Das kaputte Lächeln der Schafe



Filme, an denen ich schriftlich scheitere, Teil 1: THE APPALOOSA (1966)





Wo beginnen, wie beginnen, was herausstellen, wie die Gedanken so ordnen, dass zumindest einige der weniger interessanten übrig bleiben? Rhetorische Fragen. Es bleibt übrig, was den harten, steinigen und gefährlichen Weg vom Kopf zur Hand überlebt. Ich werde nicht gefragt, was überleben soll und sehe mich gegen meinen Willen zur Naivität verdonnert, meinem letzten Asyl. Was bleibt ist der Versuch, das Strandgut so zu arrangieren, dass es gut aussieht, mit schönen Worten und schönen Bildern. Bedeutung hat es da längst keine mehr.

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Nach THE IPCRESS FILE, diesem erstaunlicherweise so erfolgreichen Fiebergesang aus wie erkalteter Rauch schwebenden Ellipsen, nach Hollywood importiert, arbeitet Furie hier mit unendlicher, bis zum Äußersten gespannter Ruhe an seinem eigenen Versuch einer Western-Auflösung. Wie eine Brausetablette in den letzten Zügen verdunsten hier Schemen und Texturen, lassen nur noch die letzte mögliche Form von Ambient-Existanzialismus zu. In einem einladend leeren Niemandsland an der Grenze zwischen den USA und Mexiko will sich der verlorene und ergraute Gringo-Junge Marlon Brando bei seinem mexikanischen Bruder zur Ruhe setzen.

„I’ve done a lot of killin‘. I’ve killed a lot of men and sinned with a lot of women. But the men I killed needed killin‘ and the women wanted sinnin‘ and I never was one much to argue.“

Das Gefühl der Benommenheit, die einer Rückkehr nach langer Zeit innewohnt, ist übermächtig und beschwichtigend, wie die schläfrige Lust eines Spätsommerabends. Ein zerbrochenes Lächeln huscht dem schratig zerzausten Mann über das Gesicht, als er aus der Ferne die Kinder seines Bruders beobachtet, wie sie sich über seine Ankündigung, bei ihnen zu bleiben, freuen. Er ist scheinbar gereinigt für diese Bilder. Denkt er und denken für einen Moment auch wir. Man sieht und hört und spürt, dass sich dieses Lächeln in seiner Ehrlichkeit nicht noch einmal wiederholen lassen wird.
Ein mexikanischer Viehzüchter stiehlt ihm seinen Schimmel mit dem braunen Kopf, seinen Appaloosa. Er will ihn zurückholen, notfalls mit Gewalt. Das Pferd allerdings, wie auch seine Ehre sind, glaube ich, nicht wichtig. Der Titel des Films ist, indirekt, seine Tragödie.

