STB Andreas 2011

Sehtagebuch 2011

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Letztes Update: 22.12. – Update der zuletzt gesehenen aktuellen Filme & Kurzkommentar älterer Film

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Neueste(r) STB-Kommentar(e) zu älteren Filmen (weitere Kurzkommentare zu älteren Filmen in der Mitte des STB):

Addio Onkel Tom / Addio zio Tom (Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi)
Kommt überraschenderweise doch sehr dem nahe, was ich unter einer wirklich bösartigen Satire verstehe. Eine rückhaltlose Imitation des attackierten Blickes, aber zugleich markant als überhöhte Karikatur ausgewiesen, ohne die darin versteckte Position allzu voreilig zur eigenen Erhöhung hervor zu kehren. Gerade so weit von blankem Zynismus entfernt, dass man es manchmal auch verwechseln kann (Paul Verhoeven ist dafür zum Teil auch ein gutes Beispiel). Ein Balanceakt auf Messers Schneide, hier aufrichtiger Humanismus, dort gewissenlose Menschenverachtung; vielleicht im Bewusstsein, dass eine Seite manchmal nicht ohne die andere denkbar ist, erst aus ihr erwächst. ADDIO ONKEL TOM ist womöglich in mancher Hinsicht so etwas wie Essenz und Reflexion des Exploitationkinos zugleich, lässt die Nachstellung der tatsächlichen Ausbeutung zur filmischen Exploitation werden und legt sie zugleich auch als solche erst wirklich offen, stellt implizit auch die Frage nach Darstellbarkeit und Positionierung (mit Sicherheit auch interessant als Kommentar zum mir bislang weitgehend unbekannten und auch eher gemiedenen Mondofilm, welcher er selbst nicht ist). Dieser filmische Streifzug durch die Geschichte der Sklaverei in den USA bewegt sich in seinem nachgestellten Anschauungsmaterial ähnlich weit abseits jeglichen geschmacklichen Akzeptanzrahmens wie es bspw. Canevaris GESTAPO’S LAST ORGY in Bezug auf den Holocaust praktizierte. Und was ich schon dort letztes Jahr im STB schrieb, gilt weitestgehend auch für ADDIO ONKEL TOM: es scheint mir ein weit ergiebigerer, herausfordernder, unbequemerer Ansatz als die gängigen, entweder moderat-erbaulichen und banal-emotionalisierenden Dramatisierungen solcher Themen. Eigentlich bezieht der Film dabei auch sehr eindeutig moralisch Stellung. Die Methoden, die er sich dabei heraus nimmt, die Bilder und Sprache, die er seinem als mündig und emanzipiert respektierten Publikum dabei um Augen und Ohren haut (und tatsächlich auf dessen Mündig- und Menschlichkeit oder zumindest menschlichen Reflex vertraut, wenn es einen Film lang konsequent der Sklavenhalter-Perspektive ausgesetzt ist, jedem Bild grell ein auch vielfach ausgesprochener „der Neger ist nichts als ein Tier“-Blick voran gestellt ist), kann man abstoßend und fragwürdig finden. Möglicherweise ein moralischer Film, der sich unmoralischer Mittel bedient. Aber er stellt auch die Frage, ob man von Abgründen und Menschenverachtung erzählen kann, ohne sich dabei die Hände schmutzig zu machen. Er untergräbt die ästhetische Distanz und macht einen zum Mittäter, schon durch den (manchmal auch etwas platt) komplizenhaften Blick, dem der Zuschauer ausgesetzt wird. Über einen Film, der derart stark auf einer sehr tiefgreifenden, komplexen Ambivalenz fußt, mag ich mir gewiss kein leichtfertiges, gar ideologisches Urteil anmaßen. Wozu auch, wenn es interessanter ist, ihn in seiner Konsequenz und vielleicht auch Widersprüchlichkeit für sich stehen und wirken zu lassen, ohne ihn gleich irgendwie festzurren zu wollen. Jedenfalls ein hochgradig faszinierendes Erlebnis, das in der letzten halben Stunde immer wieder in virtuosen Stilisierungen und großartigen psychedelischen Sequenzen eine irritierend wahnhafte Auflösung zu suchen scheint und überhaupt auch insgesamt regelmäßig seine formalen Glanzmomente hat.

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Zuletzt gesehene aktuelle Filme mit Wertungen und manchmal Kurzkommentaren (inklusive einigen Überhängen aus den letzten Jahren, die mit ° gekennzeichnet sind, sofern ich sie nicht in meine 2011er Jahresliste einbeziehe):

Aktuelle Filme des 4. Quartals 2011 (nach Viennale):

My Soul to Take (Wes Craven) – 7/10

A Night in Nude: Salvation / Nûdo no yoru: Ai wa oshiminaku ubau (Takashi Ishii) – 8.5/10

The Ward (John Carpenter) – 6/10

Das schlafende Mädchen (Rainer Kirberg) – 7/10

I Wish / Kiseki (Hirokazu Kore-eda) – 7/10

I’m Not a F**king Princess / My Little Princess (Eva Ionesco) – 3/10

Weekend (Andrew Haigh) – 7/10

Die Anonymen Romantiker / Les émotifs anonymes (Jean-Pierre Améris) – 5/10

Le Havre (Aki Kaurismäki) [Zweitsichtung] – 8/10

Eine dunkle Begierde / A Dangerous Method (David Cronenberg) – 7/10
Cronenberg goes Straub/Huillet, zumindest stellenweise (man beachte vor allem das Finale am See, und überhaupt diese Konzentration auf Sprache, Körper und umgebende Natur). Das ist ebenso eigentümlich wie durchaus reizvoll. Wie überhaupt diese auf den ersten Blick den Konventionen handelsüblicher Historiendramen verschriebene Inszenierung dann auf den zweiten Blick in Rhythmus und Perspektive doch signifikant eigene und eigensinnige Wege geht. Die in leichter Untersicht oft irritierend nah an den Gesichtern platzierte Kamera spürt dabei Dauer und Ausdruck nach. Dass sich der Film insgesamt geradezu gezähmt und selbst-restriktiv ausnimmt, lässt angesichts des Themas schmunzeln, und doch ist die Annäherung der Bildebene an eine spezifische Art von Zeichen- und Verweisgehalt der Sprachebene plausibel. Konzeptionell geht vielleicht nicht alles voll auf (und Keira Knightley agiert anfangs doch etwas arg bemüht), aber im Gesamten fand ich den Film nach den vielen enttäuschten Reaktionen doch überraschend stimmig, hintersinnig und tatsächlich sogar ausgesprochen kurzweilig. Sehr schön auch Vincent Cassels Sleaze-Performance!

Stone (John Curran) – 3/10

Underwater Love – A Pink Musical (Shinji Imaoka) – 4/10
Nett gemeint, nett gemacht. Die Musicalszenen sind in ihrer hemdsärmelig-improvisierten Umsetzung ziemlich hübsch, dazwischen ist das aber leider über weite Strecken zahm, brav, auf harmlose Weise „skurrilisiert“ und schlichtweg erstaunlich dröge.

Hollywood Fling (Eckhart Schmidt) – 9/10
Dafür wurde digitales Kino erfunden. Der film maudit des Jahres. Vielleicht folgt noch ein kleiner Text.

The Ballad of Genesis and Lady Jaye (Marie Losier) – 6/10

Putty Hill (Matthew Porterfield) – 7/10

Unter Schnee (Ulrike Ottinger) – 3/10

Tournée (Mathieu Amalric) – 6-7/10

Midnight in Paris (Woody Allen) – 4/10
Seichtes Späßle, mal recht charmant, mal eher fad und ideenlos in Richtung Nummernrevue gleitend, aber immerhin halbwegs „luftig“ inszeniert, was mir nach ein paar schwer erträglichen „luftdichten“ Filmen der letzten Zeit (siehe einen Eintrag weiter unten) zumindest ein bisschen was wert ist, auch wenn’s nicht allzu viel daran ändert, dass das Ganze eher rückstandslos durchgerauscht ist. Rein, raus, weiter.

Die Haut, in der ich wohne / La piel que habito (Pedro Almodóvar) – 3/10
Zugegeben, die Dildo-Szene ist super. Und die Pulp-Reminiszenzen sind theoretisch auch sympathisch, in der vorliegenden Umsetzung kann ich mich der von einigen bekundeten Freude darüber aber leider nicht anschließen. Alles viel zu bieder, glatt, verkniffen, geradezu sterilisiert, und eine ordentliche Portion blau/orange darf in der sonstigen Aseptik natürlich auch nicht fehlen. Mit Ausnahme von DRIVE in Wien (wenn auch dort auf nicht uninteressante Weise) war ich in letzter Zeit bei keinem Film so froh, danach einfach nur wieder raus an die Luft zu können und mal kräftig durchzuatmen, so wenig Luft schien mir diese überlange Stilübung dazu zu lassen. Am liebsten wäre ich danach in ein herunter gekommenes Schmuddelkino gegangen, um mich erstmal mit einem Jess Franco zu erfrischen, aber die Möglichkeit gab’s natürlich nicht, stattdessen laufen halt mittlerweile Filme wie der Almodóvar fast überall. Wahrlich kein befriedigender Ersatz.

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Viennale-Bilanz folgt seperat…

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Aktuelle Filme des 3. Quartals 2011 (inkl. Prä-Viennale-Oktober):

Boxing Gym (Frederick Wiseman) – 7/10

Arrietty – Die wundersame Welt der Borger / Kari-gurashi no Arietti (Hiromasa Yonebayashi) – 8-9/10

Eighty Letters / Osmdesát dopisu (Václav Kadrnka) – 9/10

The Colors of the Mountain / Los colores de la montaña (Carlos Cesar Arbelaez) – 3/10

Vapor Trail (Clark) (John Gianvito) – 5-8/10
Die fast 20-minütige Einstellung, in der eine Aktivistin während einsetzender Abenddämmerung am Strand über ihre Haltung und ihre Vergangenheit spricht, wäre als eigener Kurzfilm wohl ein absolutes Meisterwerk. Beim Rest des Films bin ich doch sehr zwiegespalten, aus (nicht zuletzt filmischen) Gründen, deren nähere Erläuterung mir hier im Moment zu mühsam ist, und deren Kurzabriss vermutlich allzu platt rüber käme. Alles in allem aber schon deshalb eine interessante Erfahrung, weil sie für mich einige grundsätzliche Überlegungen heraus forderte und auch zu einer spannenden Diskussion mit Sano in Eiseskälte über grundsätzliche Aspekte politischen Kinos und vor allem über politisch geprägte Rezeption führte.

Congo in Four Acts (Kiripi Katembo Siku, Dieudo Hamadi, Patrick Ken Kalala, Divita Wa Lusala) – 6/10

Petropolis (Peter Mettler) – 5/10

The Young Butler / El Mocito (Marcela Said, Jean de Certeau) – 6.5/10

Oral History (Volko Kamensky) n.b.

Führung (René Frölke) – 7/10

Marxism Today (Prolog) (Phil Collins) n.b.

Whores’ Glory – Ein Triptychon (Michael Glawogger) – 8/10

Tyrannosaur (Paddy Considine) [Zweitsichtung] – 3/10
Eigentlich finde ich das Konzept Sneak durchaus reizvoll, was mich all die Jahre dann irgendwie trotzdem davon abgehalten hat, war eine Mischung aus ungünstigen Startzeiten, hoher Nieten-Quote, abschreckende Berichte über unaufgeschlossenes und lärmendes Publikum bei ungewöhnlichen Filmen, und in den letzten Jahren vor allem der Umstand, dass in den meisten Sneaks synchronisierte Fassungen laufen, die ich bei neuen Filmen in der Regel unausstehlich finde. Eigentlich sind die abseitigeren Sektionen von größeren Festivals ohnehin beinahe die bessere Sneak, weil man dort – gerade bei Premieren – oft außer den meist eher nichtssagenden Katalogtexten auch nicht wirklich weiß, was einen erwartet, und manchmal bei spontaner Planänderung auch tatsächlich mal in Filmen sitzt, von denen man vorher gar nichts weiß. Nun aber dank günstigem Zeitpunkt, garantierter OV und der scheinbar hohen Wahrscheinlichkeit auf DRIVE tatsächlich mein erster Sneak-Besuch überhaupt, und gleich der absolute Super-GAU: ein Film, den ich bereits kannte und nicht mochte. Wegen meinen ET-Begleitern und in der Hoffnung, dem Film im zweiten Durchgang mehr abgewinnen zu können, drin geblieben und das Ganze zumindest als Anlass für interessante Meta-(Selbst)Beobachtungen genommen. Den Film letztlich aber leider noch weniger gemocht als beim Filmfest München, die Abwertung ist da noch eher milde ausgefallen (um den schon sehr tristen Umstand, so einen Film gleich zweimal im Kino sehen zu müssen, nicht zu sehr durchschlagen zu lassen). Mir ist nach wie vor ein Rätsel, was alle Welt findet an dieser aufgesetzt gespielten, reichlich kalkulierten und in ausgesprochen konventionellen Bahnen verlaufenden Läuterungsgeschichte, die m.E. doch ziemlich nach biederer TV-Hausmannskost schmeckt.

Bas-Fonds (Isild Le Beso) [Zweitsichtung]° – 8/10

Slow Action (Ben Rivers) – 6-7/10

I Know Where I’m Going (Ben Rivers)° – 7-8/10

Ah, Liberty! (Ben Rivers)° – 7/10

Sonnensystem (Thomas Heise) – 7/10

Maya Deren’s Sink (Barbara Hammer) – 5/10

9 Leben (Maria Speth) – 4/10

Über uns das All (Jan Schomburg) – 6/10

Portraits deutscher Alkoholiker (Carolin Schmitz) – 7/10

Finisterrae (Sergio Caballero) – 6/10

A Horrible Way to Die (Adam Wingard) – 6/10

The Yellow Sea (Na Hong-jin) – 7/10

Red State (Kevin Smith) – 4/10

Repeaters (Carl Bessai) – 2/10

Stake Land (Jim Mickle) – 5/10

The Woman (Lucky McKee) – 8/10

Ohne Limit / Limitless (Neil Burger) – 5.5/10

3D Sex and Zen: Extreme Ecstasy (Christopher Sun Lap Key) – 5/10
Ein paar nette Szenen hat er schon, hier und da macht das durchaus Spaß, leidet aber insgesamt merklich darunter, dass es dem filmischen Getriebe (den Trieben und dem Treiben) doch gehörig an Schmierfett mangelt. Die HK-Begutachter wünschten sich jedenfalls doch sehnlichst eine anti-auteuristische, gnadenlos auf Sleaze-Maximierung getrimmte Kondensat-Schnittfassung herbei, wie sie Günter Hendel Anfang der 70er Jahre in kruder Perfektion zu fertigen verstand. Sprich: mindestens 30 Minuten des bereits in der kürzeren internationalen Kinofassung schlicht deutlich zu langen Films raus, dafür eine deftig-schmierige Viertelstunde an schäbig nachgedrehtem Material von und mit Günter Hendel hinein, und fertig wäre das rundum-glücklich-Vergnügen. Aber sowas macht heute keiner mehr, was vielleicht auch besser ist, weil sowas heute wahrscheinlich auch schlichtweg keiner mehr in dieser Weise hinbekommen würde, genauso wenig wie es heute noch solche wunderbaren Synchros gibt, das kann und will und traut sich keiner mehr. Was 3D-Erotik angeht, liegen die Hoffnung hingegen wohl eher auf Tinto Brass, auch wenn der wohl genauso wenig wie „3D Sex & Zen“ den überall stupide annoncierten tatsächlichen Porno im Sinn hat (was übrigens, in 3D und fürs Kino und mit „Comin‘ at ya!“-mäßigem Dauerbeschuss von Körperflüssigkeiten Richtung Publikum schon erheblichen Reiz hätte, aber sowas geht ja heute im Kino auch nicht mehr, ist ja schließlich alles schön säuberlich getrennt zwischen „sauberer Leinwand“ und hausgebräuchlichem Pornokonsum… es lebe die heuchlerische Doppelmoral).

Point Blank / À bout portant (Fred Cavayé) – 3/10

Attack the Block (Joe Cornish) – 6/10

The Divide (Xavier Gens) – 1/10
Habe ich nur zufällig gesehen, weil eine Freundin (ihres Zeichens Hofbauer-Kommando-Ehrenmitglied) kurzfristig krank wurde und sich ihre zu verfallen drohende Karte für den Abschlussfilm nun einzig gegen einen Film des vorletzten Slots eintauschen ließ. Die Alternative wäre 22ND OF MAY gewesen, wo mich der Trailer bereits schlimmsten, prätentiös aufgeblasenen Schlock befürchten ließ, und eben THE DIVIDE, der zumindest Hoffnung auf ein brachiales Spektakel machte, zumal ich zu den wenigen Menschen in hiesigen Kreisen gehörte, denen Gens‘ FRONTIER(S) als wüstes, schwachsinniges, entgleistes Exploitation-Gepansche durchaus Spaß machte (in dieser acquired-taste-Kategorie in den letzten Jahren beim FFF nur noch von der indonesischen Sauerei MACABRE übertroffen). Doch THE DIVIDE lässt die Entscheidung schon in den ersten Minuten bereuen und entfaltet in schier beispielloser Stumpfheit, die ihm hier wiederum leider auch nie zum Vorteil gereicht, ein trübsinniges apokalyptisches Kammerspiel mit Darstellern, die haarsträubend aufgesetzt agieren, Dialogen, die in ihrer banalen Küchenpsychologie schier schmerzhaft sind, und Konflikten und Wendepunkten, die sich denkbar konstruiert präsentieren. Das alles visuell in die übliche farbentsättigte blau-graue Einheitssoße getaucht und mit aufdringlichen, peinlich emotionsheischenden Gesichter-Close-Ups durchsetzt. Ein prolliger, hundserbärmlicher Murks, der obendrein aufs Unerquicklichste mit misogynen und homophoben Tönen hausiert, eigentlich aber ganz grundsätzlich Menschen- und nicht zuletzt Zuschauerverachtung zelebriert.

