Leichtherzig, aber nicht leichtfertig. So könnte man Hüseyin Tabaks Dramödie über ein junges Transmädchen, an dessen Lieblingskleid sich die Erwachsenenwelt weit über diese relative Harmlosigkeit hinaus entzündet, kurz und knapp zusammenfassen. Denn wenn nicht unerhebliche Teile der zeitgenössischen Kritik etwas vergessen haben, dann die Tatsache, dass der Film von Präsentation wie Werbung sogleich einen Salto rückwärts nimmt und die konkrete Ausgangslage gar nicht „Ich bin trans und deshalb ist mein Leben schlimm.“ lautet, sondern: Mein Vater ist alkoholabhängiger Polizist, hat Probleme mit seiner Maskulinität, darüber unsere Familie zerstört und nimmt mich in meiner Selbstfindung nicht ernst. Eine bisweilen bitter humoristische Zuspitzung, welche die aufrichtige Dramatik des Filmes durchweg auf sich treiben lassen wird und den schwarzen Peter sogleich gesellschaftlichen Bildern sowie insbesondere männlichen Wertvorstellungen zuspielt. Und eine sehr alltägliche zudem, vergleicht man sie mit dem übergeordneten Thema, welches in Deutschland nach wie vor wenig echte Erfahrung, dafür umso erbitterter geführte Diskussionen zutage fördert. Aus dieser Diskrepanz zwischen einer deutschen Alltäglichkeit und dem vermeintlich so Aufsehenerregenden heraus sowie ihrer beständigen narrativen Umkehr wie Verzerrung zum jeweils anderen Pol kann Florian David Fitz‘ weitsichtiges Drehbuch frei den Blick über das Wesentliche kreisen lassen, ohne Betroffenen joviale Mitleidigkeit oder übergriffige Pathologisierung mitzugeben. Weiterlesen…
Am Ende von „The Fabelmans“ lässt Steven Spielberg seinen Kameramann Janusz Kamiński bewusst einen Moment zu auffällig den Blick anheben und setzt den unmotiviert mittig herumdümpelnden Horizont damit ins rechte Licht. Zuvor hatten sich zwei andere Regisseure, nämlich David Lynch in der abgetragenen Haut John Fords, zu einer einzigen Weisheit über das Filmemachen hinreißen lassen: Befindet sich die Horizontlinie innerhalb des oberen oder unteren Drittels der Komposition, so ist ein Bild interessant. Unmissverständlich – das ist es also, jenes Happy End, welches wir uns zweieinhalb Stunden lang sehnlichst für Sammy Fabelman herbeigewünscht haben. Eine echte beiderseitige Traumerfüllung Hollywoodschen Zuschnitts. Rags to riches für den ewigen Underdog; sie kommen noch, doch der Pfad ist bereits geebnet. Wir wissen darum. Denn man kann diese Geschichte nicht vom Lebensweg ihres Schöpfers separieren. Kein veränderter Name, kein verschobenes biografisches Detail vermag diesen Bruch zu erzeugen. Er ist auch nicht vorgesehen, allein aus dieser personellen wie narrativen Glätte kann eine verschleiert-unverschleierte Autobiografie in all ihren Implikationen frei atmen, universell werden und einen sensorischen Bruch erzeugen, der ungleich tiefer verläuft. Weiterlesen…
Das Alter ist eine Strafe, für die man nichts getan hat.
(Großtante Franziska)
Kommt eine heiße Braut mit einem Opel Manta vorgefahren – sagt der Mantafahrer: „Oh Gott, mein Baby!“ So oder so ähnlich wohl könnte ein Mantawitz in Til Schweigers später Fortsetzung zu Wolfgangs Bülds soziokomödiantischem Klassiker „Manta Manta“ (1991) in auf der Leinwand ausgespielter Form erscheinen, wenn er den Impetus des anderen schlicht kopiert hätte. Stattdessen lässt Schweiger diesen zentralen Moment jenseits aller einer solchen Situation für Außenstehende von Natur aus inhärenten Komik völlig ernsthaft ausspielen, ist er doch im Kern um eine religiöse Göttinnenerscheinung gestrickt. Die Frage, ob es sich bei dieser um Jugendliebe Tina Ruland oder den ausgemotteten Jugendflitzer handelt, beantwortet ein Blick auf Schweigers Geburtsjahr, welches sich nie von seinem Bertie Katzbach separieren lässt. In einem gewissen Sinne ist man gemeinsam aufgewachsen. Eine Idee, aber auch eine Kontinuität in der exakten sozialen Reproduktion beider Filme, die Schweigers Rückkehr an die Quelle seines Durchbruchs zum tonangebenden deutschen Leinwandstar der letzten 30 Jahre von der ersten bis zur letzten Minute auf einer konstanten Reflektionsebene hält, die den zuletzt an den Kassen strauchelnden Regisseur wie Schauspieler und den abgehalfterten Werkstattbesitzer wie früheren Rennfahrer augenzwinkernd gleichsetzt. Weiterlesen…