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Vor ungefähr drei Jahren saß ich einmal im Zug von Nürnberg nach Erlangen, im Fahrradabteil, wo man sich gegenübersitzt. Mir gegenüber saß ein Mädchen, vielleicht 12, 13 Jahre alt, mit seiner Mutter. Irgendwie kam es zu einem Blickkontakt zwischen uns beiden. Vielleicht nicht unbedingt irgendwie – es ist eines meiner großen Laster, in Zügen Menschen zu beobachten und zu belauschen. Gegen jede innere Ermahnung, den Anstandsreflex, der besagt, dass man das nicht tut. Ich kann es nicht lassen und wäre, würde man mich nach dem Warum fragen, vermutlich nicht im Stande, zu antworten.
Jedenfalls sah ich diesem Mädchen in die Augen und das Mädchen mir. Wenn sich ein solcher Blickkontakt ergibt, ist er meist von kurzer Dauer, unweigerlich erfolgt nach einigen Augenblicken das verwirrt bis unangenehm berührte Senken des Blickes. Ich möchte mich nicht beim Beobachten erwischen lassen und die anderen Leute wollen sich nicht so unerklärlich ansehen lassen. Mit diesem Mädchen war das anders. Es hielt den Blickkontakt, unverbindlich. Ich auch. Ohne Frage, ohne Krampf, ohne Verwirrung, ohne Unsicherheit, Drang oder Angst. Einfach so. Wir sahen einander vielleicht ganze fünf Minuten lang in die Augen, bevor ich plötzlich halb erwachte und Angst bekam, ihre Mutter könne deswegen vielleicht auf dumme Gedanken kommen. Bis dahin hielt der Blickkontakt an, ohne gebrochen zu werden. Ich weiß, dass ich mich fragte, warum eigentlich – dass ich zwar vage dem Naheliegendsten ein wenig hinterherüberlegte, was sie in diesem Moment wohl denken und fühlen könnte, was sie dazu veranlasste, den Blickkontakt zu halten, denn natürlich war da keine Spur eines Flirts. Vielleicht war sie ebenso neugierig geworden wie ich, über diesem Moment, in dem der Blickkontakt, ohne Unterbrechung oder Blinzeln, länger angedauert hatte als üblich. Es ist seltsam, aber ich bin mir sicher, keinen konkreten Gedanken gefasst zu haben über diese Situation, keine Spekulationen über sie und das Mädchen angestellt zu haben. Ich sah einfach weiter und sie auch. Wir beide mit unbewegter Miene, aufmerksam, aber ohne mit diesem so frei im Raum schwebenden Blick irgendetwas erreichen zu wollen. Vielleicht standen die bewussten, die echten Gedanken in diesen Minuten auch bei meinem Gegenüber still. Vielleicht sauste aber auch eine Kette von Überlegungen und Vorstellungen von innen an ihren Augen vorbei. Ich hätte das damals gerne gewusst, heute will ich es nicht mehr wissen. Es war dieser eine, zwanglos unendlich und befreiend bedeutungslos scheinende Moment von kaum greifbarer, großer Nähe mit einem völlig unbekannten Menschen, ohne einen Gedanken- oder Emotionsaustausch jedweder Art.
Diese Empfindung, dieses eigenartig tröstliche Gefühl hat für mich viel mit Marlon Brandos Figur in THE APPALOOSA zu tun, oder auch: mit Marlon Brandos Figuren in jenen Filmen, die ich im Folgenden noch am Rande erwähnen werde. Sowohl damit, wie diese Figuren mit ihrer Umwelt kommunizieren wollen oder in ihr agieren müssen, wie auch damit, wie ich mit Filmfiguren kommunizieren will oder kommunizieren muss und wie ich Filme rezipieren und mich in ihnen bewegen will oder mich in ihnen bewegen und sie rezipieren muss. Ich erzählte einige Stunden später Sano, den ich in Erlangen besucht hatte, von diesem Moment, im Zug. Es ist mir damals nicht gelungen, ihm so davon zu erzählen, dass es ihn interessieren konnte.

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Furie und Brando konnten sich angeblich nicht leiden, und doch spielen sie sich gegenseitig schlitzohrig und stur in die Taschen. Brando, der nach VIVA ZAPATA (Elia Kazan, 1952) und MUTINY ON THE BOUNTY (Marlon Brando, Lewis Milestone, Carol Reed, 1962) in diesem Film seine introvertierte, von dramaturgischen Rastern abgeschottete Idee des Helden, der völlig hilflos an der generellen Idee eines Helden zugrunde geht, zum Ende der Welt führt, zum letzten, möglichen Punkt. An diesem Punkt dringen keine Ideen von Helden mehr zu seiner Figur, diesem abgerissenen Matt (so heißt er auch noch, selbst wenn das aufgrund der Herkunft des Films freilich keine Bedeutung hat), vor. Er ist allein mit dieser Landschaft und dem Gefühl, nicht einmal hier, dem einzigen Ort, der einem Zuhause ähnelt und fern von allen anderen Orten liegt, etwas wert zu sein. Er kann sich nicht zurückfallen lassen in das, was ihm vertraut ist. Es ist unfassbar deprimierend, ihm in seiner Unsicherheit zuzusehen. Verglichen mit diesem Matt waren Brandos elusiver Emiliano Zapata und Brandos ausgehöhlter Fletcher Christian tatsächlich noch so etwas Führungsfiguren, die eine kompakte Maske hatten. Matt hat nur einen zerzausten Bart, und als er ihn, als Geste der Heimkehr, abrasiert, scheint er völlig schutzlos den Blicken der Kamera ausgeliefert, die sich zwar mehr für ihn und sich selbst interessiert (hiermit spielt Furie, ein Regisseur, der überhaupt nicht ins narrativ konditionierte Studiokino passt, Brando zu), jedoch auch den Finger in die Wunde eines Stars legt, der eigentlich nie so recht mit der Idee von Stars zurechtgekommen ist – denn auch vor der Kamera eines „jungen Wilden“ bleibt er immer noch das: ein Star, mit schratigem Bart, verfilzter Haar-Perücke aber echter Wampe. Die traurige Wut, die aus seinen Augen schimmert, hat dazu geführt, dass ich mich erneut in ihn, in Brando, verliebt habe. Würde ich dieser Figur begegnen, könnte ich mit ihr nicht kommunizieren, und irgendwann würde sie mir eine runterhauen, weil ich ihr in die Augen sehe.