The Innkeepers (Ti West) – 8-9/10

Super (James Gunn) – 6/10
Crowdpleaser der erfreulicheren Sorte, bei der die Mischung aus nervtötenden und unterhaltsamen Elementen ähnlich wie bei SCOTT PILGRIM m.E. zugunsten von letzteren ausfällt und der seiner Heldenfigur unverfroren eine soziopathische, cholerische Schlagseite verpasst, ohne sie zur reinen Witzfigur zu machen.

Kill List (Ben Wheatley) – 7.5/10

Cold Fish (Sion Sono) – 8/10
Eine mit brachialen, ekstatischen Sleaze-Volten durchsetzte, bitterböse, grotesk überhöhte Satire, der es nicht in erster Linie um psychologische Nuancierung (und zum Glück auch nicht um ausgestellte Besserwisserei) geht, sondern in infernalisch-galliger Weise um die Demaskierung von perversen kapitalistischen Eigendynamiken, gesellschaftlichen Normierungszwängen, sozialen Unterdrückungsmechanismen und Selbst-/Fremd-Ausbeutung. Nicht nur als parabelhafte Farce auf eine zynische und durchaus nicht nur japanische Gesellschaftsordnung, sondern auch als Kommentar zur Finanzkrise von beißender Treffsicherheit. Großartiger Film, und nebenbei ausgesprochen spannend, wie sich Sion Sono seit LOVE EXPOSURE, der für ihn offenbar eine Art Befreiungsschlag bedeutete, entwickelt.

Nader und Simin – Eine Trennung / Jodaeiye Nader az Simin (Asghar Farhadi) – 6-7/10
Wie twitterte Robert Koehler so treffend zum Berlinale-Sieg von NADER UND SIMIN gegenüber TURIN HORSE: „drama triumphed over cinema.“ Prägnanter kann man es kaum auf den Punkt bringen. Was freilich auf der anderen Seite gar nicht ausschließt, dass NADER UND SIMIN aus dem, was er nun einmal ist, doch beinahe das Optimale rausgeholt und es erfreulicherweise vor allem schafft, das Abgleiten in Seifenopern-Territorium, wie es bei ABOUT ELLY streckenweise der Fall war, weitgehend zu vermeiden. Insofern durchaus sehr respektabel (auch packend und gut gespielt) und als Preisträger ohnehin prädestiniert, schließlich ist es nicht die Ausnahme sondern die Regel, dass diese Form des Kinos über jene eines TURIN HORSE triumphiert, ob nun bei Preisvergaben oder in der Publikumsgunst. Dass sie von wirklich schlockösem Arthouse-Mainstream allerdings zum Glück auch weit entfernt ist, gehört dann zu den nicht unbeträchtlichen positiven Seiten.

The Dead (Howard J. Ford, Jonathan Ford) – 5/10
Ein in Afrika angesiedelter Zombiefilm, der – in den naheliegenden Analogien und allegorischen Bezügen zur tatsächlichen gegenseitigen Zerfleischung, zur humanitären und politischen Situation in manchen Gebieten – vor allem in der ersten Hälfte einige gespenstische Szenen produziert, zumal die klassisch langsam schleichenden Zombies hier nicht nur Schießbudenfiguren, sondern in Romero-Tradition auch tragische Metapher sind. Die Bierernsthaftigkeit des Films nimmt sich einerseits gerade im weitgehenden Verzicht auf die Anbiederungen, Zynismen und Ironiedurchtränkungen vieler jüngerer Subgenrevertreter recht erfreulich aus, andererseits trübt der damit einher gehende Pathos einiger Szenen der zweiten Hälfte („Schlock“, wie wir es hier auf ET zu nennen pflegen), der wie der Hauptdarsteller doch etwas arg bemüht und angestrengt wirkt, deutlich den Eindruck, ebenso der Hang zur großen Geste, an dem sich der Film immer wieder etwas unglücklich verhebt. Aber immerhin probiert er einiges, hat interessante Kameraeinfälle (sieht übrigens größtenteils so aus, als wäre er auf Super16 gedreht, was leider in der Digitalprojektion allein schon durch verfälschende Farbverschiebungen nicht so richtig gut zur Geltung kommt), und bereits der Einstieg, der den Zuschauer unmittelbar in ein packend inszeniertes Bedrohungsszenario wirft, macht einiges her. Doch der große Film, den der längere Trailer ein wenig erhoffen lässt und der sich auch in manchen Ansätzen und atmosphärischen Momenten als Potenzial zu verstecken scheint, vermag sich dann aus dem Gesamten nicht so recht heraus zu schälen.

Don’t Be Afraid of the Dark (Troy Nixey) – 5/10

Wasted on the Young (Ben C. Lucas) – 4/10

F (Johannes Roberts) – 7/10
Eine feine Überraschung, über die ich vorher nichts wusste, außer dass es wohl ein knackig kurzes Ding ist. In der Tat ein kleiner, recht simpler und inhaltlich keineswegs sonderlich origineller Film, der aber formal umso origineller und interessanter gestaltet ist und auf eine erstaunlich inspirierte Weise ziemlich schief, krumm und seltsam daher kommt. Mit windschiefen Einstellungen und Schuss-Gegenschuss-Montagen nahe am Achsensprung, seitlich angeschnittenen Köpfen und ständigen Fokusverlagerungen in Unschärfebereiche entwickelt sich auf ganz eigentümliche, fast unmerkliche Art eine Atmosphäre des Sonderbaren und Entrückten. Ein bisschen so stelle ich mir den bislang aufgeschobenen MY SOUL TO TAKE vor, aber das kommt vermutlich gar nicht hin und soll auch gar keine falschen Erwartungen wecken. Wie ich hinterher feststellte, scheint F seinerseits auch nicht auf allzu viel Gegenliebe zu stoßen – absurderweise wird ihm überall ausgerechnet eine seiner größten Stärken, dass er nämlich nicht irgendwann mit billigen inhaltlichen Legitimationen oder einer völlig unnötigen Erklärbärattacke um die Ecke kommt (was ich eigentlich durchgehend befürchtete), zum Vorwurf gemacht. Auch das angeblich vorzeitige und rätselhafte Ende ist eigentlich völlig plausibel und auf den Punkt (da drängt sich auch so manche Lesart direkt auf), aber im Grunde geht es darum auch gar nicht so sehr. Das Schöne ist eher, dass dieser Film sich manchmal ganz einfach mehr für die Anmut eines nackt über den Boden holpernden Fußes interessiert oder für eine seltsam im Raum stehende Figur, als für das mustergültige Abhaken von Erzählschablonen. Ein großer Wurf mag das nicht sein, er hat im Guten (siehe oben) wie im Schlechten (die beiden männlichen Hauptdarsteller überzeugten mich nicht immer) seine Schwächen, aber es ist dank einer neugierigen und interessierten Kamera ein eher über Bilder als Drehbuchseiten gedachter und dabei ausgesprochen erfrischender Film. Derart aufregendes und souveränes Formbewusstsein (wobei die ziemlich tolle, eigenwillige digitale Fotografie auch fast überall nur Ablehnung erfährt) kann das gegenwärtige Genrekino auf jeden Fall sehr gut gebrauchen.

Ein Mann von Welt / En ganske snill mann (Hans Petter Moland)° – n.b.
Wegen paralleler Verpflichtungen netto nur rund die Hälfte der Vorführung mitbekommen, daher natürlich keine Wertung und genereller Vorbehalt, sah aber soweit nach einem ziemlich schlimmen, tristen, kalkuliertem Machwerk aus.

Hesher (Spencer Susser) – 2/10
Eine US-Neuverwurstung des TEOREMA- und VISITOR-Q-Stoffs vom sonderbaren Fremden und der dysfunktionalen Familie, hier in Gestalt der geliebten quirky „Indie“-(Mainstream-)Dramödie, die diesmal auf besonders wild, unkonventionell, frech, böse, assig und kultig gebürstet ist, dazu mit eitel auf uneitel getrimmten Starperformances, und am Ende eben doch mit der Extraportion forcierter Figuren-lernen-Lektionen-Gefühligkeit. Hach…

The Voice / Ses (Umit Unal) – 8/10
Der türkische Autorenfilm interessiert mich momentan nicht sonderlich, aber beim türkischen Horrorfilm gibt es möglicherweise einiges zu entdecken, wenn man diese leicht surreal gefärbte Perle des psychologischen Horrordramas als Indikator nimmt. Es geht hier nicht so sehr um äußerliche Bedrohungen, es ist eher die Angst vor der Dunkelheit, vor der Einsamkeit, dem Zurückbleiben und Ausgestoßen-Sein, und die Konfrontation mit den dunklen Flecken der Seele, der Erinnerung, der Identität. Ohne dass sie sonst allzu viele Gemeinsamkeiten hätten, erinnerte mich die Stimmung ein wenig an das Kiyoshi-Kurosawa-Meisterwerk PULSE (KAIRO). Man mag SES strukturell und im Detail vielleicht das ein oder andere ankreiden (z.B. auch, dass er gegen Ende manches zu sehr ausbuchstabiert), aber ich räume ihm gerne einigen Kredit ein, so beeindruckend fand ich sein Händchen für Bildkomposition, seine streckenweise wirklich gruselige Düsternis und seine Sensibilität gegenüber der verunsicherten weiblichen Hauptfigur (allein die Schlusseinstellung ist wundervoll). Dass so ein Film nicht beim Fantasy Filmfest läuft, darf man schon bedauern, wenngleich er von der Intimität der Sichtung in den eigenen vier Wänden, am besten nachts allein im Dunklen, auch durchaus profitiert. Eigentlich fallen mir recht wenige Horrorfilme der letzten Jahre ein, die mir vergleichbar gut gefallen haben.

Blubberella (Uwe Boll) – 1/10
Abscheulich schlecht, unendlich trist. Da versagen eigentlich die Worte. Wie schrieb der Filmdienst zu Rolf Olsens mutmaßlicher Entgleisung HEUBODENGEFLÜSTER: „Ein öder Klamaukfilm mit plattesten Gags aus der Klamottenkiste; insgesamt eine Attacke gegen den gesunden Menschenverstand.“ Womöglich traf das dort sogar zu. Hier jedoch trifft es ganz sicher zu und nimmt sich glatt noch als Verharmlosung aus. Dagegen wirkt selbst AUSCHWITZ noch erträglicher. Vorerst dürfte ich damit hoffentlich von Boll-Schlockneugier kuriert sein, um BLOODRAYNE 3 (der hier ohnehin extrem recycelt wurde) werde ich jedenfalls ganz sicher einen großen Bogen machen.

Super 8 (J.J. Abrams) – 7/10
Ich halte zwar Joe Dantes THE HOLE nochmal für eine Ecke stärker und eigenständiger, aber in ähnlicher Kerbe war auch das hier durchaus ein ziemlicher Genuss. So lasse ich mir Hollywood-Unterhaltungskino jederzeit gerne gefallen. Ähnlich wie beim gegenwärtigen Genrekino scheinen die inspirierteren und frischeren Filme aber momentan paradoxerweise genau jene zu sein, die in mehr oder weniger Retro-Manier sich an filmgeschichtlicher Vergangenheit orientieren. Vielleicht hat es tatsächlich auch damit zu tun, dass der Countdown des klassischen Kinos längst tickt und so mancher Regisseur merkt, dass so langsam die letzte Gelegenheit der eigenen Filmografie anbricht, noch auf Film statt digital zu drehen – und hier Anknüpfungen an Kinohistorie und -tradition nur allzu naheliegend sind.

Blue Valentine (Derek Cianfrance) – 5.5/10
Formal leider doch recht im Indie-Repertoire verhaftet, inhaltlich in seinen Vergangenheit-Gegenwart-Kontrastierungen manchmal interessant, manchmal aber auch am Rande des Banalen. Unter der Maßgabe eines dergestalt eingeschränkten Erwartungshorizonts hat er mir dann aber insgesamt doch vergleichsweise gut gefallen, er hat schon immer wieder seine Momente.

The Expendables (Sylvester Stallone)° – 7/10
Ärgert mich jetzt doch etwas, dass ich den im Kino verpasst habe. Vergleichbar starke Actionfilme gab es in den letzten Jahren schließlich nicht gerade im Übermaß, zumal in dieser Größenordnung.

Scott Pilgrim vs. the World (Edgar Wright)° – 5.5/10
Der Unterhaltungs- überwog dann zum Glück doch den Nerdkid-Nerv-Faktor. Recht kurzweilig, aber auch nicht sonderlich nachhaltig.

Brautalarm / Bridesmaids (Paul Feig) – 8/10
Believe the (small) hype… was für ein toller Film! Vor allem, weil er nicht nur mit blendend getimten und gespieltem Witz grandios unterhält, sondern sich auch für seine Figuren als Menschen interessiert.

Auschwitz (Uwe Boll) – 1/10
Dumpfes Bauerntheater im Gewand des pseudo-aufklärerischen Lehrstücks. Indiskutabel zudem im Umgang mit seinem als ebensolches behandelten „Menschenmaterial“ im Mittelteil. Wo in RAMPAGE und DARFUR wenigstens noch Rudimente interessanter Ansätze zu finden waren, spottet das hier wieder jeder Beschreibung. Partiell kann man sich zwar in unfreiwillige Komik flüchten, aber diese gehört zu jener Sorte von Trash (bzw. eher Schlock), die weder sonderlich interessant, inspirierend oder sympathisch ist, sondern eher einer Notwehr gegenüber der Zumutung des Films entspricht und die ich ihm folglich auch nicht anrechnen möchte (es wird wirklich langsam Zeit für umfangreiche Essays zum Thema Trash & Co. auf ET, um die unterschiedlichen Auffassungen und Trash-Arten mal etwas transparenter zu machen). Unsäglich.

Nude Nuns with Big Guns (Joseph Guzman) – 5-6/10
Hobo with a Shotgun (Jason Eisener) – 8/10
Machete (Ethan Maniquis, Robert Rodriguez)° – 6/10