Über Menschen, die nicht reden, und Zustände, die ihnen die Sprache nehmen, erzählt Til Schweiger so, wie man es allein nachempfindet. Visuell, unmittelbar und darin sublim. Bei just jenem berühmten Tritt zu zweit über die Türschwelle des baufälligen Landhauses, welches die Zukunft von Lena (Franziska Machens), Kurt (Til Schweiger) sowie dessen gleichnamigen, tageweise bleibenden Erstklässler aus voriger Ehe beherbergen soll, erhaschen wir jeweils einen getrennten Blick durch die Pforte auf beide. Sie links vor der Türe, er rechts; weiter links, weiter rechts daneben je eine Dopplung – die persönliche Spiegelung im Glase des Rahmens. Man könnte sagen, sie haben einen neben sich gehen – den größten Vertrauten, den intimsten Feind. Sich selbst. Näher auf die Pelle rücken wird zweiterer Kurt, denn kaum einmal zwischen Erzeuger wie Erzeugerin hin- und hergetauscht, verstirbt sein kleiner Namensvetter in einem fast dem freien Willen spottend unwahrscheinlichen Unfall auf dem schulischen Klettergerüst. Lena hingegen fällt ersterer Wiedergänger zu, sie bleibt in trauter Zweisamkeit allein zurück. Die Prämisse von Sarah Kuttners Bestseller „Kurt“ sowie Vanessa Walders und Til Schweigers Destillat daraus ist simpel – nicht jeder kennt sie aus erster Hand, doch alle fürchten sie: Was, wenn man das Kind überlebt? Weiterlesen…
Seht ihr den Mond dort stehen?Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
(Matthias Claudius – Der Mond ist aufgegangen)
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O what can you give me?
Say the sad bells of Rhymney.Is there hope for the future?
Cry the brown bells of Merthyr.
Who made the mineowner?
Say the black bells of Rhondda.
And who robbed the miner?
Cry the grim bells of Blaina.
(Idris Davies – Gwalia Deserta XV)
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„Buddies“ – the cinematic swan song of noted gay pornographer Arthur J. Bressan Jr. – is a highly unusual film, less as a result of the obvious expectations evoked by a small scale and utterly devoid of explicit sex chamber piece between just two characters of importance, more because of its striking insistence to structure a visual narrative entirely around its main character’s chosen profession. David Bennett (David Schachter) is a timid young typesetter through a voluntary programme assigned as buddy to formerly outspoken gay rights activist Robert Willow (Geoff Edholm), a man inescapably and quite miserably dying from AIDS in the dull confines of his hospital bed. Both men slowly grow accustomed to each other, share sometimes heated, sometimes aperitive discourses on coming out, the pitfalls of publishing ardently anti-gay voices‘ epistles first, then a good laugh watching old holiday videos and lastly the scant intimate moments their surroundings and Robert’s illness permit. Hardly a minute of film is lacking either man’s presence and yet almost everything we see stems directly from the eyes of David, or rather his hands – for they create what we absorb. Stories of last breaths sighed in the shadows, of individuals turned into mere numbers by the frightening grip of a cold, non-selective pandemic defying any try at emotional apprehension. Weiterlesen…
Als einer hinter seiner nüchternen – mit dem Auge auf Regisseur Eastwood, sein Alter, seinen Hintergrund als Filmemacher würde mancher sicherlich eher zu dem verschämten Lobwort „klassisch“ tendieren – Fassade eventuell filmarchitektonisch ausgeklügeltster Film des vergangenen Jahres gibt „The Mule“ schon mit seiner zeitlich versetzten Einleitung den Takt vor für das, was ihn in den kommenden so gut wie zwei Stunden antreiben wird: Eine Dekonstruktion fast des gemeinhin mit visueller Opulenz assoziierten Scopeformates, spezifischer jedoch dessen, was zwischen den dazugehörigen Kaschierungen der Leinwand so gerne verhandelt wird. Träume, Freiheit, insbesondere auch räumlich gedachte Sehnsüchte. Die Weite des so oft in diesem Seitenverhältnis sortierten amerikanischen Westens, sie ist schlicht und speziell in Erwartung des zu Beginn von zartesten Auslösereizen angetäuschten Vorstadtcowboyaufrührertums aus dem letzten „großen Abgesang“ des Eastwoodschen Werkes – „Gran Torino“ (2008) – nicht hier. Aneinandergereiht an ihrer statt: Unzählige Möglichkeiten der baulichen Obstruktion. Sich von dem anziehenden Rechteck des Bartresens, an dem Earl Stone (Eastwood) der Tochters Hochzeit auslassend versumpft, wegbewegend zu den in indirekter fotografischer Analogie vertraut wirkenden Flachbauten ein jeder amerikanischen Vorstadthölle, zwischen denen nun die Enkeltochter zwölf Jahre später ihr Hochzeitsbesäufnis begehen darf. Weiterlesen…