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Nach einigen Monaten Pause, bedingt vor allem durch cineastische Appetitlosigkeit während meines dreimonatigen Aufenthalts in Italien, habe ich meine lose Sidney J. Furie-Retrospektive endlich wieder aufgenommen. Zumindest vorerst, für diesen einen, eigensinnigen Film. Ich möchte darüber verzweifeln, dass ein Großteil von Furies Filmen zwischen THE APPALOOSA und PURPLE HEARTS (1984), also im Grunde fast alle Filme seiner Zeit in Hollywood, nur in amerikanischen Fernsehfassungen kursieren, die von Scope auf Vollbild beschnitten und somit vermutlich allesamt „for the time being“ erfolgreich zerstört worden sind. Wie ich in einem sehr gefühlsduseligen Text zu THE LEATHER BOYS – den ich hoffentlich in nächster Zeit fertigstellen werde – beschrieben habe, ist Furies grazil zwischen erzählerischer Fuge und Sinnlichkeit balancierende Verwendung des Formats eine ganz eigene und kontemplative, die selbst ein notgedrungenes Ausweichen auf diese trüben, verunstalteten Fernseh- und VHS-Relikte der 80iger, verbietet. THE APPALOOSA ist frei von wirklichen Eskalationen. Kamera: Russell Metty. Wie aufregend und seltsam. Von Douglas Sirk und Orson Welles zu Sidney J. Furie, das ist ein weiter Weg. Furie ist, wie etwa auch John Frankenheimer, einer der Filmemacher, die in die Schlucht zwischen Old Hollywood und New Hollywood, daher vermutlich unwiederbringlich in eine Grauzone gefallen sind, aus der kein Weg mehr ins stetige cinephile Bewusstsein, in den Kanon führt. Die Filme beider ermöglichen im Grunde keine kategorische Rezeption. Man könnte auch sagen: sie sind unverpestet, völlig offen, in alle Richtungen. Unverschmutzt vom Ölfilm der Filmwissenschaft.




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Auf der anderen Seite der Grenze, die heute von einem hohen Zaun gesäumt ist, der illegale Einwanderer aufhalten soll, sitzt John Saxon, in pompösem „Spanglish“ radebrechend. Er beansprucht in dieser Einöde Gesetze, die überall sonst anerkannt würden. Es ist sein Dilemma, das er ein so erdrückendes und eitles Ekel ist, denn man würde ihm gönnen, mit seinen verschachtelten Ansprachen über das Unrecht gegen die Mexikaner zu überzeugen. Indes überzeugt sein Feuer, seine Energie. Dass dieser fertige, verglühte Gringo ihn bekämpft, das hat etwas von delikatem Irrsinn, denn THE APPALOOSA ist immer noch ein Western vor dem Spätwestern. Oder aber überhaupt kein Western mehr. Saxons Handlanger ist der einschüchternd pompöse Emilio Fernández, Peckinpah-Bösewicht und Meisterregisseur des furiosen „Heiligenbild aus der Halbwelt der Sünde“ (Roland Hartig) VERBOTENE STRASSE (1951).
Die Lebensmüdigkeit überwindet und besiegt den Überlebenstrieb. Als Western aus Hollywood stellt sich der Film damit beinahe selbst in Frage. Auch mit seiner Frauenfigur: Saxons Gespielin, verunsichernd kraftlos und mit abblätternder, desillusionierter, aber unentschlossen zwischen Stoik und vorsichtigen Empathie-Resten schwankender Distanz gespielt von der naturtrüben Anjanette Comer, ist eine beinahe subversive Frauenfigur dieses Kinos. Wie in einer staubigen Wolke ist sie ständig umgeben von der emotionalen Erschöpfung, die ein Leben als Luxusgegenstand zwischen groben Klötzen, denen ihr Geliebter sie bisweilen zur Verfügung stellt. Anders als nahezu alle anderen vergleichbaren, mir bekannten weiblichen Figuren in Western vermag es die immer noch implizierte, virile Maskulinität des einsamen Reiters nicht, sie zu neuer Blüte zu bringen. Sie verharrt, einen müden Sarkasmus unter Anstrengung in die Landschaft lächelnd starrend, im summenden Hall ihrer Erschütterung und in sich selbst, steht in einem purpurroten Kleid inmitten der Pampa, wie ein Blutstropfen auf dem gelben Gestein, denn etwas anderes als ein Blutstropfen kann sie nicht mehr sein, hier und jetzt. Trotzdem ist sie eine Frau ohne Pathos. Sie ist einfach so und gerade noch da.

