14. Hofbauer-Kongress, Aufriss #17
Von türkischen Früchten haben wir bei einem früheren Kongress bereits genascht und uns Appetit geholt, der nun mit dem richtigen Gespür für Urinstinkte gestillt werden möchte und gewiss nicht der letzte Film von Paul Verhoeven beim Kongress bleiben wird. Zunächst ist aber jener Film an der Reihe, bei dem der Fischer Film Almanach die Rolle von Onkel Fürchtegott einnahm („BASIC INSTINCT reiht sich in die Orgien von Brutalität und Menschenverachtung ein, die der Zuschauer von einem auf Hochglanz polierten amerikanischen Actionkino leider nur zu sehr und in steigendem Maße gewohnt ist.“) und der dank Sharon Stones berühmten schlüpferfreien Beinüberschlag im Verhörraum wie kaum ein anderer Film mit einer Spalte zu spalten vermochte und unterstrich, dass „Schlitzi-Sightseeing“ nicht allein eine rassistische Bemerkung über asiatische Touristen sein muss… Kein Wunder, dass bei solchen Aussichten auch ein Michael Douglas aus dem Gleichgewicht gerät und seine bohrenden Ermittlungen lieber in fleischlichen als moralischen Abgründen fortsetzen würde. Doch der Mord an einem Rocksänger, der in gefesselter Ekstase rabiat von einem Eispickel penetriert wurde, hat Detective Douglas zu jener von Stone verkörperten Schriftstellerin Catherine Tramell geführt, bei der eine Romanfigur unter den gleichen Umstände das Zeitliche gesegnet hat. Und er erliegt rasch den geschickten Verführungskünsten dieses blonden Gifts, das männlichen Hosentigern ebenso zugeneigt ist wie weiblichen Gaumenschlangen…
Letzteres spaltete schon im Vorfeld die Schwulen- und Lesbenverbände wie vielleicht seit CRUISING kein Film mehr. Die Einwände gegen die ausschweifend dargestellte Bisexualität der Mordverdächtigen schienen die faszinierende Zeichnung einer ungewohnt aggressiven weiblichen Sexualität so weit in den Schatten zu stellen, dass zunächst angedachte Drehbuchüberarbeitungen an der Kluft scheiterten, die sich zwischen den Forderungen der Protestierenden und der Haltung von Regisseur Verhoeven auftat, der im Gegensatz zu Drehbuchautor Joe Eszterhas nicht zu drastischen Überarbeitungen gewillt war und die Verhandlungen abbrach. Schon am ersten Drehtag versuchte daher eine dreistellige, bald von Verhaftungen dezimierte Demonstrantenschar lautstark die Dreharbeiten zu verhindern. Beim Kinostart kamen feministische Organisationen hinzu, die in vielen US-Großstädten die Kinoeingänge zu blockieren versuchten und mit ganzseitigen Anzeigen zum Boykott des Films aufriefen.
Kulturhistorikerin Camille Paglia äußerte 1995 in einem Interview auf der Online-Enzyklopädie für homosexuelle Kultur: „Ich war schockiert. Diese Proteste zeigen die ganzen Verfallserscheinungen der Schwulenpolitik. Das war ein pornografischer Film, der nationale Verbreitung erfuhr. Er hätte eigentlich als extrem und schön und bizarr gefeiert werden müssen. Als ich die Schönheit des Films wahrnahm, wurde mir klar, dass die Schwulenaktivisten sich schon so sehr zu einer Clique mit Kreml-Mentalität entwickelt hatten, dass sie völlig den Kontakt zum Volk verloren haben. Je mehr man sich in Gruppen zurückzieht, desto mehr verliert man seine Instinkte, man ist so abgestumpft durch das Aktivisten-Weltbild, dass man nicht einfach genießen kann und sagen, ‹Junge, das ist ein Knaller! Wow! Sieh dir Sharon Stone an.› Das war ein revolutionärer Film, der die amerikanische Mittelschicht mit einem pornografischen Stil und einer pornografische Sprache konfrontierte. Es macht mich krank, dass er, statt als revolutionär zu gelten, als reaktionär abgestempelt wurde.“
