuel Fuller bringen. Das ginge dann in Ordnung. Denn da gehört er hin. Und ich muss es noch einmal betonen: plötzlich werden die ganzen Ursprünge, Ansätze und Ideen in Domink Grafs Filmen filmgeschichtlich verständlich. Mannomann mir dampft der Schädel. „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ scheint möglicherweise ebenso wichtig und einschneidend wie das Auftauchen junger deutscher Filmemacher in den 60ern und pustet die fast zeitgleich entstandenen frühen Werke von Thome oder Lemke in vielerlei Hinsicht glatt vom Tisch. Deutschland du Filmland – oh wie ich dich liebe. Und es gibt noch so viel zu entdecken! 8-D

  13. Christoph on Februar 23rd, 2012 at 19:05

    Aber Sano, du solltest inzwischen doch wissen, dass „B“ bei mir eigentlich fast immer als Aufwertung zu verstehen ist und auch „Exploitation“ wertungsfrei gemeint ist. Da muss man gar nicht erst solch kanonisierte Beispiele wie Sam Fuller heranziehen. „B“, das steht bei mir längst für: Neugierde. Das ist auch tendenziös, denn B-Filme, die ich nicht mag, landen dann oft unter „Schlock“, aber andererseits ist auch das nicht grundsätzlich verquer: Rutscht ein Film selbst an dieser nur vermeintlich niedrigen Hürde ab, oder schlägt er Gewinn aus seinen logistischen Grenzen? Eben für diese steht doch das große „B“, nicht für die Qualität der Filme.
    Es freut mich sehr, dass sich dir der Film offenbar ähnlich intensiv und erschöpfend offenbart hat wie vor etwas mehr als einem Jahr Andreas und mir. Tatsächlich ist er mir, nun, da ich alle Reeperbahn-Filme von Olsen mit Ausnahme von KÄPT’N RAUHBEIN VON ST. PAULI gesehen habe, immer noch der Liebste. Alleine die Fülle verschiedenster Elemente, die hier in einen Strang gepeitscht wird, dass irrwitzige Tempo, in dem diese vielen Erzählstränge durcheinandergewirbelt werden, die Orte, der Witz, die Besetzung, der Crossover zwischen teutonisch-filmindustriellem Genreverständnis und internationale Inspirationen verarbeitender Pulp-Fantasie, die unverhohlene Freude am Zwielichtigen… und die LSD-Party! Man wüsste gar nicht, wo man beginnen soll. Deine Feststellungen zur selbstreferenziell-selbstbewussten Note des Films würde ich gleichfalls weitgehend unterschreiben… Hofbauer etwa pflegt das nur in Momenten, in gewissem Sinne sind seine Filme also – zumindest bis zum Übergang in sein Spätwerk – auch eher Märchen, „pureres“ Kino, nach deinem Verständnis, wie ich es verstehe.;-)
    PS: Franz X. Lederle-Apotheose!

  14. Sano on Februar 23rd, 2012 at 23:42

    Die Bezeichnung „B-Film“ hast du ja auch nirgends erwähnt. Da bezog ich mich also nicht auf dich. 😉 War nur eine allgemeine Überlegung zu „gängigen“ Kategorisierungen. Für mich ist zumindest dieser Film (rein Produktionstechnisch) ein klarer A-Film. Wobei es sowas in Deutschland ja eh nie gab und das nur in den USA funktioniert. Meine Bezeichnung B-Regisseur kommt aber aus der Überlegung, dass Olsen (scheinbar?) nie eine wirkliche Anerkennung in der deutschen Filmindustrie genoss. Und spätestens nach diesem Film ist klar, dass man ihn in einem Atemzug mit Hofbauer, Lang, Herzog und Co. nennen muss. Nicht wegen thematischer oder ideologischer Nähe, sondern wegen seiner Regiefähigkeiten. Also nochmal: mir erscheint es nach Ansicht dieses Films unverständlich, wie irgendjemand Olsen als zweitrangigen/klassigen Regisseur ansehen könnte.

    Die weitere Ablehnung der „hauptsächlichen“ Kategorisierung als Exploitation lehne ich aber wie gesagt deshalb ab, weil mich das vielmehr an Pulp Versatzspielchen erinnert, als an „pure“ „ehrliche“ Exploitation. Da bewegt sich Hofbauers „Heisses Pflaster Köln“ (den ich übrigens besser finde) – der Olsen hingegen verfolgt noch ganz andere (wenn man will komplexere) Ziele. Der Film erscheint mir zum Beispiel als eine Blaupause für meine Vorstellungen und Annahmen zu Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ (den ich nicht kenne, mir aber so ähnlich vorstelle/erhoffe – Fritz Wepper erinnert hier auch stark an Misel Maticevic bei Graf). Übrhaupt ist die Gesellschaftskritik und Gesellschaftsanalyse bei Olsen von dringlicher(er) Natur. Zumindest in den 4 Filmen die ich bisher von ihm gesehen habe.