Drei Filme, bei denen ich eine Neo-Grindhouse-Attitüde der schlimmsten Art befürchtete, die sich dann aber alle drei als erfreuliche Überraschungen entpuppten. HOBO und MACHETE sind beinahe so etwas wie Exploitation mit sozialem Gewissen (was schlockiger klingt als es ist), während NUNS eher durch seine Gewissenlosigkeit besticht – sicherlich im implizit ironischen, aber weitestgehend eben nicht aufdringlich und ausgestellt ironischen (Sleaze-)Pastiche verankert. Von den materialfetischistischen Hommagen und Destillaten à la Cattet/Forzani, Ti West oder Tarantino unterscheiden sich NUNS, HOBO und MACHETE schon einmal grundsätzlich durch ihre digitale Optik. Diesen scheinbaren fundamentalen Widerspruch zu den Vorbildern lösen alle drei aber letztlich überraschend erfolgreich. HOBO, indem er durch exzessives over-the-top-Colorgrading diesem sonst oft einfallslos genutzten Werkzeug neue Reize abgewinnt und ein eigenes visuelles Universum entwirft. MACHETE hantiert auch einigermaßen überzeugend mit Farbsättigung, überzeugt sonst aber eher mit der vergleichsweisen Zurückhaltung der in PLANET TERROR noch albern aus dem Ruder gelaufenen Mittel und Budget-Schauwerte.
NUDE NUNS kommt als einziger in eher semi-professionellem, ausdrücklich digitalen Billiglook daher, gleicht das aber mit seiner Ausstattung und vor allem einer ungeheuren Kunstfertigkeit im Umgang mit einem fast vergessenen Stilmittel aus: der Zoom wird hier in einem Maße genutzt und gefeiert, wie das ansonsten heutzutage wohl nur noch Hong Sang-soo oder Dominik Graf tun (und natürlich Jess Franco, nach wie vor). Allein das macht ihn unter formalistischen Gesichtspunkten sehr spannend. Es sei gar nicht verschwiegen, dass er im Tonfall nicht immer ganz sicher ist, es gibt schon ein paar prollige und plumpe Fehltritte, auch die Actionszenen und Schießereien sind nicht das Gelbe vom Ei, aber wundersamerweise schafft es der Film zumindest bei mir, nach jedem eher missglückten Moment umgehend wieder mit einem schönen Einfall oder einer inspirierten Einstellung zu versöhnen. Überhaupt gelingt ihm die Verknüpfung von klassischem American Grindhouse (mit Bikern, Motels, Stripbars) und lüstern klerikale Tabus ausschlachtender Nunploitation italienisch-japanischer Prägung ziemlich gut. Nicht zuletzt ist es ein recht beachtliches Maß an in dieser offenherzigen (und nicht verkappt-verlogenen) Form selten gewordener Schmierigkeit, das stark für den Film einnimmt.
Mit dieser Qualität können Rodriguez-Filme naturgemäß kaum dienen, erstaunlich bei MACHETE eher, dass der Plot um die brutale Verfolgung illegaler mexikanischer Einwanderer nicht aufgesetzt und fadenscheinig wirkt, sondern sich tatsächlich recht glaubwürdig ins Konzept einfügt. Auch sonst liegen im Drehbuch und dem Darstellerensemble die Stärken: über weite Strecke macht es nicht zuletzt einigen Spaß, den launig gespielten Figuren bei ihrer Interaktion und beim Dialog-Ping-Pong zuzusehen, allen voran Robert De Niro in seiner vermutlich besten Nebenrolle seit JACKIE BROWN. Negativ fällt allerdings der uncharismatische Danny Trejo ins Gewicht, der wie ein halb betäubter Klotz durch den Film stampft und als emotionales Zentrum des Ganzen beim besten Willen nicht funktionieren mag. Ansonsten war ich aber überraschend angetan, auch wenn ich dem Frieden noch nicht ganz über den Weg traue, nachdem mir PLANET TERROR im ersten Durchgang auch noch ganz passabel erschien, beim zweiten Mal im Rahmen des Double Features dann aber zur ungeheuer nervtötenden Geduldsprobe wurde. Die Gefahr scheint mir beim deutlich weniger überkandidelten MACHETE allerdings weniger gegeben, vielleicht gehen hier auch einige der Vorzüge des Films schlichtweg auf das Konto von Co-Regisseur Ethan Maniquis.
Der deutlich stärkste Film dieses Triples war dann allerdings HOBO WITH A SHOTGUN, nicht zuletzt, weil er genau jenes emotionale Zentrum hat, was die anderen beiden vielleicht auch gar nicht so sehr suchen. Hier allerdings mit Rutger Hauers Protagonist eine Figur, geboren aus der unmittelbaren Erfahrung elementarer Ungerechtigkeit und Demütigung. Manches erinnert an die Gewalt- und Rachestudien der frühen Siebziger Jahr, von UHRWERK ORANGE über EIN MANN SIEHT ROT bis DIRTY HARRY, und auch der Menschenjagdfilm schaut deutlich um die Ecke. Eigentlich wäre aber viel treffender zu sagen: das Karikatureske von DEATH WISH 3 ist hier wiederauferstanden in Gestalt der ätzenden Sozialsatiren von Paul Verhoeven, insbesondere STARSHIP TROOPERS und ROBOCOP. Ein greller, gehässiger, exzessiver Trip, der alle Register des Rachefilms aufruft und in krasser Überzeichnung in einem Gewaltexzess sondergleichen kulminieren lässt. Eine Pulp-Fantasie in schreienden Bonbon-Farben. Sleazy, dirty, nasty. Darin ein schlichtweg herrlicher Film! Und dann eben doch gleichzeitig einer, dem es unter der Oberfläche der grellen Splatter-Groteske tatsächlich auch gelingt, in wenigen präzisen Pinselstrichen glaubhaft Verbitterung, Schmerz und Gewalt spürbar zu machen. Eine handfeste Überraschung.

Lady Blue Shanghai (David Lynch)° – 8.5/10
Löst in gewisser Weise das digitale Versprechen ein, als das mich INLAND EMPIRE zumindest seinerzeit – wenngleich nicht uninteressant – eher enttäuscht hat (eine Zweitsichtung wäre vielleicht spannend). Aber das hier ist große DV-Kunst, vielleicht kommt Lynch im Kurzfilm auch eher an das heran, was ihn (und mich) an den Möglichkeiten von geisterhaft überstrahlenden, nachziehenden, verpixelnden, ausfransenden, verschmierenden und nachglimmenden (ausdrücklichen) Videobildern offenkundig fasziniert. Danke an Daniel Kasman für den Hinweis auf dieses beinahe süchtig machende kleine Meisterwerk (und die sich einmal mehr präzise an die ästhetische Gestalt und Gestaltung annähernden Anmerkungen), dessen Existenz bislang auch an mir völlig vorbei ging.

Hana, dul, sed (Brigitte Weich) – 6/10
Das Portrait von vier Fußballnationalspielerinnen gewährt gleichzeitig Einblicke in das Alltagsleben in Nordkorea, die gerade dadurch, dass ihre Entstehung offensichtlich nur auf Basis massiv geschönter und gefilterter Außendarstellung möglich war, mitunter umso unheimlicher und entlarvender wirken, ohne auf solches zugerichtet zu sein.

Das Schmuckstück / Potiche (François Ozon) – 4/10
Es drängt sich da beinahe eine satirische Lesart auf, die den Blick des Films so abgründig, misantropisch und gallig machen würde, dass sie in der Fragwürdigkeit der Haltung dennoch deutlich reizvoller als die naheliegende Interpretation wäre. Aber letztlich wohl doch nur beinahe. Ansonsten gerade in der ersten Hälfte viele deterministische Züge in der Inszenierung. Gerne gesehen in Zeiten der längst auch im gängigen, gediegen produzierten Programmkinofilm angekommenen Colorgrading-Monotonie ist immerhin trotz allem Hang zum exponiert Dekorativen die Farbgestaltung, schlichtweg die *Filmfarben* an sich.

Der Name der Leute / Le nom des gens (Michel Leclerc) – 7/10
Ein Film, der gleich doppelt so erfreulich und erfrischend wirkt, wenn man etwa die streckenweise durchaus vergleichbaren jüngeren deutschen Bodenlosigkeiten FRANKFURT COINCIDENCES oder DER LETZTE SCHÖNE HERBSTTAG dagegen hält (noch naheliegender als Vergleich wäre wohl ALMANYA, aber den kenne ich noch nicht). „Multikulti-Komödie“ trifft zeitgeistige „romantische Beziehungsdramödie“ – schrecklicher können Filme kaum noch klingen, aber DER NAME DER LEUTE zieht sich weitestgehend ähnlich souverän wie der chilenische BONSÁI aus der Affäre. Bemerkenswert der spielerische und trotzdem die richtigen Töne treffende Umgang mit traumatischer Vergangenheit, ohne dabei Widersprüche glatt zu bügeln. Außerdem gewürzt mit „Treaze“, „Speaze“ und erfreulichem Materialfetischismus (wann hat zuletzt eine größere Produktion auf zudem durchdachte Weise 35mm, Super16 und Super8 in einem Film vereint? Bereits in naher Zukunft dürfte das schon angesichts der zunehmend forcierten digitalen „Marktbereinigung“ auch technisch gar nicht mehr umsetzbar sein).

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Filmfest München 2011 Bilanz – kommt irgendwann im Spätherbst… 😀

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Prä-Filmfest-München-Top-Five des 2. Quartals 2011 (der gesichteten aktuellen Filme von Anfang April bis Mitte Juni):

1. Dreileben – Komm mir nicht nach (Dominik Graf)
2. Hanna (Joe Wright)
3. Unter Kontrolle (Volker Sattel)
4. Die Jungs vom Bahnhof Zoo (Rosa von Praunheim)
5. Die Mondverschwörung (Thomas Frickel)

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Aktuelle Filme des 2. Quartals 2011:

The Tree of Life (Terrence Malick) – 5-6/10
Die streckenweise ziemlich großartigen ersten rund vierzig Minuten lassen mich bedauern, dass Malick nicht einfach daran anknüpfend seine eigene KOYAANISQATSI-Version entwickelt hat, was bestimmt reichlich plakativ, grenzwertig und eso-trashig geworden wäre, aber genau deshalb wohl auch ein irrwitziger und größenwahnsinniger Rausch. So aber hat er mich mit fortschreitender Laufzeit zunehmend verloren. Faszinierend genug ist das freilich trotz allem noch, um auf die kolportierte 6-Stunden-Fassung gespannt zu sein. Wenn sie das zweifellos im Film angelegte Potenzial freizulegen imstande ist, könnte es eine Offenbarung werden, andernfalls wohl eher eine unfassbare Qual.

Dreileben – Eine Minute Dunkel (Christoph Hochhäusler) – 4/10
Schrumpelige Hose, gelegentlich geplatzt. Unglaublich, mit welcher Lässigkeit Grafs DREILEBEN-Beitrag die anderen beiden Filme in die Tasche steckt, deren von mir sonst durchaus sehr geschätzte Regisseure hier wohl jeweils einen Tiefpunkt erreichen. Im Einzelnen trotzdem (und gerade im Scheitern) nicht gänzlich ohne Reiz, im Gesamten und auch als Genreversuche sind beide für meine Begriffe aber wenig überzeugend, mitunter sogar nahe an der unfreiwilligen Selbstparodie.

Noise and Resistance (Francesca Araiza Andrade, Julia Ostertag) – 6/10
Was sich anfangs in platten Phrasen und Parolen zu erschöpfen droht, wird mit zunehmender Laufzeit mit Lebendigkeit und Hintergründen angefüllt und ist angesichts der No-Budget-Produktionsbedingungen auch filmisch eine weitgehend sehr respektable Agitprop-Angelegenheit.

The Company Men (John Wells) – 2-3/10
Im schlechten Sinne fernsehroutiniert weitgehend in Halbnahen, Halbtotalen und Schuss-Gegenschuss abgewickelte Drehbuchverwaltung.

Unter Kontrolle (Volker Sattel) – 7/10

Hanna (Joe Wright) – 8/10
Von einem sagenhaft treibenden Soundtrack der Chemical Brothers voran gepeitschtes, an der musikalisch rhythmisierten Bewegungs-Choreografie der Johnnie-To-Schule orientiertes und zugleich im positiven Sinne das Potenzial von in Videoclip-Manier sich gegenseitig befeuernden Bild- und Ton-Ebenen nutzendes Pop-Action-Märchen, das zumindest bei Erstsichtung auf erfrischende und im Detail kreative Weise umwerfende, Adrenalin-induzierte Unterhaltung kredenzt.

Source Code (Duncan Jones) – 5/10

Mammuth (Gustave de Kervern, Benoît Delépine)° – 5/10
Mitunter schön dahin treibendes und melancholisch angereichertes Roadmovie, dem trotz mancher bemerkenswerter Szenen jedoch sowohl die Einführung der Figuren als auch der Ausklang nicht so recht gelingen mag und die ein oder andere Skurrilität doch ein wenig zu sehr an der Perlenkette aufreiht daher kommt.

Die Mondverschwörung (Thomas Frickel) – 6/10
Kommt nicht ganz an DECKNAME: DENNIS heran, schafft es aber erneut überzeugend mit einer kurzweilig-verstörenden realsatirischen statt forciert satirischen Strategie, die wahnwitzigen, paranoiden und eskapistischen Denkmuster und Verschwörungstheorien der Interviewpartner für sich stehen und sich selbst entlarven zu lassen. Lediglich die erzählerische Pointierung am Ende wirkt etwas bemüht.

Dreileben – Komm mir nicht nach (Dominik Graf) – 8/10

Dreileben – Etwas Besseres als den Tod (Christian Petzold) – 5/10

Das rote Zimmer (Rudolf Thome)° – 8.5/10
Letztes Jahr auf Platz 9 meiner Jahresliste. Bei der zweiten Sichtung ähnlich großartig wie letzten Herbst in Wien, mit kleineren Akzentverschiebungen. Diese Zärtlichkeit der Gesten, die Aufmerksamkeit fürs Detail, dieses unbekümmerte Passieren der Dinge. Weil der Film um nichts ein großes Aufhebens macht, kann man ihn leicht unterschätzen in seinem unaufgeregten, bescheidenen, beiläufigen Tonfall. Und allein wie Thome es schafft, eben nicht jenseits und mit Distanz, sondern inmitten des mit liebevoll satirisch-selbstironischem Beiklang (der dafür sorgt, dass der Film auch einfach sehr viel Spaß macht, aber eben nicht aus höherer Position, sondern auf Augenhöhe) gezeichneten „deutschen Miefs“ eine sanfte, in ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit fast unmerkliche Utopie zu entwerfen, das macht ihm so schnell wohl auch keiner nach.

You Will Meet a Tall Dark Stranger (Woody Allen)° – 5/10
Genauso überraschend nett, spritzig, unterhaltsam, wie dann doch recht schnell vergessen (umso mehr, wenn man direkt im Anschluss noch den richtig tollen Früh-Allen „Take the Money and Run“ sieht). Stimmt so.

Still Walking (Hirokazu Kore-Eda)° – 7/10

Die Jungs vom Bahnhof Zoo (Rosa von Praunheim) – 7/10

Showgirls: Exposed (Marc Vorlander) – 3/10
Die erste Hälfte fand ich wider Erwarten gar nicht mal völlig daneben. Wirkt ein wenig wie der Versuch, verunglücktes Drehmaterial mit massiven und teils schäbigen Verfremdungseffekten noch nutzbar zu machen, was stellenweise den kruden Charme von einer Art „prolligen Experimentalfilm“ entwickelt. Die Friedhofszene deutet kurz an, dass sogar was richtig spannendes daraus hätte werden können, aber diese Ansätze bleiben ungenutzt. Leider ruiniert sich das „photo play“ in der zweiten Hälfte dann selbst, insbesondere durch das unsägliche, inspirationsfrei repetitive Fake-„8mm-Diary“.

Hinter Kaifeck (Esther Gronenborn)° – 1/10
Benno Fürmann wirkt vor allem in der wenigstens noch mitunter lausig-lustigen ersten Hälfte in manchen Momenten fast so, als wolle er in die Fußstapfen von Nicolas Cage im bereits legendär haarsträubenden „Wicker Man“-Remake treten, wie es überhaupt auch zwischen den Filmen selbst ein paar Parallelen gibt. Das wäre aber auch das „positivste“, was mir zu diesem Machwerk einfällt.

Made in Serbia (Mladen Djordjevic)° – 7/10

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Top-Twelve des 1. Quartals 2011 (der gesichteten aktuellen Filme von Januar bis März):

1. The Terrorists (Thunska Pansittivorakul)
2. The Residents (Tiago Mata Machado)
3. The Hole 3D (Joe Dante)
4. Vampire (Shunji Iwai)
5. Brownian Movement (Nanouk Leopold)
6. The Host and the Cloud (Pierre Huyghe)
7. Cave of Forgotten Dreams 3D (Werner Herzog)
8. The Turin Horse (Béla Tarr)
9. Sleepless Nights Stories (Jonas Mekas)
10. Viva Riva! (Djo Tunda Wa Munga)
11. Lost Land (Pierre-Yves Vandeweerd)
12. Schlafkrankheit (Ulrich Köhler)

Runners-Up:
Cet Homme (Markus Ruff)
Heaven’s Story (Zeze Takahisa)
Eine Serie von Gedanken (Heinz Emigholz)
Im Alter von Ellen (Pia Marais)
Essential Killing (Jerzy Skolimowski)
The Big Eden (Peter Dörfler)

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Aktuelle Filme des 1. Quartals 2011:

The Troll Hunter (André Øvredal) – 4-5/10

Das Lied in mir (Florian Cossen) – 6/10

I Saw the Devil (Kim Ji-woon) – 2/10
Vom Stammtisch mit unerfreulichem Kalkül und biblischem Ernst auf Film gebannt (polemisch formuliert). Von äußerst fragwürdig bis zynisch gezeichneten Schablonenfiguren über bisweilen emotionsheischende Musik bis hin zu mit triumphalem Überraschungsgestus dargebotenen Absehbarkeiten kann einem hier so einiges aufstoßen. Zugegebenermaßen letztlich zumindest in seinen Ansätzen schon ein interessanterer Film als etwa das „I Spit on Your Grave“-Remake, aber leider auch ein erheblich nervtötenderer.

13 Assassins (Takashi Miike) – 6/10
Als vierter Film eines auf eine nahezu durchgemachte Nacht folgenden Tages nur bedingt geeignet. Daher mit leichtem Vorbehalt, weil die wenig aufregenden, aber endlosen Dialogpassagen der ersten Hälfte immer wieder drohten, eher an mir vorbei zu rauschen. Die brachiale zweite Hälfte reißt dagegen einiges raus und versöhnte mich mit dem Film, auch wenn manche seiner Stärken und faszinierenden Facetten zugleich dem Takashi-Miike-Kosmos kaum neues hinzu fügen.

Kidnapped (Miguel Ángel Vivas) – 4-5/10
Hinterlässt trotz inszenatorisch durchaus bemerkenswerter Passagen letztlich durch die inkonsequenten Brüche seines ästhetischen Konzepts einen sehr zwiespältigen Eindruck. Vorwürfe wie diese oder diese sind leider kaum von der Hand zu weisen.

