14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #18



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An einem Herbstabend vor drei Jahren saß ich [Christoph] mit Freunden aus dem Umfeld des geschätzten Online-Filmmagazins „Hard Sensations“ im „Leerzeichen“ zusammen, einer winzigen Kultur-Oase in einer Aachener Seitenstraße. Bei Speis und Trank unterhielt man sich über Pornos und Klaus Kinski (worüber auch sonst?). Viele der herausragenden Pornographen Amerikas, so stellte man fest, seien ja eher zufällig zu ihrem feuchtfröhlichen Gewerbe gekommen und hatten Film lange Jahre ihres Lebens nie für sich in Erwägung gezogen. Ja, so sei das auch bei seinem Vater gewesen, seufzte Robert, der Besitzer und Betreiber des „Leerzeichens“. Entgeistert starrte ich ihn an, in ungläubiger Erwartung delikater Enthüllungen des von Scham gebeugten Sohnes eines Mannes, der in der Blüte seines Lebens die Bali-Kinos und Videotheken der 80er Jahre mit expliziten Erregungsbewegtbildern beliefert hatte. „Ich meine – er macht keine Pornos“, schickte Robert sich eilig an, die Entgeisterung aus meinen Zügen zu wischen.

Und dann wurde sie mir en detail erzählt, die unglaubliche Geschichte des ehemaligen Maschinenbauers und Selfmade-Filmemachers Bruno Sukrow, der im stolzen Alter von 82 Jahren erstmals den Regiestuhl bestiegen hatte – oder, genauer gesagt: den Stuhl vor seinem heimischen Computer, der ihm Schreibmaschine, Studio, Schneidetisch und Synchronkabine in einem war und ist. Mit offenem Mund lauschte ich den Beschreibungen jener animierten Filmerzeugnisse, die der alte Herr Sukrow dort, im stillen Kämmerlein, mit dem Eifer eines echten Mavericks schuf, jenen kleinen, archaisch gestalteten Adaptionen selbst ersonnener, großer Abenteuergeschichten, die den Geist alter Groschenromane und Serials atmen sollten – und all das ganz und gar unbeirrt von der Bescheidenheit seiner Mittel. Er habe vom Anbieter der Software nur ein begrenztes Figurenarsenal gekauft, das er unterschiedlich einkleidete, erzählte man mir. Er synchronisiere alle Rollen selbst, auch die Frauen, und verstelle dabei seine Stimme. Und, so seufzte Robert abermals: „Er macht einen Film nach dem anderen, und wenn ein neuer fertig ist, trommelt er die ganze Familie am Sonntag zum Kaffeetrinken zusammen, und dann müssen wir uns das angucken.“

Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits zerflossen. Die Neugierde war unerträglich, das Verlangen enorm. Unter viel gutem Zureden überzeugten wir Robert („Die Filme sind echt hart, ihr versprecht euch da zuviel“), uns einen dieser Filme vorzuführen, der den schönen Titel SATURNUS trug und „Gottseidank nur eine halbe Stunde lang“ war, wie Robert beschwichtigend voranschickte. 35 Minuten später hingen die Hosen und Büstenhalter aller Anwesenden in Fetzen, die Kinnladen flatterten im Oktoberwind und die Wangen glühten. Es war – außer dem von dem folgenden, tosenden Beifalll überwältigten Robert – keiner unter uns, der wirklich wusste, was sie oder er da gerade bezeugt hatte. Dieser wuchtige Rohdiamant, diese einzigartige Mischung aus Fragilität und Potenz, aus schnittigem Erzählen und Donnerschlägen des changierend Spinnerten, aus kondensierter Pulp-Poesie und karger Konsolenspiel-Tristesse „mit hohem Kontemplativitätsgrad“ (Ciprian David) hatte uns allen den Atem verschlagen, die Sinne vernebelt und uns vor die Herausforderung gestellt, unseren cinephilen Wortschatz um einen ganz neuen Term erweitern zu müssen. Vom aufregendsten neuen Talent des deutschen Kinos sprach ich noch Tage später und schrieb in Gedanken bereits eine gebührend verdatterte Hymne für unsere Textreihe „100 Deutsche Lieblingsfilme“, in der ich Bruno Sukrow neben Hansrudi Wäscher, das Urgestein das teutonischen Abenteuer-Comics, stellte. Selbige Hymne nahm allerdings nie Form an, denn ich wurde darum gebeten, mich bedeckt zu halten. Bruno Sukrow, dieser neue, strahlende Stern am deutschen Filmament, wollte keine übertriebene Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wollte im Verborgenen bleiben.

Indes, die Nachricht von seiner Ultrakunst verbreitete sich selbst hinter vorgehaltener Hand schneller als ein Lauffeuer, und schon bald avancierten die Premieren seiner neuen Arbeiten im „Leerzeichen“ zu heißbegehrten Geheimtipps unter Nordrhein-Westfalens Cinemenschen. Das Hofbauer-Kommando hingegen, welches sich aufgrund seiner naturgegebenen Zuneigung zu psychotronischen deutschen Filmerzeugnissen und dem verehrten Rumpelkisten-Kintopp von Anfang zum Schaffen von Bruno Sukrow hingezogen fühlte, konnte nie in voller Besetzung an diesen Happenings im fernen Aachen teilnehmen, wie gleichwohl viele andere Interessenten aus anderen Städten auch nicht. Es ist uns daher eine Freude und eine Ehre, in der Nacht vom 04. auf den 05. Januar nach SATURNUS (im Programm des 10. Jubiläums-Filmkongresses des Hofbauer-Kommandos im Juli 2013) endlich wieder einen Bruno-Sukrow-Film in den heiligen Kongress-Hallen präsentieren zu können, und wir danken mit Herz und Hose Sukrow-Agent Alex Klotz, der uns dieses exquisite und exklusive Vergnügen ermöglichen wird. MARTINS FEUER, im Herbst 2013 aus der virtuellen Taufe gehoben, erzählt die mysteriöse Geschichte eines Schotten, der von alptraumhaften Visionen geplagt wird, die geradewegs aus Riccardo Fredas MACISTE ALL’INFERNO stammen könnten, und ist laut Alex „sein [Sukrows] wunderlichster und delirösester Film“, weswegen uns die Wahl nicht schwerfiel. Je nach Stimmung und Lust ist übrigens auch eine Sukrowsche Zugabe denkbar. Seid also dabei, wenn das Hofbauer-Kommando ausnahmsweise auch einmal frohgemut der digitalen Zukunft des Filmemachens ins Auge blickt!

Wer mehr über die ergötzlich verstrahlten Filmwelten des Bruno Sukrow und den Meister selbst erfahren möchte, der lese:

Alex Klotz über (fast) alle Langfilme von Bruno Sukrow
Rainer Knepperges, in awe
Sukrow über Sukrow


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Dieser Beitrag wurde am Samstag, Dezember 27th, 2014 in den Kategorien Blog, Blogautoren, Das Hofbauer-Kommando, Festivals, Filmbesprechungen veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

Eine Antwort zu “14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #18”

  1. Das Hofbauer-Kommando on Januar 2nd, 2015 at 07:45

    Und hier geht’s zur Programmübersicht des heute beginnenden 14. Hofbauer-Kongresses.

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