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Von allen Menschen, deren Zähmung, deren Domestizierung Furie in seinen mir bekannten Filmen nachvollzogen hat, zeichnet sich an diesen (Menschen) eine besonders perfide und deprimierende Rätselhaftigkeit ab. Auch, wenn es wohl keinen Ort gäbe, an den sie fliehen, sich zurückziehen könnten. Wohin denn auch noch? Selbst in der Wüste domestizieren sie sich selbst. Das klassische Ende kann diese Ahnung nicht verdrängen, der angemessene, knappe Humor bestätigt sie, die Reibung zwischen Brandos gelangweilt-herausfordernd-chryptisch-fragiler Performance und Furies Psychedelik der Reduktion verfestigt die kaputte Coolness und die gelassene Widersprüchlichkeit des Films. Der sich selbst nicht in- und auswendig zu kennen scheint. Staunend sieht man ihm dabei zu, wie er sich hebt und senkt, dichtet und hinkt, unregelmäßig und langsam zu sich kommt, ruckartig mal über seine Figuren hinausschießend, dann schlendernd hinter ihnen zurückbleibend. Die Wüste lebt doch. Die Welt könnte untergehen und sie würde davon nichts merken.


THE APPALOOSA – USA 1966 – 98 Minuten – Technicolor, Techniscope, 35mm
Regie: Sidney J. Furie – Buch: James Bridges und Robert Kibbee, nach einem Roman von Robert MacLeod – Produktion: Alan Miller (für Universal) – Kamera: Russell Metty – Schnitt: Ted J. Kent – Musik: Frank Skinner
Darsteller: Marlon Brando, John Saxon, Rafael Campos, Anjanette Comer, Emilio Fernández, Alex Montoya, Miriam Colon















THE APPALOOSA ist in Deutschland von Koch Media auf DVD veröffentlicht worden.

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, Oktober 16th, 2012 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Christoph, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

4 Antworten zu “Das kaputte Lächeln der Schafe”

  1. Alexander S. on Oktober 17th, 2012 at 16:44

    Wunderschöner Text mal wieder, und die tollen CS-Bilder lassen einem ja das Wasser im Munde zusammen fließen. Ich kenne das zu gut, diese Seltsamkeit des sich in die Augen schauens. Manchmal kann es sogar eine sehr ungewohnte und intensive Erfahrung sein, jemandem den man gut kennt lange wortlos in die Augen zu schauen. Viele Menschen sind davon auch schnell irritiert…
    Apropos Western-Auflösungs-Ultrakunst, kennst du eigentlich Hoppers „The Last Movie“?

  2. Christoph on Oktober 19th, 2012 at 03:59

    Schön, dass er dir etwas gegeben hat. Wie meinem Geschniefe zu Beginn zu entnehmen ist, finde ich diesen wieder einmal scheußlich, aber das ist vermutlich egal, wenn er anderen gefällt.
    THE LAST MOVIE kenne ich unglücklicherweise noch nicht, aber ich beabsichtige schon lange, das zu ändern. Der Film zieht mich sehr an.
    “ Viele Menschen sind davon auch schnell irritiert…“
    Leider, ja. Aber ich bin selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass in einem solchen Moment eine gewisse, nicht unbedingt selbstverständliche Verwegenheit mitschwingt. Weggucken ist in diesen Situationen schon beinahe ein Reflex, nicht von ungefähr. Ich senke auch meist den Blick, wenn ich mich ertappt fühle. Es ist mir schon zu oft passiert, dass ein ausdauernderer Blick, hm, sexuell (miss)verstanden worden ist, was gelegentlich etwas unbequem war.