The Hole 3D (Joe Dante) – 8/10
Ein ausgesprochen charmanter, liebenswürdiger Jugend-Abenteuerfilm, der zugleich virtuos auf der Klaviatur des wohltemperierten, aber nichtsdestotrotz ungemein wirkungsvollen Grusels spielt. Zudem für meine Begriffe einer der interessantesten neuen 3D-Filme, der seine Räume & Objektstaffelungen in ihren Abmessungen erfahrbar macht und im neo-expressionistisch gestalteten Finale ganz neue Akzente setzt. Und ein Film, der auf sehr angenehme Weise altmodisch ist in seinem unaufdringlich-ungehetzten Verzicht auf vermeintlich zeitgemäße Anbiederungen, ohne deshalb (auch wenn in seiner Herangehensweise vieles an 80er-Jahre-Jugendfilme erinnert) dezidiert nostalgisch zu sein – er ist im Gegenteil durchaus ganz im Hier und Jetzt verankert, jede Szene ist zunächst einmal ganz sich selbst und ihrer Gegenwärtigkeit verpflichtet, statt auf Funktionalität zugerichtet zu sein. Weshalb es über weite Strecken auch einfach sehr viel Spaß macht, ungezwungen den sympathischen Figuren und der Spielfreude ihrer Darsteller zuzusehen. Auch wenn ich damit offenbar eher allein dastehe, war das letztlich ziemlich deutlich mein liebster Film der diesjährigen Fantasy-Filmfest-Nights (wo ich ein recht glückliches Händchen hatte und aus meiner Sicht genau die richtigen vier Filme im Kino sah, während bei drei weiteren selbst die Sichtung zuhause kaum lohnte und die drei noch nicht gesehenen nicht übermäßig viel versprechen; allein wegen des Trios Dante/Skolimowski/Miike aber sicher mit die spannendsten FFF-Nights seit Jahren).

Essential Killing (Jerzy Skolimowski) – 7/10

I Spit on Your Grave (Steven R. Monroe) – 3/10
An den Fragen, die das Original aufwarf, besteht hier ebenso wenig Interesse wie an neuen Fragen. Und mit bloßer Aneinanderreihung lassen sich auch keine behaupteten kausalen Zusammenhänge plausibel machen. In der Sprache des Kinos ist eins plus eins eben nicht automatisch zwei. Die lausige monochrome Stilisierung hinkt den rohen Bildern des Originals obendrein deutlich hinterher.

The Town (Ben Affleck)° – 7/10
Ein feines Beispiel, wie sich auch aus eigentlich abgestandenen Elementen mit der nötigen Frische und Schnörkellosigkeit in der Umsetzung ein unaufdringlich-einnehmendes Stück Genrekino formen lässt. Das Mitwirken von Rebecca Hall erfreut zusätzlich.

Biutiful (Alejandro González Iñárritu) – 1/10
Mit der zweiten Hälfte der Clubszene (der gallig-treffsicher eingefangene Smalltalk) hat mir in dieser maximierten Elends-Konstruktion zumindest eine halbe Szene gefallen.

Black Swan (Darren Aronofsky) – 5/10 (oder: 2/10 + 3)
Grober Unfug, platt und aufdringlich, entwickelt zwischen allerlei eher Enervierendem dann aber doch bald eine recht launige „debile Grandezza„.

In der Welt habt ihr Angst (Hans W. Geißendörfer) – 1/10 + 4
Bonus für unterhaltsam-irrwitzige Entgleisungen in Richtung Trash und Schlock inmitten fast ungeheuerlicher Bodenlosigkeit. Abzug hingegen für den extremsten Fall des BlauOrange-Colorgrading-Unsinns, der mir bisher in einem deutschen Film aufgefallen ist.

The King’s Speech (Tom Hooper) – 3/10
Gefühlig-gefälliges Rascheln der Drehbuchseiten.

Vier Kurzfilme von Klaus Schneider („Der Mond“, „Der Besen“ u.a.) – 7-8/10
Durchweg schöne und angenehm eigensinnige Super8-Entwürfe, deren Rhythmus-Gespür in Struktur und Montage mitunter verblüfft und neugierig auf weitere Arbeiten des Regisseurs macht.

Meat (M. Seyferth & V. Nieuwenhuijs) – 5/10
Auch wenn er hintenraus etwas abschlafft, verdient der saftige Mittelteil des Films und der sleazige Metzger eine belobigende Erwähnung des Hofbauer-Kommandos.

Im Alter von Ellen (Pia Marais) – 7/10

True Grit (Joel & Ethan Coen) – 2/10
Eine sorgsam ausstaffierte Totgeburt, ohne Interesse oder Neugier auf/an irgendetwas.

Pornografie und Holocaust (Ari Libsker) – 5/10

Villa Amalia (Benoît Jacquot)° – 8/10

Les Amours Imaginaires (Xavier Dolan) – 5/10
Viel halbgar zusammen gemischtes, aber ein Händchen für kleine kunstvolle Vignetten hat Dolan dann doch. Als Musikvideoregisseur wäre er wohl schnell ein Großer. Gerade die Partyszene in der Mitte des Films ist in ihrer audio-visuellen Montage ziemlich grandios.

Berlinale 2011 – gesehene aktuelle Filme (ausnahmsweise vorwärts chronologisch sortiert):

Heaven’s Story (Takahisa Zeze) – 7/10

Man chu / Late Autumn (Kim Tae-Yong) – 3/10

Schlafkrankheit (Ulrich Köhler) – 7.5/10

The Host and the Cloud (Pierre Huyghe) – 8/10

Cave of Forgotten Dreams 3D (Werner Herzog) – 8/10

Frit fald / Rebounce (Heidi Maria Faisst) – 6/10

Swans (Hugo Vieira da Silva) – 5/10

Poo kor karn rai / The Terrorists (Thunska Pansittivorakul) – 9/10
Auch so ein Film, bei dem nicht wenige Leute entsetzt fliehen, wenn es endlich wirklich ans Eingemachte geht, während andernorts nur betulich Arthouse- und Festival-Konventionen reproduziert werden. Die minutenlange explizite Masturbationsszene, die aus dem Off mit grausigen Schilderungen von menschenverachtender staatlicher Repression und Folter unterlegt ist, überzeugt nicht nur in ihrer Kontrastierung von Zuwendung zum eigenen Körper und auf der anderen Seite einer Verachtung und Schändung des menschlichen Körpers, und der Kontrastierung von konkreter Präsenz und abstrakter Idee. Sondern ist wie der restliche Film in ihrer evokativen, dringlichen, unmittelbaren Provokation auch ein wunderschönes und vor allem todtrauriges Bild einer verzweifelten Zerrissenheit und (ähnlich wie die großartige Schlusseinstellung von „The Residents“) schonungsloser Ausdruck einer Utopie in Trümmern.

Eine Serie von Gedanken (Heinz Emigholz) – 7/10

The Big Eden (Peter Dörfler) – 7/10
Preisträger des „Goldenen Sleaze-Bärs“ der Berlinale 2011 in der Kategorie Dokumentarfilm. Mit dem unbeirrbarem Playboy Rolf Eden, den Eurokult-Starlets Ursula Buchfellner und Ingrid Steeger, tollem Archivmaterial und jeder Menge Sleaze.

A torinói ló / The Turin Horse (Béla Tarr) – 8/10

Territoire perdu / Lost Land (Pierre-Yves Vandeweerd) – 8/10

Fjellet / The Mountain (Ole Giæver) – 2/10

Der Preis (Elke Hauck) – 5/10

Day Is Done (Thomas Imbach) – 6/10

Os residentes / The Residents (Tiago Mata Machado) – 9/10
Der zusammen mit „The Terrorists“ radikalste, herausfordernste, originärste und formal aufregendste neue Film, den ich dieses Jahr in Berlin gesehen habe, ist zugleich derjenige, aus dem es unverständlicherweise offenbar in jeder Vorstellung massenweise flüchtende Zuschauer gab (bis zu 80 Prozent sind vorzeitig raus, auf solche Quoten kam wohl früher noch nicht mal Benning, als die Leute bei ihm noch nicht „vorgewarnt“ waren). Schön zu sehen, dass inmitten der allgemeinen Ignoranz zumindest Robert Koehler auch zu den rar gesäten Fans des Films gehört (auch wenn ich seine Äußerungen zum „Aufstieg des Wettbewerbs“ und „Niedergang des Forums“ keineswegs teile, jedenfalls nicht, wenn man sie ausgerechnet am diesjährigen Jahrgang und Filmen wie „Forgiveness of Blood“ festmachen will – nur weil im Forum selbstverständlich auch jede Menge kaum zumutbarer Mist läuft, gibt es dort immer noch allemal mehr als nur seine kleine Aufzählung zu entdecken, während gleichzeitig wenige Ausnahmen wie Tarr und Köhler den Wettbewerb in seiner Gesamtheit mit Sicherheit nicht retten).

Twenty Cigarettes (James Benning) – 6-7/10
Eine der reizvollsten Benning-Prämissen seit langem, in der Umsetzung wiederum aber einer der schwächeren unter den leider sowieso viel zu wenigen von mir gesehenen Benning-Filmen. Aber die Prämisse ist halt so toll, dass sie den Film trotz seiner verschenkten Möglichkeiten rettet. Und mir fehlt leider die Motivation, solche Mehrwert-beschränkten Phrasen mit den nötigen Ausführungen und Unterfütterungen anzureichern. Da rächt sich dann unübersehbar, wenn man erst anderthalb Monate nach Festivalende eine solche Auflistung zusammen stellt…

Jess + Moss (Clay Jeter) – 5/10

Majki / Mothers (Milcho Manchevski) – 3/10

De Engel van Doel / An Angel in Doel (Tom Fassaert) – 4/10

Dirty Eyes (Lawrence Weiner) – 5/10

Kampf der Königinnen (Nicolas Steiner) – 3/10

The Forgiveness of Blood (Joshua Marston) – 2/10

Hi-So (Aditya Assarat) – 6/10

Halaw / Ways of the Sea (Sheron Dayoc) – 3/10

Vampire (Shunji Iwai) – 8/10

Brownian Movement (Nanouk Leopold) – 8/10

Viva Riva! (Djo Tunda Wa Munga) – 7.5/10
Preisträger des „Goldenen Sleaze-Bärs“ der Berlinale 2011 in der Kategorie Spielfilm. Besonders gelungen die leider nur in einer einzigen Vorstellung gezeigte, jedoch sehr lohnenswerte deutsche Untertitelung (in allen sonstigen Vorstellungen lief die internationale englische Untertitelung), die sich offenbar mit den sonst häufig praktizierten Entschärfungen der originalen Dialoge zurück gehalten hat und damit in manchen Momenten fast schon an die saftige Direktheit einer 70er-Jahre-Synchro erinnert. Auch sonst ein mitunter rabiat-rücksichtsloser, famos unterhaltender Spaßfilm erster Güte.

Sleepless Nights Stories (Jonas Mekas) – 8/10

Cet Homme (Markus Ruff) – 7.5/10

Medianeras (Gustavo Taretto) – 3/10

Amnistia / Amnesty (Bujar Alimani) – 6/10

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Vereinzelte Kurzkommentare zu älteren Filmen:

American Cannibale / Snuff (Michael & Roberta Findlay u.a., 1976)
An diesem Fall ließe sich, wenn man denn wollte (und überhaupt erstmal verrückt genug wäre, diesem Film eine entsprechende Wertschätzung entgegen zu bringen), zumindest für bestimmte Bereiche eine Art Anti-Auteur-Theorie konstituieren. Jedenfalls ein vortreffliches Beispiel für die umtriebige Betätigung deutscher Verleiher und Synchronstudios als Quasi-Exploitation-Auteurs der 60er und 70er Jahre. Damit will ich durchaus nicht der Verstümmelung und Verfälschung von Filmen pauschal das Wort reden, aber im Falle einer mit geringsten Mitteln reißerisch-spekulativ (mehr oder weniger erfolgreich) auf höchste Unterhaltsamkeit getrimmten Produktion können externe Eingriffe, die ihrerseits auf Maximierung des Attraktionspotenzial bedacht sind, eben jene Unterhaltsamkeit tatsächlich noch enorm steigern und die Reize des Films erweitern, vergrößern, abrunden – und das eben in gewisser Weise durchaus im Sinne des Erfinders, wenngleich über ungeahnte Umwege.
AMERICAN CANNIBALE ist da sicher noch einmal ein besonderer Fall: das blutig-berüchtigte Ende (das den Film zum Skandal machte und gleich noch den Begriff des Snufffilms prägte) ist in der nach kurzzeitiger Beschlagnahmung zensierten deutschen Kinofassung nur noch im Ansatz zu sehen (und passt ohnehin nicht recht zur vorherigen, überwiegend eher unbekümmert-wüsten Stimmung), dann bricht der Film unvermittelt ab. Auch im Mittelteil wurde ordentlich gestrafft und mindestens eine Viertelstunde entfernt, die wiederum bizarrerweise mit einer ebenfalls rund viertelstündigen, ihrerseits getrimmten und formidabel auf die haarsträubend-großartigen Höhepunkte runter gebrochenen finalen Sequenz eines ganz anderen Films (dem Biker-Exploitationer WILD RIDERS von 1971) aufgefüllt wurde. Kurioserweise fügt sich diese fremde Sequenz aber, wenn man SNUFF noch nicht gesehen hat, ziemlich stimmig in die sonstigen Seltsamkeiten ein. Wer hier nur die Originalfassung kennt, staunt wohl nicht schlecht, weshalb in der von mir besuchten Vorstellung lautstark die Vermutung geäußert wurde, der dritte Akt der Filmkopie müsse wohl vertauscht worden sein, weil das nun keineswegs aus dem Film stamme. Auch das glaubt man umstandslos, wie man diesem Film oder besser gesagt dieser Fassung irgendwann alles glaubt oder jedenfalls alles für möglich hält. So ungefähr muss es sich angefühlt haben, als man zur Blütezeit des Bahnhofskinos auf der Suche nach Abwechslung von Saal zu Saal gewechselt ist, von einer Unglaublichkeit in die nächste stolpernd, hin und her zwischen sonderbaren Darbietungen aus aller Welt. Und staunt dann auch nicht schlecht, wenn man hinterher rausfindet, dass mit der Fassung eigentlich alles stimmte, und der deutsche Verleih damals mit voller Absicht das komplette Finale eines anderen Films mitten hinein schnitt.
Ich weiß nicht, was AMERICAN CANNIBALE in seiner ursprünglichen Fassung für ein Film ist, wie stark er möglicherweise auch in Musik und Dialogen bearbeitet wurde, aber diese deutsche Fassung ist ein wunderbar irrwitziger Exzess der Absonderlichkeit, mit fröhlichem Dilettantismus dahin gefilmt, der puren Schaulust frönend, mit schmissigem Beat- und Funk-Score auf Trab gebracht und von allerlei herrlichen Synchronisationskunstschöpfungen veredelt. Allein die von unfassbar bizarren inneren Widersprüchen in Gestik, Mimik, Klang und Inhalt förmlich zerrissene kurze „Baby, jetzt gehen wir zum Karneval!“-Szene bescherte mir und HK-Kollege M. minutenlange Lachkrämpfe, wie ich sie seit Gordon Mitchells „I know everything, hahaha!“-Offenbarung in HOLOCAUST 2 nicht mehr erlebt habe. Und dann erst diese aus dem Nichts auftauchenden Flashbacks der jenseitigsten Sorte. Keine Ahnung, warum sich nicht zumindest diese deutsche Fassung unter Trash- und Exploitation-Aficionados größerer Beliebtheit erfreut (irgendwie ist der Film sowohl im Original als auch in der Umarbeitung mittlerweile sogar ausgesprochen unbeliebt, weshalb ich auch lange einen Bogen um ihn gemacht habe), für mich war dieses Potpourri aus seltsamer Inspiration, erbarmungslosem Trash, süffigem Sleaze und relaxtem Dahingewaber jedenfalls eines der schönsten Erlebnisse auf diesem Gebiet seit Jess Francos JUNGFRAU UNTER KANNIBALEN. Das ist tatsächlich mal ein echter Wohlfühlfilm für den etwas anderen Geschmack, wenn man so will, und für mich allen Ernstes eine der Entdeckungen des Jahres.

Im Lauf der Zeit (Wim Wenders, 1976)
Im Großen und Ganzen haben mir die ersten zwei Stunden unerwartet gut, sogar sehr gut gefallen. Mit kleineren Abstrichen nicht nur eine schöne Hommage an Landkinos und überhaupt ans Kino als sterbende Institution, sondern auch eine bemerkenswerte Aneignung und Entdeckung deutscher Landschaften und Gegenwart als Roadmovie-Topos, wie man es so vielleicht noch nie jenseits des amerikanischen Kinos gesehen hat. Und mit so einigen Momenten, die ich Wenders gar nicht zugetraut hätte, womit nicht nur die ziemlich tolle Szene im Pornokino gemeint ist.
Leider relativiert und ruiniert er in der letzten Stunde dann so manches. Das fängt mit der Szene in einem Dorfkino an, in dem laut Aushangkasten JODELN IS KA SÜND, MAGDALENA – VOM TEUFEL BESESSEN und (soweit ich mich erinnere) ZWEI KUMPEL AUF DER ALM laufen, und die man in ihrem Verlauf kaum anders verstehen kann denn als Stinkefinger in Richtung dieser Filme und ihres Publikums. Nun mag man Wenders (und seinen Heerscharen an Gleichgesinnten in diesem Punkt) den mildernden Bonus der Zeitgenossenschaft zugestehen, aus der heraus seine blindwütige Ablehnung durchaus plausibel ist. Der Knackpunkt ist aber: Letztlich schaue zumindest ich mir schlichtweg fast immer einen der genannten Aushangfoto-Filme lieber an, als einen Film von Wenders, womit darüber eigentlich alles gesagt wäre. Endgültig unerquicklich dann die grüblerische Nabelschau der letzten Viertelstunde und der dabei auch eine fragwürdige Schlagseite bekommende Kulturpessimismus.
Bei allen positiven Aspekten, die davon sicherlich nicht einfach ausradiert werden, ist es wohl einfach so: IM LAUF DER ZEIT offenbart gegen Ende ein Problem mit einer bestimmten Art von Kino, und wie er das ausdrückt und worauf er sich bezieht, das macht ihn zumindest in Teilen zu einer bestimmten Art von Kino, mit der ich wiederum ein Problem habe.