Auch die berühmte Verhörszene spaltete abermals, denn während Verhoeven darauf beharrte, dass alles vorher abgesprochen war und Stone ihm vor dem Dreh sogar ihre Unterwäsche geschenkt habe, beteuerte Stone, sich vorher nicht über die Eindeutigkeit der Szene im Klaren gewesen zu sein. Eine Szene jedoch, bei der sie gerade ohne Schlüpfer die Hosen erst richtig anhat und eine genüsslich-selbstbewusste Machtdemonstration der ‚power of the pussy‘ abliefert, wie sie vor allem das US-Kino selten gesehen hat. Von Pornografie zu sprechen, wäre freilich dennoch übertrieben, auch wenn wir Paglias Kommentar gern als Anlass für ein wenig pornografische Sprache nutzen, um im „ergänzten“ Stil und der pubertären Freude am Reim den freidrehenden Synchronisationen vom Schlage einer VERGNÜGUNGSSPALTE (H.G. Schier, 1970) Tribut zu zollen und das ungeheure Gefühle entfachende, instinktgetriebene Aufeinandertreffen von Douglas und Stone kurzerhand auf ein paar rein ficktiefe Verse hin zu entkleiden:
Er: „Wenn sich öffnet der lockende Schacht / geb‘ ich keine Acht.
Geh ich wirklich auf den Leim / diesem geilem Muschischleim?
Doch schlüpf‘ ich gern hinein / wo ich mich fühl‘ daheim.
Wo tief im Scheidensaft / gebadet wird der Liebesschaft.“
Sie: „Wenn ich so koste / von diesem eitrigen Lattenroste…
Ob er mich spritzt zum Gipfel / mit diesem strammen Zipfel?
Das wäre doch gar fein / drum zieh ich ihn mir gerne rein.
Und setz mich jauchzend drauf / auf diesen steilen Knauf.“
Zugegeben mag dieser klebrig-poetische Auswurf manch anderem Film von Verhoeven noch etwas besser zu Gesicht stehen, diesem nimmermüden Kämpfer für kultivierten Schmutz, dem das seltene Kunststück gelang, seine Freude an Derbheiten und Körpersäften von den niederländischen Werken auch in seine Hollywood-Filme hinüber zu retten. Vieles davon steckt jedoch auch in BASIC INSTINCT, den die BILD seinerzeit als „Der schweinischste Film aller Zeiten“ auf die Titelseite brachte und bei dem die Eleganz von Jan de Bonts Scope-Kamera nur umso mehr vom „gefährlichen Sex in einer entsexten Welt“ erzählt, wie Christian Keßler über den Film schrieb. Bei Verhoeven treffen sich Hitchcock und De Palma – und selbst diese beiden müssen aufpassen, nicht am Ende doch auf einer unvermuteten Schmierspur auszurutschen. Michael Douglas sieht sich dabei Verlockungen gegenüber, die so süß sind, dass die salzige Sahne seiner Lenden sauer zu werden droht, wenn er ihnen nicht nachgibt. So kam es, wie es kommen musste: „Er kam, bevor er ging.“
Damit bei uns auch alle kommen, bevor sie gehen, schlüpfen wir gleich am Winternachmittag des 2.1. um 17 Uhr zunächst zum Aufwärmen zwischen Sharon Stones Schenkel und stoßen sie in englischsprachiger Gentlemen-Manier sachte 35mm breit auseinander, um einen flüchtigen Fernstich auf jenen halb gerodeten Schamhügel zu wagen, dessen vulkanische Bannkraft im Film den Verhörmännern kräftig den Schweiß unter den Toupets und aus den Achselhöhlen heraus rinnen lässt und den Reißverschluss manchen Hosenstalls zu spalten droht. Ein Film wie eine winterliche Wanderung durch felsiges Hochgebirge, bei der man mit etwas Glück in dampfende Lustgrotten gerät, wo hungrige Hohlräume vom wendigen Schwung nährstoffreicher Fleischpeitschen gestopft werden, bei der man mit etwas Pech aber auch in eisigen Gletscherspalten stecken bleibt, wo tödlich zustechende Eispickel eine dann doch allzu entsaftende Vermehrung von Körperöffnungen herbei führen…
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