Le Foto di Gioia (1987)



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In dem Interviewband Spaghetti Nightmares sagt Luigi Montefiori aka George Eastman über seine Zusammenarbeit mit Lamberto Bava: „Lamberto is a fairly good director but I only acted in Blastfighter and Le Foto di Gioia to make money. I don’t think much of either film, though I’ll admit the former had more originality and style.“
Harte Worte von einem Mann, der behauptet, sein Drehbuch zu Joe D’Amatos Sesso nero (1980) basiere auf Max Frischs Homo Faber. Und auch wenn er nicht ganz Unrecht hat, markiert Lamberto Bavas Spätachtziger-Giallo mit Serena Grandi doch eine Art Zäsur in seinem filmischen Schaffen. Nach diesem Film sollte er sich mit einigen interessanten, doch selten gewordenen Fernsehfilmen künstlerisch emanzipieren.

Nachdem er als Assisstant Director bei Argentos Inferno (1980) und Tenebre (1982) gearbeitet hatte, war der Weg zum Giallo quasi vorprogrammiert, trotz Bavas wiederholter Aussage, mit dem Genre wenig anfangen zu können. So sind seine Gialli aus den 80er Jahren nicht eben von Originalität und Begeisterung beseelt, was auch auf Le Foto di Gioia (1987) zutrifft. Dennoch hat Bava diese Filme als technische Experimentierflächen genutzt, die die Freude am Übertreiben, am Dick auftragen, am Filmemachen überhaupt betonen. Deren Geschichten, die auf mehr oder weniger gehobenem Groschenheftniveau liegen, haben ihn jedoch kaum interessiert. Das zeigt sich recht deutlich an diesem Serena Grandi-Vehikel, das an eine brasilianische Softcore-Soap erinnern würde, wären da nicht all diese blutigen Morde…

Gloria (Serena Grandi) ist die Chefin des erotischen Modemagazins Pussycat und wird dabei von ihrem Bruder Tony (Vanni Corbellini), ihrer Freundin Evelyn (Daria Nicolodi) und dem Fotografen Roberto (David Brandon) unterstützt. Eine Konkurrentin, die Gloria damals selbst als Fotomodell angestellt und sie von der Straße geholt hatte, will ihr das erfolgreiche Magazin abkaufen, doch Gloria weigert sich. Dann werden nach und nach ihre Freunde und Mitarbeiter umgebracht. Rote Heringe gibt es mehr als genug, zum Beispiel Glorias leicht perversen Verehrer Mark (Karl Zinny), der im Rollstuhl sitzt und ihr das Fenster zum Hof macht. Dazwischen gibt es eine Affäre mit dem Schauspieler Alex (George Eastman), der sich nicht binden will, Geplänkel mit dem Kommissar (Lino Salemme), der nicht wie einer aussieht und das gerne thematisiert und einige grausame Tode, bis zur unvermeidlich vermeintlich überraschenden Auflösung.

Entweder ist Bava die Seifenoperndramaturgie egal oder er stellt sie genüsslich aus. Die Dialogszenen könnten nicht uninspirierter sein, die Schauspieler nicht puppenhafter. Und doch ist da auch der Spaß am Kitsch, was vor allem der Hauptdarstellerin zu verdanken ist: Die Grandi wechselt demonstrativ, von Szene zu Szene, ihr Outfit – sofern sie nicht dabei ist, zu zeigen, was sie hat. Überhaupt wirkt sie hier larger than life: Sie geht nicht, sie stolziert; sie steht oder sitzt nicht, sie posiert. Sie ist zwar ganz klar eine physische Schauspielerin, doch gleichzeitig hat sie etwas statueskes. Am überzeugendsten ist sie, wenn sie sich kaum bewegt, wenn sie ihre Blicke spielen lässt, wenn sie ihre Haare zurückwirft. Sie wirkt selbst, als ob sie einer Ausgabe von Pussycat entsprungen wäre. Sie ist die Fantasie der Fantasie.
Der Film selbst ist wiederum am besten, wenn die Bewegung einsetzt, wenn Bava eine wilde Kamerafahrt dirigiert, wenn Simon Boswells Musik plötzlich laut und heftig wird, wenn die Farben ins Spiel kommen, wenn die Spezialeffekte den Geisteszustand des Mörders visualisieren; kurz, wenn es um reine Spannungserzeugung geht. Man könnte Le Foto di Gioia auch mit den folgenden Worten eines imdb-Users beschreiben: „Style over everything else.“
Gleichzeitig offenbaren diese Szenen die Schwächen von Bava. Denn die Stärken des Films sind allesamt derivativer Natur, Tugenden von Mario Bava sowie Dario Argento, seinem filmischen Ziehsohn. Sein echter Sohn scheint sich hingegen in seinen Filmen immer ein wenig gegen die Erblast zu wehren, der er doch seine Karriere verdankt. Andererseits sieht man an solchen Auftragswerken klare Parallelen zum Vater: Mario Bava arbeitete auch oft mit Drehbüchern und Geschichten, die platter nicht sein konnten, siehe Gli orrori del castello di Norimberga (1972), Reazione a catena (1971) oder Le spie vengono dal semifreddo (1966). Auch er hat das Beste aus dem gemacht, was ihm zur Verfügung stand und verlieh seinen Filmen eine Art philosophische Leichtigkeit, die die Banalität des jeweiligen Werks genauso betonte wie die Freude, die der Dreh ermöglichte und die der fertige Film hoffentlich weiterträgt.
Dasselbe lässt sich von Lambertos weniger gelungenen Filmen wie Le Foto di Gioia behaupten. Ein leises Echo des Talents Mario Bavas durchzieht diesen Thriller, das diesen wiederum schmerzlich vermissen lässt.

Safarow schreibt

Dieser Beitrag wurde am Samstag, Februar 27th, 2016 in den Kategorien Ältere Texte, Blog, Blogautoren, Filmbesprechungen, Sven Safarow veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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