Bericht von Fish X-Festival Rostock



Am Montag sind Sano und ich vom Fish X Festival im StadtHafen Rostock heimgekehrt. Unser Beitrag KraftKammer – No23 lief im ausgesprochen gut besetzen Wettbewerb Junger Film, der mit zahlreichen exzellenten Kurzfilmen aufwarten konnte. Im Gegensatz zu anderen Jugendfilmfestivals scheute die Auswahljury nicht, auch rauhe und düstere Filme mit ins Programm zu nehmen. Für mich persönlich waren nur zwei bis drei weniger gute Filme in der Wettbewerbs-Auswahl, was sich bei anderen Festivals (besonders der Berlinale) völlig anders darstellt. Langfilme haben wir uns mit einer Ausnahme keine zu Gemüte geführt.

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Besonders gut gefallen hat uns die öffentliche Jury-Tagung. Nach jedem Film wurde zuerst der Filmemacher zu einem Gespräch auf die Bühne geboten, nach jeweils einem Block aus drei bis vier Filmen tagte dann die Jury öffentlich und tauschte Meinungen aus (alle Jury-Mitglieder hatten den Film jeweils zu ersten Mal gesehen). Die Entscheidung über die Preise verlief ebenfalls öffentlich, allerdings ohne Diskussion sondern lediglich mit Handzeichen. Verständlich, dass auf den Parties am Abend besonders die Kommentare der Jury Inhalt zahlreicher Gespräche waren.

Insgesamt haben wir uns sowohl als Filmemacher, als auch als Publikum sehr wohl gefühlt und viele Entdeckungen gemacht sowie natürlich Gleichgesinnte kennengelernt.

Das Festival wird vom Institut für neue Medien Rostock ausgerichtet. Es ist uns gelungen, den Leiter Dr. Klaus Blaudzun für ein Interview zu gewinnen. Dort erklärt er eigentlich alles, was für das Festival maßgeblich ist und erläutert ein wenig dessen Philosophie.

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ET: Erzähl uns doch mal, was für Dich das Festival ausmacht und wie Du die Veranstaltung jemandem beschreiben würdest, der sie noch nicht kennt.

Klaus: Das ist ein Festival das den jungen deutschen Film jeweils eines Jahrgangs bis 27 Jahre versucht einzusammeln. Also das beste was produziert wurde, und das in einen Wettbewerb zusammenzuführen der überhaupt nicht darauf achtet unter welchen Voraussetzungen die Werke entstanden sind. Außer es darf kein kommerzieller Film sein, ansonsten egal ob eine Schülerproduktion in der Schularbeitsgemeinschaft, selbst Kindergartenfilme, egal ob in der Independent-Szene oder an der Hochschule entstanden. Wir schauen danach wo sind Filme, die ein Kino-Publikum begeistern, bewegen, zum Lachen, zum Weinen bringen. Die filmisch originell/interessant sind, in denen Leute etwas zu erzählen haben, wo wir spüren den Film musste jemand machen weil er etwas auf der Seele/zu sagen hat. Und wir spüren, da hat einer damit gerungen, wie erzähle ich das mit den Mitteln, die Film hat, das sind so furchtbar viele und furchtbar verschiedene und da die richtigen Mittel zu finden ist ja das große Geheimnis des Filmemachens. Wo wir das spüren, da versuchen wir aus 400 Filmen jährlich eine Auswahl zusammenzustellen, die ein Publikum begeistert und eine Jury zum Reden bringt. Das ist die zweite Besonderheit von Fish, die ich jedem mit auf den Weg geben würde. Wir zeigen nicht nur die Filme, wir vergeben nicht nur Preise, sondern wir wollen, dass die nicht zu beantwortende Frage, was macht denn verdammt nochmal aus einem Film einen guten Film, warum finde ich den einen Film besser als den anderen, warum berührt er mich, warum bewegt er mich, warum sage ich dem „der gehört sozusagen die goldene Ananas, der große Preis“. Diese Streitfrage, die nie abschließend zu beantworten ist, die ständig zu bewegen im Publikum, auf der Bühne zwischen den Juroren, ein permanentens Gespräch über guten Film zu erzeugen. Das ist das Zweite, was Fish ausmacht und was Fish gern möchte.

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ET: Bei der Auswahl wurde uns erklärt, dass es darum geht, Filme von Filmemachern zu zeigen, die noch auf dem Weg sind. Filme, die zu „glattgebügelt“ aussehen, habt ihr aus der Auswahl entfernt. Was macht den Weg aus, den ein Film gehen muss um hier gezeigt zu werden?