Hinter fremden Fenstern / Le rendez-vous (Jean Delannoy, 1961)
Elegische Franzosenkrimis gehen eigentlich fast immer, vor allem wenn sie in so einem präzise akzentuierten Schwarz-Weiß daher kommen und schließlich eine Wendung hin zu einer Art perversem Melodram nehmen. Leider in der deutschen Kinofassung offenbar um fast 30 Minuten gekürzt, dafür mit einer prima Synchro versehen, die mir wieder einmal zeigt, warum ich gegenwärtige Synchronisationen meistens absolut unausstehlich finde und möglichst konsequent meide, während ich gerade europäisches Genrekino der 60er und 70er Jahre nicht selten sogar bevorzugt auf deutsch sehe, weil damals eben noch weitaus häufiger entweder wirklich sorgfältig (mit tatsächlichen Schauspielern vorm Mikro) oder wenigstens herzhaft-kernig zu Werke gegangen wurde – mal abgesehen davon, dass es in dem Bereich so manches gibt, was bestenfalls auf VHS und mitunter sogar nur als deutsche Kinokopie zugänglich ist.
Mindestens zwei Wahnsinnsmomente gibt es: einmal schleicht die Kamera einem nur an die Wand geworfenen Schatten durch diverse Zimmer nach, während auf der Tonspur eine sich aufgehängt habende Platte in Endlosschleife gefangen dudelt. Und dieser unglaubliche Moment, als der Protagonist mit seiner lange geschiedenen Frau nachts ins Zimmer des gemeinsamen Sohnes geht, der wiederum seine Mutter noch nie gesehen hat, und dann aufgeschreckt, so halb im Schlaf und halb im Traum, nicht recht weiß, wo er ist, wie spät es ist, und was diese fremde Frau, die sich auch nicht zu erkennen gibt, an seinem Bett will. Bei einer späteren Gegenüberstellung wird er sie dann auch gar nicht wiedererkennen, so schemenhaft war dieses Halb-Erwachen. Ein kurzer Moment der Ahnung, wie wachträumendes Kino aussehen kann.

Service / Serbis (Brillante Mendoza, 2008)
Goodbye, Dragon Inn / Bu san (Tsai Ming-liang, 2003)

Beides Zweitsichtungen, beide jedoch zum ersten Mal im Kino, mit sehr unterschiedlichem Ergebnis.
SERBIS ist vermutlich nach wie vor mein Favorit unter den letzten Mendoza-Filmen (die frühen muss ich mal endlich nachholen), aber etwas ist mir doch ziemlich aufgestoßen. Und zwar die Nachbearbeitung des Materials, die – anders kann man es kaum deuten, auch bezüglich der Schlusssekunden – im GRINDHOUSE-Stil den Eindruck einer leicht abgenutzten Kinokopie erzeugen soll. Was mir auf DVD nicht aufgefallen ist und dort wahrscheinlich auch gar nicht mehr richtig nachvollziehbar ist, nun aber bei der Kinosichtung (und die muss letztlich maßgebend sein) augenfällig war, ist die Natur dieser Nachbearbeitung, die schlichtweg den Eindruck einer billigen digitalen Manipulation macht und bizarrerweise wie eine verpfuschte HD-zu-Film-Umkopierung aussieht, was sich sogar in die Umrisse und Konturen einfrisst (um Missverständnissen vorzubeugen: das ist tatsächlich noch einmal etwas völlig anderes, als die an ganz anderer Stelle ansetzenden Manipulationen beim Tarantino/Rodriguez-Projekt). Dass Mendoza auf diese Weise den Look seines bislang (und vielleicht für immer) einzigen komplett auf 35mm gedrehten Films ramponiert und degradiert, ist für sich genommen natürlich seine völlig legitime künstlerische Entscheidung, aber im Zusammenspiel mit dem offenkundig beabsichtigten und vorgeblichen Effekt empfinde ich das (und zwar nicht auf eine richtige, sondern falsche Art) als ausgesprochen schäbig, und eigentlich auch ganz grundlegend als ziemliche Respektlosigkeit gegenüber dem Kino. Die den Bildern dabei implizite Behauptung, so habe ein (ich verwende der Einfachheit halber den gängigen amerikanischen Begriff) „Grindhouse“-Film ausgesehen, beleidigt in unangemessener, irregeleiteter Weise den Look dieser Filme, der mit Mendozas billiger technischer Manipulation wirklich nichts zu tun hat. Ja, das mag eine minoritäre Detail-Kleinkrämerei sein, aber sie rührt gleichzeitig fundamental an der ästhetischen Voraussetzung des Films und muss daher legitim sein. Dass sie sich womöglich nur im Originalformat überhaupt nachvollziehen lässt, macht das Ganze noch komplexer, vertrackter, schwieriger, aber auf seine Weise auch zu einem spannenden Präzedenzfall (zudem käme wohl, um ein durchaus vergleichbares und allgemein nachvollziehbareres Beispiel zu nehmen, auch niemand auf die Idee, z.B. mangelhafte Make-Up-Effekte in einem Film mit der Begründung durchzuwinken, dass man sie auf einer verwaschenen VHS-Drittkopie nicht mehr störend als solche erkennen könne). Notfalls lasse ich mich auch dafür auslachen. Gleichzeitig ist es durchaus so, dass mir nach längerer Irritation der Film auch diesmal in fast allen anderen Belangen ausgezeichnet gefiel. Aber ein ausgesprochen unangenehmer Beigeschmack, der an der Basis rührt, bleibt. Und schlimmstenfalls die vage Vermutung, dass Mendoza zumindest unter bestimmten Gesichtspunkten womöglich doch ein Stück weit jener Scharlatan sein könnte, für den ich ihn bislang gerade nicht gehalten habe.
Jedenfalls war es am nächsten Tag Balsam für die Cineseele, Tsais GOODBYE, DRAGON INN zu sehen, der dann endlich tatsächlich KINO in Großbuchstaben ist, meisterhaftes Malen mit Licht und Komposition/Rekonstruktion/Aufladung/Beschwörung von Räumen, und in seinem „Echtzeit“-Ablauf auf sehr spannende Weise mit dem eigenen Kinoerlebnis korrespondierte. Ich liebe diesen Film, jetzt noch mehr als davor (ich hatte ihn vor anderthalb Jahren ohnehin bereits knapp in meiner Dekaden-Top-Ten, jetzt ist er unter die Top-Five vorgerückt), und es war nichts weniger als ein Geschenk, ihn im Kino erleben zu dürfen, wovon ich insgeheim träumte, seit ich ihn zum ersten Mal sah. Zumal es der wohl schönste Film übers Kino ist, der mir bislang begegnet ist.

Tropische Sinnlichkeit / Lujuria tropical (Armando Bo, 1962)
Naked / La tentación desnuda (Armando Bo, 1966)

Ein paar Zeilen dazu sind etwas länger als STB-üblich geraten und daher zu einem eigenem Blog-Beitrag geworden.

Aquaplaning (Eva Hiller, 1987)
Die Bestie aus dem Weltraum / La bestia nello spazio (Alfonso Brescia, 1980)

Entrückte Welten gänzlich unterschiedlicher Art. Es sollten eigentlich noch ein paar Worte folgen, zu denen ich mich aber leider doch nicht mehr aufraffen konnte. Ich verweise daher für die BESTIE auf Christophs STB und für AQUAPLANING auf seinen kommenden Deutsche-Lieblingsfilme-Text.

Maria – Nur die Nacht war Zeuge (Ernst Hofbauer, 1976)
Aus auteurroristischer (© Christoph) Sicht ziemlich interessant, denn die Anteilnahme für eine in Griechenland vergewaltigte Frau, die beim Prozess gegen ihre Peiniger auch mit der sexistischen Seite von Amtsträgern, des eigenen Mannes und von Geschlechtsgenossinnen konfrontiert wird, wirkt beinahe wie eine nachträgliche Abrechnung und Distanzierung Hofbauers von den tendenziellen Vergewaltigungsverharmlosungen der Hartwig-Schmiede. Das erste Drittel zeigt Hofbauer zudem auf der Höhe seiner inszenatorischen Fähigkeiten beim Entfalten eines ungemein beklemmenden Terrorszenarios, wie es umstandslos auch aus einem amerikanischen oder italienischen Rape-and-Revenge-Reißer jener Zeit stammen könnte. Danach geht es aber leider steil bergab: die ausgiebigen Gerichtsszenen wirken in ihrer Anklage von rechtsstaatlicher Ungerechtigkeit fatalerweise ähnlich behauptet und konstruiert wie in William Lustigs VIGILANTE, was hier wie dort nur noch mit Kopfschütteln quittiert werden kann, bieten doch weltweite Justizfragwürdigkeiten genug (auch filmisches) Anschauungsmaterial für eine glaubwürdigere Konstruktion. Auch eine recht bizarre Ermittler-Figur ist eher ein kurioses Comic Relief, das für sich genommen schon ziemlich unterhaltsam ist, aber leider eher gegen die Bemühungen des Films arbeitet. Stark dann wieder die finale Zeitlupensequenz, die aber einen insgesamt ziemlich enttäuschenden Gesamteindruck nicht mehr verhindern kann, nicht zuletzt, weil hier – und das streckenweise brillante erste Drittel unterstreicht diese Vermutung – die Chance auf einen großen Wurf leichtfertig verspielt wurde. Zum Glück erfolgte auf diesen insgesamt unerwartet zwiespältigen Eindruck die Hofbäuerliche Versöhnung nur wenige Tage später mit den wundervoll karikaturesk-schmierigen und formal außergewöhnlich experimentierfreudigen 3. und 4. Teilen des SCHULMÄDCHEN-REPORTs, den bis dahin stärksten Beiträgen der Reihe.

The Spirit of Seventy-Sex (Stu Segall, 1976)
Wenn beim Oralsex Sätze wie „Du leckst wie ein Bär am Honigtopf“, „Du sprudelst wie eine Quelle“ oder „Er passt so gut, als ob er eigens für dein Mäulchen gemacht wäre“ fallen, beim Analsex anerkennend „Dein Arsch hält, was die Backen versprechen“ geäußert wird, wobei unser durch die amerikanische Historie führender steinalter Erzähler jedoch zu bedenken gibt „Wenn ihr auch schon so lange und so viele Hämorrhoiden wie ich hättet, würdet ihr so einem Arschfick auch mit gemischten Gefühlen zusehen!“, und obendrein Lebenseinstellungen die Gestalt von „Ich trage keine Büstenhalter. Wenn die Möse klingelt, müssen die Glocken läuten.“ annehmen, und das außerdem nur eine kleine exemplarische Auswahl darstellt, merkt man schnell, dass man es mit einer deutschen Synchronisation zu tun, die dem zugrunde liegenden Film als eine eigenständige künstlerische Schöpfung eine zusätzliche Dimension hinzu fügt, die in diesem Fall mühelos den Verlust der vermutlich nicht annährend so launigen Originaltonspur doppelt kompensieren dürfte. Und weil es sich um eine 70er-Jahre-Kinosynchro handelt, ist es in der Darreichung erfreulicherweise zumeist statt platt-vulgär eher charmant blumig-schmierig. Aber auch abgesehen davon überzeugt der Fillm als ziemlich witzige, angenehm verspielte Veralberung US-amerikanischer Geschichte und ihrer bekanntesten Figuren und Würdenträger. Und die wunderbare Annette Haven (nicht umsonst als eine der schönsten Darstellerinnen sowie als feministische Ikone des Genres geltend) ist obendrein dabei, hat jedoch offenbar auch in der längeren Kinofassung nur zwei Szenen, aber bei den ganzen Kostümen, Masken und Perücken mag einem da auch mal was entgehen… Mal ganz unbedarft davon ausgehend, dass in Pornokinos heutzutage wohl schon längst keine Klassiker und schon gar nicht im Kinoformat auf dem Programm stehen, ist es doch einigermaßen kurios, dass sich die beiden einzigen mir bekannten herkömmlichen deutschen Kinos, die gelegentlich alte Hardcore-Klassiker von 35mm zeigen, ausgerechnet im (selbst für bundesdeutsche Verhältnisse) berüchtigt Zensur-freudigen Bayern befinden. Vor diesem Hintergrund kann Christian Keßler bei der nächsten Leseshow jedenfalls beruhigt auch explizite Ausschnitte einbeziehen, auf die er im Frühjahr bei der „Die läufige Leinwand“-Tour nach eigener Aussage mit Blick auf seine bayerischen Kinogastgeber verzichtet hat. Jedenfalls immer wieder eine Freude, gerade solche Filme auf der Leinwand zu sehen (umso mehr, wenn wie in diesem Fall ein bunt gemischtes Publikum gemeinsam Spaß daran hat, aber mit einer Handvoll Regenmantelträgern ist es manchmal freilich noch denkwürdiger).

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Sonstige Einträge und Listen:

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Listen-Eintrag vom April 2011:

Durch einige eher zufällig sich ergeben habende Sichtungen im Werkstattkino und durch das neue Buch sowie den zugehörigen Vortrag (und insbesondere der dort gezeigten Filmausschnitte) von Christian Keßler zusätzlich angefixt, habe ich mich zuletzt verstärkt im Genre der „Flutschfilme“ (Keßler) bewegt. Daher hier eine kleine Liste mit 15 Favoriten des amerikanischen Hardcorefilms der 70er Jahre, der goldenen Dekade des Genres, die freilich zwar auch bereits viel schnell runtergekurbelten Mist hervor gebracht hat, aber wenn man sich ein wenig an gezielte Empfehlungen hält, kann einen doch erstaunen, was für schöne, verstörende, experimentelle, witzige, ausgelassene, originäre, originelle, sorgfältige, psychedelische, faszinierende, versonnene, traurige, hypnotische, krude, sonderbare, launige und unterhaltsame Filme es dort zu entdecken gibt (Reihenfolge willkürlich):

Memories Within Miss Aggie (Gerard Damiano)
The Image (Radley Metzger)
Bacchanale (John & Lem Amero)
The Devil in Miss Jones (Gerard Damiano)
Behind the Green Door (Artie & Jim Mitchell)
Angela, the Fireworks Woman (Wes Craven)
Take Off (Armand Weston)
Thundercrack! (Curt McDowell)
Anna Obsessed (Martin & Martin)
LA Plays Itself (Fred Halsted)
Mona: The Virgin Nymph (Michael Benveniste & Howard Ziehm)
Through the Looking Glass (Jonas Middleton)
Madame Zenobia (Eduardo Cemano)
The Opening of Misty Beethoven (Radley Metzger)
Dynamite (John & Lem Amero)

(Ist nur ein Anfang und die Liste ihrerseits vielleicht als Einstiegsempfehlung geeignet, ich muss selbst jedenfalls auch noch deutlich mehr vom Erwachsenenkino dieser Dekade sehen, vor allem auch jenseits der US-Produktionen…)

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Monatliche Listen mit gesehenen älteren Filmen:

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Ausgewählte ältere Filme des 1. Quartals 2011:

Entdeckungen:

Auf das, was wir lieben / À nos amours (Maurice Pialat)
Power Slide (Marran Gosov)
Tana (Marran Gosov)
Requiem for a Bounty Killer (Angelo Pannacciò)
Tierra (Julio Médem)
Dschungelmädchen für zwei Halunken (Ernst Hofbauer)
Vogelfrei (Agnès Varda)
1900 (Bernardo Bertolucci)
Wilde Pferde (John Sturges)
Faust – Eine deutsche Volkssage (F.W. Murnau)
Nerosubianco (Tinto Brass)
Himmel und Erde (Michael Pilz)
Modern People (Minoru Shibuya)
Das Geheimnis der Todesinsel (Mel Welles)
Comin‘ At Ya! 3D (Ferdinando Baldi)
Righteousness (Minoru Shibuya)
Drunkard’s Paradise (Minoru Shibuya)
Crimson Gold (Jafar Panahi)
Stunde der Bewährung (Ulu Grosbard)
Verrückt bleiben, verliebt bleiben (Elfi Mikesch)
Aus dem Tagebuch einer Siebzehnjährigen (Jürgen Enz)
Sicilia! (Jean-Marie Straub, Danièle Huillet)
Wenn bei süßen Teens die Hüllen fallen (Silvio Amadio)
Ginevra (Ingemo Engström)
Dirty Love (Joe D’Amato)
Johanna, die Jungfrau (Jacques Rivette)
Vampyres – Daughters of Darkness (José Ramón Larraz)
Mädchen, Mädchen (Roger Fritz)
Die Folterkammer des Hexenjägers (Roger Corman)
Unsichtbare Tage oder Die Legende von den weißen Krokodilen (Eva Hiller)
Geschwister (Thomas Arslan)
The Missouri Breaks (Arthur Penn)
Faust (Jan Svankmajer)
Die Sonnengöttin (Rudolf Thome)
Die Weibchen (Zbyněk Brynych)
Cannibal Man (Eloy de la Iglesia)
Dark Passage (Delmer Daves)
Die Terroristen (Philip Gröning)