    Mit meiner Bevorzugung Hofbauers vor Olsen liegst du aber argumentativ voll richtig. Du scheinst mich gut zu kennen. 🙂

    Und Lederle ist und bleibt einer der größten. Und die Musik von Hallertz. Und die Schauspieler! Und die Dialoge! Olsen kann Drehbücher UND Dialoge schreiben – da wirds einem warm ums Herz.

  15. Schwanenmeister on Februar 26th, 2012 at 22:16

    Hey, wo ist der Respekt für den Entdecker der Krautploitation-Reihe? Ich hatte diesen Kleinod bereits angepriesen, lange bevor so ausgelatschte Kanonfilme wie „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ auch den letzten darauf aufmerksam gemacht hatten.

    😉

    http://negativespace.blogger.de/stories/1988513/

  16. Christoph on Februar 27th, 2012 at 07:47

    Seien Sie nicht immer so ehrpusselig, Herr Schwan! Diesen Hinweis habe ich gepostet, nachdem mich der geliebte Titel im Zuge der morgendlichen Zeitungslektüre (mit Espresso) am Tag der Ausstrahlung beim Studieren des Fernsehprogramms ansprang.

    Nachtrag für alle, die es interessiert: Es wurde *nicht* die neue Fassung gezeigt. Trotzdem viel schönere Farben als die Royal-VHS.

  17. Sano on Februar 27th, 2012 at 19:13

    @Schwanenmeister

    Deinen Hinweis vor einem Monat habe ich natürlich gierig aufgesogen, und mir mal wieder überlegt ob es nicht doch lohnenswert wäre endlich einen Fernsehanschluss einzurichten oder wenigstens diese Onlinaufnahmeverfahren anzutesten (Ergebnis= es wäre sicher sehr lohnenswert!). Bei Christophs Posting überkamen mich dann die gleichen Gelüste wie zuvor. Was ihr beide aber vergessen hattet zu erwähnen, war die Tatsache, dass man die meisten Filme auch online gucken kann. Now, I’m hooked. 😉

    Mit dem Kanonfilm hast du recht: Ich war natürlich geschockt, dass dieser All-Time-Klassiker auf Éskalierende Träume noch nicht mit einem eigenen Text gewürdigt worden ist, und habe gleich mal selbst einen fabriziert.

    Ansonsten: Weise uns weiterhin den Weg! Deine Seite ist ja eine der schönsten Filmfundgruben Deutschlands , und das bleibt ja hoffentlich auch in Zukunft so. 🙂

  18. Schwanenmeister on Februar 28th, 2012 at 22:34

    @Sano Für mich ist das Fernsehen dahingehend elementar. Habe erst vor kurzem Rolf Thieles Film „Grieche sucht Griechin“ im Vormittagsprogramm der ARD zufällig ausfindig gemacht und sofort digital archiviert. Da gibt es immer wieder viel und unverhofft zu entdecken. Gerade die Extrakanäle spülen doch so einige vergessene Perlen wieder an die Oberfläche, womit ich auch ausdrücklich seltene Interviews von Filmemachern zu Todestagen oder Geburtstagen meine. Euer Beitrag hier hat mich aber wiederum insoweit inspiriert, dass ich mir den Rolf Olsen-Film praktisch umgehend dann angesehen habe und ziemlich begeistert war. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass „Der letzte Ritt nach Santa Cruz“ Olsens bestes Werk ist, aber „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ hat schon extrem viele Vorzüge, die mich für ihn einnehmen.

  19. Sano on März 1st, 2012 at 13:59

    Diese zeitweiligen Qualitätsanhebungen lassen mich Beizeiten beinahe einlenken und auch mal meine GEZ-Gebühren zahlen. Aber dann bin ich doch wieder zu verwöhnt, als dass ich mir die Mühe des Programmierens und Aufzeichnens machen wollen würde. Das nennt man wohl Luxus – wenn man sowieso schon in Filmen ersäuft. Nichtsdestotrotz immer wieder eine Verlockung, dieses Fernsehen. Den „letzten Ritt“ kenne ich leider noch nicht, kann aber an dieser Stelle noch Olsens Spätwerk „Ein Kaktus ist kein Lutschbonbon“ empfehlen. Wenn es einen bisweilen nach den abgründigeren Abzweigungen des deutschen Kommerzkinos sehnt, kann man mit diesem kessen Filmwerk seine abartigen Triebe zu befriedigen versuchen. Vor kurzfristigen Folgeschäden sollte aber dennoch gewarnt werden.

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