Klaus: In unserem Festivalmanifest beschreiben wir das für uns sehr klar. Uns geht es nicht darum, so etwas wie einen handwerklichen TÜV darzustellen. Sprich da hat einer gelernt, die Kamera einzustellen und einen Weißabgleich durchzuführen und ein Bildmotiv so zu inszenieren, dass es einer technisch-handwerklichen Betrachtung standhält. Das ist wichtig, also das ist keine Geringschätzung von Handwerk, aber nur die eine Seite von Film. Ein Film, der handwerklich gut gemacht ist, der mag Kunsthandwerk sein. Und das wollen wir auch nicht abwerten. Das ist auch etwas, was im Film, im filmischen, in audiovisuellen Medien ständig stattfindet. Was uns interessiert ist an Film, das ist die andere Seite von Film, das Film nämlich Kunst sein kann. Nämlich uns etwas erzählen kann in Bildern und in Tönen was wir bestenfalls umschreiben können, was aber nur der Film so wie er gemacht ist kann. So wie ein Bild uns eine Vorstellung von etwas gibt, was keiner jemals in Worte fassen kann und die Nähe einer Idee vermittelt. Wo so ein Erlebnis eintritt, da sprechen wir gewöhnlich von Kunst. Eigentlich fragen wir in jedem Jahr, wo sind interessante künstlerischen Versuche. Ich spreche von Versuchen denn es geht um jungen Film bis 27 Jahre. Film ist offenbar etwas sehr komplexes, das sehr viel Erfahrungslernen und Erfahrungssammeln voraussetzt. Filmischer Nachwuchs, den so bis 27 Jahre zu markieren, ist denke ich nicht ganz falsch.

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ET: Was uns auch sehr begeistert hat ist die Offenheit hier. Dass z.B. die Jurydiskussion öffentlich stattfindet. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Klaus: Die Idee haben wir vom Bund deutscher Filmautoren (BDFA). Da finden diese Jurydiskussionen als Grundprinzip des BDFA statt. Der BDFA als Vereinigung der nichtkommerziellen Filmer. Also die Leute, die nicht aus Erwerbszwecken sondern aus Leidenschaft Film nachgehen. Früher hat man Hobby gesagt, das klingt heute so merkwürdig abwertend. Hobbyfilmer oder Amateur würde sich niemand nennen, der mit Leidenschaft Film macht heutzutage. Und dort ist dieses Prinzip in den Clubwettbewerben des BDFA gang und gebe. Ursprünglich erfunden aus der Philosophie heraus der Amateur, der Hobbyfilmer, der braucht einen fachkundigen Experten der ihm sagt „das hier ist schon ganz gut geworden, hier kannst du deine Filme noch ein wenig verbessern“. Und diese Idee haben wir aufgenommen natürlich nicht im Sinne von wir setzen da vorne die Oberlehrer hin und lassen sie Zensuren verteilen. Das kann man mit den Filmen, die wir hier zeigen, gar nicht. Dafür sind die schon viel zu weit. Die erreichen ein Publikum und verbreiten Kinoathmosphäre. Wir haben diese Idee der öffentliche Jury-Diskussion genutzt um das zu machen, von dem ich anfangs schon sprach. Die große Streitfrage, die eigentlich jedes Festival ausmacht: Wieso sagt eine Jury, dieser Film ist besser als Jener. Im diese Streitfrage transparent zu machen, entscheiden kann man sie sowieso nicht. Man kann immer anderer Meinung sein, aber Meinungsfreiheit kann etwas sehr schönes erzeugen. Im platonisch-altgriechischen Sinne. Wenn du mir einen Apfel gibst und ich Dir einen, dann hat am Ende jeder einen Apfel. Gibst du mir einen Gedanken und ich Dir einen, dann hat am Ende jeder den Reichtumg von zwei Gedanken. Und dieses Gedanken vermehren über Film, das ist die Idee der öffentlichen Jury-Diskussion und der öffentlichen Gespräche mit den Filmemachern auf der Bühne.

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ET: Bei anderen Filmfestivals werden häufig Workshops angeboten. Warum habt ihr euch entschieden, auf dieses Angebot zu verzichten?