Enttäuschungen:

Im Kampf mit dem Berge (Arnold Fanck)
Das Böse 2 (Don Coscarelli)
Der Schlächter (Carl Monson u.a.)
The Exorcist III: Cries and Shadows (Angelo Pannacciò, Franco Lo Cascio)
Angel Express (Rolf Peter Kahl)
Der Todeskuss (Henry Hathaway)
Brigadoon (Vincente Minnelli)

Bodenlose Gurken:

Kolberg (Veit Harlan)
Die Rache der Ostfriesen (Walter Boos)
Bangkok Dangerous (Oxide Pang Chun, Danny Pang)
Hinter Kaifeck (Esther Gronenborn)
Das Nürnberger Bett (Alexander Titus Benda)

Wiederentdeckungen im Kino (bzw. manchmal einfach nur toll, sie mal auf der großen Leinwand gesehen zu haben, was mit zwei Ausnahmen jeweils das erste Mal war und damit in gewissem Sinne automatisch einer Wiederentdeckung entspricht):

Der dritte Mann (Carol Reed)
Wonnekloß (Marran Gosov)
Maniac (William Lustig)
Les Raisins de la Mort (Jean Rollin)
Asphalt-Dschungel (John Huston)
Thief (Michael Mann)
The Opening of Misty Beethoven (Radley Metzger)

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Beginnend mit April 2011 starten nachfolgend monatliche in verschiedene Kategorien aufgeteilte (und darin sichtungschronologisch sortierte) „Bilanzen“ über meine Sichtungen von älteren Filmen, aus Faulheit und mangelnder Sorgfalt häufig nur mit deutschem Titel angegeben, dafür weitestgehend vollständig, mit vereinzelten z.B. aus Lustlosigkeit ausgesparten Wiedersehensfilmen (und im April habe ich ein paar Hardcore-Filme weggelassen, die oben schon in der Top-15 der US-Hardcore-Filme der 70er Jahre Erwähnung fanden). Und zur Vermeidung von Missverständnissen: in der „Vermischtes“-Kategorie sind durchaus auch manchmal Filme, die ich eigentlich besser finde oder lieber mag, als manche der „besonderen Entdeckungen“, aber letztere Kategorie stellt eben bewusst den Versuch dar, nicht allein an den blanken „qualitativen“ Wertschätzungen orientiert ein paar überraschende, begeisternde, kuriose, unverhoffte Sichtungen zu betonen.

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Ältere Filme April 2011:

Wiedersehensfreude:

Goodbye South, Goodbye (Hou Hsiao-Hsien)
McCabe & Mrs. Miller (Robert Altman)
Der Mann aus Laramie (Anthony Mann)
The Spirit of the Beehive (Victor Erice)
Die Spur des Falken (John Huston)
Das Gelübde (Dominik Graf)

Besondere Entdeckungen (teilweise Offenbarungen):

Stadt der Trauer (Hou Hsiao-Hsien)
The Puppetmaster (Hou Hsiao-Hsien)
Unter Geheimbefehl / Panic in the Streets (Elia Kazan)
Liebe kann wie Gift sein (Veit Harlan)
Der Fahnder: Nachtwache (Dominik Graf)
Geschichten einer fernen Kindheit (Hou Hsiao-Hsien)
Take the Money and Run / Woody, der Unglücksrabe (Woody Allen)
Der Felsen (Dominik Graf)
I wie Ikarus (Henri Verneuil)

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):

Das Gesetz der Begierde (Pedro Almodóvar)
Bel Ami 2000 (Michael Pfleghar)
Sein Name war Pot – aber sie nannten ihn Halleluja (Demofilo Fidani)
Söldner kennen keine Gnade (Tsui Hark)
Paprika (Satoshi Kon)
Die jungen Ausreißerinnen (Walter Boos)
Andrea – Wie ein Blatt auf nackter Haut (Hans Schott-Schöbinger)
Polizeiruf 110: Der scharlachrote Engel (Dominik Graf)
Das Auge des Bösen / Casa d’appuntamento (Ferdinando Merighi)
Des Satans heiße Katzen / The Female Bunch (Al Adamson)
Zwei Teufelskerle auf dem Weg ins Kloster (Ernst Hofbauer)
Confidential Report: Sex Market (Noboru Tanaka)
Triumph der Gerechten (Josef Bierbichler)
Schmetterlinge weinen nicht (Klaus Überall)

Gurke des Monats:

Verflucht / Cursed (Wes Craven)

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Ältere Filme Mai 2011:

Wiedergesehen:

Das Tier / The Howling (Joe Dante)
Letztes Jahr in Marienbad (Alain Resnais)
Hiroshima Mon Amour (Alain Resnais)
Nacht und Nebel (Alain Resnais)
Z (Costa-Gavras)

Begeisterte Wiedersehensoffenbarung:

Rififi (Jules Dassin)

Besondere Entdeckungen:

Dschungel-Django (Enzo G. Castellari)
Graf Porno und seine Mädchen (Günter Hendel)
Brute Force – Zelle R 17 (Jules Dassin)
Fulltime Killer (Johnnie To)
Mélo (Alain Resnais)
Der Kinomann (Thomas Frickel)
Liebe bis in den Tod (Alain Resnais)
In Frankfurt sind die Nächte heiß (Rolf Olsen)
Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger (Elio Petri)
Auf eigene Faust (Budd Boetticher)
Die Mörderbestien / La morte ha sorriso all’assassino (Joe D’Amato)
Grimms Märchen von lüsternen Pärchen (Rolf Thiele)

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):

Spieler (Dominik Graf)
Adieu Bulle / Adieu, poulet (Pierre Granier-Deferre)
Treffer (Dominik Graf)
Die heißen Engel (Tonino Cervi)
Muriel oder die Zeit der Wiederkehr (Alain Resnais)
Derrick: Yellow He (Zbynek Brynych)
Einer flog über das Kuckucksnest (Miloš Forman)
Guernica (Alain Resnais)
Auch Statuen sterben (Alain Resnais)
Als die Liebe laufen lernte (Michael Strauven)
Mein Onkel aus Amerika (Alain Resnais)
Das Leben ist ein Roman (Alain Resnais)
Deckname Dennis (Thomas Frickel)
Todesgrüße aus Shanghai (Lo Wei)
Ohrfeigen (Rolf Thiele)
Der Sexbaron von St. Pauli (Jürgen Enz)

Enttäuschung des Monats:

Those Redheads from Seattle 3D (Lewis R. Foster)

Gurke des Monats:

Anatomie des Liebesakts (Hermann Schnell)

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Ältere Filme Juni 2011:

Wiedersehensfreude:

Das zweite Gesicht (Dominik Graf)
Rote Sonne (Rudolf Thome)

Besondere Entdeckungen:

Tender Flesh (Jess Franco)
Fremde Stadt (Rudolf Thome)
Spetters (Paul Verhoeven)
Die Liebe einer Blondine (Miloš Forman)
Das Gold der Liebe (Eckhart Schmidt)
Schulmädchen-Report 3. Teil – Was Eltern nicht mal ahnen (Ernst Hofbauer, Walter Boos)

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):

Der Richter, den sie Sheriff nannten (Yves Boisset)
Das Leben ist ein Chanson (Alain Resnais)
Der Pfarrer von St. Pauli (Rolf Olsen)
Ein Sarg voller Dollars / Per una bara piena di dollari (Demofilo Fidani)
Sacco & Vanzetti (Giuliano Montaldo)
Schulmädchen-Report 4. Teil – Was Eltern oft verzweifeln lässt (Ernst Hofbauer)
Die wilden Engel (Roger Corman)
Goldflocken (Werner Schroeter)

Enttäuschungen:

Lady Dracula (Franz Josef Gottlieb)
Maria – Nur die Nacht war Zeuge (Ernst Hofbauer)

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Ältere Filme Juli 2011:

[„Wiedergesehen“ heißt bislang eigentlich ausschließlich: bekannte Filme erstmals oder wiederholt im Kino gesehen. Oder mit anderen Worten: zuhause sehe ich mir nur sehr selten bereits bekannte Filme an, im Kino bei entsprechenden Gelegenheiten und Titeln aber wiederum sehr gerne.]

Wiedersehensoffenbarung:
Goodbye, Dragon Inn (Tsai Ming-liang)

Wiedersehensirritation:
Serbis (Brillante Mendoza)

Wiedersehensfreude:
A Snake of June (Shinya Tsukamoto)
Le premier venu (Jacques Doillon)

Besondere Entdeckungen:
The Spirit of Seventy-Sex (Stu Segall)
Zeit der Ernte / Tempo di raccolta (Luigi di Gianni)
Aquaplaning (Eva Hiller)
Summer Night Fever (Siggi Götz)
Eros-Center Hamburg (Günter Hendel)
Die Bestie aus dem Weltraum / La bestia nello spazio (Alfonso Brescia)
Naked / La tentación desnuda (Armando Bo)
Splendor (Ettore Scola)

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):
Der schwarze Peter (Miloš Forman)
Django – Sein letzter Gruß (Roberto Mauri)
Sex-Shop (Claude Berri)
Magia Lucana (Luigi di Gianni)
Il Messia (Luigi di Gianni)
Der Kult der Steine / Il culto delle pietre (Luigi di Gianni)
Anmut und Nummern / Grazie e numeri (Luigi di Gianni)
Tropische Sinnlichkeit / Lujuria tropical (Armando Bo)
Jaka – Der Rebell / Jaka Sembung (Sisworo Gautama Putra)
The Honeymoon Killers (Leonard Kastle)
Fuego (Armando Bo)

Gurke des Monats (mit einzelnen Lichtblicken):
Superstau

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Ältere Filme August 2011:

Wiedersehensfreude:

Apocalypse Now (Francis Ford Coppola)
Macho Man (Alexander Titus Benda)
Blast of Silence – Explosion des Schweigens (Allen Baron)
Cannibal Holocaust (Ruggero Deodato)

Wiedersehen mit positiver Überraschung:

Uhrwerk Orange / A Clockwork Orange (Stanley Kubrick)
Ghosts of Mars (John Carpenter)

Besondere Entdeckungen:

Die Aufklärungsrolle – Als die Liebe laufen lernte (Michael Strauven)
Palermo oder Wolfsburg (Werner Schroeter)
American Cannibale (Michael & Roberta Findlay, S. Nuchtern) in dt. Kinofassung!
Man spricht über Jacqueline (Werner Hochbaum)
Die steinere Blume / Kamennyy tsvetok (Aleksandr Ptushko) in Agfacolor

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):

Maestro / Le maître de musique (Gérard Corbiau)
Zur Hölle, Mrs. Love / The Boy Who Cried Bitch (Juan José Campanella)
Gastmahl der Liebe / Comizi d’amore (Pier Paolo Pasolini)
Heya – The Room (Sion Sono)
Der Löwe des gelben Meeres / Dai tozoku (Senkichi Taniguchi)
Disco-Fieber (Hubert Frank, Klaus Überall)
Johnny Concho (Don McGuire)
Ich atme mit dem Herzen / A Winter Tan (Jackie Burroughs & Kollektiv)
Marquis (Henri Xhonneux)
Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss / La vie est un long fleuve tranquille (Étienne Chatiliez)
Die Toten / The Dead (John Huston)
Cannibal (Marian Dora)

Degoutante Synchro-Katastrophe:

Schrei in der Stille / The Reflecting Skin (Philip Ridley)

Herbe Enttäuschungen und wirklich üble Gurken gab’s in dem Monat dagegen nur bei den aktuellen Filmen (FFF u.a.)

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Ältere Filme September 2011:

Wiedersehensfreude:

Conan, der Barbar (John Milius)
Der letzte Tango in Paris (Bernardo Bertolucci)
Die Vögel (Alfred Hitchcock)
Das große Fressen (Marco Ferreri)
Karate, Küsse, blonde Katzen (Ernst Hofbauer, Chih-Hung Kuei)
Meshes of the Afternoon (Maya Deren, Alexander Hammid)

Moderate Wiedersehensenttäuschung:

Alice in den Städten (Wim Wenders)

Besondere Entdeckungen:

Die Klette (Romolo Guerrieri)
Frankfurt Kaiserstraße (Roger Fritz)
Japanische Mädchen im Hafen / Minato no nihon musume (Hiroshi Shimizu)
Das Schiff der verlorenen Menschen (Maurice Tourneur)
Blow Job / Un soffio erotico (Alberto Cavallone)
Zwei Kumpel in Tirol (Alois Brummer)

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):

Die Sünderin (Willi Forst)
Im Lauf der Zeit (Wim Wenders)
Hinter fremden Fenstern / Le rendez-vous (Jean Delannoy)
Monster aus dem All / The Green Slime (Kinji Fukasaku)
Schulmädchen-Report 5. Teil – Was Eltern wirklich wissen sollten (Ernst Hofbauer, Walter Boos)
Waidmannsheil im Spitzenhöschen (Jürgen Enz)
Long Weekend (Colin Eggleston)
Suicide Games in Casablanca / Juego sucio en Casablanca (Jess Franco)

Herbe Enttäuschungen und wirklich üble Gurken waren auch in diesem Monat dem FFF und sonstigen aktuellen Filmen überlassen.

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Ältere Filme Oktober 2011 (ohne Viennale, aber mit 70mm-Festival):

Wiedersehensfreude:

Missouri / Wild Rovers (Blake Edwards)
Demonlover (Olivier Assayas)
Der Stern des Gesetzes / The Tin Star (Anthony Mann)

Besondere Entdeckungen:

Aluminium of Greece / Alouminion tis Ellados (Roussos Koundouros)
Das Schloss in den Ardennen / Castle Keep (Sydney Pollack)
Irma Vep (Olivier Assayas)
The Bat Whispers (Roland West)
Dance Craze (Joe Massot)
Stoßtrupp Gold / Kelly’s Heroes (Brian G. Hutton)
Bel Ami – Skandinavische Lust (Mac Ahlberg)
Viele kamen vorbei (Peter Pewas)

Vermischtes (meist von schwach bis toll alles dabei):

Villar’s Adventures (Joseph Hepp, Paul Wegener)
Firewalkers / Anastenaria (Roussos Koundouros)
Bela (Stanislav Rostotsky)
Die größte Geschichte aller Zeiten / The Greatest Story Ever Told (George Stevens)
Scheherazade – Der goldene Löwe von Bagdad / Sheherazade (Pierre Gaspard-Huit)
Ich schlafe mit meinem Mörder (Wolfgang Becker)
The Hot Spot – Spiel mit dem Feuer (Dennis Hopper)

Streckenweise vergnügliches faschistoides Machwerk (that’s a guilty pleasure!):

A Chorus Line (Richard Attenborough)

Herbe Enttäuschungen:

Hamlet (Kenneth Branagh)
55 Tage in Peking / 55 Days at Peking (Nicholas Ray)

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36 Antworten zu “STB Andreas 2011”

  1. Mr. Vincent Vega on April 1st, 2011 at 05:15

    Suuuper, diese gepfefferten Kurzkommentare, in denen du so richtig schön vom Leder ziehst!

    Über das Teal-Orange-Color-Grading habe ich mich schon mal vor einer ganzen Weile extrem bei den F5 ausgekotzt. Allmählich bin ich darauf so konditioniert (remember: Hollywood und so), dass es mir kaum noch auffällt. Traurig eigentlich.

    Bin erstaunt über die Wertung zu BIUTIFUL. Den finden doch alle sooo toll.^^
    Aber das ist ja auch bei WINTER’S BONE der Fall und den fand ich auch ganz schön käsig und hinsichtlich seiner Armutsbilder etwas unangenehm ostentativ.

    I SPIT schaue ich aber auf jeden Fall noch. Ich will abgeschnittene Penisse sehen!

    Die 2/10 für einen Markige-Kerle-Film wie TRUE GRIT erstaunen mich. Habe ich allerdings auch noch nicht gesehen. Du guckst grad ofenbar mehr US-Filme als ich, nur damit du das weißt. 😀

  2. Andreas on April 3rd, 2011 at 04:12

    Nun sind die FFF- und endlich auch die Berlinale-Filme nachgetragen. Und ältere Filme kriegen dann bald auch wieder mehr Raum.

    Die gepfefferten Kommentare und zugrunde liegenden dürftigen Filme kommen nicht von ungefähr. Hab mir im März bewusst eine kleine Schlock-Tour durchs aktuelle Kinoangebot „gegönnt“. Nachdem sich die Möglichkeit bot, das Zeug wenigstens in OmU/OV, 35mm, kostenlos und weitgehend mit unerschrockenem Leidensgenossen (Marian) anzusehen, wollte ich mich bewusst mal einigen Filmen aussetzen, die ich mir sonst tendenziell einfach erspare – leider haben sich bestimmte Vorurteile eher verschärft (bzw. wurden des „Vor-“ im „Urteil“ beraubt) als abgebaut. Und einige besonders Übles versprechende Kaliber wie IN EINER BESSEREN WELT oder WER WENN NICHT WIR habe ich mir dabei sogar noch erspart. Scheint aber momentan auch wirklich eine besonders dürftige Phase zu sein, was den regulären Startplan angeht, und neben den internationalisierten Arthouse-Gefälligkeiten schicken sich auch die größeren US-Filme an, das magere letztjährige Hollywood-Jahr noch zu unterbieten. Hatte ja schon mit dem Gedanken gespielt, mir auch noch SUCKER PUNCH zu verabreichen, aber der Trailer hat mich dann vorerst doch eines besseren belehrt – glaube dir da sofort jedes Wort.