  3. Robert on Oktober 19th, 2012 at 11:05

    Christoph, ich wünsche dir einen besseren Nachlassverwalter als Max Brod, habe ich mir gestern gedacht. Ich wünschte mir einfach jemanden, der mir deine ganzen misslungen Texte zum lesen gibt, weil ich deinem Qualitätsurteil über deine Texte nicht mehr traue 😉 (ganz im Gegenteil zu denen über Filme), damit ich dir gegebenenfalls den Kopf wachsen kann … oder ich vielleicht sehe, dass du Recht hast. Jedenfalls sollte dieser aus dir nicht diesen düsteren Qualmenschen machen, der immer wieder aus der Selbstbewertung spricht, die ich zumindest so noch nicht real erlebt habe.
    Die Geschichte mit den ausgetauschten Blicken irritiert mich mehr, als beim Starren, was ich in Bahnen auch zur Genüge tue, erwischt zu werden. Es ist seltsam, wie unglaublich ich das finde. Rein intuitiv kann ich es nicht fassen, weil es meinen Erfahrungen nicht entspricht und ich vor einem solchen Moment Angst hätte, weil sich da Graben aufreißen würde, weil es nicht meinem Verständnis der Realität widersprechen würde … aber wenn ich es erleben würde, wobei ich nicht denke, dass ich dazu fähig wäre, wäre es wahrscheinlich genau so faszinierend für mich, wie für dich, vll.
    Wie immer kann ich nach deinen (vor allem den langen) Texten kaum erwarten, den Film zu sehen. Vor allem bin ich sehr auf Brando gespannt. Bei dir hört es sich gar nicht so schnösselig an, wie ich ihn im Gedächtnis habe, wenn er sich gehen lässt. Ich mag deine umarmende Sicht auf diese menschlichen Dinge, das Scheitern, die Unfähigkeit. Ich denke, ich bau da viel schneller eine Wand zu auf und lass es abprallen.

  4. Sano Cestnik on Januar 25th, 2016 at 06:05

    Nachdem ich zu diesem magischen Film im Netz nur wundersamen Unsinn und rituellen Quatsch gefunden hatte, wollte ich mir mit deinem Text die Seele streicheln. Danke dafuer.

    Auch wenn du im Grunde verdammt exakt das beschreibst, was ich waehrend des Sehens empfunden habe, ist es troestlich zu wissen, dass jemand genau die Gleichen Sachen sieht wie man selbst, gleich empfindet, gleich denkt. Ich fuehle mich verstanden. Ganz tief in meinem Innersten. Und deine Formulierungen klingen in diesem Fall wie solche, die ich dazu gerne selbst niedergeschrieben haette.

    Als ich den Text nach den wenigen Jahren wieder las, nun noch einmal nach dem Film, (wenn auch immer noch nicht, wie damals gewuenscht, waehrend einer ausgedehnteren Sidney J. Fury Entdeckungstour – ich hatte einfach nur ganz ploetzlich Lust auf eben diesen Film), kam es mir eine Weile vor, als ob ich deinen Text noch gar nicht gelesen haette.

    Aber an die Geschichte mit dem kleinen Maedchen erinnerte ich mich dann doch. In der Oeffentlichkeit senke ich meist rascher den Blick, weil ich es meist interessanter finde, Menschen die sich unbetrachtet fuehlen zu betrachten. Freunde kenne ich meist zu gut. Bleibt also nur noch die Liebe. Da fuehrt dann ein langes Starren, oefter als man vielleicht allgemein annehmen wuerde zu ganz eigenartigen Empfindungen. Aehnlich Furys Film. Ganze Welten brechen auf, und verschwinden in Sekundenbruchteilen wieder. Und dein Gegenueber starrt fuer einen endlosen Augenblick ebenso in dich hinein, zaertlich-verwegen, unverfroren, raetselhaft, wie die Blicke zwischen Marlon Brando und Fury.

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