100 Deutsche Lieblingsfilme #56: Mädchen mit Gewalt (1969)



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Die Hölle, das sind die anderen. Genauer: die Hölle, das sind zwei Männer und eine Frau. Geschlossene Gesellschaft in der Kiesgrube; gesellschaftliche Neurosen, ausgetragen in einer existenzialistischen Wüste der emotionalen Leere. Das und viel mehr ist Mädchen mit Gewalt.

Arthur Brauss, das ist die zynische Kälte des Lebens, die brutale Logik der Gesellschaft. Klaus Löwitsch ist die Rohheit, der unkontrollierte Trieb, die reine Entäußerung. Zusammen sind sie ein richtiger Mensch. Doch das wollen sie nicht sein. Der Eine ist die Antithese des Anderen. Ihre Philosophie ist unvereinbar. Zwischen ihnen Helga Anders, eine Frau, die mehr Macht über Beide verfügt, als jeder von ihnen auch nur zu träumen wagt.

Die beiden Männer sind gelangweilt. In dieser Welt gibt es nichts für sie zu holen, außer der gelegentlichen Fleischlichkeit. Sie spielen mit Frauen wie eine Katze mit der Maus spielt. So auch mit Helga Anders. Löwitsch hat seinen Spaß. Brauss will nur zuschauen. Vielleicht ist er zu mehr gar nicht in der Lage. Doch Löwitschs Gewissen regt sich, zeigt sich kurz, nicht konsequent, aber genug, um die Beiden gegeneinander auszuspielen. Körper und Geist im Konflikt.
Ich musste oft an Roland Klicks Deadlock (1970) denken, nicht zufällig, wurde doch auch dessen Fantasie-Wüste von den fragilen Klängen von CAN zusammengehalten. Die Stimme des Sängers ist ständig am Zerbrechen, wie die Welt der drei Protagonisten, die sich selbst, vielleicht zum ersten Mal im Leben, richtig kennenlernen. Und der Beat ist niemals ausgelassen, immer nervös und unruhig, als könnte er jeden Moment abreißen und die Stille dahinter offenbaren.
Auch in Deadlock bringt eine Dreierkonstellation das Verderben. Drei sind immer einer zu viel. Drei wollen immer mehr, als sie kriegen können. Drei offenbaren einander stets ihre Schwächen. Drei bedeutet auch immer Zwei gegen Einen. Und zu dritt kann man eh keinen Spaß haben. Zumindest nicht in diesem Film.
Mädchen mit Gewalt hat auch was postapokalyptisches. Die drei Protagonisten kreisen wie Geier umeinander herum in dieser einsamen Kieswüste, als wüssten sie, dass es draußen in der Welt nichts mehr gibt, woran sie sich klammern könnten. Sie haben nur noch einander. Am Ende verlassen sie die Wüste als Familie. Schrecklich schön. Schön schrecklich.

Safarow schreibt

Mädchen mit Gewalt – BRD 1969 – 98 Minuten – Regie und Produktion: Roger Fritz – Drehbuch: Jürgen Knop, Roger Fritz – Kamera: Egon Mann – Schnitt: Peter Przygodda – Musik: CAN – Darsteller: Klaus Löwitsch, Arthur Brauss, Helga Anders, Rolf Zacher, Monika Zinnenberg, Astrid Bohnet, Elga Sorbas, Renate Grosse

Dieser Beitrag wurde am Freitag, Juli 3rd, 2015 in den Kategorien Blog, Blogautoren, Deutsche Lieblingsfilme, Filmbesprechungen, Sven Safarow veröffentlicht. Sie können alle Kommentare zu diesem Beitrag über den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können diesen Beitrag kommentieren, oder einen Trackback von ihrer eigenen Seite setzen.

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