Klaus: Die ersten beiden Jahre Fish haben wir das auch ausprobiert. Wir haben es aber sein lassen. Denn wir haben es nicht geschafft, uns und die Teilnehmer auf Workshops zu konzentrieren wenn wir gleichzeitig den Anspruch haben, dass wir das Festival machen, auf dem alle jungen deutschen Filmemacher ihren Film zeigen wollen. Also Konzentration auf das wesentliche. Das zweite ist, Kurzzeitworkshops wie sie auf einem Festival angeboten werden, sind zumeist Kick-off-Workshops die wenig Nachhaltigkeit bieten wenn nicht ein Anknüpfungssystem da ist. Unsere eigentliche Arbeit in Sachen Workshops ist unsere Tagesarbeit am Institut in unserer Medienwerkstatt. Und da brauchen wir das Festival und die direkte Verknüpfung gar nicht. Das Festival leistet aber etwas fantastisches für die Arbeitsgemeinschaften, Kurse und Workshops die die Medienwerkstatt anbietet. Das hier ist sozusagen wie der Köder, auf den junge Leute aus Rostock, aus Mecklenburg beißen und sagen: Genau das ist es, das will ich auch und da kucke ich mich um wo kriege ich die Facilities, wo treffe ich die richtigen Leute. Insofern machen wirs eigentlich, wir legen es nur auseinander. Ich bin inzwischen davon überzeugt und finde es auch richtig und gut, das so zu machen. Außer natürlich macht ein Festival mit einem recht homogenes Anfänger- und Einsteigerpublikum. Aber das sind wir nicht. Ich kann nicht gleichzeitig Schüler mit sehr rauhen ersten Arbeiten einladen und gestandene, mindestens semiprofessionelle junge Filmemacher und dann biete ich denen gemeinsame Workshops an. Außer ich organisiere einen Prozess von sozialem Lernen, aber dazu kommen beide Seiten eigentlich nicht.

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ET: Zumindest die soziale Interaktion ist hier vergleichsweise hoch gegenüber anderen Festivals, an denen ich bisher teilgenommen habe. Ich weiß nicht woran das liegt, aber vielleicht hast du da ja ein paar Ideen?

Klaus: Es gibt ein paar Geheimnisse, die kann man nicht hintergehen. Da kann man vielleicht eine Nacht bei Bier oder Rotwein darüber rätseln. Ich weiß nicht genau wie es uns gelungen ist, den Filmemachern aus der jungen deutschen Filmszene das Gefühl zu geben, seid willkommen hier. Ihr seid nicht nur die Ablieferer, die Content-Lieferanten. Sondern die Festivalphilosophie bei uns ist eher so wie man sagt „Zu einem guten Film braucht man drei Dinge. 1. ein gutes Drehbuch, 2. ein gutes Drehbuch, 3. ein gutes Drehbuch“. Ich versuche immer im Festival-Team jedes Jahr als erstes die Philosophie zu verbreiten „Zu einem guten Festival brauche ich drei Dinge: 1. gute Filme, 2. gute Filme, 3. gute Filme“. Und wie kriege ich gute Filme? Über gute Filmemacher. Ich muss die Filmemacher gewinnen. Die sind das erste, was in einem Festival stehen muss. Wenn ich die habe, dann kann ich daraus auch einen guten Event bauen. Und wie kriege ich die Filmemacher? Ich muss das liefern, was die Filmemacher suchen. Erstens die bestmögliche Projektion. Da wird nicht gespart sondern geklotzt. Jeder Filmemacher muss hinterher das Gefühl haben „die haben sich Mühe gegeben meinen Film so zu zeigen, wie ich ihn sehen möchte“. Nur haben wir nicht die große Kohle, aber da kann man viel mit Mühe und Sorgfalt ausgleichen. Das zweite ist, wir bauen den Festivalevent so, dass er um die Vorführungen herumkreist. Also die Filmvorstellung ist so etwas die Andacht in unserer Filmkirche. Und um diesen zentralen Vorgang lege ich alles andere. Also Gespräche werden nicht geführt, weil jemand wichtig ist sondern weil da ein Film gesehen wurde. Gespräche werden geführt zu dem Film, über den Film, mit den Filmemachern. Und wenn man sich so auf das Wesentliche konzentriert kann es passieren dass die, die man anspricht, die jungen Filmemacher, das Gefühl haben dort will man mich, da will man meinen Film, da muss ich einreichen, da will ich hin. Irgendwie haben wir es geschafft, einen guten Ruf in der jungen Filmerszene zu haben und den müssen wir einlösen Jahr für Jahr. Das ist harte Arbeit aber die macht auch unheimlich Spaß. Ein Teil davon ist auch Geheimnis, das ist auch eine Sache dass zur richtigen Zeit die richtigen Leute zusammenkommen, das kann man nicht berechnen oder konstruieren.

ET: Danke für das Interview.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, April 21st, 2010 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Festivals, Interviews, Scott veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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