    WINTER’S BONE hatte ich schon letztes Jahr auf der Berlinale unvorbelastet gesehen (Sundance nicht verfolgt gehabt), als mittelprächtig abgelegt und mich hinterher über den zunehmenden Hype gewundert. BIUTIFUL ist aber dann doch nochmal weitaus schlimmer, da ist wirklich alles auf ausgestelltes Elend ausgerichtet, das in seiner unaufhaltsam sich zuspitzenden Anhäufung geradezu groteske Züge annimmt (siehe z.B. auch Lukas Foerster hier oder hier, und in manchen Kritikerkreisen ist man dem Film gegenüber dann beruhigenderweise im Gegensatz zur Tendenz hierzulande auch „etwas“ kritischer eingestellt :lol:). Auch dort übrigens reichlich Blau/Orange (bin da durch meine seit Jahren eher Hollywood-fernen Sichtungen erst letztes Jahr wirklich direkt drauf gestoßen worden, und störe mich phasenweise mal mehr, mal weniger daran), ebenso z.B. bei I SAW THE DEVIL oder eben IN DER WELT HABT IHR ANGST – das beschränkt sich mittlerweile leider längst nicht mehr nur auf Hollywood, schließlich trachtet man auch anderswo danach, mit stylischen, „polierten“ Bildern den Zuschauer zu beeindrucken… 🙄

    Bei TRUE GRIT hat schon der erste Trailer nichts Gutes signalisiert, aber Christophs fürsorgliche Schubladenpflege hat mir da natürlich gerade während der Berlinale andere Erwartungen untergeschoben. 😉 Dass es aber eine dermaßen durchkalkulierte, in der zweiten Hälfte irgendwann quälend lahme Nummer mit einem reichlich aufgesetzt agierenden Bridges werden würde, hätte ich dann doch nicht erwartet.

    Für abgeschnittene Penisse würde ich dann doch eher Italo-Kannibalenfilme, Verhoevens DER VIERTE MANN oder natürlich IM REICH DER SINNE empfehlen. I SPIT traut sich da nichts und blendet lieber weg. Wobei mir sowieso nicht ganz klar ist, warum um das Ding so ein Bohei gemacht wird. Die paar grafischen Details bei den Racheaktionen tangieren einen kaum, wenn die unmotivierte Mechanik des Ablaufs eher Teilnahmslosigkeit produziert.

    Bei den FFF-Nights warst du gar nicht? Der Joe Dante hätte dir vielleicht auch gefallen. Kommt leider nicht mehr ins Kino, wobei sich hier großleinwandiges 3D durchaus mal wirklich lohnt (eine Einschätzung, die aber offenbar bei Publikum und Verleih nicht mehrheitsfähig ist).

  3. Sam Spade on April 3rd, 2011 at 13:14

    Schön, daß Du Dich nun auch hier zur Auflistung der Berlinale-Filme durchringen konntest. Viel zu sagen habe ich insofern nicht mehr, weil ich über kompatible und differierende Einschätzungen ja schon in meiner Forumsantwort das entsprechende geschrieben habe und mich nun nicht wiederholen will.
    Allerdings lassen Deine Kommentare zu Deinen beiden Festival-Favoriten „The Terrorists“ und „The Residents“ mich durchaus befürchten, daß auch ich zu den Ignoranten gehören könnte, die dann unverständlicherweise die Flucht ergreifen – „The Terrorists“ klingt jedenfalls absolut nicht nach etwas, was ich sehen wollte, tut mir leid.
    Den Nebenbemerkungen zum Wettbewerb würde ich auch nur bedingt zustimmen (was natürlich auch damit zusammenhängt, daß ich „The Forgiveness of Blood“ – sehr im Gegensatz zu Dir – durchaus ansprechend fand), allerdings habe ich ja auch nur drei Filme gesehen, und da einer davon ja auch Fiennes‘ verwursteter Shakespeare war, kann ich dann wieder auch nicht so richtig energisch protestieren. (Mittlerweile habe ich ja auch noch „Almanya“ gesehen und sehr gemocht, aber da der außer Konkurrenz lief, will ich ihn hier mal nicht anführen, um einen „Aufstieg des Wettbewerbs“ daran festzumachen.)

  4. Mr. Vincent Vega on Mai 1st, 2011 at 18:43

    Wo hast Du SHOWGIRLS EXPOSED gesehen? Bisher dachte ich, der Film existiere eigentlich nicht wirklich, nach all dem seltsamen Rummel und Profilierungsversuchen eines bestimmten Bloggers.

    Danke für’s Verlinken, bei Woody sind wir uns also ausnahmsweise mal einig. :*

  5. Andreas on Mai 2nd, 2011 at 03:23

    @Sam
    Braucht dir nicht leid zu tun, wobei ich ebenfalls nicht glaube, dass die beiden Filme etwas für dich wären. Stattdessen würde ich dir eher zu „Cave of Forgotten Dreams“, „Lost Land“ oder „Schlafkrankheit“ raten, sollte sich die Gelegenheit bieten.
    Und der Ignoranz-Vorwurf war auch ohnehin eher auf ein (nicht zuletzt Fach-)Publikum bezogen, dass sich einen gefälligen, glatten, verkitschten „Late Autumn“ fast geschlossen nur zu gerne in voller Länge und mit sichtlicher Zufriedenheit (sei ja jedem gegönnt) verabreichen lässt, aber sofort Reißaus nimmt, wenn man mal mit unerwarteten und unbequemen Dingen konfrontiert wird, statt dem betulichen Bedienen der Erwartungen.

    @Rajko
    Schon Anfang April gesehen, aber hab mal wieder länger nichts nachgetragen gehabt. Den gibt’s jedenfalls schon seit einer Weile ganz offiziell etwa bei Amazon, wohl mit kümmerlichen Verkaufszahlen, wobei man das schäbig selbstgebrannt aussehende Ding ganz abgesehen vom Film auch kaum empfehlen kann (hatte eher zufällig leihweise darauf Zugriff, sonst hätte ich den wohl auch so schnell nicht gesehen). Der Rummel führt wohl auch dazu, dass sich den Film kaum einer ohne die Regie-Persona und deren Selbstdarstellung im Hinterkopf anschauen kann. Daher wohl auch die extremen Anfeindungen des Films, die m.E. dann doch übers Ziel hinaus schießen. Bei aller Pose finde ich so einen (wenn auch eher misslungenen) Versuch allemal respektabler als so manch leblos-routiniertes Industrie- oder Konventionsprodukt, was ich mir zuletzt zugemutet habe.
    Und soo selten sind wir uns dann auch wieder nicht einig, wie gerade vorhin deine April-Liste oder auch deine Checklist-artige „Befragung“ in Berlin gezeigt hat. 😉 Jedenfalls bei beiderseits gesehenen Filmen und in Bezug auf größere Teile des US-Kinos. Klar, wir suchen letztlich wohl schon jeweils was anderes im Kino, aber gerade aufgrund unterschiedlicher Schwerpunkte und Interessen gehen wohl gar nicht so sehr die Einschätzungen, als vor allem schlichtweg die Filmauswahl selbst stark auseinander.

  6. Mr. Vincent Vega on Juni 2nd, 2011 at 06:26

    Hier könnte sich auch mal wieder was tun, vor allem etwas chronologischer. Sehe nicht mehr durch.

    Ordnung, Herr Andreas, Ordnung!

  7. Christoph on Juni 2nd, 2011 at 20:43

    Und vor allem könntest du mal damit anfangen, auch die Filme aufzulisten, die keine Über-Mega-Ultraentdeckungen waren. Vielleicht interessiert das manche mindestens ebenso sehr (wenn nicht sogar noch mehr) und ohne bekommt das hier langsam einen elitären Touch – so, als seien Filme, die es nicht auf deine Listen geschafft haben, gar nicht wert, genannt zu werden. Faulheit ist dafür auch keine Entschuldigung, da es ja nun wirklich keinen Aufwand bedeutet.
    Nimm dir ein Beispiel an Alex P. 😛

  8. Andreas on Juli 7th, 2011 at 02:20

    Der Grund der Nichtnennung weiterer älterer Filme lag ganz einfach darin, dass ich nicht einfach nur Titel hinschreiben will, wenn nicht zumindest irgendein minimaler Mehrwert vorhanden ist (wenn schon keine Kommentare, dann wenigstens Bewertungen – oder eben Listen). Und nachdem ich das Bewertungssystem nur bei neueren Filmen anwende, es jedoch bei älteren Filmen bewusst nicht verwenden will (mag das jetzt nicht lang ausführen, aber es hat nicht unwesentlich mit einem Versuch der Würdigung und des Respekts gegenüber der im optimalen Fall eben buchstäblich Bewertungsmaßstäbe sprengenden, transzendierenden Kraft von Trash und Exploitation zu tun u.a. – die es nach meiner fraglos tendenziösen Meinung früher eben erheblich ausgeprägter gab als heute, vielleicht hat es auch mit der Distanz zur Zeitgenossenschaft der Entstehungszeit zu tun, jedenfalls stellt sich dieses Bewertungsproblem für mich persönlich im Wesentlichen nur bei älteren und höchstens ganz selten bei neueren Filmen der letzten Dekaden), sah ich da keine Alternative zu Entdeckungslisten. Habe mit etwas Abstand jetzt aber doch eine Idee gehabt, wie das vielleicht halbwegs zufriedenstellend aufgeht und mich dabei auch selbst nicht völlig anödet. Mein STB wird dadurch zu einem recht skurrilen Konstrukt, das zukünftig seperat ganz oben und ganz unten erweitert wird, was innerhalb dieses eigenwilligen Systems wohl die einzige Möglichkeit ist, es noch halbwegs übersichtlich zu halten. Nach oben hin werden weiterhin die aktuellen Filme mit Wertungen und gelegentlichen Kurzkommentaren nachgetragen, und ganz unten wiederum jeden Monat ein übersichtsartiges Fazit ergänzt mit ein paar bewusst recht grob, schwammig und skizzenhaft gehaltenen Kategorien. Und in der Mitte, wo die neuen Filme enden und die alten Filme anfangen, werden wiederum vereinzelte Kurzkommentare zu älteren Filmen gesammelt, die aber bei Erscheinen zunächst ganz oben im STB zu sehen sind (wie bei Sano), um unnötiges rumscrollen und suchen nach Updates zu ersparen. Schon etwas seltsam und ungewohnt, wie sich damit das STB nach oben und unten und obendrein in der Mitte erweitert, aber scheint mir trotzdem noch die übersichtlichste Lösung in dem ganzen Kuddelmuddel zu sein, und die Absonderlichkeit des Ganzen gefällt mir fürs Erste jedenfalls recht gut 😉

  9. Schwanenmeister on August 4th, 2011 at 21:07

    Das ist doch der schlechteste Treppenwitz aller Zeiten. Ein Schock, der aber auch etwas befreiendes hat. Kino.de wurde zurück in die Steinzeit gebombt und ist jetzt wieder so userfreundlich wie in den Anfangstagen. Per einfachem Knopfdruck wurde da Gedanken für Jahrzehnte verschüttet. Ich finde das ja zutiefst unmoralisch, wie dort mit Internet-Geschichte umgegangen wird. Aber wem sag ich das. Der traurige Höhepunkt eines endlosen Abnippelns.

  10. Andreas on August 5th, 2011 at 01:13

    Dein Tweet brachte es wirklich auf den Punkt: „Oder das Gefühl nach Hause zu kommen und eine völlig leer geräumte Wohnung vorzufinden.“ Bin auch ziemlich fassungslos, wie man es fertig bringt, unangekündigt so eine Komplettlöschung durchzuziehen. Respektloser und User-verachtender geht es nicht mehr. Und in der Tat ein absolut armseliger Umgang mit Internet-Geschichte. Über ein Jahrzehnt von Usertätigkeiten einfach die Toilette runtergespült, als wäre nie etwas gewesen. Meinungsäußerung zukünftig nur noch qua grenzfaschistoider Facebook-Nötigung. Wirklich unglaublich erbärmlich.

  11. Sano Cestnik on August 20th, 2011 at 15:51

    Finde mich inzwischen (auch dank deiner Erklärungen) ganz gut in deinem STB zurecht, denke aber, dass eine einführende Legende/Erklärung ganz oben für 99.9% der Besucher sieser Seite äußerst hiflreich wäre. 😉

    Ansonsten schau ich mir heute vielleicht noch Lynchs LADY BLUE SHANGHAI an. Danke für den Link! 🙂

  12. Mr. Vincent Vega on August 28th, 2011 at 15:30

    Super Kommentare, lese ich immer wieder gern!

    Anmerkung:

    Von den materialfetischistischen Hommagen und Destillaten à la Cattet/Forzani, Ti West oder Tarantino unterscheiden sich NUNS, HOBO und MACHETE schon einmal grundsätzlich durch ihre digitale Optik.

    ? Digitaler als Ti West geht’s doch gar nicht mehr (TRIGGER MAN, HOUSE OF THE DEVIL, THE INNKEEPERS) ?

  13. Andreas on August 28th, 2011 at 18:19

    Da scheinst du was durcheinander zu bringen. Kenne zwar bislang nur HOUSE OF THE DEVIL, aber dort ist der grobkörnige 16mm-Look (genauer: Super16) ja sehr markant und augenfällig, wie du ja selbst in deinem Manifest-DVD-Review auch betonst. 😉 Und was eben auch die damalige miserable FFF-Digitalprojektion des Films umso ärgerlicher machte. Laut Imdb hat Ti West sogar THE ROOST und CABIN FEVER 2 auf Film gedreht, scheint also ganz klar seine Präferenz zu sein. Auch THE INNKEEPERS scheint auf 35mm gedreht zu sein (siehe z.B. hier). Verstehe aber wiederum beim besten Willen nicht, warum jemand, der offensichtlich keine Kosten und Mühen scheut um weiterhin auf Film drehen zu können, gleichzeitig scheinbar keinen Wert darauf legt, dass seine Werke auch als Filmkopien gezeigt werden. Die sind scheinbar überall (inkl. FFF) nur digital zu sehen, und das Kostenargument zieht da bei ein oder zwei Festivalkopien (die im Vergleich zu den Dreh-Mehrkosten kaum ins Gewicht fallen) wirklich nicht. Das ist schon enorm schade. Leider sind da wenige so radikal und puristisch wie z.B. dieser User (der Thread dort zeigt auch gut, dass der Filmeindruck dann halt doch ein Stück weit verfälschend ist, und deine Anmerkung legt das ja auch ein wenig nahe). Ich selbst dann – leider oder zum Glück – auch nicht, weil ich dann in der Hoffnung auf diesmal (im Gegensatz zu HOUSE) zumindest akzeptable Qualität wohl doch nicht widerstehen kann, mir INNKEEPERS beim FFF anzusehen… Zumal er offenbar ohnehin nirgends in anderer Form zu sehen sein wird. Aber das unterscheidet Ti West dann zugegebenermaßen doch nochmal ganz klar von einem geradezu besessenen Materialfetischisten wie Tarantino, der bei INGLOURIOUS BASTERDS offenbar sogar durchsetzen konnte, dass der Film selbst in Digitalhochburgen wie England nur analog gezeigt wurde, jedenfalls ist mir keine einzige Digitalprojektion des Films bekannt…

    (Sorry für soviel Nerd-Talk, mir geht’s da auch gar nicht um Digital-Bashing, sondern erstmal nur um eine möglichst werktreue Aufführungspraxis. Gegen Digitalprojektionen von digital gedrehten Filmen habe ich wiederum gar nichts, im Gegenteil. Und „Mischformen“ können auch ihre Reize haben, aber oft geht dabei halt auch einiges verloren.)

  14. Mr. Vincent Vega on August 28th, 2011 at 18:40

    Oh, ich hätte schwören können THE INNKEEPERS sei digital gedreht (da hat mir dann wohl die Projektion einen Streich gespielt). Bei HOTD spielte ich eben genau auf die damalige FFF-Vorführung an, der ich Gott sei Dank nicht beiwohnte, von der ich aber weiß, dass sie Dich leider die Ultrakunstrezeption dieses Meisterwerks gekostet hat. Vielleicht habe ich West auch unter digital verbucht, weil sein „Dunstkreis“ (v.a. Joe Swanberg) so viel digital dreht. Nichtsdestotrotz würde ich West niemals als „Materialfetischisten“ bezeichnen (wie ja eben auch sein – mutmaßliches – Desinteresse an den Projektionen zeigt).

  15. Andreas on August 29th, 2011 at 13:23

    Trotz allen Widrigkeiten mochte ich den Film seinerzeit durchaus, mit Abstraktionsvermögen und Gewöhnung geht sowas meist doch ein Stück weit (Sano hat es wohl etwas härter getroffen) und nicht umsonst bin ich ja so gespannt auf INNKEEPERS, aber wenn man nur eine ramponierte Ruine sieht, kann man sich halt trotzdem letztlich keine erblühende Pracht herbei fantasieren, damit würde man letztlich auch alle künstlerischen Bemühungen und die konkrete ästhetische Gestalt des Werks geradezu verhöhnen. HOUSE kriegt schon irgendwann noch seinen zweiten Durchgang.

    Was den digital drehenden „Dunstkreis“ angeht, hast du natürlich recht, was West aber dann ja umso mehr schon ein Stück weit zum „Materialfetischisten“ (natürlich sowieso ein halb-ironischer und liebevoll-ulkender Begriff ;)) macht, siehe auch das Zitat im Link aus meinem letzten Kommentar: „One of the things that led into making this movie and led to Ti’s interest in this film was shooting on 35MM film. He believes in its kind of organic feel and texture. HOTD was shot on Super 16 and you can really tell – there’s some grain and this organic element is present. We live in a world where it’s so easy to go a digital route but we pushed to shoot 35MM.“ Das spricht (zusammen mit dem Umstand, dass er bislang wohl tatsächlich ausschließlich auf Film gedreht hat) schon dafür, dass ihm das offenbar durchaus sehr wichtig ist. Ein bisschen halbherzig ist es trotzdem, da sind Leute wie Kubrick, Tarantino oder jüngst Malick mit seinen Vorführanweisungen halt nochmal anders drauf, denen eben nicht nur der Dreh wichtig ist, sondern auch die Präsentation. Was nützt all der Aufwand, wenn das Publikum letztlich (q.e.d.) von der angestrebten Bildcharakteristik kaum noch etwas sieht? Das bleibt selbstverständlich nur ein Aspekt des Films (den ich ja eh noch nicht gesehen habe und kann auch sein, dass mich dieser Aspekt im Endeffekt bei dem Film ohnehin kaum tangieren wird), den ich hier nur so über Gebühr betone, weil er sonst oft so völlig ignoriert wird, was ich durchaus für ein Symptom einer grundsätzlichen Geringschätzung gegenüber dem Kino halte, wie er in anderen Kunstformen teils undenkbar wäre. Bert Rebhandl hat das kürzlich in Bezug auf die ignorante Filmhistorienverachtung des Babylon Berlin hier im letzten Absatz ganz wunderbar auf den Punkt gebracht. (Das richtet sich jetzt natürlich nicht direkt an dich, ich wollte es nur allgemein in diesem Kontext loswerden, weil man sonst meine Haltung zu dem Thema wohl auch schnell missverstehen kann.)

  16. Mr. Vincent Vega on August 29th, 2011 at 16:16

    (zusammen mit dem Umstand, dass er bislang wohl tatsächlich ausschließlich auf Film gedreht hat)

    TRIGGER MAN ist digital gedreht (glaube mit einem HD-DV-Camcorder). Ansonsten stimme ich Dir vollkommen zu.

    Die DCP-Projektion von INNKEEPERS in Berlin war jedenfalls top notch, da brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Film ist natürlich auch mega, aber das war ja nun keine Überraschung. 😀

  17. Mr. Vincent Vega on August 29th, 2011 at 16:17

    Jo, und da fehlt nun definitiv ein Html-Zeichen.^^

    Ihr braucht eine edit-Funktion!

  18. Sano Cestnik on August 29th, 2011 at 19:16

    EDIT gibts. Aber nur für uns. 😉

  19. Andreas on August 31st, 2011 at 02:23

    @Rajko
    Über TRIGGER MAN hatte ich auf die Schnelle nichts gefunden, das scheint dann wohl bislang die Ausnahme von der Regel gewesen zu sein. Das mit der Projektion beruhigt, schlechter als bei HOUSE wäre aber so oder so kaum möglich gewesen. Der Rest wird sich zeigen.
    Und Edit-Funktion gibt’s bei dir doch auch nicht. Okay, dafür aber eine Vorschau-Option, was zugegeben eine sinnvolle Sache wäre. Müssen wir mal schauen, ob sich da was machen lässt.

    @Sano
    LOL. Was für ein bizarrer „Ätschibätsch“-Kommentar… 😀
    Zu deinem Kommentar Nr. 11, der irgendwie meinerseits untergegangen ist: das wäre vielleicht wirklich nicht verkehrt, oder ich verlinke einfach auf Kommentar Nr. 8, der gewissermaßen ja auch eine (wenn auch wohl etwas umständliche) Legende und Erklärung ist. Überlege ich mir mal.
    Hast du den Lynch dann eigentlich gesehen?

  20. Sano Cestnik on September 3rd, 2011 at 00:49

    Lol. Das mit der Edit-Funktion war natürlich so gemeint, dass zumindest wir dann ab und an über die Kommentare wachen, und Dinge (auch nach den Wünschen der Kommentierenden) noch nachträglich ändern können. Aber zumindest eine zeitweilige EDIT-Funktion (à la „bis 30 Minuten nach Veröffentlichung“) wäre sicherlich sinnvoll. Wie vieles hier: mal schauen, was sich mit der zeit machen lässt. 😉

    Zu Lynch: leider kam dann wie immer doch noch irgendwas dazwischen. Argh! Aber es wird sicher. Irgendwann. 😉

  21. Andreas on September 3rd, 2011 at 00:55

    Hab ich schon vermutet, mich aber dann absichtlich für die witzigere Auslegung des Kommentars entschieden… 😀

    Edit-Funktion gibt’s z.B. bei blogger.de, das ist dann doch einer der Vorteile des Umstandes, dass man sich dort zum Kommentieren anmelden muss. Ist technisch aber vermutlich wirklich nur in Verbindung mit einer Anmeldung/Account umsetzbar, und das wäre m.E. ein zu hoher Preis. Bin bekanntlich ein großer Anhänger der hürdelosen Kommentarfunktion (und hab mich bis vor kurzem auch jahrelang gegen eine Anmeldung bei blogger.de gesträubt, dieser ganze Account-Overkill überall nervt einfach nur). Aber zumindest die Vorschau-Option wäre vielleicht möglich und sicher sinnvoll.

  22. Mr. Vincent Vega on September 3rd, 2011 at 01:06

    Man muss sich nicht bei Blogger anmelden, um kommentieren zu können.

    Schön wär’s… dann hätte ich keine anonymen Trolle mehr bei mir. Deshalb habe ich bei mir die Kommentarmoderation aktiviert.

  23. Andreas on September 3rd, 2011 at 01:18

    Du bist doch gar nicht bei blogger.de, sondern blogspot.com, wenn mich nicht alles täuscht?! Blogger scheint wohl wirklich das einzige System mit Anmeldung zu sein, aber hat so oder so beides seine Vor- und Nachteile… als Kommentator ist es einem natürlich ohne Anmeldung lieber, als „Hausherr“ eben nicht unbedingt… Trolle und Spam können ab einem gewissen Ausmaß natürlich wirklich zu einem echten Problem werden (zumindest von letzterem sind wir leider auch nicht verschont)…

  24. Mr. Vincent Vega on September 3rd, 2011 at 01:20

    Nein, ich bin bei Blogger.com, deshalb war ich verwirrt. Wer kennt denn schon Blogger.de? Nie gehört.

    WordPress ist schon definitiv das Beste.

  25. Andreas on September 3rd, 2011 at 01:23

    Ok, war durch das „blogspot“ in deiner Blogadresse jetzt wiederum auch verwirrt. Bei blogger.de sind zumindest der Schwanenmeister und das Filmtagebuch von Thomas Groh, das sind jetzt aber eigentlich auch mehr oder weniger die einzigen, die ich kenne… Achja, und die Hypnosemaschinen fallen mir noch ein… Alles in allem aber in der Tat nicht übermäßig verbreitet bei Filmblogs…

  26. Mr. Vincent Vega on September 3rd, 2011 at 01:25

    Abgefahren!

  27. Mr. Vincent Vega on Oktober 4th, 2011 at 12:08

    Wieso ist hier immer so unglaublich tote Hose? Schreib doch mal mehr über Deine zuletzt gesichteten Filme, wozu hast Du ein Sehtagebuch!

  28. Andreas on Oktober 5th, 2011 at 03:17

    Die Gründe sind so simpel wie reichlich trübsinnig: Faulheit, Verpeiltheit, Motivationslosigkeit, Prokrastination im absoluten Endstadium, irregeleiteter Nebensächlichkeiten-Perfektionismus. Um nur mal einige zu nennen…

    Tja, das ist in der Tat schon ziemlich trist, auch was die anderen STBs abgesehen von Christoph und Alex S. angeht. Hab dein Nachhaken jetzt aber zumindest zum Anlass genommen, endlich ein paar ohnehin schon länger rumliegende Kurzkommentare zu älteren Filmen online zu stellen. Mit dem Update der aktuellen Filme warte ich aus Selbstschutz (wegen anderweitiger Verpflichtungen, die von eingangs genannten Faktoren dummerweise genauso, wenn nicht weitaus mehr betroffen sind) aber bis Mitte Oktober, also vermutlich Ende nächster Woche, weil das aus den (meist) dämlichsten Gründen leider immer viel mehr Zeit frisst, als man annehmen würde. Immerhin gibt’s jetzt ganz oben eine Anzeige des letzten Update-Datums, das erspart dann zumindest sinnloses Rumscrollen. 🙂

  29. Mr. Vincent Vega on Oktober 5th, 2011 at 15:57

    Zumindest eine reine Auflistung an Filmen inkl. Wertung dürfte wohl nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen. Und das wäre besser als nichts. 😉

  30. Andreas on Oktober 6th, 2011 at 03:36

    Die älteren Filme bewerte ich tendenziöserweise ja ohnehin nicht. Und zu einigen der in den letzten Wochen gesehenen aktuellen Filme wollte ich zumindest ein paar wenige Zeilen schreiben. Jetzt aber zuerst die Filme aufzulisten, und später noch versprengte Anmerkungen einzufügen, ist irgendwie auch witzlos. Das mache ich lieber in einem Aufwasch. Dass es in meinem STB immer schubweise und mit größeren Pausen dazwischen zur Sache geht, daran muss man sich wohl leider gewöhnen. Zur Überbrückung gibt’s ja jetzt eben auch erstmal die diesmal gar nicht mal so kurzen Kommentare zu ein paar älteren Filmen.

  31. Paul on November 29th, 2011 at 17:42

    Ich weiß, dass du es auch schwer hast, mehr zu schreiben 😉 aber gibt es Gründe, warum dich Tournee nicht so ganz überzeugt hat?

  32. Sano on Dezember 15th, 2011 at 13:34

    Ok, ich bin beruhigt. Ich fand „Underwater Love“ nämlich nach großartigem Eindruck innerhalb der ersten 15 Minuten (ein potentieller Lieblingsfilm des Jahres) dann eben immer schlechter und unsäglicher, und im Endeffekt nur noch sehr trist. Wie heißt es bei uns: beaze und treaze haben den Film und ihre Macher leider eingeholt.

  33. Alexander S. on Dezember 22nd, 2011 at 14:08

    Cronenberg goes Straub/Huillet

    Das ist das Interessanteste, was ich bisher über A DANGEROUS METHOD gehört habe, obwohl es auch ein wenig abschreckend klingt. Jetzt werde ich mir den wohl doch noch anschauen. Faszinierend auch deine gegenüber Rajko diametrale Rezeption dieses Films sowie von DIE HAUT IN DER ICH WOHNE.
    Obwohl ich auch nicht Rajkos Begeisterung teile, würde ich den allerdings gegen einigige deiner zuschreibungen in Schutz nehmen wollen: aseptisch schien er mir nie, ebenso wenig wie als bloße Stilübung, ich hatte schon das Gefühl das Almodovar seine Figuren ernst nimmt. Die Art und Weise, wie er den Themenkomplex Haut/ Körper/ (Geschlechts-)Identität/ Sexualität/ Kleidung/ Verletzlichkeit durchdekliniert ist ihrem motivischen Enzyklopädismus durchaus (wie Rajko schreibt) Cronenbergs Meisterwerken vergleichbar. Leider ohne allerdings je auch nur annähernd einen vergleichbar abgründigen Sog zu entwickeln oder eine andersgeartetet aber ähnlich starke Fasziantion auf mich auszuüben. Ich kann also durchaus verstehen, dass du dir hier mehr „Schmuddeligkeit“ gewünscht hättest, oder zumindest eine sprödere, rissigere, vernarbtere Filmhaut als diese schicke visuelle Glätte, die ich durchaus auch als solche empfunden habe und somit auf die negative Waagschale werfen würde.
    Ein letztes Wort oder eher ein unverständnisvolles Schnaufen: LE HAVRE auch bei Zweitsichtung noch 8/10??? Davon mal abgesehen, dass ich wahrlich keine Zweitsichtung dieses Seelentrösters herbeisehne, schieße ich nicht aus, dass er bei mir dann ein oder zwei Punte gewinnen könnte, und somit eine 4/10 bekäme, aber maximal. Wie das unter Cinemenschen wohl so ist, hat jeder eben seine bestimmte Art von Arthouse, die er einigermaßen unerträglich findet. 😉

  34. Settembrini on Dezember 22nd, 2011 at 20:50

    @Alex: Ich kann jetzt weder zum aktuellen Cronenberg, nach zu Almodovar oder Kaurismäki etwas sagen, weil ich keinen der drei gesehen habe, melde mich aber hier kurz zu Wort, weil ich dem schönen Satz

    „Wie das unter Cinemenschen wohl so ist, hat jeder eben seine bestimmte Art von Arthouse, die er einigermaßen unerträglich findet.“

    unbedingt zustimmen möchte. Bei mir wäre da etwa DER HIMMEL ÜBER BERLIN zu nennen, ein Film, bei dem ich schon nach wenigen Minuten in Versuchung war, abzubrechen; ich habe ihn dann zwar zu Ende gesehen, aber besser fand ich den Rest auch nicht. Das ist dann die Sorte Arthouse, die ich gräßlich finde (TheCritic hat den mal bei kino.de als „banales Poesiegespreize“ bezeichnet und mir damit aus der Seele gesprochen…).

  35. Marco Siedelmann on Dezember 26th, 2011 at 17:38

    Film ist nicht alles, darf aber trotzdem alles.

  36. Andreas on Januar 8th, 2012 at 04:45

    Sorry für die späte Reaktion, wieder mal ein besonders trübes Beispiel für die ungebrochen dominierende Prokrastination… 🙁

    @Paul
    Mochte TOURNEE schon ziemlich gern, und gerade im Nachhinein überwiegen die positiven Seiten merklich. Gerade die erste halbe Stunde und dann auch wieder gegen Ende fand ich den Film sogar recht großartig, aber er verliert dann leider streckenweise ein wenig von seiner mitreißenden Dichte, wenn sich der Fokus von der Tournee-Truppe zwischenzeitlich eher auf die privaten Hintergründe der managenden Almaric-Figur verschiebt, was dem Film m.E. kaum wirkliche Impulse gibt.

    @Alex
    Diese Assoziation ist mir tatsächlich anderweitig auch noch nirgends begegnet, obwohl sie mir zumindest in manchen Momenten recht naheliegend schien, auch wenn ich ja nun auch kein großer Straub/Huillet-Experte bin. Sollte was dran sein, würde das aber wiederum wohl zumindest ein Stück weit die noch viel euphorischere Reaktion der Ferroni Brigade (ihres Zeichen ergebene Straub/Huillet-Fans) auf den Cronenberg erklären 😉
    Zum Almodovar: bei glatt sind wir uns einig, bei aseptisch lasse ich vielleicht noch mit mir reden, trotz allem Grading und luftdichter Bildverstöpselung. Ändert wenig an dem Grundproblem, das zwangsläufig auftritt, wenn ein derart auf seine visuelle Oberfläche fixierter Film (wogegen ich erstmal gar nichts habe, ganz im Gegenteil) mich mit der Gestaltung eben jener Oberfläche eher anödet als anmacht… Da bringen mir dann auch die theoretisch sicher ganz spannenden diskursiven Ansätze nicht viel 🙁
    Und LE HAVRE war bei Erstsichtung tendenziell eher bei einer sehr guten 7/10, hat sich also sogar gesteigert 😉 Bei der ersten Sichtung hatten mich ein paar als solche empfundenen leicht forcierten skurrilen Anflüge etwas gestört, da gab’s aber auch immer wieder (wenn auch insgesamt im moderaten Bereich, kein Vergleich zu deiner Schilderung) ein paar unbedingt-lachen-Wollende im Publikum. Beim zweiten Mal gab’s angenehmerweise praktisch gar keine Lacher (sehr schlecht besuchte Vorstellung haben ihre Vorteile ;)), und prompt schien mir eigentlich gar nichts mehr forciert skurril, nicht einmal die Ananas-Szene, die eher lakonisch und stoisch beiläufig durchgezogen wird. Und auch billige Erbauung, Seelentrösterei und sonstige Unerquicklichkeiten konnte ich nicht ausmachen, mir scheint der Film einfach viel mehr (und m.E. sehr erfolgreich) an Form und Gestaltung als an Themen und Emotionalisierung interessiert zu sein, und obendrein auch ganz klar viel mehr an gealterten Verliererfiguren als an Flüchtlingskindern 🙂 Natürlich trotzdem durchaus nicht revolutionär neu, aber wenn bekannte Stücke dann so versiert und unbeirrt zusammen gesetzt werden, reicht mir das völlig.

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